Bei der Italienwahl hat Europa versagt

Flagge Italien und USA, Foto: Stefan Groß

„Der katastrophale Wahlausgang in Italien hat nicht nur eine Ursache. Aber Deutschland trägt als größte europäische Volkswirtschaft mit entsprechend großem politischen Einfluss in Europa Mitverantwortung für dieses Ergebnis. Die wirtschaftliche Erholung erreicht viele Menschen in Europa nicht mehr, und in Italien, das zudem viele hausgemachte Probleme hat, war sie ohnehin zu schwach. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der sozialen Krise in Italien und dem erheblichen Rückstand in der Digitalisierung, schlecht ausgestatteten Schulen und veralteter Infrastruktur in Deutschland. Das ist die einseitige Sparpolitik, der Fetisch der Austerität. Dass allein die EZB gegenzusteuern versucht und dabei nolens volens neue Risiken entstehen, ist auch eine Folge viel zu wenig bedachter systemischer Zusammenhänge und einer insgesamt nicht ausreichend koordinierten Wirtschaftspolitik.

Hinzu kommt die Migrationskrise, die die Europäer insgesamt nicht gut bewältigt haben. An ihrem Anfang, lange vor dem Kontrollverlust des Sommers 2015, zeigte Deutschland zu wenig Solidarität mit Partnern wie Italien. Wir verschanzten uns in Berlin hinter den Dublin-Regeln. Heute klagen wir über die unsolidarischen Mittel-Osteuropäer, und der Streit um die Flüchtlingsverteilung belastet alle europäischen Politiken, spaltet Europa.

In Italien hat die unkontrollierte Migration bei vielen Menschen Ängste ausgelöst und die ohnehin schwelende soziale Krise des Landes verschärft. Und italienisches Staatsversagen im Kampf gegen die Mafia kommt hinzu, mit fatalen Folgen nicht nur für Wirtschaft und Gesellschaft, sondern gerade in der Flüchtlingspolitik. Spätestens mit den Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag ist die soziale Krise zu einer politischen geworden, nicht nur in Italien, sondern für ganz Europa.

Natürlich ist vor allem die italienische Politik selbst in der Verantwortung. Aber wir machen es uns zu einfach, wenn wir die Ursachen für die eingetretene Lage nur in Italien suchen, zumal die Entwicklung in der Tendenz eine gesamteuropäische ist.

Die Zeit der Nabelschau sollte in Europa endgültig vorbei sein, sonst ist es bald mit Europa vorbei. In einer Währungsunion kann es, wenn sie Bestand haben soll, nicht nur Aufgabe der Italiener sein, ihre „Hausaufgaben“ zu machen. Die neue Bundesregierung steht vor einer Herkulesaufgabe. Aktuell scheint der Fokus der Aufmerksamkeit auf dem Diesel zu liegen. Das reicht nicht.

Scheitert der politische Zusammenschluss Europas, wird es auf Jahrzehnte keinen Wohlstand mehr zu verteilen geben. Eine Zeit der Unsicherheit wird folgen und Europa seine Unabhängigkeit verlieren. Den Nationalisten in Europa sei gesagt, dass daraus keine neue nationale Souveränität erwachsen wird, sondern der Status der Satrapie.

Noch ist es nicht zu spät, wenn sich die proeuropäischen Kräfte – nicht nur hierzulande – endlich ihrer Verantwortung bewusst werden und sich nicht in kleinlichen Streitereien verlieren. Die Aufgabe beschränkt sich nicht darauf, Details der Bankenunion zu regeln. Es gilt Europas Freiheit zu retten, die Europäerinnen und Europäer vor einer neuen Zeit der Tyrannei zu bewahren.“

 

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