Bemerkungen zur Staatskonstruktion in Thomas Hobbes` Leviathan

Vorbemerkung
Hobbes´ Leviathan ist ein hypothetisches Konstrukt eines Staatsgebildes, das er zum Wohl des Lebens der einzelnen Bürger entworfen hat. Auch wenn seine Schlussfolgerung, dass nur eine starke Autorität wie die seines Leviathan-Souveräns dieser Konstruktion Dauerhaftigkeit verbürge, für seine Zeitgenossen wie für uns – wenn auch aus jeweils anderen Gründen – so nicht nachvollziehbar ist, so bleibt doch sein emanzipatorischer Impetus und seine Radikalität des Vertrauens in die Möglichkeiten der Vernunft von ungemeiner Anziehungskraft:

„Zeit und Arbeit bringen alle Tage neue Erkenntnisse hervor. Die Kunst, […] gut zu bauen, wurde aus Vernunftsprinzipien entwickelt, die tüchtige Menschen erkannten […]. Genauso können lange, nachdem die Menschen begonnen hatten, unvollkommene, zum Rückfall in Unordnung neigende Staaten zu errichten, durch eifriges Nachdenken Vernunftsprinzipien ausgemacht werden, um ihre Verfassung dauerhaft zu machen […]. Prinzipien dieser Art habe ich in dieser Abhandlung dargelegt.“[1]

Zu seiner Methode dabei, die das radikal Neue der zeitgenössischen Naturwissenschaft aufnimmt, geprägt von Galileis Methode der Resolution und Komposition, schreibt er im Vorwort zu DeCive[2]:

„Was meine Methode anlangt, so habe ich mich nicht mit bloßer Deutlichkeit im Vortrage begnügt, sondern geglaubt, mit der Materie des Staates beginnen, dann zu dessen Entstehung und Gestaltung und dem ersten Ursprung der Gerechtigkeit übergehen zu müssen. Denn aus den Elementen, aus denen eine Sache sich bildet, wird sie auch am besten erkannt. Schon bei einerUhr, die sich selbst bewegt, und bei jeder einer etwas verwickelten Maschine kann man die Wirksamkeit der einzelnen Teile und Räder nicht verstehen, wenn sie nicht auseinandergenommen werden und die Materie, die Gestalt und die Bewegung jedes Teiles für sich betrachtet wird. Ebenso muß bei der Ermittlung des Rechtes des Staates und der Pflichten der Bürger der Staat zwar nicht aufgelöst, aber doch gleichsam als aufgelöst betrachtet werden, d. h. es muß richtig erkannt werden, wie die menschliche Natur geartet ist, wieweit sie zur Bildung desStaates geeignet ist oder nicht, und wie die Menschen sich zusammentun müssen, wenn sie eine Einheit werden wollen. Nach dieser Methode bin ich verfahren; an erster Stelle setze ich deshalb den allen durch Erfahrung bekannten und von jedermann anerkannten Grundsatz, daß der Sinn der Menschen von Natur so beschaffen ist, daß, wenn die Furcht vor einer über alle bestehenden Macht sie nicht zurückhielte, sie einander mißtrauen und einander fürchten würden […].“[3]

Die oben genannte Feststellung, dass es eine Staatskonstruktion ist, beinhaltet danach auch, dass die Elemente, aus denen Hobbes seine „Staatsuhr“ bildet, konstruierte Elemente sind, sein Naturzustand und die folgenden Annahmen ebenfalls methodisch bedingte Konstrukte sind – ebenso wie seine folgenreiche und seitdem immer wieder kontrovers diskutierte Vertragstheorie, auf der sein Leviathan- Staat beruht.[4]
Als Beispiel für das spezifisch Hobbessche Konstruktionsmerkmal, das so deutlich gegen jede herkömmliche genetische Entwicklungsmethode (und auch unser Verständnis) steht, erlaube ich mir nur, Hobbes mit Rousseau zu kontrastieren: Rousseau schreibt zu Beginn des zweiten Kapitels des Gesellschaftsvertrages: „Das älteste und einzige naturgegebene gesellschaftliche Gebilde ist die Familie […]“ Hobbes schreibt in De Cive: „Wir wollen nun auf den Naturzustand zurückgehen und annehmen, daß die Menschen – gleichsam wie Pilze – plötzlich aus der Erde hervorgewachsen und erwachsen wären, ohne daß einer dem anderen verpflichtet wäre.“[5]
Diese Methode – so sehr sie Hobbes als einzig wissenschaftliche und damit gültige Methode erschien – machte es sowohl seinen Zeitgenossen wie auch uns schwer, sein Werk angemessen nach seinen Absichten zu würdigen. Für die einen ist sie nur noch von geistesgeschichtlichem Interesse, andere – insbesondere in der analytischen Tradition – knüpfen durchaus an seinen Ansatz an und machen ihn in der Moderne stark.[6] Kersting schreibt (nach verschiedenen Einwänden gegen Hobbes´ Grundannahmen):

„Aber von […] Kritik bleibt das Verdienst des Thomas Hobbes gänzlich unberührt, als erster die Grammatik des modernen normativen Idealismus und des neuen praktischen Weltverhältnisses formuliert und die Grundzüge des reflexiv-konsentischen Begründungsprogramms entwickelt zu haben, das bis heute den philosophischen Rahmen unserermoralisch-politischen Selbstverständigung verbindlich absteckt.“[7]

Genau dies sehen auch Adorno und Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung, die aber angesichts der Erfahrung des Faschismus[8] diese Erkenntnis tiefer legen:

„Die […] Entwicklung zur totalen Integration ist unterbrochen, nicht abgebrochen; sie droht, über Diktaturen und Kriege sich zu vollziehen. Die Prognose des damit verbundenen Umschlags von Aufklärung in Positivismus, den Mythos dessen, was der Fall ist, schließlich die Identität von Intelligenz und Geistfeindschaft hat überwältigend sich bestätigt.“[9]

Und weiter auch zu Hobbes und seinem Hintergrund:

„Die Aufklärung hatte sich auf den Liberalismus festgelegt. Wenn alle Affekte einander wert sind, so scheint die Selbsterhaltung, von der die Gestalt des Systems ohnehin beherrscht ist, auch die wahrscheinlichste Maxime des Handelns abzugeben. Sie sollte in der freien Wirtschaft freigegeben werden. Die dunklen Schriftsteller der bürgerlichen Frühzeit, wie Machiavelli, Hobbes, Mandeville, die dem Egoismus des Selbst das Wort redeten, haben eben damit die Gesellschaft als das zerstörende Prinzip erkannt […]. Die reine Vernunft wurde zur Unvernunft, zur fehler- und inhaltslosen Verfahrensweise.“[10]

Hermann Klenner als marxistischer Hobbesforscher und Editor zahlreicher Zeitgenossen Hobbes´ wie engagierter Kritiker dessen, was Kersting die „schwarze Hobbes-Rezeption“ nennt (Carl Schmitt), schreibt aktuell mit gleicher Intention, was die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft anlangt, aber von seinem Standpunkt aus, der eine positive Bewertung der Aufklärung inkludiert, mit anderer – nämlich deutlich positiverer – Bewertung der Aufklärung und Hobbes:

„Jedenfalls ist Hobbes einer der größten Selbstdenker aller Zeiten. Was Originalität, Radikalität und Konsistenz seines Gedankensystems anlangt, braucht er als Gesellschaftstheoretiker den Vergleich mit niemandem zu scheuen […]“ und weiter – auf die Gegenwart gewendet und gegen Hobbes- Kritiker wie affirmative Betrachtungen – schreibt er:

„Auch zahlt es sich nicht aus, wenn Großdenker der Vergangenheit funktionalisiert werden, um Kleindenkern der Gegenwart in meinungsmanipulativer Absicht beizuspringen. Die Ordnungs- und Unordnungsprobleme von heute lassen sich nur aus den wirklichen Widersprüchen der gegenwärtigen Weltgesellschaft lösen. Die Realgesellschaft von heute gemäß der Idealgesellschaft von gestern umzumodeln, wäre doch nur dann legitimiert, wenn die Probleme von heute bereits gestern gelöst worden wären. Heutiges lebt doch nicht, um Gestriges ernst zu nehmen, sondern Gestriges wird ernst genommen, wenn und insoweit es Heutigen bei ihren Existenzschwierigkeiten zu helfen in der Lage ist.“[11]

Unter Bezug auf Hobbes´ Behauptung, die bisherige Moralphilosophie hätte zur Erkenntnis der Wahrheit gar nichts beigetragen[12], fährt Klenner über die freilich fatale Modernität Hobbes´ fort:

„[…] beweist denn nicht das permanente Abschlachten von Menschen durch Menschen in den Bürger- und den Staatenkriegen, das Verhungernlassen der Ärmsten auf der Welt durch deren Reichste, daß die Menschheit ihre Lebensgesetze nicht beherrscht, daß folglich auch die für deren Aufdeckung zuständigen Denker vollständig versagt haben? Genau diese Situation beschreibt der Denkeinsatz von Thomas Hobbes, wie er selbst ihn sah. Theoretisch gesehen handelt es sich dabei um ein ungelöstes Problem, was allemal produktivitätsverheißender ist als die bloß bessere Vermittlung des bereits Erkannten oder gar des immer schon Richtigen.“[13]

Das – oder nur ein Problem – gelöst zu haben, kann auch der nachstehende Essay nicht behaupten. Dazu ist Hobbes bei aller scheinbaren Klarheit zu komplex und zugleich zu überwältigend.[14] Es sei daher um Verständnis dafür ersucht, dass bei aller Mühe nur der Versuch einerAnnäherung vorliegt.

1. Einleitung

Mit den staatsphilosophischen Theorieentwürfen des Thomas Hobbes beginnt diewirkungsmächtige Analyse und Fundierung des modernen bürgerlichen Staates.[15] Erstmals wird das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen nicht mehr als naturgegeben aufgefasst, sondernals künstliche Konstruktion, als artefactum, das gerade entgegen der menschlichenNatur – dienach Hobbes und seinen Erfahrungen des englischen Bürgerkrieges vor allem in Konkurrenz und Machtgier besteht[16] – gebildet werden muss. Auf dieses Hobbessche Selbstverständnis der gewaltsamen Neuschöpfung von politischer Legitimation weist auch Hegel hin:

„[Hobbes] sagt ferner: Was die staatsrechtliche Philosophie […] betreffe, so sei sie nicht älter als sein Buch De cive. Dies […] ist, wie auch sein Leviathan, ein sehr verrufenes Werk […]. Sie enthalten über die Natur der Gesellschaft und der Regierung gesündere Gedanken, als zum Teil noch im Umlauf sind.“[17]

