250. Todestag von Madame de Pompadour:Subtil bis zum Schluss als Zentrum des französischen Hofes

Als nach nur sieben Monaten seit der ersten Begegnung, am 14. September 1745 Jeanne-Antoinette de Pompadour offiziell bei Hofe vorgestellt und als neue „maîtresse en titre“ eingeführt wurde, bewegte sie sich bei diesem Akt zwar so formvollendet und gekonnt, als ob sie schon immer in „ce pays-ci“ gelebt hätte, doch dass sie sich Zeit ihres Lebens als fester Bestandteil im Leben des Bourbonenkönigs etablieren sollte, ahnte wohl niemand. Die bürgerliche Schönheit entwickelte eine unglaubliche Fähigkeit, Ludwig XV. zu besänftigen und zu zerstreuen und konnte somit mehr und mehr Einfluss auf ihn und letztendlich sogar dessen Staatsangelegenheiten ausüben. Obwohl einer Unzahl von Gerüchten, Intrigen und Hetzkampagnen von Seiten der Hofgesellschaft sowie des Dauphins, des Adels, ausgesetzt, die diesen Skandal am Hofe so schnell wie möglich ad acta legen wollten, konnte sie sich 19 Jahre bis zu ihrem Tode am 15. April 1764, der sich in diesem Jahr zum 250. Mal jährt, an der Seite des französischen Königs halten.

„Bis heute sind die Meinungen über Madame de Pompadour geteilt. War sie eine machtgierige, berechnende Frau, die den willensschwachen König beherrschte und mit ihrer Verschwendungssucht den französischen Staat in den Ruin trieb? War sie eine gebildete, aufgeklärte Frau, die geschickt in die europäische Politik eingriff, welche die französische Wirtschaft ankurbelte und die schönen Künste förderte?“, fragt sich die Autorin. Andreas Weisbrod, die Geschichte und Kunstgeschichte studierte, mit einer Doktorarbeit zu Madame de Pompadour und der politischen Rolle offizieller Mätressen im 18. Jahrhundert ihr Studium abschloss und fortan in Paris lebt und tätig ist, versucht in ihrem Buch, die laut Ludwig XV. „reizendste Frau, die es in Frankreich gibt“ anhand ihrer neun wichtigsten Porträts zu analysieren. Denn gerade die Inszenierung ihrer Person entwickelte die Mätresse en detail.

In deren Ergebnis vermittelt die Autorin dem Leser nicht nur einen großartigen Eindruck der damaligen Zeit, sondern jedes einzelne Bild, das zudem in ausgezeichneter Qualität abgedruckt ist, erzählt eine ganz eigene, vielfältige Geschichte, die der schillernden, intelligenten und äußerst kultivierten Persönlichkeit, die die Pompadour unzweifelhaft war, ein neue Facette hinzufügt. Nun könnte man meinen, dass die Analyse eines Bildes kaum etwas Genaueres über Verhältnisse oder Eigenschaften der abgebildeten Person wiedergeben kann. Doch der Stellenwert des Porträts in den Machtgefügen des 18. Jahrhunderts ist für Herrschende und vor allem den König derart enorm, dass es beinahe als seine eigentliche Daseinsform angesehen werden kann, wie es der Historiker Louis Marin formulierte.

Von der blühenden, jugendlichen, den König leidenschaftlich betörenden Schönheit auf dem ersten Abbild von 1750, über die „heimliche Ehefrau“ aus dem Jahr 1758 (beide wie auch noch vier weitere von ihrem „Haus- und Hofmaler“ François Boucher), bis hin zur weisen, die Fäden – wenn auch nur symbolisch – immer noch in der Hand habenden und knüpfenden engen Freundin des Monarchen aus dem Jahr 1764 von François-Hubert Drouais, dessen Veröffentlich die Pompadour nicht mehr erlebte, tragen die jeweiligen Maler mit ihren Kompositionen diversen Aussagen der von ihr Porträtierten Rechnung. Diesen und dem Lebensweg Madame de Pompadours folgt Andrea Weisbrod kompetent, objektiv und sachkundig. Sie analysiert, recherchiert, leitet ab und folgert aus noch so kleinsten, mitunter jedoch maßgeblichen Details. Dabei sind ihre Abhandlungen keineswegs trocken und schwer verdaulich, sondern die Autorin pflegt einen überaus charmanten und gut lesbaren, ja faszinierend spielerischen Ton, der trotzdem nie ins Seichte abgleitet oder gar Spekulationen bemüht. Natürlich bietet sich auch bei ihr ein großer Vermutungsspielraum, denn belegbare Quellen gibt es, wenn überhaupt, kaum verlässliche. Dennoch nimmt sie den Leser dieses Buches auf eine atemberaubende Reise ins vorrevolutionäre Frankreich mit und zeichnet in ihrem Abbild Nummer Zehn, wie ich dieses wunderbare Buch bezeichnen möchte, ein äußerst stimmiges Gesamtbild einer der imposantesten Frauengestalten des 18. Jahrhunderts und deren Reigen wechselnder Selbstdarstellungen.

Andrea Weisbrod
Madame de Pompadour
und die Macht der Inszenierung
Aviva Verlag (März 2014)
207 Seiten, Gebunden
ISBN-10: 3932338618
ISBN-13: 978-3932338618
Preis: 19,90 EUR

Über Heike Geilen 597 Artikel
Heike Geilen, geboren 1963, studierte Bauingenieurswesen an der Technischen Universität Cottbus. Sie arbeitet als freie Autorin und Rezensentin für verschiedene Literaturportale. Von ihr ist eine Vielzahl von Rezensionen zu unterschiedlichsten Themen im Internet zu finden.

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