Das Wunder von New York

Die NATO will den syrischen Präsidenten Baschir al-Assad stürzen, weil er sein Volk quält. Alle NATO-Mitglieder sind sich einig, sogar die islamische Türkei, die noch vor Kurzem vom unverbrüchlichen Bündnis mit dem südlichen Nachbarn Syrien sprach. Ob das Quälen des eigenen Volkes den Ausschlag gab, mögen Europäer bezweifeln, solange sie rational denken. Wie lange haben Europa und die NATO dem Morden im Süden des Sudan tatenlos zugesehen? Dort wurden mehrere Hunderttausend Menschen von der anerkannten Regierung umgebracht, ohne dass westliche Politiker von Albträumen verfolgt waren. Und nun haben dieselben Politiker Probleme mit der Ermordung einiger weniger Tausend Syrer?
Der Humanismus besagt, dass niemand gezwungen ist, Gutes zu tun. Die Alliierten haben Nazi-Deutschland besiegt, ohne die Gleise nach Auschwitz zu bombardieren, ohne genügend Juden zu retten. Und trotzdem haben sie richtig und gut gehandelt. Deshalb ist die Beseitigung Baschir al-Assads gut, auch wenn gleichzeitig anderswo 100 Mal mehr Menschen sterben, ohne dass ihnen geholfen wird.
Doch Baschir hält sich für schlau. Um sich von einem NATO-Angriff zu schützen, hat er der iranischen Nachrichtenagentur FARS mitgeteilt, dass, wenn der Westen sein Land angreifen wollte, er Israel attackieren werde, um Millionen Juden zu töten.
Baschir rechnete fest damit, dass die Drohung genügte, damit die NATO jeden Angriff auf ihn und Syrien fallen lassen würde. Er glaubte, dass wie damals im ersten Irak-Krieg sich die Alliierten zurückhalten würden, wenn Israel bedroht wird. Doch Baschir vergaß, dass Israel mit irakischen Raketen beschossen wurde, ohne dass die Alliierten ihren Kampf gegen Saddam Hussein unterbrachen, gar einstellten.
Der Analogschluss lautet, dass die NATO bereit wäre, Syrien militärisch anzugreifen, auch wenn Millionen Juden in Israel die Zeche mit ihrem Leben zahlen müssten.
Da ereignete sich das göttliche Wunder. Russland und China blockierten im Sicherheitsrat in New York Sanktionen gegen Baschir. Israel wurde gerettet.
Syriens Opposition ist schockiert. Deutsche Israelfeinde ebenfalls. Es hätte so schön werden können.

Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.

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