Der „Keltische Tiger“

Es ist noch nicht lange her, wo uns Irland als Musterland für den Erfolg eines neoliberalen Systems dargestellt wurde. Insbesondere die niedrigen Steuersätze wurden als vorbildlich für die anderen Länder in der EU propagiert.
Nun sind dem „Tiger“ offensichtlich die Zähne ausgegangen. In der Euro-Zone ist die Summe von 1 Mrd. Euro offensichtlich zur niedrigsten Verrechnungseinheit mutiert. Deshalb wird der Kapitalbedarf von 85 Mrd. Euro laut Aussage der „politischen Eliten“ als unproblematisch bezeichnet. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Land von 4,5 Millionen Einwohnern wohl kaum in der Lage sein wird, diese Summe zurückzuführen. Aus den Bürgschaften werden wohl in absehbarer Zeit Zahlungen erwachsen. Irland dürfte auch aufgrund der niedrigen Steuersätze nicht in der Lage sein, das bestehende Wirtschafts- und Sozialsystem zu finanzieren. Es gilt demnach, eine soziale Katastrophe zu vermeiden.
Viele Unternehmen haben sich vor einigen Jahren aus Gründen der Steuerersparnis und der finanzpolitischen Freiheiten Irland als Stammsitz ausgesucht. Als Beispiel wird hier die DEPFA genannt, welche u. a. zur Finanzierung von Fristentransformationen benötigt wurde. Benötigt wurde eine derartige Bank, da diese Spekulation im Inland der BRD nur bis zu einem gewissen Grad legal vorzunehmen waren.
Die DEPFA entstand aus dem Zusammenschluß der ursprünglich öffentlich rechtlichen Deutschen Pfandbriefanstalt und der Aareal Bank mit Billigung der damaligen Bundesregierung. Die Privatisierung erfolgte durch einen Börsengang, um dann ungehindert ein riesiges Rad zwecks Finanzierung der Fristentransformationen für die HRE zu drehen. Die Konsequenzen, die sich aus den ungehinderten Spekulationen ergeben haben, sind mittlerweile auch der breiten Öffentlichkeit gegenwärtig.
Offensichtlich setzt sich wohl langsam in Kreisen „gewisser Eliten“ die Erkenntnis durch, dass die sog. Finanzwirtschaft sich nicht von der Realwirtschaft abkoppeln lässt, was selbsternannte Experten permanent versucht haben. Auch kommt man langsam auf die Idee, dass eine einheitliche Währung nur dann funktionieren kann, wenn die Verlierer im Wettbewerb rechtzeitig aufgefangen werden, bevor eine Katastrophe seinen Lauf nimmt. Um dieses zu ermöglichen, bedarf es einheitlicher Strukturen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Hierzu gehört auch die Harmonisierung der Steuersätze. Einheitliche Mindestlöhne sind ebenfalls denkbar, um dem Konkurrenzkampf der Unternehmen über Lohn-Dumping ein Ende zu bereiten.
Benachteiligte Regionen in der EU sollten dann über Fördermaßnahmen oder über einen Finanzausgleich in die Lage versetzt werden ihre Konkurrenzfähigkeit darzustellen.
Wenn man sich dann gewisse Vorschläge in Sachen der Steuerpolitik in der BRD vergegenwärtigt, welche u. a. die Möglichkeit der Städte und Gemeinden eröffnen sollten, die Einkommens- und Körperschaftssätze selbst festzulegen, dann überkommt einem das kalte Grausen hinsichtlich der geistigen Qualitäten der Verkünder aus der Gruselkammer des Dr. Schäuble.
Es bleibt zu hoffen, dass man in gewissen Kreisen endlich zu begreifen beginnt, dass ein schrankenloser Konkurrenzkampf innerhalb einer Gemeinschaft diese letztendlich zerstört. Die Lebensbedingungen dürfen nicht zu weit voneinander abweichen. Es gilt auch, über entsprechende Maßnahmen unerwünschte Völkerwanderungen zu vermeiden.
Eine Überschuldung der Mitgliedsstaaten muß irgendwann zu einer Abwertung der Staatsanleihen führen. Die Vorschläge, die Käufer dieser Anleihen am Risiko zu beteiligen, klingen logisch. Staatsanleihen werden aber zumeist mit der Begründung einer sicheren Anlage gekauft. Es ist kaum anzunehmen, dass Spekulanten ohne erhebliche Zinsvorteile in diese einsteigen würden.
Es ist nicht zu bestreiten, dass täglich Umsätze von ca. 4 Billionen US $ an den Märkten gehandelt werden. Dieses ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass offensichtlich die Spekulationswelle wieder rollt, und die Entstehung einer sog. Finanzblase nur dann zu verhindern sein wird, wenn eine Tobin-Steuer, auch Finanztransaktionssteuer genannt,erhoben wird. Es wird höchste Zeit, dass die Regierungen in der EU sich zu einer entsprechenden Maßnahme durchringen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre lassen den Schluss zu, dass Binsenweisheiten einer ständigen Wiederholung bedürfen, da diese sonst in Vergessenheit geraten. Eine Binsenweisheit dürfte es sein, dass die einzelnen Länder der EU keine Staatsanleihen zwecks Schuldendeckung herausgeben sollten. Dieses sollte nur der EU über die EZB ermöglicht werden. Wenn man sich nicht zu einer derartigen drastischen Maßnahme durchringen kann, dann werden in absehbarer Zeit Portugal und Spanien unter Druck geraten. Es muss endlich das Prinzip „Einer für Alle und Alle für Einen“ gelten.
In der Naturwissenschaft kennt man nur einen Zeitpfeil, der in eine Richtung, die Zukunft, deutet. Einen Zeitpfeil in Richtung Vergangenheit gibt es wohl nur in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der EU. Wenn sich an diesem Zustand nicht sehr schnell etwas ändert, dann ist eine Renationalisierung der Mitgliedsländer nicht mehr vermeidbar.

Über Westphal Rainer 94 Artikel
Rainer Westphal, geboren 1944, ist seit 2 Jahren freiberuflich auf dem Sektor „Betriebswirtschaftliche Beratung und Betreuung“ mit dem Schwerpunkt Controlling tätig. Nach Abschluss der Mittleren Reife studierte er nebenberuflich Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Arbeitsrecht. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Geld- und Devisenhandel verfügt er über entsprechende interne Branchenkenntnisse.

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