Die Ukraine in der politischen Krise – ein Kommentar

Sonnenuntergang, Foto: Stefan Groß

Die Ukraine ist seit Jahren in einer politischen und wirtschaftlichen Krise, im Norden des Landes finden weiter Kämpfe statt. Hier eine Einschätzung der aktuellen Lage:

Im Februar 2016 waren zwei Jahre vergangen, seitdem der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch aus der Hauptstadt des Landes geflohen war. Er war nach zunehmend gewalttätiger werdenden Straßenprotesten, die mehrere Monate andauerten und von den Vereinigten Staaten sowie ihren europäischen Verbündeten unterstützt wurden, gewaltsam entmachtet worden.

Obwohl Janukowitsch gerade eine Abmachung mit Oppositionsführern unterzeichnet hatte, die von europäischen Diplomaten ausgehandelt wurde, um die Krise angeblich zu lösen, entzog ihm das Parlament in Kiew die Amtsgewalt. Nach tagelangen schweren Kämpfen mit Sicherheitskräften der Regierung übernahm der Rechte Sektor die Kontrolle über das Stadtzentrum. Bei der Gruppierung handelte es sich um eine neofaschistische Miliz, aufgebaut von Politikern, die führend an den Protesten auf dem Kiewer Maidan beteiligt waren. Der Rechte Sektor erklärte, er akzeptiere keine Übereinkunft, die Janukowitsch erlauben würde, an der Macht zu bleiben.

Die Bewegung zum Sturz der gewählten ukrainischen Regierung wurde im November 2013 in Gang gesetzt, als Janukowitsch in letzter Minute einem Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union die Unterschrift verweigerte. Er fürchtete, dass das von der EU geforderte Strukturanpassungsprogramm die überwiegend russischsprachigen östlichen Industrieregionen der Ukraine schwer treffen würde. Dort hatten Janukowitsch und seine Partei der Regionen traditionell ihre Wählerbasis. Es bestand die Gefahr einer sozialen Explosion gegen sein korruptes und bereits unpopuläres Regime. Stattdessen entschied Janukowitsch dann, einer Zollunion mit Russland beizutreten. Russland bot Kredite sowie Handelsvorteile und fortgesetzten Zugang zu Erdgas unter Marktwert an.

Daraufhin mobilisierten Oppositionsparteien mit Verbindungen zu Washington und zu verschiedenen Flügeln des europäischen politischen Establishments Demonstrationen. Die Proteste, die sich gegen Janukowitschs Oligarchenherrschaft richteten, fußten auf antirussischem Chauvinismus und der Politik des freien Marktes. Getragen wurden sie von einer Schicht der Wirtschaftselite und bessergestellten Bevölkerungsteilen, die nicht länger von der offiziellen Politik ausgeschlossen sein wollten und sich Vorteile von engeren Bindungen an die EU erhofften.

Die Maidan-Demonstrationen, auf denen formlose Slogans gegen Korruption und das Establishment skandiert wurden, mobilisierten eine gewisse Unterstützung in breiteren Schichten der Bevölkerung. Dies war insbesondere zu Beginn und noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt der Fall, als die Regierung versuchte, die Proteste zu unterdrücken. Allerdings zogen die Maidan-Demonstrationen – in einem Land von 45 Millionen Einwohnern – zu ihrem Höhepunkt nicht mehr als 300.000 Menschen an. Als eigenständige Klasse nahmen die Arbeiter des Landes nicht daran teil und traten auch sonst nicht in Erscheinung: weder organisierten sie Massenstreiks noch Arbeitskämpfe zu ihrer Unterstützung.

Der politische Charakter der Maidan-Bewegung wurde schnell deutlich. Repräsentanten ukrainischer ultra-nationalistischer und neofaschistischer Parteien betraten Hand in Hand mit den Superreichen des Landes die Bühne. Der ukrainische Boxer Vitali Klitschko, mit einem geschätzten Vermögen von 65 Millionen Dollar, war einer der Sprecher der Demonstrationen. Rechtsextreme Bataillone, die Insignien aus der Nazizeit trugen, marschierten bei den Demonstrationen und dienten als die Stoßtruppen der Maidan-Bewegung.