Dass der Leviathan ein verrufenes Werk war und ist, das auch bei Hobbes` Zeitgenossen überwiegend nicht auf Zustimmung gestoßen ist (man denke an die Verbrennung des Buches auf dem Gelände der Universität Oxford im Jahre 1683 und die zahlreichen Streitschriften gegen Hobbes[18]), ist nach der Lektüre dieses Buches nicht verwunderlich: es gibt wenig andere Schriften, in der die Bewegungsgesetze des modernen Staats- und Wirtschaftssystems in ihrer Gewaltsamkeit und Ruhelosigkeit der Macht- und Profitmaximierung so offen und eindeutig beschrieben worden sind.
Die Reaktion von Thomas Hobbes auf die Wirren des Bürgerkrieges, in der die überlebte feudale und die für ihn noch nicht als solche fassbare bürgerliche Gesellschaftsform aufeinanderprallten, bestand in der theoretischen Konsolidierung einer absoluten staatlichenGewalt, die die egoistischen Neigungen des Menschen soweit in Zaum halten könne, dass friedliches gesellschaftliches Leben überhaupt erst möglich würde.
In aller Deutlichkeit muss auf die Besonderheit dieses Gedankens, aus dem heraus die Konzeption der staatlichen Legitimität und Souveränität von Hobbes erst verständlich wird, hingewiesen werden: Der Staat, die Ordnung, der Friede, den die Menschen suchen, muss Hobbes zufolge gegen den Menschen und seine natürlichen Neigungen durchgesetzt werden.
Anhand der Erfahrung sowohl der Relativität und Volatilität von Glaubensätzen und Kirchenverfassungen und ihrer Verschränkungen und Korrespondenzen mit ökonomischen und politischen Forderungen und den verheerenden Folgen von deren ideologisch begründeter Durchsetzung – die Herauslösung England aus dem unmittelbaren Einflussbereich der römisch- katholischen Kirche und die Gründung der anglikanischen Hochkirche Heinrichs VIII. z. B. warja in erster Linie eine politische Gründung mit dem König als Oberhaupt und daraus folgenden langfristigen ökonomischen und politischen Konsequenzen einschließlich der beiden gegenläufigen Oppositionsgruppen und deren Kämpfen gegen die jeweils ihren Interessen zuwiderlaufenden Kirchen- und Staatsverfassungen (Katholiken und Independents, Puritaner usw.), der Dreißigjährige Krieg, den Hobbes im Unterschied zum englischen Bürgerkrieg zwar nicht zum Gegenstand seiner Analyse macht, der aber ganz in seine bewusste Lebenszeit fiel – unternimmt es Hobbesim Interesse der Befriedung dieser die Wohlfahrt aller Bürger zerstörenden Konflikte, die neue Bedeutung des Politischen als eigenen Sektor des herrschaftlichen Verhaltens erkennbar zu machen und spekulativ-methodisch zu begründen. Dazu rechtfertigt und begründet Hobbes hypothetisch die nahezu unbegrenzte und absolute Macht der staatlichen Souveränität über den Bürger. So schreibt auch Dietrich Braun in seiner Monographie über den Leviathan:

„Je intensiver ich mich mit der darin vorgetragenen Theorie beschäftigte [des Leviathan, Anm. N. E.], desto mehr gewann ich […] die Überzeugung, dem wahrhaft klassischen Modell des ersten totalen Staates der neueren Geschichte gegenübergestellt zu sein, wie es offenkundig seinerseits als Antwort auf die Herausforderung durch das feudale, ständische und insbesondere das kirchlich-konfessionell begründete Widerstandsrecht aus dem Zeitalter der Glaubenskämpfe hervorgegangen war.“[19]

Das Bild[20] dieses Staates und sein Herangehen an seine Darstellung zeichnet Hobbes – korrespondierend mit seiner o.g. genannten Darstellung seiner Methode aus De Cive – überwältigend in seiner Einleitung zum Leviathan:

„Die Natur (das ist die Kunst, mit der Gott die Welt gemacht hat und lenkt) wird durch die Kunst des Menschen wie in vielen anderen Dingen so auch darin nachgeahmt, daß sie ein künstliches Tier herstellen kann. Denn da das Leben nur eine Bewegung der Glieder ist, die innerhalb eines besonders wichtigen Teiles beginnt – warum sollten wir dann nicht sagen, alle Automaten (Maschinen, die sich selbst durch Federn und Räder bewegen, wie eine Uhr) hätten ein künstliches Leben? Denn was ist das Herz, wenn nicht eine Feder, was sind die Nerven, wenn nicht viele Stränge, und was die Gelenke, wenn nicht viele Räder, die den ganzen Körper so in Bewegung setzen, wie es vom Künstler beabsichtigt wurde? Die Kunst geht noch weiter, indem sie auch jenes vernünftige, hervorragendste Werk der Natur nachahmt, den Menschen. Denn durch Kunst wird jener große Leviathan geschaffen, genannt Gemeinwesen oder Staat, auf lateinisch civitas, der nichts anderes ist als ein künstlicher Mensch, wenn auch von größerer Stärke als der natürliche, zudessen Schutz und Verteidigung er ersonnen wurde. Die Souveränität stellt darin eine künstliche Seele dar, die dem ganzen Körper Leben und Bewegung gibt, die Beamten und andere Bediensteten der Jurisdiktion und Exekutive künstliche Gelenke, Belohnung und Strafe, die mit dem Sitz der Souveränität verknüpft sind und durch die jedes Gelenk und Glied zur Verrichtung seines Dienstes veranlaßt wird, sind die Nerven, die in dem natürlichen Körper die gleiche Aufgabe erfüllen. Wohlstand und Reichtum aller einzelnen Glieder stellen die Stärke dar, salus populi (die Sicherheit des Volkes) seine Aufgabe; die Ratgeber, die ihm alle Dinge vortragen, die er unbedingt wissen muß, sind das Gedächtnis, Billigkeit und Gesetze künstliche Vernunft und künstlicher Wille; Eintracht ist Gesundheit, Aufruhr, Krankheit und Bürgerkrieg Tod. Endlich aber gleichen die Verträge und Übereinkommen, durch welche die Teile dieses politischen Körpers zuerst geschaffen, zusammengesetzt und vereint wurden, jenem „Fiat“ oder „laßt uns Menschen machen“, das Gott bei der Schöpfung aussprach. Um die Natur dieses künstlichen Menschen zu beschreiben, möchte ich untersuchen: Erstens, Werkstoff und Konstrukteur; beides ist der Mensch. Zweitens, wie und durch welche Verträge er entsteht, was die Rechte und die gerechte Macht oder Autorität eines Souveräns sind, und was ihn erhält oder auflöst.“[21]

Hier liegen alle Themen Hobbes´ in nuce vor. Selten ist eine Einführung eine so glänzende Darstellung ihrer nachfolgenden Inhalte und in so zwingender Gewalt geschrieben worden.
Hobbes Einleitung gibt auch den Leitfaden des Essays: Er widmet sich dem zweiten Punkt der Untersuchung: „wie und durch welche Verträge er entsteht, was die Rechte und die gerechte Macht oder Autorität eines Souveräns sind, und was ihn erhält oder auflöst.“
Da bei Hobbes bürgerliches oder staatliches Recht aus dem „Naturrecht“ eines von ihm konstruierten Naturzustandes abgeleitet und mit dem Entstehen des Staates auf den Souverän übertragen wird[22], soll auf die Hobbessche Konstruktion der Entstehung des Staates eingegangen werden: Der Staat entsteht im Hobbesschen Modell anhand der Rechtsübertragung des natürlichen Rechts von Privatpersonen im Naturzustand durch einen fiktiven Vertrag auf einen Dritten – den Souverän.
Damit sind die Schlüsselbegriffe dieser Arbeit vorgezeichnet: Es muss erläutert werden, wie der Staat im Leviathan geschaffen wird. Da der Staat und mit ihm der Maßstab für Recht erst durch einenVertraggesetzt undautorisiertwird, derausdem vorstaatlichen Naturzustand herausführt,muss auch auf die prinzipielle Bedeutung des Vertrages sowie auf das Verständnis von Recht und Unrecht für die Souveränitäts- und Rechtssetzung eingegangen werden. Sodann sollen die Rechte des Souveräns, die sich aus dieser Vertragskonzeption ergeben, dargelegt werden. Es wird sich zeigen, dass für Hobbes Macht und Recht identisch sind und dass dies ein Ergebnis ist, das in seiner Radikalität und Neuheit ein politisches Selbstverständnis gesetzt hat, welches das Entstehen von totalitären Staaten vorbereitet und theoretisch denkbar gemacht hat.

2. Der Naturzustand

Man kann das Naturrecht als Recht charakterisieren, das jemand im Naturzustand hat. Der Naturzustand ist der zentrale Operationalisierungsmechanismus des Hobbesschen Staats- und Rechtsentwurfes.[23] Der Naturzustand ist, um ihn kurz zu charakterisieren, ein vorstaatlicher Zustand (er ist der „Zustand des Menschen außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft“ – so der Titel des 1. Kapitels von Hobbes „Vom Bürger“), in dem die Menschen ein unangenehmes Leben führen und sich in einem ständigen Kriegszustand befinden.[24] Die Frage ist allerdings, warum Hobbes den Naturzustand als eine Zeit des ständigen Krieges und der Unsicherheit beschreibt. Darauf eine Antwort zu geben, wäre schwierig, da in die Hobbessche Anthropologie gemäß seines universalistischen Systemgedankens[25] auch seine gesamten naturwissenschaftlichen Annahmen eingehen[26], sowie auch hier nicht weiter verfolgbare psychologische Grunderfahrungen und Dispositionen, die er selbst einmal unter dem Aspekt der Urerfahrung der „Angst“, mit der er geboren sei, erwähnt.[27]

Da eine genaue Analyse des Hobbesschen Naturzustandes hier aufgrund des begrenzten Textraumes nicht geleistet werden kann, muss es bei einer kurzen Darstellung bleiben:

„Nach dem Verfasser des ´Leviathan` der Mensch in der Vereinzelung [sic], der Einsame par excellence. Eingeschlossen in die Welt seiner Sensationen und Imaginationen, seiner Triebe, Leidenschaften, Appetite ebenso wie Aversionen, schuldet er für seine Handlungen niemandem Verantwortung außer sich selbst. […] Hobbes` Anthropologie hätten wir in ihrer ganzen Breite zu entfalten, wollten wir ein zutreffendes Bild von diesem Menschen, dem Geschöpf ohne Schöpfer, in der Lage des Naturzustands entwerfen. Was ihm unverlierbar zukommt, ist die Grundbefindlichkeit des Seins im Immer-weiter, Immer-weiter rastlosen Getriebenwerdens: ständige Bewegung auf der Suche nach dem Glück. […] Darum ist das Dasein nichts als ruhelose Tätigkeit des Willens, welcher sich im Kampfe um die Mittel aufzehrt, die ihm ihrerseits die Weisen dauerhaften Prosperierens als den letzten Zweck zu garantieren haben: ein beständiges und endloses Verlangen nach der Macht um ihrer selbst willen. ´Ad fines semper ulteriores minime impedita progressio`- das, nichts anderes ist das summum bonum in dem Leben dieses Einsamen, der Abbruch dieses Strebens notwendig das summum malum, das was schlechthin Furcht einflößt, der Tod.“[28]

