Die Rolle der Information bei der Entstehung von Kräften

Fernrohr, Foto: Stefan Groß

Die Mechanismen der Informationsverarbeitung in Computern, lebenden Zellen und Gehirnen wirken unsichtbar und lassen deshalb wie der Geist des Menschen nicht unmittelbar erkennen, wie sie mit Informationen umgehen. Dank jüngster naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und moderner Technologien wissen wir aber heute im Gegensatz zu früher, was Informationen sind und wie physikalische, chemische, biologische und technische Mechanismen wirken. Grundsätzlich benötigen Informationen immer einen Träger, mit denen sie kommuniziert werden. Informationen ohne einen Träger gibt es nicht. Zahlreiche Beispiele für Informationsträger sind uns allen bekannt: Elektromagnetische Wellen, Licht, Schallwellen, Papier, CDs, Magnetbänder, Neuronen aber auch Moleküle wie die DNS in den Zellkernen usw. Sie tragen kodierte Informationen, bei denen das Trägermaterial grundsätzlich aus vielen Teilchen besteht.

 

  1. Die Bedeutung elementarer Informationen

Auch einzelne Teilchen wie Moleküle oder Atome, die wiederum aus kleineren Teilchen, den Elementarteilchen bestehen, tragen Informationen, die sie charakterisieren. Dabei handelt es sich um physikalische Größen wie Masse, Ladung, Spin, magnetisches. Moment usw. Dieses Bündel an Eigenschaften ist vergleichbar mit der „identity card“ der Menschen, mit denen sie erkannt werden können, bzw. mit denen sie sich bei einer Wechselwirkung mit anderen Teilchen identifizieren, da ja bekanntlich ganz bestimmte physikalische oder chemische Eigenschaften die Voraussetzung für eine Reaktion darstellen. Also gilt: Informationen dienen bei Teilchen zu ihrer Identifikation.

Die kleinsten Teilchen sind die Elementarteilchen. Bei ihnen unterscheidet man zwischen den Materieteilchen und den Bosonen, die die Wechselwirkung zwischen den Materieteilchen bewirken. Seit etwa 80 Jahren steht naturwissenschaftlich eindeutig fest, dass alles Geschehen auf unserer Welt auf vier Fundamentalkräfte der Physik zurückzuführen sind. Dabei handelt es sich (1) um die elektromagnetische Kraft, (2) die Gravitationskraft sowie (3) die starke und (4) die schwache Kernkraft.

 

  1. Wie entstehen die Fundamentalkräfte der Physik?

Damit die richtigen Kräfte zwischen zwei Teilchen entstehen können, müssen die richtigen Informationen verfügbar sein. Ferner muss es einen Mechanismus geben, mit dem die Teilchen spüren, wo sich weiter gleichartige Teilchen befinden. Sie müssen also quasi einen Sensor besitzen, der mit einem einfachen physikalischen Mechanismus die Kraft zwischen den beiden Teilchen entstehen lässt. Zwei Informationen sind dabei wichtig. Erstens, dass es auch wirklich ein gleichartiges Teilchen ist und zweitens, wie weit die beiden Teilchen voneinander entfernt sind.

Als Beispiel für das Zustandekommen der Kraft soll die elektrostatische Kraft zwischen Elektronen dienen, die alles Geschehen bei allen physikalischen, chemischen, biologischen und technischen Prozessen auf dieser Welt beherrscht. Sie ist deshalb besonders wichtig, weil auch alle Massen in der Mechanik nur über die Elektronenhülle ihrer Atome miteinander wechselwirken. Die Bosonen, die die Wechselwirkung zwischen den Elektronen bewirken, sind die Photonen, wie die Lichtteilchen oder ganz allgemein die Teilchen der elektromagnetischen Wellen bezeichnet werden. Man muss dabei zwischen der Wirkung von virtuellen und reellen Photonen unterscheiden. Reelle Photonen sind beobachtbar. Sie können emittiert und absorbiert werden. Sie tragen Information und Energie. Beides entsteht mit den reellen Photonen im Sender und wird vom Empfänger übernommen.

Virtuelle Teilchen können nicht beobachtet werden. Sie werden in der Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie auch als Austauschteilchen bezeichnet, weil sie wie im Beispiel unserer Photonen zwischen zwei Elektronen ausgetauscht werden können. Dabei wirken beide Elektronen gleichzeitig als Sender und Empfänger der Information, die die Teilchen tragen. Die so verursachte Wechselwirkung wird als Austauschwechselwirkung bezeichnet und die virtuellen Teilchen entsprechend ihrer Aufgaben und Wirkung auch als Botenteilchen, Trägerteilchen, Wechselwirkungsteilchen oder Kraftteilchen. Beleg für ihre Existenz sind messbare Eigenschaften der Prozesse, die mit ihrer Hilfe mit höchster Genauigkeit berechnet werden können. Dazu zählen auch Experimente, mit denen Austauschteilchen durch Energiezufuhr in reelle Teilchen übergehen können und dann einzeln nachgewiesen werden können.

