Aber die Richtige, wenn`s eine gibt – Das Opernfestspielpublikum jubelt Anja Harteros als neuer Münchner „Arabella“ zu

Wenn`s einen Richtigen gibt für die schöne Arabella, die verwöhnte Tochter des schuldig verarmten Wiener Rittmeisters a. D. und Grafen Waldner, dann ist`s einer, der sie anschaun wird (und sie ihn), „und keine Zweifel werden sein und keine Fragen …“ Fraglos und zweifelsfrei hat Intendant Nikolaus Bachler in der bei ihm längst wohlerprobten Ausnahme-Sopranistin die Richtige gefunden, eine, die Richard Strauss` und dessen Librettisten Hugo von Hofmannsthals Ansprüchen an ihre Traumfrau „Arabella“ voll entspricht. Anja Harteros, musste die neue Münchner Arabella sein, und sie ist wohl derzeit die Idealbesetzung dieser Partie, die ihren Münchner Vorgängerinnen Lisa Della Casa, Julia Varady und Lucia Popp in nichts nachsteht: Aussehen, Air, Attitüde Absolutheit einer strahlenden, tragfähigen, seidigen Sopranstimme sind der Halbgriechin aus Bergneustadt neidlos eigen. Ihr die passenden Rollen zu geben, muss Bachler stets bestrebt sein – wie im Parallelfall Jonas Kaufmann, mit dem die Harteros das Münchner Opern-Traumpaar abgibt.
Nun hat Kaufmann in der „Arabella“ nichts zu suchen – es sei denn, er gäbe sich mit der Partie des Matteo zufrieden. Für den jungen Offizier wäre Arabella die Richtige, doch umgekehrt ist das nicht der Fall, denn ihr Herz spricht diesmal für keinen Tenor, sondern für einen Bariton: Mandryka, den „halben Bauern“ aus der Walachei, der den mittellosen Waldners via Arabella-Heirat aus der Patsche helfen soll. Ein Pracke-Kerl (wie vor ihm schon Wolfgang Brendel, Bernd Weikl oder Dietrich Frischer-Dieskau) ist dieser Thomas J. Mayer, versehen mit ein dunklem Timbre, das sich gar in Wotan-Höhen aufwerfen kann. Locken zieren sein Haupt, in Wollwams und Lederstiefeln kommt dieser „Richtige“ daher, von Bodyguards begleitet. Von dem Bildnis Arabellas angetan, das ihr Vater dem vermeintlich noch lebenden Regimentskameraden per Brief sandte, kommt dessen Neffe in die Kaiserstadt Wien. Bis die zwei (nicht mehr ganz so jungen) Leute sich kriegen, ist viel Unnützes und Verwaschenes in diese platt ausgewalzte G`schicht` geraten – eigentlich mehr eine Operette als eine Oper.
Dass es zum Operchen aber bei Münchens erster Opernfestspiel-Nationaltheater-Premiere nicht kam, mag am Wunder-Dirigenten Philippe Jordan liegen. Er gewinnt das Bayerische Staatsorchester als willigen und bestens für Strauss`sche Bögen und Faschingslustbarkeiten aufgelegten Partner, der es flirren und glitzern und auch herrlich dreinschlagen ließ an diesem Abend, bei dem sich die „Lyrische Komödie“, die ihre Autoren ins Jahr 1860 legten, ganz und gar nicht spätbiedermeierlich-bequem, sondern aufregend-morbid-dekadent ausnimmt. Regisseur Andreas Dresen kommt vom Film. Ihm gelang, mit Mathias Fischer-Dieskaus breiter weißer Treppe samt Ausnützung der Drehbühne im letzten Akt und einer leider wenig passenden Hotel-Suite im 1. Akt ein Zwischenkriegs-Arrangement, mit dem man – die fade G`schicht` mit ihren Verzögerungen und eher bremsenden als vorwärts treibenden Handlung in Kauf nehmend – gut leben kann.
Wer schaut schon hinter die fatale Sache mit der als Bub ausgegebenen kleinen Arabella-Schwester Zdenka? Is` ja wurscht: Hanna-Elisabeth Müller füllt diese Hosenrolle so umwerfend in Darstellung und brillantem Gesang aus, dass es eine wahre Freude ist, ihr im Solo oder schwesterlichen Duettzuzuhören. Doris Soffel und Kurt Rydl liefern komödiantisch „geil“ ein verarmtes adeliges Elternpaar par excellence ab, der Matteo des ambitionierten Joseph Kaiser lässt sich eher sehen als hören, die Fiaker-Milli gerät der Dänin Eir Indergaug flittchenhaft neckisch, und Dean Powers Graf Elemer ist sowieso zu blass für einen Galan mit Heiratsaussicht. – – – Ach ja, der Gag, der selbst dem Boulevard gefallen muss: Das am End` erbetene frische Glas Wasser kippt Arabella-Harteros nicht einfach sohinunter, sondern dem auf sie scharfen Mandryka am steilen Weg zum Liebesnest unversehens ins Gesicht. Der Einfall stammt nicht vom Regisseur, sondern vom gefeierten Protagonisten-Paar dieser vom Publikum sehr herzlich aufgenommenen Neuproduktion.

Foto: Anja Harteros (von H. Gärtner)

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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