Der Mensch strebt Hobbes zufolge, solange er lebt, nach Glückseligkeit. Diese ist aber nicht – wie etwa bei Aristoteles – im bios theoretikos zu finden, sondern allein im Fortschreiten von einer Begierde zur nächsten[29], und das Mittel, um diese Begierde aktuell und in Zukunft zu befriedigen, ist Macht, sowohl angeborene natürliche Macht als auch erworbene zweckdienliche Macht[30]. So ist das Leben im Naturzustand nichts anderes als „ein fortwährendes und rastloses Verlangen nach immer neuer Macht“[31]. Da die Menschen von ihrer Natur und Stärke her zumindest so gleich sind, dass sie sich potentiell ständig bedrohen[32], folgt, dass alle Menschen im Naturzustand in ständiger Furcht und Unsicherheit leben müssen – in einem Kriegszustande. Der Naturzustand ist dadurch gekennzeichnet, dass es keine Herrschaft, keine Sicherheit, keine Kultur, keinen Schutz gibt und der Mensch faktisch jeden Moment mit dem gewaltsamen Tod rechnen muss.[33]
Der Naturzustand bildet die Negativfolie, gegenüber der der Staat bei Hobbes als positiver Ausweg gedacht werden kann. Denn der Krieg aller gegen alle und die mit ihm einhergehende Gefahr für Leib und Leben lässt das Verlangen nach Frieden und Sicherheit entstehen.
Man kann die Hobbes`sche Theorie, wie bereits Eingangs gesagt, nicht so verstehen, als würde in ihr die Genese oder Erklärung einer wirklichen Staatsentstehung deutlich. Hobbes geht es nicht darum, eine Genese der Staatsentstehung zu geben oder nachzuvollziehen, wie Autorität begründet wird oder wie Staaten funktionieren, sondern in seinem hypothetischen Konstrukt darum, wie ein funktionierender Staat entworfen werden muss. Insofern wird die Funktion des Naturzustandes in Hobbes` politischer Konstruktion selbst als Konstrukt und Folie deutlich – das von Hobbes geschilderte Leben in diesem Zustand ist aufgrund der menschlichen Affekte und der Vernunft des Menschen, die ausschließlich als instrumentelle Vernunft verstanden wird (da es auch im Naturzustand darum geht, die Welt beherrschbar zu machen und es das Unglück des Menschen ist, dieses Ziel aufgrund der Hindernisse, die die anderen darstellen, gerade nicht erreichen zu können) so unangenehm, dass eigentlich alles besser ist als das Leben im Naturzustand, in dem jeder ein Recht auf alles hat.[34]

3. Naturrecht und natürliche Gesetze

Dieses Recht auf alles. i. e. auf die Erhaltung des eigenen Lebens und damit auf alles, was dieser Selbsterhaltung dienlich ist, bezeichnet Hobbes als natürliches Recht:

„Das natürliche Recht, in der Literatur gewöhnlich jus naturale genannt, ist die Freiheit eines jeden, seine eigene Macht nach seinem Willen zur Erhaltung seiner eigenen Natur, das heißt seines eigenen Lebens, einzusetzen und folglich alles zu tun, was er nach eigenem Urteil und eigener Vernunft als das zu diesem Zweck geeignetste Mittel ansieht.“[35]

Das natürliche Recht eines jeden Individuums im Naturzustand ist demnach seine uneingeschränkte Freiheit. Da alle im Naturzustand ein Recht auf alles haben[36], folgt, dass nichts ungerecht genannt werden kann, ja mehr noch: Die persönliche uneingeschränkte Freiheit zeigt sich in der Konsequenz schließlich als die absolute Unfreiheit.[37] Das natürliche Recht führt so geradewegs zum Kriegszustand. Die einzige Möglichkeit, diesem Zustand zu entgehen, ist das Vernunftgebot, Frieden zu suchen, indem man die Bedingungen des Naturzustandes ändert. Dieses Gebot der Friedensbereitschaft formuliert Hobbes als natürliches Gesetz. Ein natürliches Gesetz ist ihm zufolge

„[…] eine von der Vernunft ermittelte Vorschrift oder allgemeine Regel, nach der es einem Menschen verboten ist, das zu tun, was sein Leben vernichten oder ihn der Mittel zu seiner Erhaltung berauben kann, und das zu unterlassen, wodurch es seiner Meinung nach am besten erhalten werden kann.“[38]

Der Unterschied zwischen dem natürlichen Recht und den natürlichen Gesetzen ist der einer Rationalität auf kurze Sicht und der Rationalität auf lange Sicht. Es mag so scheinen, als wären die Beschreibung des natürlichen Rechts und des natürlichen Gesetzes zwei Varianten, das gleiche zu sagen: Das natürliche Recht bringt zum Ausdruck, dass man im Naturzustand alles tun darf, um sich selbst zu erhalten, das natürliche Gesetz, dass man alles unterlassen soll, was das eigene Leben in Gefahr bringen könnte. Allerdings gibt es bei aller strukturellen Gemeinsamkeit einen fundamentalen Unterschied zwischen beiden.
Hobbes charakterisiert diesen Unterschied folgendermaßen: „Denn Recht besteht in der Freiheit, etwas zu tun oder zu unterlassen, während ein Gesetz dazu bestimmt und verpflichtet, etwas zu tun oder zu unterlassen.“[39] Strukturell sind sich natürliches Recht und natürliches Gesetz insofern ähnlich, dass sie ihre Fundierung im Überlebenswunsch der Individuen haben, allerdings ist der grundlegende Unterschied in ihrer Ausrichtung zu sehen: Wo das natürliche Gesetz Sozialität und ein geregeltes Miteinander fordert, steht das natürliche Recht für Machtstreben und Asozialität. Beide, Recht und Gesetz, entspringen dem Selbsterhaltungstrieb, haben aber umgekehrte Vorzeichen, da das natürliche Recht in der absoluten Freiheit des einzelnen auf alles besteht, und das natürliche Recht einschränkenden Verpflichtungscharakter hat.[40]
Es ist demnach deutlich, dass das natürliche Recht im Naturzustand die natürlichen Gesetze blockiert: Denn gerade das natürliche Recht auf alles, was der Selbsterhaltung dienlich ist, führt dazu, dass die Selbsterhaltung unmöglich wird. Um dieser Zwangslage zu entgehen, müssen die Hobbesschen Individuen aus Eigeninteresse das erste natürliche Gesetz – Frieden zu suchen – befolgen, das grundlegend für die weitere Hobbessche Vertragskonzeption ist:

„Folglich ist dies eine Regel der Vernunft: Jedermann hat sich um Frieden zu bemühen, solange dazu Hoffnung besteht. Kann er ihn nicht herstellen, so darf er sich alle Hilfsmittel und Vorteile des Krieges verschaffen und sie benützen. Der erste Teil dieser Regel enthält das erste und grundlegende Gesetz der Natur, nämlich: Suche Frieden und halte ihn ein. Der zweite Teil enthält den obersten Grundsatz des natürlichen Rechts: Wir sind befugt, uns mit allen zur Verfügung stehenden Mittelnzu verteidigen.“[41]

Beim ersten natürlichen Gesetz handelt es sich nicht um ein göttliches Gebot oder eine natürliche Verpflichtung,[42] sondern um eine Verpflichtung aus Selbstinteresse.[43] Die natürlichen Gesetze sind, um die Unterscheidung von Kant zwischen kategorischem und hypothetischem Imperativ heranzuziehen, hypothetische Imperative: Wenn du dich selbst erhalten und in Frieden leben willst, dann befolge sie. Die natürlichen Gesetze haben deshalb keinen moralischen Charakter[44], sondern sie sind Klugheitsregeln, welche die Mittel vorschreiben, um die Selbsterhaltung zu realisieren. Aus dem ersten grundlegenden Naturgesetz leitet Hobbes weitere ab, von denen uns für die Bestimmung des Vertrages und der Rechtsübertragung jedoch nur das zweite und dritte natürliche Gesetz interessieren. Das zweite Gesetz lautet:

„Jedermann soll freiwillig, wenn andere ebenfalls dazu bereit sind, auf sein Recht auf alles verzichten, soweit er dies um des Friedens und der Selbstverteidigung willen für notwendig hält, und er soll sich mit soviel Freiheit gegenüber anderen zufrieden geben, wie er anderen gegen sich selbst einräumen würde.“[45]

Von Bedeutung ist nun, dass Hobbes an das zweite Gesetz die Bedingung knüpft, dass das natürliche Gesetz niederzulegen und nicht beizubehalten sei. Diese Rechtsniederlegung wird von Hobbes – und das ist zentral – entweder als Verzicht oder als vertragliche Rechtsübertragung verstanden: „Ein Recht wird niedergelegt, indem man entweder einfach darauf verzichtet oder esauf einen anderen überträgt.“[46] Die wechselseitige Rechtsübertragung funktioniert mittels eines Vertrags[47] zwischen Vertragspartnern. Der Vertrag ist so gedacht, dass alle mit allen einen Vertrag schließen. Der Vertrag ist also keine faktische Gegebenheit, sondern das heuristische Mittel, durch das in Hobbes System der Staat geboren wird. Laut Hobbes ist die Entstehung eines Gemeinwesens von diesem Akt der gegenseitigen Selbstverpflichtung abhängig. Erst nach Vertragsabschluss kann man überhaupt von fixierbarem Recht sprechen.
Um es deutlich zu sagen: Recht wird erst durch den Vertrag gesetzt. Da die Rechtsübertragung freiwillig und aus Eigeninteresse der Vertragspartner erfolgte, können sie diese Rechtsübertragung nicht rückgängig machen. Das wäre nicht nur ungerecht, Hobbes geht weiter: Es wäre sogar unlogisch:

„Und wenn jemand auf irgendeine Weise sein Recht aufgegeben oder übertragen hat, so sagt man, er sei verpflichtet oder gebunden, diejenigen, zu deren Gunsten er dieses Recht übertragen oder aufgegeben hat, nicht an der Wahrnehmung des daraus entspringenden Vorteils zu hindern und er soll – es sei seine Pflicht – seiner eigenen willentlichen Handlung nicht entgegenhandeln. Und eine solche Behinderung wird Ungerechtigkeit und Unrecht genannt, da sie sine jure geschieht, denn das Recht wurde zuvor aufgegeben oder übertragen. […] Denn wie man dort [in der Scholastik, Anm. N. E.] als Absurdität bezeichnet, dem zu widersprechen, was man anfangs behauptet hat, so bezeichnet man es auf weltlichem Gebiet als Ungerechtigkeit und Unrecht, willentlich dem entgegenzuhandeln, was man anfangs willentlich getan hat.“[48]

