Die Politik braucht gute Köpfe – wie der Fußball gute Spieler: Was wir haben ist Durchschnitt!

Allianz-Arena in Muenchen, Foto: Stefan Groß

Günther Karl, ein Bauunternehmer aus Passau macht sich Sorgen um die Politik-Bundesliga. Dafür würde er sogar eine Million Euro in einen speziellen Fonds geben. Er glaubt die Ursachen der vermeintlichen Durchschnittlichkeit der Bundespolitik im Fehlen vieler bester Köpfe erkannt zu haben: Fehlende finanzielle Anreize und Sicherheiten.

Recht hat er sicher mit dem Fehlen vieler außerhalb der Politik agierenden, leider oft auch zu stummen, klugen, Köpfe. Der politische Wettbewerbspool ist in den letzten Jahrzehnten spürbar kleiner geworden. Die Aussichten, nicht in jedem Detail mit ihrer Partei hermetisch übereinstimmender Menschen, politisch den Weg gehen zu können, sind schon lange nicht mehr rosig, auch ist der mögliche tiefe Fall nach einer Mandatszeit alles anders als unheimlich anziehend. Und je kürzer die Landeslisten infolge kontinuierlich abnehmender Akzeptanz der Parteien werden, desto größer das jeweilige innerparteiliche Gewusel um die aussichtsreichen Plätze, die nur die auf der „Straße der Besten“ ihrer jeweiligen Partei Parteimitglieder erklimmen können. Eigensinnig, stur und abweichend kreativ – keine Chance. Die Ver-Unterdurchschnittlichung der Politik galoppiert rasend.

Weniger Recht hat Herr Karl mit der Annahme, es ei ein Problem der Bezahlung. Wir bezahlen unsere Abgeordneten gut, die werden das nicht bestreiten. Die Probleme liegen tiefer und gehen an den Kern dessen, was große Teile der bundesdeutschen Gesellschaft inzwischen wie eine Droge aufgenommen haben: Die restlose Verquotierung als Vorschaltstufe vor die Kandidatenauswahl! Das ist die Krux. Das Niveau muss zwangsläufig absinken, wenn der Wettbewerb nur noch innerhalb der Gruppen und nicht mehr oberhalb der gesellschaftlichen Mikrokosmen stattfindet.

Vermeintlich ideal bewerben sich derzeit die besten Frauen um die besten Frauen-Plätze, die besten Männer um die besten Männer-Plätze, die besten Es um die besten Es-Plätze, die besten Jungen um die besten Jungen-Plätze, die besten Alten um die besten Alten-Plätze usw. usf.
Verquirlt wird das Tableau dann gemäß der Verquirl-Bestimmungen des dogmatischen Quotenuniversums. Der Fall, dass eine Frau viel besser als ein Mann sein kann, spielt dabei ebenso wenig eine Rolle wie der umgekehrte Fall. Wer quotenmäßig nicht dran ist, ist nicht dran.
Ehe ich es vergesse: Der Wahnsinn ist damit noch nicht zu Ende, die Verquirlten werden auch noch innerhalb ihrer Quotengruppen nach linksrechts und regional zerquotiert.

Somit sind wir alle miteinander schwer verrückt. Das Niveau schmiert ab. Hochkulturen gehen ohnehin immer irgendwann den Weg alles Irdischen. Warum nicht auch wir. Pech, selbst gemacht.

Was waren wir 1989 auch naiv. Wir dachten tatsächlich, in der Demokratie geht es um den Streit um beste Ideen und Lösungen. Das hieß: Jede/r kann mit seinen Parteien antreten und die Wähler entscheiden, wer als Direkt- oder Listenkandidat seiner Partei in die Parlamente einzieht.

Für die Volkskammerwahl am 18. März und die Kommunalwahl am 6. Mai 1990 galt das auch genauso. Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe. Demokratie in Reinform. So fühlten wir das. Egal ob Männlein oder Weiblein, antreten konnte jede/r für die Kandidatenlisten und die Reihenfolge ergab sich aus den Stimmenauszählungen. Die Abstimmungen erfolgten generell geheim. Absprachen für Männer gegen Frauen oder für Frauen gegen Männer gab es nicht. Alle erfreuten sich am Wunder freier Wahlen nach sechs Jahrzehnten faktischer Delegierungen statt freier Wahlen in die Scheinparlamente der Diktatur der Arbeiterklasse.

Das war so in der jungfräulich freien DDR zwischen Friedlicher Revolution und Deutscher Einheit und mir scheint, das wäre ein Top-Modell für die Bundesrepublik gewesen. Wurde es aber nicht. Im Gegentum.

Diesen Teil grundsätzlicher Demokratie gaben bspw. die ostdeutschen Sozialdemokraten mit ihrem Beitritt zur SPD-West am 25. September 1990 auf. Der Jubel über die Einheit der Sozialdemokratie und die wenige Tage später kommende Deutsche Einheit war groß genug, um diesen Streit nicht völlig aussichtslos vom Zaune zu brechen. Auch gab es den Trost, dass die entsprechenden SPD-Beschlüsse für 30 Jahre gelten sollten und damit 2018 erledigt sein könnten.

Pustekuchen. Die SPD (jedenfalls in Schleswig-Holstein) versteigt sich sogar dahin, die Direktmandate dem demokratischen Prinzip dauerhaft zu entziehen. Zitat: „Die nächste Aufgabe wird sein, neben der Quotierung der Wahllisten auch eine gerechtere Geschlechterverteilung in den Direktmandaten zu erreichen. Die sicheren Wahlkreise sind nach wie vor hauptsächlich von Männern besetzt“.

Das bedeutet, die SPD würde das passive Wahlrecht für eigene Kandidaten aushebeln und künftig vorschreiben, welche Wahlkreise durch SPD-Männer oder durch SPD-Frauen erstritten werden sollen! Für mich fällt das unter Körperverletzung am Demokratieprinzip: Eine Partei auf Abwegen in die Abgründe quotiert gelenkten Gemeinwesens, kurz auf dem Weg in die Demokratur.

In Russland legt Putin fest, wer politisch was werden darf. In Deutschland wird das über die Quoten vorab gesteuert. Gut wird das nicht gehen. Weder dort, noch hier.

Günther Karl macht sich berechtigte Sorgen um das Gemeinwesen. Kaufen will er Politiker nicht. Sein Geld soll allen zugutekommen. Hauptsache Engagement. Er übersieht dabei, dass wir unsere Politiker bezahlen und das auch so belassen wollen. Den Fonds hierzu gibt es, es ist der Bundeshaushalt. Seine Denkanstöße beleben die öffentliche Diskussion um das Gemeinwesen und wie es besser funktionieren könnte. Das ist gut. Doch unser Problem liegt unterhalb der Cash-Frage. Wir ver-Unterdurchschnittlichen Gesellschaft und Politik mit unserem Verbiegen grundsätzlicher demokratischer Eckpfeiler.

 

 

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