Christopher Brookmyre Wer andern eine Bombe baut – Designerterrorismus à la Black Spirit

Rolltreppe, Foto: Stefan Groß

Bereits 2001 schrieb der mittlerweile in seiner Heimat vielfach preisgekrönte Autor diesen Thriller, der – man möchte ausrufen: Endlich! – nun auch ins Deutsche übertragen wurde. Zum einen, weil er gerade den aktuellen Zeitgeist widerspiegelt. Zum anderen, da er ein außerordentliches Lesevergnügen für alle diejenigen darstellt, die spannende UND intelligente Unterhaltung mögen.

In wechselnden Sichten der beiden, sich noch aus gemeinsamen Studientagen kennenden, Hauptprotagonisten Ray(mond) Ash – einem ehemaligen Computerspielefreak und jetzigem Jung-Lehrer –, dem skrupellosen Auftragskiller Simon Darcourt sowie geschickt eingeflochtenen Nebenschauplätzen, die hauptsächlich von Polizistin Angelique de Xavia und zufällig involvierten Personen besetzt werden, rollt Christoph Brookmyre seinen Plot auf, der nach anfänglichen Slow Motions rasant an Fahrt und Spannung aufnimmt. „Seit er gestern Abend am Flughafen Simon Darcourt gesehen/nicht gesehen/sich eingebildet/astralprojeziert hatte, folge Rays Welt nicht mehr den üblichen Regeln: Irgendjemand hatte die Real Lifeä Engine gehackt, und jetzt lief auf dem Server nichts mehr, wie es sollte. War es wirklich purer Zufall, dass das letzte Mal, als sein Leben ansatzweise so verrückt gespielt hatte, auch das letzte Mal gewesen war, dass er Simon über den Weg gelaufen war?“

Bereits die ersten Seiten dieses Buches lassen erahnen, was man im Folgenden zu erwarten hat. Sie strotzen nur so vor bitterbösem Sarkasmus und offenbaren brillante Milieustudien, gewürzt mit musikalischen Genre-Betrachtungsweisen und psychologisch detailreichen Persönlichkeitsanalysen. Hintergründiger, tiefsinniger und durchaus mit einer Prise Wahrheit gewürzter, tiefschwarzer Humor – den ich nicht unbedingt als typisch britisch bezeichnen würde – paart sich mit einer exzellenten Beobachtungsgabe. Auch wenn der Plot bereits 17 Jahre auf dem Buckel hat, so könnte er immer noch als eine Momentaufnahme unserer Gesellschaft im Allgemeinen und der britischen/schottischen im Besonderen gelesen werden.

Doch Brookmyre beherrscht nicht nur die spitzzüngigen, bissig-ironischen Züge perfekt. Er weiß auch die „Shocking Moments“, die einen guten Thriller auszeichnen, mit stilsicherer Feder zu entwickeln. Beinahe wie beiläufig lullt er den Leser mit seinen detailreichen Schauplatz-Betrachtungen ein, um im nächsten Augenblick das absolute Horrorszenario heraufzubeschwören. Aber er kann auch liebevoll die Familiengeschichte von Ray, seiner Frau Kate und dem gemeinsamen Sohn Martin erzählen.

Christopher Brookmyre spielt nahezu mühelos auf der Klaviatur von Bach, Beethoven bis hin zu Schönbergs Zwölftonmusik, um einmal musikalische Vergleiche zu aktivieren. Diese kommen übrigens auch im Buch nicht zu kurz, allerdings beziehen sie sich dort nicht auf Klassiker, sondern fungieren als Hommage an gute englische Indie-Musik. So liest man diesen Thriller in einem permanenten Wechselbad der Gefühle und Empfindungen. Erwartete man eben noch jenen Werdegang der Geschichte bzw. ein Zünden zum Showdown, schwenkt der in der Nähe von Glasgow lebende Autor unvorhergesehen in eine andere Richtung ab. Dies passiert absolut ohne Brüche, sondern erzeugt einen magischen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Selbst auf der letzten Seite sorgt Brookmyre immer noch für eine gelungene Überraschung.

„Wer andern eine Bombe baut“ entpuppt sich als Thriller der ganz eigenen Art: klug, ja intellektuell, witzig, psychologisch, sarkastisch, ironisch, unglaublich gut und lesenswert. Der Text ist aber auch, neben seinen unzweifelhaft vorhandenen Thriller- und Spannungsmomenten, eine ausgezeichnet beobachtete Milieu- und Gesellschaftsstudie. Die sicher nicht ganz einfache Sprache, wurde ohne Brüche und für meine Begriffe großartig von Hannes Meyer ins Deutsche übertragen. Vor allem szenetypischer Slang und Ausdrucksformen kommen ohne Defizite und Diskrepanzen beim deutschen Leser an.

Eine echte Entdeckung und keineswegs Einheitsbrei.

 

Christopher Brookmyre

Wer andern eine Bombe baut

Originaltitel: A Big Boy Dit It And Ran Away
Aus dem schottischen Englischen von Hannes Meyer

Galiani Verlag, Berlin (8. März 2018)
512 Seiten, Broschiert
ISBN-10: 3869711639
ISBN-13: 978-3869711638
Preis: 16,00 EURO

 

 

 

 

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Über Heike Geilen 597 Artikel
Heike Geilen, geboren 1963, studierte Bauingenieurswesen an der Technischen Universität Cottbus. Sie arbeitet als freie Autorin und Rezensentin für verschiedene Literaturportale. Von ihr ist eine Vielzahl von Rezensionen zu unterschiedlichsten Themen im Internet zu finden.