Aus diesem Grundsatz folgt das dritte natürliche Gesetz: „Abgeschlossene Verträge sind zu halten.“[49] Und „in diesem natürlichen Gesetz liegen Quelle und Ursprung der Gerechtigkeit. Denn wo kein Vertrag vorausging, wurde auch kein Recht übertragen, und jedermann hat ein Recht auf alles: folglich kann keine Handlung ungerecht sein.“[50]
Es ergibt sich jedoch ein Problem bei der Vertragsdurchsetzung, also bei der faktischen Bindung durch die natürlichen Gesetze: Ein Vertrag zwischen zwei Personen mag formal bindend sein – die von Hobbes aufgewiesenen Naturgesetze sind bloße Theoreme, Regeln der Vernunft[51],die nicht eo ipso, weil sie gesollt werden, im Naturzustand, in dem es keine Sicherheitsgarantien für die Einhaltung des Vertrags gibt, auch von den Vertragspartnern befolgt werden, denn die natürlichen Gesetze verpflichten nur „in foro interno“[52] und „nichts wird leichter gebrochen als das Wort eines Menschen“[53]. Die natürlichen Rechte rufen zum Frieden auf, aber verpflichten nicht zum Frieden. Das bloße Band der Worte ist zu schwach, um Verträgen neben ihrer abstrakten Gültigkeit zur Erfüllung verhelfen zu können: „Verträge ohne Schwert sind bloße Worte.“[54]
Die Alternative ruheloser Naturzustand – geregeltes Miteinander besteht auf der Ebene der wechselseitigen Verpflichtung im Naturzustand also bloß als Norm. Die Befolgung der natürlichen Gesetze ist nur dann vernünftig (und das heißt, wie oben dargelegt, zweckrational), wenn alle diese Gesetze befolgen.
Um die gegenseitige Rechtsübertragung durchsetzbar und damit auch in Zukunft gültig zu machen, braucht es nach dieser Logik und diesem Bild vom Menschen des Naturzustandes eine absolute Zwangsgewalt, die die Menschen zwingen kann, sich selbst zu beschränken. Denn so wie die Menschen Hobbes gemäß aufgrund der Furcht aus dem Naturzustand heraustreten wollen, werden sie sich auch „aus Furcht vor einer üblen Folge des Wortbruchs“[55] an den geschlossen Vertrag halten. Diese Zwangsgewalt darf kein Partner des Vertrages sein, da dann dieselben Regeln der Unsicherheit gelten würden und der Naturzustand beibehalten würde.[56] Es stellt sich an dieser Stelle für Hobbes das theoretische Problem der Umwandlung des Rechtes der einzelnen im Naturzustand auf das des Souveräns – denn erst durch die Garantie der Einhaltung können Gesetze bindend werden.
Hobbes war kein Demokrat. Aus den vorherigen Ausführungen wird deutlich, dass er nicht auf die Konstituierung und Wahrung eines Staates durch Konsens und gegenseitige Übereinkunft vertraut, wenn das vielleicht auch durch die Vertragsidee nahe liegen mag. Dies ist für ihn weniger eine empirische Erkenntnis (obwohl diese vielleicht die Folie seiner Anthropologie ist), sondern dieser Schluss geht aus seinen anthropologischen Prämissen hervor: Der Staat kann nicht durch ein gegenseitiges Miteinander getragen werden, sondern nur durch die absolute Macht des Souveräns.[57] Wie stellt sich Hobbes die Rechtsübertragung auf eine Zwangsgewalt, die selber nicht Vertragspartner ist, vor?

4. Das Konzept der politischen Person

Das methodische Gerüst dieses Vertrages bei Hobbes kann nicht verständlich werden ohne den für Hobbes politisches Denken zentralen Begriff der politischen Person. Der Begriff „Person“ ist ein Ausdruck, der sich aus der Bühnensprache der Antike herleitet – jemandes persona zu verkörpern, heißt stellvertretend für ihn zu agieren.[58] Eine Person ist nach Hobbes der, dessen Worte oder Handlungen entweder als seine eigenen angesehen werden oder als die eines anderen, wobei es gleichgültig ist, ob es sich hierbei um einen Menschen oder eine Sache handelt, ebenso wie es gleichgültig ist, ob die Vertretung tatsächlich oder nur fiktiv stattfindet.[59] Werden die Handlungen oder Worte als eigene angesehen, so kann man sie nach Hobbes als natürliche Person bezeichnen, wenn sie ein anderer vertritt, wird sie als künstliche Person bezeichnet. Künstliche Personen können natürliche Personen vertreten:

„Die Worte und Handlungen einiger künstlicher Personen werden von den durch die Vertretenen als eigene anerkannt. Damit ist die Person der Vertreter und derjenige, welcher dessen Worte und Handlungen als eigene anerkennt, der Autor; in diesem Falle handelt der Vertreter mit Autorität.“[60]

Die künstliche, durch den Vertrag geschaffene Person bietet für Hobbes die begrifflich-theoretische Möglichkeit, die Rechtsübertragung vieler einzelner Willen auf eine Gewalt darstellbar zu machen. Demnach wird eine Menge zu einer künstlichen Person, wenn sie sich durch diese mit der Zustimmung jedes einzelnen repräsentieren lässt.[61] Nach dieser Konstruktionsleistung wird es Hobbes auch möglich, eine Definition des Staates zu geben:

„Hierin liegt das Wesen des Staates, der, um eine Definition zu geben, eine Person ist, bei der sich jeder einzelne einer großen Menge durch gegenseitigen Vertrag eines jeden mit jedem zum Autor ihrer Handlungen gemacht hat, zu dem Zweck, daß sie die Stärke und Hilfsmittel aller so, wie sie es für zweckmäßig hält, für den Frieden und die gemeinsame Verteidigung einsetzt. Wer diese Person verkörpert, wird Souverän genannt und besitzt, wie man sagt, höchste Gewalt, und jeder andere daneben ist sein Untertan.“[62]

Durch diesen Akt der Autorisierung der Staatsperson, der gegenseitig Übertragung der natürliche Rechte[63] der Vertragspartner untereinander auf eine dritte, von diesem Vertrag unabhängige künstliche Person, ist es zu ihrer Ermächtigung, der Übertragung von Macht auf den Souverän gekommen. Dadurch ist der Souverän beides: die oberste, alleinige Autorität und die oberste Zwangsgewalt. Durch die Rechtsübertragung aller Autoren entsteht „die größte menschliche Macht“[64]. Durch die Idee der künstlichen Person ist es möglich, den Souverän und die absolute Macht, die er verkörpert, künstlich zu konstruieren:

„Der Staat ist nicht mehr (wie im klassischen Verständnis der Griechen) von Natur, sondern er verdankt sich menschlicher Setzung. Wie der Mensch mit Hilfe von Konstruktionsregeln geometrische Figuren schafft, so bewirkt er mit Hilfe des Vertrags die ´Erzeugung jenes großen Leviathan`. […] Der Mensch ist der Architekt, welcher das Gebäude Staat schafft.“[65]

5. Das Recht des Souveräns

Die Rechte des Souveräns sind Hobbes zufolge unabänderlich, absolut, unübertragbar und unteilbar.[66] Der Souverän hat die judikative, die legislative und die exekutive Gewalt inne. Das heißt, dass der Vertragsschluss eine absolute Selbstentmündigung der Bürger bedeutet, da erstdurch die Einsetzung des Souveräns Recht und Unrecht gesetzt werden. Indem die Bürger ihr Recht übertragen, legen sie ihr ursprüngliches Recht auf alles gleichzeitig nieder.
Da der Souverän selber aber nicht direkter Vertragspartner ist, befindet er sich weiterhin im Naturzustand, also in einem rechtsfreien Raum. Da ihn die Bürger, die erst durch die vertragliche Rechtsübertragung zu Bürgern werden, autorisiert haben, können sie ihr natürliches Recht gegenüber dem Souverän nicht mehr geltend machen. Recht wird durch den Akt der Willens- und Rechtsübertragung erst infolge der Einsetzung des Souveräns gesetzt: Recht und Definition des Rechts wie dessen Durchsetzung durch den Souverän fallen nun zusammen. Recht und Macht des Souveräns beruhen also darauf, dass ihm bei der Ausübung seines ursprünglichen ius in omnia kein Widerstand entgegengesetzt wird. Nichts, was der Souverän erlässt oder verordnet, kann aus diesen Gründen ungerecht genannt werden:

„Da jeder Untertan durch diese Einsetzung Autor aller Handlungen und Urteile des eingesetzten Souveräns ist, so folgt daraus, daß dieser durch keine seiner Handlungen einem seiner Untertanen Unrecht zufügen kann, und daß er von keinem von ihnen eines Unrechts angeklagt werden darf.“[67]

Gleichzeitig hat der Souverän – da er als Repräsentant der Untertanen gedacht wird – alle Rechte und vor allem die nötigen Machtmittel gegenüber den Bürgern, die nicht mehr das Recht haben, den Souverän wegen irgendeiner Maßnahme zu richten oder zu bestrafen:

„Es folgt aus dem zuletzt Gesagten, daß niemand, der souveräne Gewalt innehat, rechtmäßig hingerichtet oder auf eine andere Weise von seinen Untertanen bestraft werden kann. Denn dajeder Autor der Handlungen seines Souveräns ist, so bestraft er einen anderen für die Handlungen, die er selbst begangen hat.“[68]

Der Souverän hat absolute Verfügungsgewalt über die Untertanen, da er und die Untertanen im Grunde – so denkt es Hobbes – eine Person sind. Zentral für diese Rechtskonzeption ist die Zustimmung durch die Untertanen, der Akt der Autorisation. Die Etablierung des Herrschaftsrechts ist für Hobbes nur durch die vertragliche Selbstbindung der Individuen zu bewerkstelligen. Die Schaffung einer politischen Einheit ist für ihn zwangsläufig mit der Selbstaufgabe und mit absoluter Herrschaftsgewalt seitens des Souveräns verbunden. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Durch Autorisierung macht sich jedes Element der Menge der Vertretenen zum Autor der Handlung des Souveräns.
Doch was passiert mit Untertanen, die keine Lust darauf haben, sich regieren zu lassen und die das Recht des Souveräns nicht anerkennen, die nicht das tun wollen, „was seinem Urteil zufolge die Menschen am meisten zum Dienst am Staat ermuntert“?[69] Darauf hat Hobbes eine radikale, aber in der Logik seiner Konstruktion nur folgerichtige Antwort:

„Da die Mehrzahl übereinstimmend einen Souverän ernannte, hat derjenige, welcher dagegen stimmte, nunmehr mit den übrigen übereinzustimmen, das heißt, sich mit der Anerkennung aller zukünftigen Handlungen des Souveräns zufriedenzugeben, oder aber er wird rechtmäßig von den übrigen vernichtet.“[70]

Durch die Autorisation der Mehrheit wird es für Unwillige demnach unmöglich, sich zur Wehr zu setzen. Allerdings ist die Autorisation durch Einsetzung nicht die einzige Möglichkeit der Herrschaftslegitimierung. Denn der Souverän kann sein Recht auch durch Aneignung gewinnen,d. h. durch Krieg und Unterwerfung. Nach Hobbes ist jede wirksame Regierung eo ipso legitim. Die Konsequenzen, die sich durch Okkupation ergeben, sind für die Bürger dieselben wie bei Rechtsübertragung durch Vertrag:

Herrschaft durch Eroberung oder Sieg im Krieg wird von einigen Autoren als despotisch bezeichnet, […]. Sie ist die Herrschaft des Herrn über seinen Knecht. Und diese Herrschaft erwirbt sich der Siegerdann,wennderBesiegte,umderbevorstehendenTötungzuentgehen,entweder durch ausdrückliche Worte oder andere ausreichende Willenszeichen vertraglich übereinkommt, daß solange ihm Leben und körperliche Freiheit zugestanden werden, der Sieger nach Belieben daraus Nutzen ziehen darf. […]Deshalb verleiht nicht der Sieg das Herrschaftsrecht über den Besiegten, sondern dessen eigener Vertrag. Er ist auch nicht verpflichtet, weil er besiegt, das heißt geschlagen, gefangengenommen oder in die Flucht geschlagen wurde, sondern weil er damit einverstanden ist und sich dem Sieger unterwirft. […] Der Herr des Knechts ist der Herr alles dessen, was dieser besitzt und darf den Nutzen daraus ziehen, das heißt, aus seinen Gütern, seiner Arbeit, seinen Bediensteten und seinen Kindern, sooft er es nützlich findet. […] Und weigert er sich und der Herr tötet ihn, wirft ihn in Fesseln oder straft ihn wegen seines Ungehorsams auf eine andere Art, so ist er selbst Autor und kann ihn nicht wegen seines Unrechts anklagen.“[71]

