Die aktuelle Hochkonjunktur rechtspopulistischer Parteien

Seit den Anschlägen am 11.9.2001 und besonders in der aktuellen Situation der Flucht vor Krieg und politischer Verfolgung nach Europa ist ein Erstarken rechtspopulistische Parteien in der transatlantischen Welt zu beobachten. In Ungarn und Polen stellen rechtspopulistische Parteien sogar die Regierung. Aussagen zur Migrationspolitik, die vor nicht allzu langer Zeit nur von extremen Rechten vertreten wurden, werden nun offen von bürgerlichen Parteien lanciert. Sogar in linken Parteien gibt es inzwischen rechtspopulistische Deutungsmuster. Diese Anbiederung an den rechten Zeitgeist führt allerdings nur dazu, dass rechtspopulistische Aussagen gesellschaftlich akzeptabel erscheinen. Bei Wahlen stimmen die Menschen dann doch für das Original, nicht für die Fälschung.
Vor allem beim Thema Islam findet sich in der westlichen Welt oft die Einteilung in„Freund“ und „Feind“, „Gut“ und „Böse“ nach den Prinzipien des antidemokratischen Staatsrechtlers Carl Schmitt.[1] Die ständige Wiederholung der These, die christlichen europäischen Gesellschaften müssten sich gegen einen immer als fundamentalistisch und monolithisch verstandenen Islam wehren, dient dazu, religiöse Konkurrenzangst zu nationalisieren bzw. zu ethnisieren. Der Islam wird als existenzbedrohend für die westliche Gesellschaft und ihre „christlich-nationale Identität“ dargestellt. Hetze gegen Muslime ist in vielen Ländern salonfähig geworden oder gehört wie in Polen zum politischen Alltagsdiskurs. Von diesem Bedrohungsszenario profitieren seit Jahren die rechtspopulistischen Parteien in Europa und Nordamerika.
Der Schwur von Buchenwald „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ scheint mehr als 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges vergessen worden zu sein. Die Hemmschwelle, sich trotz der leidvollen Vergangenheit und den Verbrechen vor allem des Nationalsozialismus wieder aus diesem ideologischen Reservoir zu bedienen, ist rapide gesunken. Parteien, die offen an faschistische Ideologeme anknüpfen wie zum Beispiel die Goldene Morgenröte in Griechenland, schaffen aus dem Stand den Einzug in die Parlamente. Migranten fungieren als Sündenböcke für das sozialpolitische Versagen der etablierten Parteien, die meist radikal-neoliberalistische Politikkonzepte präferieren.
Rechtspopulistische Parteien sehen sich als Sprachrohr einer schweigenden Mehrheit, deren Interessen die etablierten Parteien ignorieren würden. Kern rechtspopulistischer Politik ist eine Identitätspolitik, in der eine bedrohte Gemeinschaft konstruiert wird. Er richtet sich in seinem Selbstverständnis gegen gesellschaftliche Minderheiten, „fremde“ Einwanderinnen und die politische Klasse, die er als korrupt, machtbesessen und zu wenig volksnah ansieht. Die Regierenden würden ihre Sache schlecht machen, sich dabei persönlich bereichern und damit „dem Volk“ schaden. Beim Rechtspopulismus als Strategie geht es um die Instrumentalisierung von und Schwarz-Weiß-Bildern des Politischen und groben Schemata der emotionalen Entdifferenzierung. Dabei werden komplexe Probleme in einfache, einprägsame Parolen transformiert.
Das Ziel rechtspopulistischer Politik liegt darin, die Demokratie zu schwächen bzw. zu zerstören und durch autoritäre Verfahrensweisen zu ersetzen. Charakteristisch für die Personalstruktur fast aller rechtspopulistischen Parteien ist eine starke männliche Führungsfigur, die als Gesicht der Partei auftritt, die Homogenität der Bewegung verkörpern und an eine „Sehnsucht nach dem starken Mann“ appellieren soll. Es wird versucht, die Wählerklientele fast aller Parteien anzusprechen. Dabei bedienen sie sich der hegemonialen Medien als Verstärker und Verdichter populistischer Muster. Die Pädagogik des Populismus besteht darin, diskursive Züge zu konstruieren, die im medialen Raum und in der Öffentlichkeit platziert werden und sich im Alltagsdiskurs endlos wiederholen.
Eine weitere Komponente rechtspopulistischer Politik liegt darin, dass immer vor Wahlen öffentlichkeitswirksame Maximalforderungen gestellt werden und im Sinne einer „Catch-all“-Partei alle Wähler mitsamt ihrem politisch-sozialen Hintergrund angesprochen werden. Rechtspopulistische Parteien stehen für eine repressive Law-and-Order-Politik, die Maßnahmen wie Videoüberwachung, Aufstockung von Sicherheitspersonal und mehr Befugnissen für die Polizei beinhaltet. Der Erfolg von rechtspopulistischen Parteien steht und fällt mit einer (männlichen) Führungsfigur.
Rechtspopulistische Politik wendet sich gegen das politische Establishment des jeweiligen Landes: „Es sind Die-da-oben, die uns sowohl schlecht als auch zu Unrecht regierten, denn sie würden die überwiegende Mehrheit ‚des Volkes‘ nur unzureichend repräsentieren und sie gegen ihren Willen beherrschen.“[2] Außerdem richtet sich die rechtspopulistische Agitation gegen Migranten, nationale Minderheiten und andere Menschen, die ihrem Gesellschaftsdogma widersprechen, wie etwa Homosexuelle oder Punks. Fundamentale Kritik an der EU sowie an ihren Institutionen und eine angestrebte Revitalisierung des jeweiligen Nationalstaates ist auch charakteristisch für rechtspopulistische Bewegungen.
In der Bundesrepublik gewinnt man schnell den Eindruck, dass „die Nation“ im Augenblick mehr zählt als der Verweis auf den Pluralismus im Grundgesetz. Die Anstrengungen der politischen Bildung in der Vermittlung eines demokratischen und differenzierten Menschenbildes müssen dringend erweitert werden. Antirassistische Bildung und Erziehung ist nicht nur Aufgabe der Zivilgesellschaft, sondern muss sich auch in staatlichen Programmen wiederfinden.

[1] Schmitt, C.: Der Begriff des Politischen, Berlin 1963, S. 26.
[2] Reinfeldt, S.: „Wir für Euch“. Die Wirksamkeit des Rechtspopulismus in Zeiten der Krise, Münster 2013, S. 51

Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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