Der amerikanische Wahlkampf eines Donald Trump ist beschämend

Stacheldrahtzaun, Foto: Stefan Groß

Das Niveau im US-Wahlkampf hat am vergangenen Wochenende einen neuen Tiefpunkt erreicht. Das Auftauchen eines Videos des republikanischen Kandidaten Donald Trump aus dem Jahr 2005, wo er damit angibt, dass er sich aufgrund seines Reichtums und seiner Berühmtheit ungestraft die sexuelle Belästigung von Frauen leisten könne, beschädigt aber die gesamte politische Kultur, nicht nur in den USA.

von Michael Lausberg

Vier Wochen vor den Wahlen in den USA beschäftigt sich die gesamte Diskussion nicht um die drängenden Probleme innerhalb der Gesellschaft, sondern um ein peinliches sexistisches Video des Chauvinisten Donald Trump.[1] Viele Wähler und Wählerinnen wenden sich mit Abscheu ab, die Abkehr von der gesamten politischen Klasse könnte nicht lange auf sich warten lassen.

Mehrere Dutzend Amtsinhaber und Kandidaten der Republikaner haben daraufhin angekündigt, dass sie nicht für Trump stimmen werden, oder dazu aufgerufen, ihn als Kandidaten zu ersetzen. Letzteres ist aber praktisch unmöglich, da viele Stimmzettel für die frühzeitige Abstimmung oder die Briefwahl schon in Umlauf gebracht wurden.

Daraufhin suchte Trump den Konflikt mit seiner eigenen Partei. Zunächst attackiert er Paul Ryan, den mächtigsten Republikaner im Repräsentantenhaus, für dessen Ankündigung, nicht mehr für Trump Wahlkampf zu machen. Ryan sei „schwach und ineffektiv“ und habe ihm „null Unterstützung“ gegeben.[2]

Seinen parteiinternen Rivalen, Arizonas Senator John McCain, beschimpfte er als „unflätig“ und äußerte, dass der Kampf mit den „untreuen Republikanern“ für ihn viel schwieriger sei als die Auseinandersetzung mit der „Betrügerin Hillary“. Und dann verkündet Trump, wie sehr er sich freue, endlich „von den Ketten“ befreit zu sein und für Amerika endlich kämpfen zu können, „so wie ich eswill“.[3]

Im weiteren Wahlkampf will Trump die eigene Basis mit nationalistischen Parolen und persönlichen Attacken auf Hillary Clinton motivieren, für ihn zu stimmen. In diesem Zusammenhang will er an ihren E-Mail-Skandal, die Ungereimtheiten der Clinton-Stiftung und vor allem an die Sex-Affären von Ehemann Bill erinnern. Dass Wikileaks nun zahlreiche E-Mails aus der Clinton-Wahlkampagne publiziert, hilft Trump ungemein: Im neuesten Paket finden sich Nachrichten, wonach das US-Justizministerium die Berater der Ex-Außenministerin darüber informiert habe, wann umstrittene E-Mails veröffentlicht werden sollen.

Demokraten ergreifen die Gelegenheit, um Trump in Grund und Boden zu verdammen. Die Medienkommentatoren, die sonst keine Gelegenheit auslassen, jeden Krieg des amerikanischen Militärs zu bejubeln, zeigen sich bestürzt darüber, wie Trump mit Frauen umgehe. Seine zahlreichen Beleidigungen und abfälligen Sprüche über Frauen, Latinos, behinderte Menschen und Afroamerikaner haben bereits dazu geführt, dass viele liberal denkende Wähler und Wählerinnen vor allem ein Ziel haben: Sie wollen weniger für Hillary Clinton stimmen als gegen DonaldTrump.

Was Trumps Äußerungen angeht, so enthalten sie nichts, was einen Beobachter schockieren oder überraschen könnte, der den Niedergang der Republikanischen Partei oder des gesamten kapitalistischen Zwei-Parteien-Systems mit offenen Augen verfolgt. Trump verkörpert die Rückständigkeit der amerikanischen herrschenden Klasse, der fehlende Respekt vor den Rechten anderer Menschen. Kapitalistische Möchtegernherrscher, die meinen, mit Geld sich alles kaufen zu können, und keinen Ansatz von Selbstkritik besitzen, beschmutzen demokratische Werte im wahrscheinlich mächtigsten Land der Welt.

Die New York Times veröffentlichte letzten Sonntag drei Seiten aus Donald Trumps Steuererklärung.[4] Der Milliardär nutzte eine Bestimmung des Steuerrechts, die die Immobilienbranche begünstigt, und konnte so 1995 Verluste in Höhe von 916 Millionen Dollar geltend machen. Diese konnte er in den 18 folgenden Jahren gegen sein Einkommen aufrechnen und so vermeiden, Steuern zahlen zu müssen. Eine andere Bestimmung half ihm, weitere 15 Millionen Dollar an Verlusten anzugeben. Dies überstieg sein komplettes Einkommen im Jahr der Steuererklärung.

In seiner Reaktion darauf bestritt Trumpnicht den Wahrheitsgehalt dieser Meldung. Es ließ lediglich wissen, dass er auf legalem Weg steuerliche Vorteile wahrgenommen habe, und dass seine Steuererklärung zum Zeitpunkt der Abgabe mit den damals geltenden Steuergesetzen konform gewesen sei.

Dies heißt faktisch: Milliardäre können Bestimmungen des Steuerrechts zu ihrem Vorteil nutzen. Diese werden von ihren Kongressabgeordneten und Senatoren nach ihren Wünschen formuliert, erlangen durch ihre Präsidenten Gesetzeskraft, und werden von ihren bezahlten Buchhaltern und Steueranwälten zu ihrem Vorteil eingesetzt.

Ein erheblicher Teil der herrschenden Klasse ist offensichtlich zum Schluss gekommen, dass Trump als Präsident nicht akzeptabel sei. Der Skandal ist die Art und Weise, wie die Differenzen ausgekämpft werden und gleichzeitig verhindert werden soll, dass der reaktionäre Charakter von Hillary Clintons Wahlkampf zur Sprache kommt. Die Demokraten ziehen es vor, Trump auf unterstem Niveau, mit einer auf Pornografie gestützten Politik, zu bekämpfen.

Sexskandale sind zum Standardmechanismus der herrschenden Klasse der USA geworden. Damit trägt sie ihre Konflikte aus und verhindert gleichzeitig, dass die große Masse der Bevölkerung auf die eigentlichen Probleme aufmerksam wird. Diese Methode ist seit langem ein Merkmal der amerikanischen Politik. Ohne Zweifel wurde das Video aus dem Programm Access Hollywood auf NBC zu einem Zeitpunkt aus der Schublade gezogen, an dem es den größtmöglichen Schaden anrichtet – nämlich nur dreißig Tage vor der Wahl. Sollte dies den Trump-Wahlkampf nicht endgültig erledigen, werden ohne Zweifel weitere Skandale aus dem Hut gezaubert.

Diese Art, Wahlkampf zu führen, ist nur beschämend für das wohl mächtigste Land der Welt, das demokratische Werte in der Außenpolitik stets wie eine Monstranz vor sich her führt. Die in den USA schon herrschende Politikverdrossenheit wird voraussichtlich ungeahnte Höhen erreichen, zu Recht!

[1] Siehe dazu: https://www.tagesschau.de/ausland/uswahl/trump-453.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/us-praesidentschaftswahl-trump-erklaert-den-republikanern-den-krieg-1.3201648
[3] Ebd.
[4] http://www.spiegel.de/politik/ausland/trumps-video-anatomie-eines-politischen-gaus-a-1115800.html

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Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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