Was hier zum Ausdruck kommt ist allein das Recht des Stärkeren. Recht bekommt Hobbes zufolge derjenige, der die Macht hat, sich durchzusetzen, wer die Macht hat, Herr über seine Knechte zu sein. Wenn sich diese aus Angst vor den Konsequenzen nicht wehren, haben sie der gewaltsamen Aneignung zugestimmt. Man muss sich an dieser Stelle vor Augen halten, dass der Verzicht auf das ursprüngliche Recht auf alles, die Aufgabe der natürlichen Freiheit und die (erzwungene) Übertragung des Rechts auf Selbstregierung allesamt vorbehaltlose Entäußerungen sind, die keinerlei Freiheit und Recht auf Seiten der Vertragsparteien zurückbehalten. Die Bürger werden somit wirklich zu Gliedern des künstlichen Menschen, des Staates, die alle seinem Willen folgen müssen. Was Hobbes schildert, und was für das 20. Jahrhundert bestimmende politische Philosophien grundlegend geworden und teilweise auch praktisch geworden ist, ist ein vollkommen aggressiver und totalitärer Staat, in den – und das ist der überwältigende Gedanke – die Menschen sich aus Furcht und den damit verbundenen zweckrationalen Gründen freiwillig hineinbegeben.[72] Im Gegensatz zu etwa Locke, der diese Art von vertraglicher Übereinkunft für eine Zumutung hielt[73], ist sie Begründung für die Notwendigkeit dieser Art von staatlichem Zusammenleben für Hobbes eindeutig: Die Unannehmlichkeiten, die sich sonst ergeben würden:

„Man mag hier aber einwenden, die Untertanen befänden sich in einer sehr elenden Lage, da sie den Begierden und anderen zügellosen Leidenschaften dessen oder derer ausgesetzt seien, die eine so unbegrenzte Macht in Händen halten. […] Sie bedenken nicht, daß der Zustand der Menschen nie ohne die eine oder die andere Unannehmlichkeit sein kann, und daß die größte, die in jeder Regierungsform dem Volk gewöhnlich zustoßen mag, kaum fühlbar ist, wenn man sie mit demElend und den schrecklichen Nöten vergleicht, die ein Bürgerkrieg oder die Zügellosigkeit herrenloser Menschen ohne Unterwerfung unter Gesetze und unter eine Zwangsgewalt, die ihre Hände von Raub und Rache abhält, mit sich bringen.“[74]

Um dem Naturzustand zu entkommen, begeben sich die Menschen also direkt in absolute Abhängigkeit.

6. Grenzen der Unterwerfung unter den Leviathan

Aber hier hat Hobbes doch Grenzen des Staates und Freiheitsrechte für die Untertanen gesehen. Zum ersten kann ihnen niemand das Recht nehmen, ihr Leben zu verteidigen – schließlich war das doch der Grund, aus dem sie diesen Vertrag geschlossen haben:

„Ein Vertrag, sich nicht mit Gewalt gegen Gewalt zu verteidigen, ist immer nichtig. Denn wie ich oben schon gezeigt habe, kann niemand sein Recht, sich vor Tod, Verletzung und Gefangenschaft zu bewahren, übertragen oder darauf verzichten.“[75]

Allerdings wäre dieses Recht für die Untertanen praktisch gegenstandslos, da der Souverän das Recht und die Macht hat, seinen Untertanen ihr Leben zu nehmen. Aber keine staatliche Macht sollte – oder könnte – nach Hobbes sämtliche Bereiche des Lebens organisieren. Es gibt Bereiche, in denen der Staat keine Vorsorge zu treffen hat (Eigentum, Kauf und Verkauf usw. – also „bürgerliche Rechte“) und solche, in denen er keine tatsächliche Kontrolle ausüben kann(Glaubens- und Überzeugungsinhalte). Hier haben die Untertanen durchaus ihre Freiheit:

„Wenn ich nun auf die Freiheit der Untertanen zu sprechen komme, so nur in Bezug auf diese Bande. Denn es gibt auf der ganzen Welt keinen Staat, der genügend Vorschriften zur Regelungaller menschlichen Handlungen und Äußerungen erlassen hat, da dies unmöglich ist. Daraus folgt notwendig, daß die Menschen in allen vom Gesetz nicht geregelten Gebieten die Freiheit besitzen, das zu tun, was sie aufgrund ihrer eigenen Vernunft für das Vorteilhafteste halten. […]Die Freiheit eines Untertanen ist daher auf die Dinge beschränkt, die der Souverän bei der Regelung ihrer Handlungen freigestellt hat: so zum Beispiel die Freiheit des Kaufs und Verkaufs oder anderer gegenseitiger Verträge, der Wahl der eigenen Wohnung, der eigenen Ernährung, des eigenen Berufs, der Kindererziehung, die sie für geeignet halten, und dergleichen mehr.“[76]

In Glaubens- und Meinungsfragen begnügt sich der Hobbes´sche Staat ebenfalls mit dem sichtbaren Unterwerfungsgestus, ohne auf der „Gewissensunterwerfung“ zu bestehen. Als Beispiel sei hier aus Leviathan, Kapitel 46 angeführt:

„Es ist richtig, daß die bürgerliche Regierung, die beabsichtigt, einen Beamten als Lehrer anzustellen, ihn fragen kann, ob er bereit sei, diese oder jene Lehre zu vertreten, und im Falle einer Weigerung ihm die Anstellung versagen kann. Aber ihn zwingen, seine Ansichten preiszugeben, wenn seine Handlungen nicht gesetzlich verboten sind, verstößt gegen das Gesetz der Natur […].“[77]

Die letzte – und abschließende – Freiheit besteht beim Zusammenbruch des Staates. Hier erwartet Hobbes keine feudale, romantische oder 1945 erwünschte quasi modern-totalitäre „Nibelungentreue“, die ja auch ganz gegen den Geist der Vertragseinsetzung wäre, der ja den Schutz der Bürger und das salus populi zum Ziel hat: Der Untertan wird wieder frei. Sollte der Souverän nicht mehr die Machtmittel haben, die Untertanen gegen äußere oder innere Feinde zu schützen, ist der Vertrag ebenfalls erloschen und sind die Untertanen ihrer Verpflichtung ledig. Vertrags-, Loyalitäts- oder Gewissensbindungen gibt es dann nicht mehr. Alle sind wieder vollkommen frei, sich loyal in die Obhut des neuen Souveräns zu begeben:

„Letztlich: Wenn in einem auswärtigen oder inneren Krieg die Feinde den Endsieg erringen, sodaß ein weiterer Schutz der staatstreuen Untertanen nicht mehr möglich ist, da die Kräfte des Staates das Feld nicht länger beherrschen, dann ist der Staat aufgelöst und jedermann frei, sich in der Weise zu schützen, die ihm sein eigener Verstand anrät. Denn der Souverän ist die öffentliche Seele, die dem Staat Leben und Bewegung verleiht; wird sie ausgehaucht, so werden die Glieder von ihr nicht mehr gelenkt als der Leichnam eines Menschen von seiner … entwichenen Seele. Denn kann auch das Recht eines souveränen Monarchen durch die Handlung eines anderen nicht zum Erlöschen gebracht werden, so aber doch die Verpflichtung der Glieder. Denn ein Schutzloser darf überall Schutz suchen … Ist aber die Macht einer Versammlung einmal beseitigt, so erlischt auch ihr Recht völlig, da die Versammlung selbst aufgehoben ist und die Souveränität folglich nicht zurückkehren kann.“[78]

7. Schlussbemerkungen

Hier sind wir plötzlich wieder in der Angst erregenden Gegenwart angelangt, die mit Horkheimer/Adorno´s Dialektik der Aufklärung in der Vorbemerkung für 1947 (heute schon fast Prähistorie) aufgerufen wurde, die aber bereits auch – und damit inzwischen für uns beruhigte – Geschichte zu sein schien. Heute haben sich in unserem bewussten Leben mehrere Staatsuntergänge bzw. der Untergang eines gar eines ganzen Staatensystems vollzogen, in deren Nachwehen, die noch lange nicht ausgestanden sind, wie wir gerade am Konflikt Russland/Georgien sehen können, sich weitere neue Staatsgründungen ergeben können.

Wie werden sich deren neue Bürger verhalten?

Von den „Staatsbürgern“ und den Institutionen der DDR wissen wir es seit 1989: Sie haben sich dem neuen Souverän eingeordnet – bewusst oder unterbewusst – und damit das Hobbes´sche Modell für das Verhalten der Untertanen im Fall des Untergangs eines Souveränsangenommenund bestätigt. Sogar Offiziere der „Nationalen Volksarmee“ der DDR haben sich mit einer Rangminderung in die „Bundeswehr“ des neuen Staates, der sie angegliedert wurden, eingeordnet. Allenfalls höhere Offiziere des Sicherheitsdienstes (MfS) haben sich dessen verweigert.
Wie aber wird das Hobbes´sche Modell im Kaukasus oder auf dem Balkan (von Afghanistan und dem Irak gar nicht zu sprechen) funktionieren? In Gesellschaften, die anderen Werten, alsdenen der Marktwirtschaft verpflichtet sind? Archaischen Werten: Blutrache, Familienehre, Clanbeziehungen usw.? Es wird nicht funktionieren, wie wir bereits sehen können.

Wozu diese Bemerkungen, die vom Gegenstand: Hobbes´ Leviathan, momentan abzulenken scheinen?

Zum Ersten: Weil es Hobbes Welt in deren weiterem Gefolge ist, in der wir leben (Hobbes Welt in deren Anfängen, wir in deren weiterer Entwicklung). Und uns auch Hobbes nur insoferninteressiert, in der er uns diese Welt resp. ihre Genese und ihre Funktionsweise aus ihrer Genese zu erklären helfen kann. Sonst hätten wir kein philosophisches, sondern nur ein quasi archäologisches Interesse an seinem System.

Zum Zweiten: Die Gesellschaft, an deren Entwicklungsursprung Hobbes stand und schrieb, hat sich in ihrem Herrschaftsmodus zweifelsfrei weltweit durchgesetzt. Die o.g. genannte Frage nach archaischeren Verhältnissen und Gesellschaften (die von der AUFKLÄRUNG nicht berührt worden sind), die aber politisch freilich heute wieder aktuell ist, ist nur soweit interessant (aber vielleichtfür unsere Art von Zivilisation lebensentscheidend), als momentan noch offen zu sein scheint, wieweit sie sich diesem Herrschaft- und Verhaltensmodell im einzelnen affirmieren oder akkomodieren läßt.

Nach diesem sich aufdrängenden Ausflug in die Gegenwart sei zum nun wirklichen Abschluß bemerkt:

Hobbes steht am Anfang der modernen Staatstheorie.
Sein Anliegen ist die Befriedung von Bürgerkriegen.
Dazu konstruiert er einen überwältigenden Souverän: den Leviathan.
Die Darstellung aus der Konstruktion desselben aus Verträgen war Anliegen vorliegenden Essays.

Hobbes steht am Beginn der modernen Staatstheorie im Sinne der Vertragstheorien resp. des Konstraktualismus. Wie jeder, der an einem Anfang steht – zugleich auch am Anfang einer neuen sich konstituierenden und sich ihrer selbst erst bewusst werdenden Gesellschaft – ist auch Hobbesin jeder Hinsicht ausdeutbar. Bereits seine Zeitgenossen wie Harrington[79] haben an ihn anknüpfend andere Schlussfolgerungen gezogen.