Virtuelle Photonen werden deshalb als virtuell bezeichnet, weil sie nur extrem kurzeitig innerhalb der Unschärferelation E∙t<ћ existieren können und daher auch nicht nachweisbar sind. Dabei ist E die Energie der Photonen und t die extrem kurze Zeit ihrer Existenz. Sie sind für die Entstehung der Kraft F zwischen elektrischen Ladungen, also u. a. zwischen zwei Elektronen verantwortlich. Da mit ihnen auch die Entstehung der Kraftfelder einzelner Ladungen zustande kommt, bezeichnet man das theoretische Konzept, mit dem diese Prozesse beschrieben werden, auch als Quantenfeldtheorie. Wie im Folgenden gezeigt wird, werden beim Austausch von virtuellen Photonen Kräfte durch Impulsübertragung produziert. Dieser Austausch ist nur möglich, wenn die richtigen Teilchen ausgetauscht werden. Elektronen können beispielsweise nur ihre zugehörigen virtuellen Photonen und keine anderen Bosonen austauschen.

 

  1. Welcher Mechanismus lässt Kräfte zwischen Elektronen entstehen?

Photonen bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit c und haben eine Energie E = p∙c. Entsprechend der Unschärferelation können die von Elektronen gleichzeitig abgegebenen und empfangenen virtuellen Photonen nur eine extrem kurze Zeit existieren, die maximal t=ћ/E beträgt, in der sie die Distanz r =c∙t zwischen den beiden Elektronen zurücklegen können. Damit ergibt sich durch Elimination von t der Impuls p =ћ/r. Mit ihm und der Zeit t= c/r erhält man die Kraft F zwischen den Elektronen entsprechend der Formel F=p/t, die beim Stoß ihrer virtuellen Bosonen übertragen wird also F = ћc/r2.

Die Entstehung dieser Kraft ist leicht verständlich, da sie dem Rückstoß der virtuellen Photonen bei der Emission und Absorption entspricht, was einfache Mechanik bedeutet und wie der Rückstoß jeweils beim Abwurf und Fangen eines Balls funktioniert. Genauso geschieht es mit den Elektronen, die beim Austausch von virtuellen Photonen gleichzeitig ein virtuelles Photon absenden und das des anderen Elektrons empfangen. Die quantenfeldtheoretische Berechnung liefert für die Kraft die exakte Formel F = e2/4πε0r2, die auch experimentell bestätigt wird und die sich von unserer Abschätzung nur um den dimensionslose Proportionalitätsfaktor e2/4πε0ћc = 1/137 (die Feinstrukturkonstante) unterscheidet. Die Kraft zwischen zwei Ladungen entsteht damit durch die Impulsübertragung der Bosonen, die als Informationsträger fungieren und die richtigen Informationen tragen, mit denen die Quantenfeldtheorie den genauen Wert der Kraft ergibt.

Die Informationsträger erzeugen damit die Kraft und die Informationen dienen nur zu ihrer Identifizierung. Informationen allein können keine Kraft entstehen lassen, abgesehen davon, dass sie allein, also ohne Informationsträger, auch nicht existieren können.

 

  1. Was ist die Rolle der Kräfte bei der Informationsverarbeitung?

Informationen ohne einen Informationsträger gibt es nicht. Im Fall der Kommunikation entstehen sie immer mit ihrem Träger in einem Sender und werden auch gemeinsam von einem Empfänger übernommen. Ist der Empfänger an ein informationsverarbeitendes System angeschlossen, werden die Informationen in die Systemsprache mit anderen Informationsträgern und anderer Sprache in verschiedene Kanäle geleitet, abspeichert oder zusammen mit gespeicherten Informationen zu neuen Informationen weiterverarbeitet und an andere Empfänger weiterleitet.

