Bürger moslemischen Glaubens, Koran und Islam: Wer gehört zu Deutschland?

Einst gehörte der Islam zu Spanien. Vielleicht sollte man besser sagen: Von der Eroberung durch moslemische Heere vom Jahr 711 an bis zum Ende der Reconquista im Jahr 1492 gehörte Spanien zum Islam. Gestatten wir uns die rhetorische Frage, ob Deutschland zum Islam gehört. Offenkundig ist dies nicht der Fall. Weder wurde Deutschland jemals von islamischen Truppen erobert, noch gibt es derzeit in Deutschland eine hinreichend große oder historisch verwurzelte moslemische Bevölkerung oder Herrschaftsverhältnisse, die eine solche Behauptung auch nur ansatzweise rechtfertigen würden. Spätestens seitdem sich im Rahmen des Anwerbeabkommens zwischen der BRD und der Türkei Anfang der 1960er Jahre zahlreiche Türken moslemischen Glaubens in Deutschland niederließen und mittlerweile teils in vierter Generation im Land leben, ist jedoch unbestreitbar, dass diese als deutsche Bürger moslemischen Glaubens zu Deutschland gehören.
Auch wenn Millionen Moslems in Deutschland leben und damit zu Deutschland gehören, bedeutet dies nicht, dass der Islam zu Deutschland gehört. Das arabische Wort „Islam“ besagt soviel wie „Unterwerfung“ (des Menschen unter Gott). Wobei es um eine Unterwerfung am Leitfaden des Koran als der textlichen Grundlage des Islam handelt. Wohlgemerkt um eine Unterwerfung „des Menschen“ und nicht bloß um eine selbstgewählte oder überlieferte Unterwerfung ausschließlich der Gläubigen.
Wer sagt, der Islam gehöre zu Deutschland, kommt nicht umhin, zu sagen, dass auch der Koran zu Deutschland gehört. Denn es ist der Koran, der den Islam konstituiert. Dass aber der Koran zu Deutschland gehört, kann nur meinen, wer ihn nicht kennt oder wer sich damit abfinden und es anderen zumuten würde, in einem Gottesstaat zu leben. Lesen wir diesbezüglich selektiv nach:
„Wer aber den Gesandten Gottes kränkt, denen soll sein schmerzliche Strafe.“ (Sure 9, 62)
Wer diese Koransure zitiert, bekommt unweigerlich von vielen wohlmeinenden Menschen mitgeteilt, Übersetzungen seien stets Interpretationssache. Wie aber ist dann erklärlich, dass diese und weitere problematische Koransuren über Jahrzehnte hinweg recht ähnlich ins Deutsche und in andere europäische Sprachen übersetzt wurden? Wer sagt, diese Koransure, gehöre zu Deutschland, sagt, dass es zum Leben in Deutschland gehört, dass sich bedroht fühlen muss, wer auf bestimmte Weise vom Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch macht. Die Problematik dieser und anderer Suren und damit eine folgeträchtige koranische Weichenstellung tritt eklatant hervor, wenn wir ihr eine Stelle aus dem Lukas-Evangelium an die Seite stellen: „Und wer da redet ein Wort wider des Menschen Sohn, dem soll es vergeben werden…“ (Lukas 12,19)

Wer legt fest, wann eine Kränkung des Gesandten Gottes stattgefunden hat und wann nicht? Solange die oben zitierte Kränkungssure von maßgeblichen Geistlichen und Wissenschaftlern – etwa der Akademie für islamische Untersuchungen in Kairo – nicht vernehmbar in ihren historischen Kontext gestellt und damit in ihrer Wortwörtlichen Geltung zurückgenommen ist, sollte niemand verkünden, dass der Islam zu Deutschland gehört. Dies gilt für etliche weitere Suren, nachstehend einige wenige Beispiele:
„Siehe, der Lohn derer, welche Gott und Seinen Gesandten befehden und Verderben auf der Erde betreiben, ist nur der, dass sie getötet oder gekreuzigt oder an Händen und Füßen wechselseitig verstümmelt oder aus dem Lande vertrieben werden. Das ist ihr Lohn hienieden, und im Jenseits wird ihnen schmerzliche Strafe.“ (5,33)
„O ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht die Juden und Christen zu Freunden.“ (5,51)