Nach unmittelbarer Ablehnung in seiner Zeit ist diese vieldeutige Rezeption besonders seit dem Ende des 19. Jahrhunderts/Beginn des 20. Jahrhunderts tatsächlich auch erfolgt, als sich die Gesellschaft, deren Grundvoraussetzungen er als Naturzustand formuliert hatte, den bellum omnia contra omnes, und deren Gegensätze zum Beginn des 20. Jahrhunderts als Gesellschafts-Kampf in der Gesellschaft und im Staat neu auszufalten begannen: In scharf konturierten Klassenkämpfenwie in ideologischen Auseinandersetzungen, die hier nicht weiter zu verfolgen möglich ist, wurden Probleme wieder aktuell – und deswegen wahrscheinlich wieder aufgegriffen -, die Hobbes bewegt haben. Der Bürgerkrieg wurde unter neuen Bedingungen zum Weltbürgerkrieg – und ist es unter nun wieder anderen Bedingungen bis heute. Nur, daß wir aus der bisherigen Tradition Europas keinen – auch nicht mit Hobbes – Beitrag zur seiner Befriedung geben können.

Die Konstruktion eines Weltbürgerstaates, die wir jetzt erfragen müssten, konnte Hobbes nicht geben. Kant hat sie angedeutet. Hegel schrieb:

„Was vernünftig ist, das ist wirklich;
und was wirklich ist, das ist vernünftig.“[80]

Für Hegel war dies eine Hoffnung. Wir sind unsicher. Was als vernünftig jetzt wirklich ist, bleibtals Frage. Auch, ob alles, was wirklich ist, vernünftig ist. Jedenfalls ist das Faktische nicht unbedingt das Wirkliche. Dass weder das Faktische noch das scheinbar Wirkliche Bestand haben, wissen wir inzwischen sogar aus empirisch-politischer Erfahrung. Zurück auf Horkheimer/Adornos kritischen Anstoß zur Aufklärung von Bacon und Hobbes her (was überhaupt Aufklärung ist und wohin uns zu welchen Zwecken sie sich wie gewandelt hat):

Hobbes vertraute/hoffte darauf, dass die Wissenschaft, das klare Denken nach anerkannten Regeln, auch in der Moral- und Staatsphilosophie ein System schaffen könnte, das ein wohlerwogenes Regiment zum salus populi schaffen könnte.
Dieses System hat er vorzulegen gehofft. Seine persönliche Präferenz gehörte dabei der Monarchie. Prinzipiell war sein System aber auch anderen Systemen offen: Aus seinerZeit z.B. dem Regiment Cromwells als „Lord-Protector“. Prinzipiell aber auch andern Systemen, wenn sie nur auctoritas haben und ausüben können.
Als Erster zerlegte und beschrieb er die Gesellschaft als ein Konglomerat von atomisierten Individuen, die nur von ihrem Wunsch nach Selbsterhaltung und möglichst schadensfreier Selbstbereicherung getrieben werden.
Zur Sicherung desletzteren meinteer, eine starkeauctoritas einsetzenzumüssen:den
Leviathan.
Als Konstrukt ist der Leviathan wertfrei und für alle Systeme verfügbar, wenn er nur den Frieden unter den Bürgern des gegebenen Staates sichert.

Hier bricht die Erfahrung der Moderne, das zerstörerische 20. Jahrhundert ein. Dies meinen auch Horkheimer/Adorno gegen die „instrumentelle Vernunft“ der Aufklärung, und damit – ohne das sie ihn nennen, warum auch immer nicht – gegen z.B. Carl Schmitt: Wer ist Bürger dieses Staates?Wer bestimmt dessen Status?
Und damit sind wir wieder – erschreckend – bei gegenwärtigen Fragen, die Hobbes auch sicher zu den seinen gemacht haben würde, wenn wir ihn richtig als Moralphilosophen verstanden haben, dem es um die recte Beantwortung der Herausforderungen seiner Zeit ging – ebenso wie es uns um die Beantwortung der Fragen unserer Zeit gehen muss.
Hobbes hat sein System in De Cive nach einer „Uhr“ beschrieben, den Leviathan als Automaten: Ob diese Uhr uns zur richtigen Zeitanzeige konstruiert ist, oder ob sie zur Zeitbombe zugerichtet wurde, dies liegt ebenso außerhalb Hobbes´ Intention wie alle Interpretationen seiner Texte.
Wollen wir uns damit bescheiden, dass wir ihm mit der Einleitung seines Leviathan das zuschreiben, was er selbst geschrieben – und wohl damit auch gemeint – hat und uns damit aller Unsicherheiten möglicher Interpretationen und eventueller guter Besserwissereien über die Aufklärung und deren problematische Folgen vor der Hand – und vielleicht auch überhaupt – entschlagen, denn alle Interpretation und Folgensuche geht an Hobbes vorbei. Er kann nichts für seine Folgen. Also bleibt als nobles Anliegen und Ziel von Hobbes Schöpfung:

„Denn durch Kunst wird jener große Leviathan geschaffen, genannt Gemeinwesen oder Staat, […] Wohlstand und Reichtum aller einzelnen Glieder stellen die Stärke dar, salus populi (die Sicherheit des Volkes) seine Aufgabe.“