Zur Erzeugung der Informationsträger wird Energie benötigt, die bei ihrem Empfang wieder freigesetzt wird. In allen elektrotechnischen Systemen sind diese Informationsträger elektromagnetische Wellen, deren Teilchen langwellige Photonen sind. Im Gegensatz zu den virtuellen Teilchen, die durch Austauschwechselwirkung die Kräfte zwischen Ladungen erzeugen, dienen aber bei der Übertragung von Informationen von einem Sender zu einem Empfänger reelle Photonen als Informationsträger. Sie entstehen in Atomen oder Molekülen, die ihre Energie loswerden müssen, wenn sich Elektronen auf energetisch niedere Energiezustände (die näher an der positiven Ladung der Atomkerne sind) begeben. Dies oder auch das Abbremsen schneller Elektronen können sie nur, indem sie ihre Bosonen emittieren. Die virtuellen Photonen, die die Kraft verursachen, um die Ladungen auf tiefer Bahnen zu bringen oder abzubremsen, leisten dabei die notwendige Arbeit, die zur Erzeugung der reellen Photonen notwendig ist. Reelle Photonen sind dann über ihre Energie und die Information, die sie tragen, nachweisbar. Im umgekehrten Fall, bei der Absorption der reellen Photonen, wird die am Empfänger abgegebene Energie von den virtuellen Photonen dazu benutzt, die Kräfte zu entwickeln, Elektronen zu beschleunigen oder Elektronen auf höhere Bahnen zu heben.

Bei den Mechanismen der Informationsverarbeitung in Computern und Gehirnen werden Ladungen auf Leiterbahnen bewegt. Dies geht nur durch Zufuhr von Energie, die den Antrieb der Ladungen durch die Arbeit von Kräften erzeugt, die physikalisch oder chemisch durch Austauschwechselwirkung mit virtuellen Bosonen zustande kommen. Energie wird sowohl im Sender zur Erzeugung der Informationsträger als auch in den Empfängern zur Übersetzung der Signale in die spezielle Signalsprache der Neuronen oder Leiterbahnen der angeschlossenen Systeme sicherzustellen. Um Kräfte zu erzeugen, sind immer virtuelle Photonen im Spiel, die mit der zur Verfügung gestellten Energie die dazu notwendige Arbeit leisten. Um Informationen von einem Ort zum anderen zu bringen, sind immer reelle Photonen im Spiel.

 

  1. Fazit:

Die Mechanismen des Informationstransports und der Informationsverarbeitung können mithilfe der Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie vollständig verstanden werden. Sowohl bei Licht als auch bei elektromagnetischen Wellen sind die Informationsträger Photonen. Virtuelle Photonen sind dabei für die Entstehung der Kräfte zwischen Ladungen verantwortlich und reelle Photonen für die Übertragung von Information von einem Sender zu einem Empfänger.

Der Mechanismus, der die Kraft zwischen Ladungen bewirkt, kommt ausschließlich durch die Impulsübertragung der ausgetauschten virtuellen Bosonen zustande, die allerdings als die richtigen Boten der Elektronen erkannt werden müssen, sonst funktioniert es nicht. Wenn sich die Boten nicht durch die Information, die sie tragen, als die richtigen Bosonen ausweisen können, geschieht gar nichts. Die Kraft kommt daher nur dann zustande, wenn quasi der „Schlüssel zum Schloss“ passt, bzw. wenn der Code oder das Passwort stimmt. Deshalb spielen die spezifischen Eigenschaften der virtuellen Bosonen, also die Informationen, mit denen sie als Botenteilchen identifiziert werden, bei der Entstehung der Kraft durch Impulsübertragung eine extrem wichtige Rolle. Ganz wichtig ist beim Austausch der virtuellen Bosonen die extrem kurze Zeit ihrer Lebensdauer, die durch die Unschärferelation gegeben ist und die bei der Berechnung der Kraft eine ganz entscheidende Rolle spielt.

Ähnlich, aber nicht so einfach, sondern nur durch quantenmechanische Berechnung kommen auch die anderen Fundamentalkräfte, die allerdings anders wirken, zustande. Beispielsweise ergibt sich mit den Bosonen, die eine Masse tragen, eine völlig andere Abstandsabhängigkeit der Kraft (z.B. bei der Kernkraft).

Dieser Beitrag, der die Rolle der Information und die unterschiedlichen Rollen der virtuellen und reellen Bosonen beleuchtet, ist durch Gedankenaustausch mit Dr. Wieland Rusch entstanden, dem ich dafür herzlich danke.

Finanzen

Über Hans Sixl 49 Artikel
Dr. Hans Laurenz Sixl, Jahrgang 1941, arbeitete als Professor für Physik an den Universitäten Stuttgart und Frankfurt und als Visiting Professor in Durham (UK) und Tokyo (J). Von 1986 bis 2001 war er Forschungsdirektor in der Chemischen Industrie und Vorstandsmitglied der deutschen Physikalischen Gesellschaft. Seine Arbeitsgebiete waren Spektroskopie und Materialforschung. Er hat die Molekularen Elektronik in Deutschland begründet und lehrte an der Universität Frankfurt.