„Wahrlich, du wirst finden, dass unter allen Menschen die Juden und die, welche Allah Götter zur Seite stellen, den Gläubigen am meisten feind sind…“ (5,85)
„Siehe, schlimmer als das Vieh sind bei Gott die Ungläubigen…“ (8,55)
„Und es sprechen die Juden: ‚Uzair ist Gottes Sohn.‘ Und es sprechen die Nazarener: ‚Der Messias ist Gottes Sohn.‘ Solches ist das Wort ihres Mundes. Sie führen ähnliche Reden wie die Ungläubigen von zuvor. Gott schlag sie tot! Wie sind sie verstandeslos!“ (9,30)
„Sie [die Gläubigen] sollen kämpfen in Gottes Weg und töten und getötet werden.“ (9, 111)
„Er ist’s, der Seinen Gesandten mit der Leitung und der Religion der Wahrheit entsandt hat, um sie über jede andre Religion siegreich zu machen…“ (61, 9)
„Und kämpfet wider sie, bis kein Bürgerkrieg mehr ist und bis alles an Gott glaubt.“ (8,39) „Glaubet an Gott und an Seinen Gesandten und eifert in Gottes Weg mit Gut und Blut.“ (61, 11. Alle Koranzitate nach der Reclam-Ausgabe von 1991. „Allah“ wurde hier durchweg gegen „Gott ausgetauscht.)

In Anbetracht dieser und vergleichbarer Suren von den in Deutschland lebenden Moslems zu fordern, sie sollten sich davon distanzieren, wäre unsinnig. Denn eine große Anzahl hiesiger Moslems zeigt sich Gott ebenso wenig unterworfen wie die große Mehrheit der hier lebenden Christen gottesfürchtig ist. Zu fordern ist hingegen, dass sich maßgebliche Geistliche und Gelehrte von Kairo bis Köln in kritischer Beschäftigung mit dem Koran öffentlich von diesen und vielen anderen Suren distanzieren. Tun sie dies, entziehen sie zugleich dem islamistischen Terrorismus ein wesentliches Fundament, da er den Koran als Vehikel für seine Untaten benutzen kann. Nach wie vor wähnen Terroristen – und man lässt sie offenbar gewähren – sich auf den Koran als das unverfälschte Wort Gottes berufen zu müssen oder zu dürfen.
Unter welchen Umständen ließe sich sagen, dass der Islam zu Deutschland gehört? Folgende Antwort auf diese Frage scheint paradox: Der Islam gehört vielleicht dann zu Deutschland, wenn seine Textgrundlage hinreichend kritisiert worden ist und nachdem ausgiebig der Frage nachgegangen wurde, inwiefern er nicht zu Deutschland gehört. So wie etwa Einvernehmen darüber besteht, dass das Alte Testament in Gestalt seines Tötungsgebots im Falle von Blasphemie: „Wer des HERRN Namen lästert, der soll des Todes sterben“ (3. Buch Mose 24,16), nicht zu Deutschland gehört. Der Islam wird vielleicht dann zu Deutschland gehören, wenn es eine typisch deutsche Verarbeitungs- und Vermittlungsform des Koran gibt und wenn aus ihm das Leben bereichernde Säkularisierungen hervorgegangen sein werden. Auch wenn Millionen Moslems in Deutschland leben und zu Deutschland gehören, kann der Islam derzeit nicht als Teil Deutschlands angesehen werden, weil der Koran als Basis des Islam noch nicht in die Kultur Deutschlands hineingearbeitet wurde. Ansätze dafür gibt es freilich. Ein Beispiel ist der Münsteraner Islamwissenschaftler Sven Kalisch, ehedem Inhaber eines Lehrstuhls für islamische Theologie. Nachdem Kalisch unter anderem die – umstrittene – These ausgesprochen hatte, die historische Existenz Mohammeds lasse sich weder beweisen noch widerlegen, wurde sein Lehrstuhl umbenannt in „Geistesgeschichte im Vorderen Orient in nachantiker Zeit“. Zumindest von außen gesehen ist dieser Vorgang ein weiterer Beleg dafür, dass der Islam noch nicht zu Deutschland gehört. Ein anderes Beispiel ist ein Forscher, der im Koran Elemente christlicher Liturgie entdeckte und der seine wissenschaftliche Textkritik am Koran unter dem Pseudonym Christoph Luxenberg publizieren muss.
Der Islam mag dann in Deutschland und Europa angekommen sein, wenn ungültig geworden ist, was Boualem Sansal in seinem Buch „Allahs Narren“ (frz.: Gouverner au nom d’Allah“) beim Namen nannte: Man darf in Europa alles kritisieren und sich dabei jeglicher Formen bis hin zur Satire und Parodie bedienen – das Einzige ,was man nicht kritisieren darf, sind der Islam und sein Prophet, nicht einmal in bester Absicht.

Über Karim Akerma 75 Artikel
Dr. Karim Akerma, 1965 in Hamburg geboren, dort Studium u.a. der Philosophie, 1988–1990 Stipendiat des Svenska Institutet und Gastforscher in Göteborg, Lehraufträge an den Universitäten Hamburg und Leipzig, Tätigkeit als Übersetzer aus dem Englischen, aus skandinavischen und romanischen Sprachen. Wichtigste Publikationen: „Verebben der Menschheit?“ (2000), „Lebensende und Lebensbeginn“ (2006) sowie "Antinatalismus - Ein Handbuch" (2017).

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