8. Literaturverzeichnis

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[1] Thomas Hobbes: Leviathan, Neuwied und Berlin 1966, S. 256
[2] Zu dem Problem dieser Methode angewandt auf politische Wissenschaften, die Hobbes nach seiner eigenen Überzeugung mit De Cive erst begründet hat vgl. C.B. Macpherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus, Frankfurt am Main 1967, S. 119 f., oder Wolfgang Kerting: Hobbes zur Einführung, Hamburg 1992, S.38 ff.; Insgesamt dazu auch: Bernd Ludwig: „Womit muß der Anfang der Staatsphilosophie gemacht werden?“, in: Thomas Hobbes. Leviathan, Hrsg. Wolfgang Kersting, Berlin 2008, S. 47-67
[3] Thomas Hobbes: Vom Bürger. Vorwort an die Leser, Neuwied und Berlin 1967, S. 256
[4] Dass hierin freilich doch „lebensweltliche“ Erfahrungen Hobbes eingegangen sind – auch in die anthropologischen und gesellschaftlichen Grundannahmen – ,ist offensichtlich. Hobbes selbst hat mit seinen verschiedentlichen Verweisen auf die Introspektion resp. Selbsterfahrung (so z.B. in der Einleitung zum Leviathan) seiner Leser dazu zumindest einen Hinweis gegeben. Den Aufweis, wieweit dies der Fall ist, kann hier nicht gegeben werden, sondern kann angesichts der Fülle der Literatur dazu nur verwiesen werden: Bernd Ludwig: „Womit muß der Anfang in der Staatsphilosophie gemacht werden?, 3.3 Die Lehre vom Menschen und die Introspektion“, in: W. Kersting (Hrsg.), Thomas Hobbes. Leviathan, a. a. O., S. 58-65; C. B. Macperson: Die politische Theorie des Besitzindividualismus, a.a.O.; gegen Macpherson, aber dies auch als gegeben ansprechend: W. Kersting: Thomas Hobbes zur Einführung, a.a.O.; Hans Dieter Metzger: Thomas Hobbes und die Englische Revolution, Stuttgart-Bad Cannstatt 1991. – Zum Mechanismus der Umwandlung von „lebensweltlichen“ resp. gesellschaftlichen Erfahrungen in ideologische Systeme und philosophische Definitionen verweise ich auf: Karl Marx: Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie (Rohentwurf) 1857-1858. Einleitung, Berlin 1974, S. 5 ff.
[5] Jean Jacques Rousseau: Der Gesellschaftsvertrag, Rudolstadt 1953, S. 37; Thomas Hobbes: Vom Bürger, a. a. O., S. 16.
[6] Wolfgang Kersting, Hobbes zur Einführung, a.a.O., S. 59, zur modernen Rezeption in vertragstheoretischen Begründungstheorien ebenda, S.188 f.
[7] Ebenda, S. 191.
[8] Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Zur Neuausgabe (1969), Frankfurt am Main 172008, S. IX f.
[9] Ebenda.
[10] Ebenda, S. 97 f.
[11] Hermann Klenner: „Einführung. Hobbes – der Rechtsphilosoph und seine Rechtsphilosophie“, in: Thomas Hobbes, Leviathan, Hamburg 1996, S. XIV und S. XXXIV.
[12] Vgl. Thomas Hobbes: Vom Bürger, a.a.O., S. XXX.
[13] Hermann Klenner: „Einführung. Hobbes – der Rechtsphilosoph und seine Rechtsphilosophie“, in: Thomas Hobbes, Leviathan, a. a. O., S. XIV.
[14] Klenner verweist an gleicher Stelle dankenswerter Weise auf Christopher Hill, Puritanism and Revolution, Harmondsworth 1986, S. 280, der bemerkt, dass, wenn wir erst einmal mit der Lektüre des „Leviathan“ begonnen haben, es sich als nahezu unmöglich erweist, die Argumentationskette zu durchbrechen, ohne bis ganz an den Anfang zurückzugehen: Ebenda.
[15] Wieweit das 15. Kapitel von Macchiavells Principe hiermit korrespondiert (wie Wolfgang Kersting: Thomas Hobbes zur Einführung, a. a. O., S. 25 ff. in Auseinandersetzung mit Eric Voegelin schreibt), wollen wir hier dahingestellt sein lassen. Kersting schreibt dezidiert: „Ein neues Theorieprogramm mit neuartigen Fragestellungen und Beweiszielen findet sich erst bei Hobbes.“ (ebd., S. 27)
[16] „So liegen also in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Mißtrauen, drittens Ruhmsucht.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O., S. 95)
[17] Hegel, Geschichte der Philosophie, S. 226, zitiert nach: Rainer Heger: Die Politik des Thomas Hobbes. Eine Studie zur Geschichte der klassischen bürgerlichen Staatstheorie, Frankfurt/New York 1981, S. 8.
[18] Friedrich Engels zufolge ist es der „aristokratische Materialismus“ Hobbes`, der zu der öffentlich geäußerten Antipathie führte: „Es kam aber noch ein anderer Umstand dazu, der die religiösen Neigungen der Bourgoisie stärkte: das Aufkommen des Materialismus in England. Diese neue gottlose Lehre entsetzte nicht nur den frommen Mittelstand, sie kündigte sich obendrein noch an als eine Philosophie, die sich nur schicke für Gelehrte und gebildete Weltleute, im Gegensatz zur Religion, die gut genug sei für die ungebildete große Masse, mit Einschluß der Bourgeoisie. Mit Hobbes betrat sie die Bühne als Verteidigerin königlicher Allgewalt und rief die absolute Monarchie auf zur Niederhaltung jenes puer robustus sed malitiosus, des Volks. Und auch bei Hobbes` Nachfolgern, Bolingbroke, Shaftesbury etc., blieb die neue, deistische Form des Materialismus eine aristokratische, esoterische Lehre und deshalb der Bourgeoisie verhaßt, nicht nur wegen ihrer religiösen Ketzerei, sondern auch wegen ihrer antibürgerlichen politischen Konnexionen.“( Karl Marx / Friedrich Engels: Über Geschichte der Philosophie. Ausgewählte Texte, Leipzig 1985)
[19] Dietrich Braun: Der sterbliche Gott oder Leviathan gegen Behemoth. Teil 1. Erwägungen zu Ort, Bedeutung und Funktion der Lehre von der Königsherrschaft Christi in Thomas Hobbes` ´Leviathan`, Zürich 1963, S. V.
[20] Bei dieser Gelegenheit sei um Verständnis ersucht, wenn ich auf die vielfältigen Interpretationen, die das Titelblatt des Leviathan je nach Standort des Interpreten erfahren hat, nicht eingehen kann, obwohl dies eine reizvolle Aufgabe – sowohl philosophisch wie ideologiekritisch – wäre. Stellvertretend dafür sei nur genannt: Horst Bredekamp: Thomas Hobbes. Der Leviathan. Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder. 1651-2001, 3., korrigierte Auflage, Berlin 2006; dort auch ein umfangreiches Verzeichnis der einschlägigen Literatur, S. 169- 193.
[21] Thomas Hobbes, Leviathan, a. a. O., S. 5 f. – Zur Herkunft des metaphorischen Bildes des Staates als „künstlichem Menschen“ aus Hobbes´ Platon-Lektüre vgl. Bernd Ludwig: „Womit muß der Anfang der Staatsphilosophie gemacht werden? Zur Einleitung des Leviathan“, in: Thomas Hobbes. Leviathan, Hrsg. Wolfgang Kersting, a.a.O., S. 65 f.
[22] Das Recht des Einzelnen auf alles im Naturzustand, kann laut Hobbes nicht als Recht verstanden werden, da fixiertes Recht erst entsteht, wenn es durch Gesetze durchgesetzt werden kann: „Eine weitere Folge dieses Krieges eines jeden gegen jeden ist, daß nichts ungerecht sein kann. Die Begriffe von Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit haben hier keinen Platz. Wo keine allgemeine Gewalt ist, ist kein Gesetz, und wo kein Gesetz, keine Ungerechtigkeit.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 98)
[23] Es ist eine in der Sekundärliteratur viel diskutierte Frage, ob die Hobbessche Naturrechtskonzeption hypothetisch oder aktual zu verstehen sei. Abgesehen davon, dass die Frage für das Verständnis des Hobbesschen Systems irrelevant ist, äußert sich Hobbes auch selber dazu: „Vielleicht kann man die Ansicht vertreten, daß es eine solche Zeit und einen Kriegszustand niemals gab, und ich glaube, daß er so niemals auf der ganzen Welt bestand.“(Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O., 1966, S. 97) – Für die Diskussion des Naturrechts ist die Spekulation des Status der Naturzustandsidee also unerheblich, weshalb ich nicht weiter darauf eingehen möchte. Siehe für eine sehr aufschlussreiche Betrachtung der Bedeutung und der Eigenständigkeit des Naturzustandes im System von Hobbes die ausgezeichnete Studie von Rainer Heger: Die Politik des Thomas Hobbes. Eine Studie zur Geschichte der klassischen bürgerlichen Staatstheorie, a. a. O., S. 21 – Allerdings kommt auch Heger zu dem Schluss: „Die Frage nach dem Zusammenhang bzw. der Eigenständigkeit des zweiten [Natur des Menschen, Anm. N. E.] und dritten Systemteils [der Staat, Anm. N. E.]der Hobbesschen Philosophie ist vorderhand, ohne sich auf die Details des Hobbesschen Argumentationsganges einzulassen, nicht eindeutig zu beantworten.“, (ebd., S. 21)
[24] „Daraus ergibt sich klar, daß die Menschen in der Zeit, in der sie ohne eine allgemeine, sie alle im Zaum haltende Macht leben, sich in einem Zustand befinden, der Krieg genannt wird, und zwar in einem Krieg eines jeden gegen jeden.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 96)
[25] Im Vorwort zu seiner Schrift „Vom Bürger“ (De Cive), erläutert Hobbes in einem kurzen Abriss den Aufbau seines gesamten philosophischen Systems, das aus drei Teilen besteht: „Nachdem ich so den methodischen Aufbau dargelegt, habe ich nun den Anlaß zu dieser Schrift und meine Absicht dabei mitzuteilen. Ich habe mich aus reiner Neigung zur Philosophie mit ihr beschäftigt, ihre ersten Elemente in allen Zweigen gesammelt und allmählich in drei Teilen zusammengestellt: im ersten handle ich vom Körper und seinen allgemeinen Eigenschaften; im zweiten vom Menschen und insbesondere von seinen Vermögen und Leidenschaften; im dritten vom Staat und den Pflichten der Bürger.“ (Thomas Hobbes: Vom Menschen. Vom Bürger, a. a. O., S. 71)
[26] Vgl. für eine Darstellung des Ortes der Anthropologie Hobbes` in seinem System die grundlegende Arbeit von Ferdinand Tönnies: Thomas Hobbes. Leben und Lehre, Stuttgart 31925, vgl. auch: Bernard Willms: Die Antwort des Leviathan. Thomas Hobbes` politische Theorie, Neuwied und Berlin 1970, Ulrich Weiß: Das philosophische System von Thomas Hobbes, Stuttgart-Bad Cannstatt 1980, sowie Wolfgang Kersting: Thomas Hobbes zur Einführung, a. a. O.
[27] Vgl. Ferdinand Tönnies: Thomas Hobbes. Leben und Lehre, a. a. O., S. 1.
[28] Der sterbliche Gott oder Leviathan gegen Behemoth. Teil 1. Erwägungen zu Ort, Bedeutung und Funktion der Lehre von der Königsherrschaft Christi in Thomas Hobbes` ´Leviathan`, a. a. O., S. 126.
[29] Dafür ist auch die Hobbessche Definition von Freiheit charakteristisch: „Freiheit bedeutet genau genommen das Fehlen von Widerstand, wobei ich unter Widerstand äußere Bewegungshindernisse verstehe.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 163) – Auf Hobbes´ Antiaristotelismus soll bei dieser Gelegenheit nur kurz aufmerksam gemacht werden. Es ist aus dem o.g. ersichtlich, daß es ein grundlegender Antiaristotelismus ist, der nicht nur in Hobbes´ naturwissenschaftlicher Methode oder in seiner Feindschaft gegen die rhetorische Macht der antiken Schriftsteller in zeitgenössischen Diskussionen besteht, sondern grundlegend angelegt ist: Während für Aristoteles – und später Epikur, die Stoa usw. – die Pleonexia das Grundübel schlechthin ist, ist sie für Hobbes (und den Kapitalismus schlechthin) Antrieb und Motiv aller Handlungen schlechthin, die weder ethisch noch moralisch zu hinterfragen oder zu dämonisieren ist, sondern als faktisch gegeben und nur hinsichtlich etwaiger negativer Folgen einzuhegen ist.
[30] „Die Macht eines Menschen besteht, allgemein genommen, in seinen gegenwärtigen Mitteln zur Erlangung eines zukünftigen anscheinenden Guts und ist entweder ursprünglich oder zweckdienlich. Natürliche Macht ist das Herausragen der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, wie außerordentliche Stärke, Schönheit, Klugheit, Geschicklichkeit, Beredsamkeit, Freigiebigkeit und Vornehmheit. Zweckdienlich ist die Macht, die durch natürliche Macht oder durch Zufall erlangt wird und als Mittel oder Instrument zum Erwerb von mehr Macht dient, wie Reichtum, Ansehen, Freunde und das verborgene Wirken Gottes, das man gewöhnlich Glück nennt.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 66)
[31] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 75.
[32]„Die Natur hat die Menschen hinsichtlich ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten so gleich geschaffen, daß trotz der Tatsache, daß bisweilen der eine einen offensichtlich stärkeren Körper oder gewandteren Geist als der andere besitzt, der Unterschied zwischen den Menschen alles in allem doch nicht so beträchtlich ist, als daß der eine auf Grund dessen einen Vorteil beanspruchen könnte, den ein anderer nicht ebensogut für sich verlangen dürfte.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 94)
[33] „In einer solchen Lage [der des Naturzustandes, Anm. N. E.] ist für Fleiß kein Raum, da man sich seiner Früchte nicht sicher sein kann; und folglich gibt es keinen Ackerbau, keine Schiffahrt, keine Waren, […] keine gesellschaftlichen Beziehungen, und es herrscht, was das Schlimmste von allem ist, beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes – das menschliche Leben ist einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 96)
