De felicitate.

Was bedeutet es heutzutage, glücklich zu sein?

Psychologe, Psychotherapeuten, Psychiater, Politiker, Gurus und Geistliche schreiben regelmäßig Beiträge zum Thema “Glück”. Die Buchläden bieten eine schier unermessliche Auswahl an Literatur zur (Selbst-) Hilfe. Und obgleich es so vieles gibt, das uns glücklich machen soll/kann/will, sind wir es erstaunlicherweise selten. Dieses Erstaunen führt uns zu einer Disziplin, für die dieses Phänomenaußerordentlich interessant ist: die Philosophie. Nun stellt sich die Frage, was eine PhilosophIn zu dieser Sache sagen kann. Kann die Philosophie eine neue Perspektive zu den Fragen “Was ist Glück?” und “Was bedeutet Glück?” liefern?
Auffallend ist, dass das Wort “Glück” sehr mehrdeutig ist, das heißt, es umfasst dermaßen viele Bedeutungen, sodass es schwer ist, eine herauszufiltern beziehungsweise herauszustellen. Davon abgesehen gibt es unendlich viele Kontexte, in denen dieses Wort gebraucht wird. So spricht man (normalerweise) von Glück, wenn man mit den Menschen zusammen sein kann, die man liebt, wenn eine unerwartete Überraschung sich als positiv herausstellt, wenn man sich einen Herzenswunsch erfüllt, einen Plan erfolgreich in die Tat umsetzt oder aus einer bedrohlichen Situation heil herauskommt. Ebenso nennt man denjenigen glücklich, der sich guter Gesundheit erfreut oder durch erstaunliche Schönheit besticht. Glück ist auch der, der sich in einer beruflichen Position befindet, die ihn erfreut und wirtschaftlich sichert.
So unterschiedlich die obengenannten Situationen auch sein mögen, haben sie doch etwas gemeinsam: jemandem glückt etwas. Und dass einem etwas “glückt”, das ist nicht selbstverständlich. Es gibt tausende Faktoren, die auf unser Leben einwirken, viele davon können wir kaum oder gar nicht beeinflussen. Kein Mensch ist eine Insel, so selbständig und unabhängig er auch immer sein mag. Er ist umgeben von Menschen, die wie er Bedürfnisse stillen und Ansprüche stellen wollen. Eines der Bedürfnisse, welches sich bei nahezu jedem Menschen finden lässt, ist das Bedürfnis nach Glück, d.h. glücklich zu sein.
Der Wunsch “glücklich zu sein” ist in jeder Kultur auffindbar, ebenso wie der Wunsch, ideale Ausgangsbedingungenzu schaffen, um Glück erleben zu können. Ob man nun den hundersten Lottoschein ausfüllt oder sich und andere mit Glücksbringern beschenkt, dies alles dient doch dem Zweck, mehr oder überhaupt Glück zu haben. Aber kann man Glück “haben”? Und was bedeutet “Glück” überhaupt?
Schauen wir uns das Wort “Glück” genauer an; die sprachliche Analyse ist schließlich eine der Disziplinen der Philosophie und durch sie wollen wir uns auf die Suche nach “Glück” machen.
Alle diese Hinweise scheinen das Verständnis von “Glück” eher zu erschweren als zu erleichtern. Versuchen wir also die Herkunft des Wortes ausfindig zu machen: Etymologisch gesehen leitet sich das Wort “Glück” wesentlich von dem Verbum “gelingen” ab. Die menschliche Existenz kann gelingen. Genauso wie dem Künstler sein Werk gelingen kann, kann dem Menschen sein Leben gelingen. Das klingt durchaus schlüssig, denn wer könnte abstreiten, dass man glücklich ist, wenn einem etwas im Leben gelingt. Dieses Gelingen ist nicht selbstverständlich. Daher leuchtet es ein, dass wir alles versuchen, um es zu fördern und oftmals bereit sind, einen hohen Preis dafür zu zahlen. Doch wenn auch beinahe alles käuflich ist, ist es unmöglich das Erlebnis von Glück zu kaufen oder gar die Sicherheit, dass einem etwas gelingt. Glück kann man nicht kaufen. Das ist eine alte Volksweisheit. Wieso versuchen wir es trotzdem immer wieder und um nahezu jeden Preis?
An dieser Stelle ist interessant, warum so viele Menschen die Hoffnung auf Glücksgefühle mit der Anschaffung von materiellen Dingen verbinden. Der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm hat unter anderem die Unterscheidung zwischen einer Habens- und einer Seinshaltung des Menschen hervorgehoben. Seiner Meinung nach entspringt die Dominanz der Habenshaltung aus dem kollektiven Wertebewusstsein der westlichen Lebenskultur. In einer solchen Kultur wird auch der Wert eines Menschen durch seinen Besitz bestimmt und auf das folgende formelhafte Vorurteil gebracht: Je mehr einer hat, desto mehr und bedeutender muss er wohl sein. Daraus folgt wiederum, dass je mehr einer hat, desto mehr kann dieser Mensch auch seine verschiedensten Bedürfnisse befriedigen. Diese Möglichkeit zur Befriedigung macht ihn wiederum glücklich – oder doch nicht?
Glück erlebt man in und durch den gegenwärtigen Moment. Man kann sich an vergangenes Glück erinnern und auf zukünftiges Glück hoffen, doch nur die Gegenwart macht die Erfahrung von Glück möglich. Um die Erfahrung von Glück machen zu können, ist Bewusstsein nötig und dieses ist das Einzige, durch das man Einfluss auf “sein” Glück nehmen kann. Indem man nämlich bewusst im “Hier und Jetzt” lebt, d.h. sein Bewusstsein auf den gegenwärtigen Augenblick richtet, schafft man erst die innere Ausgangsbedingung, um Glück überhaupt erleben zu können.
Wer einmal die idealen “inneren” Bedingungen geschaffen hat, d.h. das Bewusstsein für den aktuellen Moment und über denen eigenen Wunsch, glücklich zu leben, ist freilich noch immer den äußeren Bedingungen, d.h. seiner Umwelt, ausgesetzt und von äußeren Umständen beeinflusst. Nun kann man berechtigterweise fragen, ob man Glück tatsächlich unabhängig von äußeren Lebensumständen und -bedingungen empfinden kann. Reicht es aus, die rechte innere Einstellung zu kultivieren?
Mit der Antwort auf diese Frage haben sich philosophische Schulen aller Jahrhunderte und Kulturen beschäftigt und sie haben versucht, befriedigende und (für den Einzelnen) nützliche Antworten zu geben. Maßgeschneiderte Antworten gibt es jedoch nicht, zumindest einige Philosophen versuchen die Menschen zur Selbstreflexion anzuregen, also zum Nachdenken über die eigene Lebenssituation, die eigene Einstellung zum Leben und zu sich selbst.
Das Glück, welches jedoch die meisten Philosophien behandeln und zu fördern versuchen, ist nicht das kurzfristige Glücksempfinden, sondern das langfristige “Lebensglück”. Um zu erreichen, dass das eigene Leben glückt, so stimmen sie überein, muss der Mensch an sich und seiner Existenz arbeiten.

Über Hirn Lisz 48 Artikel
Dr. Lisz Hirn (geboren 1984) studierte Geisteswissenschaften sowie Gesang und Kunst in Graz, Wien und Paris. Sie ist als Philosophin, Schriftstellerin, Consultant in der Jugend- und Erwachsenenbildung tätig und als freiberufliche Künstlerin an internationalen Kunstprojekten und Ausstellungen beteiligt.

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