Der MDR und die Ostalgie

Manch einer hatte sie fast vergessen, die Wende vor zwanzig Jahren. Und wer sie nicht vergißt, oder vergessen kann, der manche Unarten des Ostens erfolgreich verdrängt hatte, dankt die Rückkehr in graue Vorzeiten dem MDR, der staatlich-vorgeordneten DDR-Erinnerungsanstalt, der sich nun quasi als postsozialistischer Sender ins Gedächtnis einschreibt, der zu bewahren sucht, was man getrost vergessen kann. Ein Blick ins Programmheft unterstreicht diese fast schon ermüdende Nachhaltigkeit der Themen, eigentlich des einen Themas in vielfachen Variationen, das man sich in Mitteldeutschland auf die Fahnen geschrieben hat: DDR-Vergangenheitsbewältigung.
Diese zu bewältigen, scheint sich das Unternehmen noch die nächsten Jahrzehnte vorgenommen zu haben, Detail für Detail, was vielleicht darüber hinwegtäuschen soll, daß es sonst nicht viel im Sendegebiet gibt, über das es sich lohnt, zu berichten.
Der MDR und die Ostalgie, da scheint zusammenzuwachsen, was zusammen gehört. Während der Westen und die kritischen Intellektuellen beiderseits des ehemaligen Zauns vor solch einem plakativ verstandenen Sozialismus einmütig warnen, Bürgerrechtler sind über eine derartige Verharmlosung gerade entrüstet, ist sich der MDR nicht schade genug, sich jedem ostalgischen Hirnschmalz hinzugeben, was sich an programmatischen Titeln wie „’Dann hau doch ab in den Osten’, Bekannte Westler, die in der DDR lebten, Rüber in die DDR – Von Westlern (wobei Wrestler mir interessanter erscheinen würde), die in den Osten zogen, Zement gegen Südfrüchte – Kuba und die DDR (1/2)“ abzuleiten scheint. Und Teaser, wie: „Beim Blick in den Westen tropfte dem DDR-Bürger der Zahn: Schöne Schokolade, guter Kaffee, jeden Tag Bananen und Apfelsinen. Das konnte die DDR nicht bieten. Oder nur teilweise, wenn das Geld reichte und die sozialistischen Bruderländer mitspielten. Was die DDR anstellte, um an Kaffee und Südfrüchte zu kommen, […]“, wirken auch nach zwanzig Jahren peinlich, verblöden den Ostdeutschen und degenerieren ihn zu einem Meinungstrottel, der mit sich machen ließ, was man eben mit ihm machen wollte. Auch scheint dieses Bild des Ostdeutschen der – einmal unterstellten – pädagogischen Absicht des Senders zu widersprechen, der diesen Typus doch retten will, oder etwa nicht? Was allenthalben mit dieser Ostalgie herauskommt, ist eine Blödstellung des Ostdeutschen, die nunmehr generationsübergreifend überliefert wird. Damit wird man die künftigen Bewohner der neuen Bundesländer, die Nach-Wende-Ossis, kaum glaubhaft an die Thematik DDR heranführen können. Manchmal hat man aber auch das Gefühl, daß DDR-Fernsehen sendet noch, nur unter einer anderen Frequenz und unter falschem Namen.
Ob „Kessel Buntes“ Legende Helga Hahnemann, Frank Schöbel oder Muck – dank MDR leben sie auf ewig fort. Eins gibt der Sender dann wohl doch, das Gefühl, seine Heimat verloren zu haben, zumindest für die Intellektuellen.

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