[34] An dieser Stelle muss noch auf zwei weitere Punkte hingewiesen werden. Zum ersten ist es deutlich, dass der Naturzustand von Hobbes in seiner theoretischen Konstruktion und den Prämissen der Macht- und Profitmaximierung an die wirtschaftlichen Verhältnisse im sich herausbildenden Kapitalismus erinnert (dazu bereits genannt: C. B. Macperson: Die politische Theorie des Besitzindividualismus, a. a. O). Der Hobbessche „Naturmensch“ kann allerdings noch heute genau so, wie er im Leviathan beschrieben wird, auch an der Wall Street oder bei Siemens gefunden werden – denn die Profitmaximierung, der „zukünftige Hunger“ (Hobbes), die grandios ausgeweitete pleonexia ist ein grundlegendes Prinzip der Marktwirtschaft (insofern hat Hobbes hier einen genialen Archetyp entwickelt). In gewisser Weise finden wir dieses geschilderte Verhalten in allen soap-operas und Richter- Serien des Fernsehens wieder. Oder auch, da wir gerade eine Olympiade erlebten, in den marktförmigen Auftritten der Athleten, die weniger dem agonalen Prinzip, als vielmehr der Devise des Gründers der modernen Olympiade, Pierre Baron de Coubertin zu huldigen scheinen: „Man muß seinen Reichtum unaufhörlich steigern“ (zitiert nach: taz v. 6.08.2008). Zum Zweiten ist es bei Hobbes die Notwendigkeit von Privateigentum, die den Hobbesschen Naturmenschen zu seinem Verhalten treibt. Bei Hobbes hat die Kategorie des Privateigentums eine zentrale Bedeutung – sie ist geradezu das „Grundmotiv des Hobbesschen Theorems vom Naturzustand“ (Rainer Heger: Die Politik des Thomas Hobbes. Eine Studie zur Geschichte der klassischen bürgerlichen Staatstheorie, a. a. O, S. 31). Das Unangenehme am Naturzustand ist, dass man sich seines Privateigentums nicht sicher sein kann, da alle ein Recht auf alles haben und es noch kein „Mein“ und „Dein“ gibt: „Und wenn daher zwei Menschen nach demselben Gegenstand streben, den sie jedoch nicht zusammen genießen können, so werden sie Feinde und sind in Verfolgung ihrer Absicht, die grundsätzlich Selbsterhaltung und bisweilen nur Genuß ist, bestrebt, sich gegenseitig zu vernichten oder zu unterwerfen.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 31) -Hobbes beschreibt und verabsolutiert als den „natürlichen Menschen“ den Menschen des 17. Jahrhunderts, den Menschen der beginnenden Industrialisierung und des bürgerlichen Kapitalismus. Das Interessante an dieser Form von Ideologie ist, dass nur unter diesen bürgerlichen Vorzeichen (Eigentum, Konkurrenz) die Errichtung eines Staates überhaupt erst möglich wird, in dem genau diese „Triebe“ unter einer Zwangsgewalt „geregelt“ ausgelebt werden können. Nicht zu Unrecht hat Marx Thomas Hobbes als einen „der ältesten Ökonomen und originellsten Philosophen Englands“ bezeichnet. (Karl Marx: „Lohn, Preis und Profit“, in: Karl Marx / Friedrich Engels: Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, Bd. 1, Berlin 1968, S. 396 – Auf die Bedeutung des Privateigentums und die Rechtfertigung bürgerlicher Interessen bei Hobbes macht auch Leo Strauss aufmerksam: „Hobbes wendet sich nicht nur nicht gegen die ihre Interessen verständig wahrnehmende Bourgoisie, er rechtfertigt sie sogar philosophisch, indem die von seiner politischen Wissenschaft begründeten Ideale die Ideale eben der Bourgeoisie sind.“ (Leo Strauss: Hobbes` politische Wissenschaft, Neuwied am Rhein und Berlin 1965, S. 117).
[35] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 99.
[36] „Und weil sich die Menschen, wie im vorhergehenden Kapitel dargelegt, im Zustand des Krieges eines jeden gegen jeden befinden, was bedeutet, daß jedermann von seiner eigenen Vernunft angeleitet wird, und weil es nichts gibt, das er nicht möglicherweise zum Schutze seines Lebens gegen seine Feinde verwenden könnte, so folgt daraus, daß in einem solchen Zustand jedermann ein Recht auf alles hat, selbst auf den Körper eines anderen.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O,S. 99)
[37] „Es brachte aber den Menschen durchaus keinen Nutzen, in dieser Weise ein gemeinsames Recht auf alles zu haben. Denn die Wirkung eines solchen Rechts ist so ziemlich dieselbe, als wenn überhaupt kein Recht bestände. Wenn auch jeder von jeder Sache sagen konnte: diese ist mein, so konnte er doch seines Nachbars wegen sie nicht genießen, da dieser mit gleichem Rechte und mit gleicher Macht behauptete, daß sie sein sei.“, (Thomas Hobbes: Vom Bürger, a. a. O., S. 11)
[38] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 99.
[39] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 99.
[40] „So unterscheiden sich Gesetz und Recht wie Verpflichtung und Freiheit, die sich in ein- und demselben Fall widrsprechen.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 99)
[41] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 100.
[42] Der moralische bzw. theologische Charakter des natürlichen Gesetzes ist jedoch ein sehr umstrittener Punkt. So vertritt z. B. Howard Warrender die vieldiskutierte These, dass die natürlichen Gesetze nur deshalb verpflichtend sind, weil sie Gebote Gottes sind. (Siehe dazu: Howard Warrender: The Political Philosophy of Hobbes. His Theory of Obligation, Oxford 1966.)
[43] So bemerkt auch Christine Chwaszcza: „Die natürlichen Gesetze sind nicht als Gesetze im eigentlichen Sinne zu verstehen, sondern als von der Vernunft ermittelte Regeln oder Vorschriften der Selbsterhaltung, die die Bedingungen friedlicher Koexistenz formulieren. Anders als im christlichen Naturrecht beschreiben die natürlichen Gesetze bei Hobbes kein überpositives Recht, das einen substantiellen Maßstab politischer Gerechtigkeit, legitimer Herrschaftsausübung und ´natürlicher Pflichten` festschreibt.“ ( Christine Chwaszcza: „Thomas Hobbes“, in: Klassiker des politischen Denkens, Hrsg. Hans Maier und Horst Denzer, München 2001, S. 220)
[44] Dagegen Taylor, der Hobbes natürliche Gesetze als deontologische Moral interpretiert. Siehe dazu: A. E. Taylor: „The Ethical Doctrine of Hobbes“, in: Hobbes Studies, Hrsg. K. C. Brown, Oxford 1965.
[45] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 100.
[46] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 100.
[47] „Die wechselseitige Übertragung von Recht nennt man Vertrag.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 102)
[48]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 100 f.
[49] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 110.
[50] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 110.
[51] „Diese Weisungen der Vernunft werden von den Menschen gewöhnlich als Gesetze bezeichnet, aber ungenau. Sie sind nämlich nur Schlüsse oder Lehrsätze, die das betreffen, was zur Erhaltung und Verteidigung der Menschen dient, während ein Gesetz genau genommen das Wort dessen ist, der rechtmäßig Befehlsgewalt über andere innehat.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 122)
[52] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 121.
[53]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 101.
[54] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 131.
[55]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 101.
[56] „Weil aber auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Verträge ungültig sind, wenn, wie im letzten Kapitel ausgeführt, eine der beiden Parteien die Nichterfüllung befürchtet, so kann es tatsächlich – obwohl der Ursprung der Gerechtigkeit im Abschluß von Verträgen liegt – solange keine Ungerechtigkeit geben, bis die Ursachen dieser Furcht beseitigt sind. Solange die Menschen im natürlichen Kriegszustand leben, kann dies nicht geschehen. Bevor man deshalb von ´gerecht` und ´ungerecht` reden kann, muß es eine Zwangsgewalt geben, um die Menschen gleichermaßen durch die Angst vor einer Bestrafung zur Erfüllung ihrer Verträge zu zwingen […]. So liegt also das Wesen der Gerechtigkeit im Einhalten gültiger Verträge. Aber die Gültigkeit von Verträgen beginnt erst mit der Errichtung einer bürgerlichen Gewalt, die dazu ausreicht, die Menschen zu ihrer Einhaltung zu zwingen, und mit diesem Zeitpunkt beginnt auch das Eigentum.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 110 f.)
[57] Diese Idee wird schon am Titelblatt des Leviathan deutlich: Der künstliche Mensch ist mit der Überschrift aus dem Buch Hiob : „Non est potestas super terra quae comparetur ei.“ – Siehe zur Bedeutung des Titelblattes auch den informativen Aufsatz von Reinhard Brandt: „Das Titelblatt des Leviathan“, in: Thomas Hobbes. Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates, Hrsg. Wolfgang Kersting, a. a. O. Außerdem: Horst Bredekamp: Thomas Hobbes der Leviathan. Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder. 1651- 2001, a. a. O.
[58] Eingang in die philosophische Literatur hat der Begriff der persona durch Boethius gefunden. Er definiert die Person in seinem Opusculum contra Eutychen et Nestorium als „rationabilis naturae individua substantia“. – Hobbes dazu s. Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 123.
[59]Vgl. Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 123.
[60]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 123.
[61] „Eine Menge von Menschen wird zu einer Person gemacht, wenn sie von einem Menschen oder einer Person vertreten wird und sofern dies mit der besonderen Zustimmung jedes einzelnen dieser Menge geschieht.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 125)
[62]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 135.
[63] Es gibt allerdings Rechte, die von einer natürlichen Person nicht veräußert werden können: „Immer wenn jemand sein Recht überträgt oder darauf verzichtet, so tut er dies entweder in der Erwägung, daß im Gegenzug ein Recht auf ihn übetragen werde, oder weil er dadurch ein anderes Gut zu erlangen hofft. Denn es handelt sich um eine willentliche Handlung, und Gegenstand der willentlichen Handlungen jedes Menschen ist ein Gut für ihn selbst. Und deshalb gibt es einige Rechte, die niemand durch Worte oder andere Zeichen aufgegeben oder übertragen haben kann, da sich diese Auslegung verbietet. Erstens kann niemand das Recht aufgeben, denen Widerstand zu leisten, die ihn mit Gewalt angreifen, um ihm das Leben zu nehmen, da nicht angenommen werden kann, er strebe dadurch nach einem Gut für sich selbst. Dasselbe gilt für Verletzungen, Ketten und Gefängnis […].“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 101)
[64]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 66.
[65] Ulrich Weiß: Das philosophische System von Thomas Hobbes, a. a. O., S. 203.
[66] Für eine detaillierte Auflistung der Rechte des Souveräns siehe das 18. Kapitel des Leviathan („Von den Rechten der Souveräne durch Einsetzung“)
[67] Thomas Hobbes, Leviathan, a. a. O., S. 139.
[68]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O., S. 139.
[69]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O., S. 141.
[70]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O., S. 138.
[71] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 157 ff.
[72] Auf diesen Gedanken weist auch Leo Strauss hin: „ […]; mit anderen Worten: sie ersetzen freiwillig die an sich zweckmäßige gegenseitige Furcht durch die dann auch wieder zweckmäßige Furcht vor einer neutralen, dritten Macht, vor der obersten Gewalt, und sie ersetzen so eine unbedingte, unübersehbare und unvermeidliche Gefahr – die Gefahr, die von einem Feinde droht – durch eine bedingte, übersehbare und vermeidliche Gefahr – nämlich die Gefahr, die nur dem Rechtsbrecher von den ordentlichen Gerichten droht -.“ (Leo Strauss: Hobbes` politische Wissenschaft, a. a. O., S. 71)
[73] „Als wenn die Menschen, als sie den Naturzustand verließen und in die Gesellschaft eintraten, übereingekommen wären, daß alle, mit Ausnahme eines einzigen, unter dem Zwang von Gesetzen stehen und daß er allein im Besitz aller Freiheit des Naturzustandes bleiben sollte – die durch Gewalt noch vergrößert würde und der durch Straflosigkeit alle Zügel gelassen wären. Dies hieße die Menschen für so töricht halten, daß sie zwar zu verhüten suchen, was ihnen Marder oder Füchse antun könnten, aber glücklich sind, ja, es für Sicherheit halten, von Löwen verschlungen zu werden.“, (In: John Locke: Über die Regierung, Hrsg. Peter Cornelius Mayer-Tasch und Übers. Dorothee Tidow, Stuttgart 1974, S. 71 (§ 93))
[74] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 144.
[75]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 107.
[76] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 165 – Hieraus folgert Crawford B. Macpherson zu Recht, daß Hobbes Theoretiker einer „Eigentumsmarktgesellschaft“ ist (Crawford Macpherson, a.a.O., S. 74 ff.).
[77] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O , S. 521 – Hier setzt Carl Schmitt mit der Kritik ein, „… die Unterscheidungen von privat und öffentlich … sind damit in einer Weise eingeführt, daß sich daraus im Laufe des folgenden Jahrhunderts bis zum liberalen Rechts- und Verfassungsstaat alles weitere folgerichtig ergeben hat.“ (Carl Schmitt: Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, Hamburg-Wandsbeck 1938, Neudruck 1982, S. 85). Ein autoritärer Zeuge für die Modernität Hobbes´ auf dem Weg zum modernen Staat, der die Anlage zur Demokratie auch im Gehäuse des Leviathan sieht und belegt, wobei er sie zugleich denunziert (s. dazu auch Iring Fetscher: Einleitung, in: Thomas Hobbes. Leviathan, a. a. O., S. XLVI f.
[78]Thomas Hobbes, Leviathan, a.a.O., S. 254 – In der Literatur wird verschiedentlich auf Hobbes´ doch vorhandene Verwurzelung in feudalrechtlichen Oboedienzbeziehungen verwiesen. Meines Erachtens macht die Diktion dieser Passage ohne weitere Diskussion seine grundsätzlich andere und rein utilitaristische Begründung der Beziehungen zwischen Untertan und Souverän deutlich. Hermann Klenner betont in seiner Einführung zum Leviathan, a.a.O., S. XXIX f., die von Hobbes von ihm dort genannte Rechtfertigung der Soldaten Charles I. mit Blick auf die allerjüngste Zeit und ihre Staats- Souveränitätsveränderungen.

[79]Harrington, Oceana, Leipzig 1991, S. 21 f.; S. 99
[80] G. W. F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Nach der Ausgabe von Eduard Gans herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Hermann Klenner, Berlin 1981, S. 25, sowie Anmerkungen dazu S. 399 ff.

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Über Nikolaus Egel 13 Artikel
Dr. Nikolaus Egel, geboren 1984 in Berlin, studierte von 2004-2008 Philosophie an der LMU München, Abschluß der Promotion 2014 im Fach Philosophie, zur Zeit tätig am Historischen Seminar der LMU München.

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