Westliche Diplomaten traten öffentlich auf den Maidan-Kundgebungen auf und befanden sich in ständigem Kontakt mit den Oppositionsführern, um sie bei ihren Zielen zu unterstützen. Bezeichnend war eine geleakte Aufzeichnung eines Telefongesprächs zwischen der stellvertretenden amerikanischen Außenministerin Victoria Nuland und dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt. Das Gespräch belegt Washingtons Rolle bei der Aufstellung der Kiewer Regierung, die auf den Putsch folgte. Im November 2013 prahlte Nuland damit, dass die Vereinigten Staaten seit 1991 fünf Milliarden Dollar in die Ukraine gesteckt hätten, um „ziviles Engagement“ sowie „demokratische Kompetenzen und Bestrebungen“ zu befördern.

Janukowitschs Sturz 2014 war der Höhepunkt lang andauernder Bestrebungen seitens der Vereinigten Staaten, ein fügsames Regime mit engen Bindungen zu Washington an der Grenze zu Russland aufzubauen. Das letztendliche Ziel dieser Operation besteht darin, Russland auf neokolonialen Status herabzudrücken. Dies kann auch durch die Zerstückelung des Landes geschehen, was die Vereinigten Staaten in die Lage versetzen würde, ihre Hegemonie über den eurasischen Kontinent zu festigen.

Während der „Orangenen Revolution” im Jahr 2004 konnte der von den USA unterstützte Viktor Juschtschenko in einer hart umkämpften Wahl, begleitet von Straßendemonstrationen, Janukowitsch die Macht entreißen. Doch Juschtschenko und Julia Timoschenko, die bald darauf seine Verbündete wurde, verloren schnell die Unterstützung der Bevölkerung. Ihr Bündnis währte nicht lange. Ihre korrupte Politik des freien Marktes drückte den Lebensstandard der Arbeiter, während sich die wohlhabenderen Schichten und die Oligarchen des Landes bereicherten. Im Jahr 2010 gewann Janukowitsch, der seine engen Bindungen zu Moskau aufrechterhielt, die Präsidentschaftswahlen.

Die Weigerung von Janukowitsch, seine Regierung im Jahr 2014 an den Vereinigten Staaten und der EU auszurichten, war für den westlichen Imperialismus inakzeptabel. Deutschland, das Anfang 2014 erklärt hatte, seine pazifistische Ausrichtung aufzugeben und offen auf den Weg von Militarismus und Realpolitik zurückzukehren, war gemeinsam mit den USA entschlossen, Janukowitsch aus seinem Amt zu entfernen. Der gestürzte Präsident fürchtete ein ähnliches Schicksal wie das von Muammar Gaddafi, der 2011 in einem von den USA unterstützen Putsch brutal ermordet wurde, und flüchtete außer Landes. Die rechten Kräfte, die hinter dem Maidan standen, wurden als neue ukrainische Regierung eingesetzt.

Arseni Jazenjuk, eine Führungsfigur von Timoschenkos nationalistischer Vaterlandspartei, leitete die neue Regierung. Wenig später rief Timoschenko zu einer Politik der „verbrannten Erde“ gegen Russen auf, sowie dazu, „diese Arschlöcher umzubringen“, die 17 Prozent der ukrainischen Bevölkerung ausmachen und deren Sprache von vielen Bewohnern des Landes gesprochen wird, darunter ethnische Ukrainer.

Jazenjuk überließ der Swoboda-Partei sechs Kabinettsposten. Dabei handelt es sich um eine neofaschistische Organisation, die 1991 als Sozial-Nationale Partei der Ukraine gegründet worden war. Von den Vereinigten Staaten und Deutschland als führende Kraft in der „demokratischen“ Maidan-Bewegung bejubelt, war Swoboda noch im Jahr 2012 vom Europaparlament für ihre „rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Ansichten“ verurteilt worden. Damals rief die EU das ukrainische Parlament dazu auf, mit Swoboda „nicht in Verbindung zu treten, sie weder zu unterstützen noch in irgendeiner Form mit ihr zu koalieren.“ Der Parteivorsitzende Oleg Tjahnybok erklärte wiederholt, dass er die „russisch-jüdische Mafia, die die Ukraine kontrolliert“, zerschlagen wolle.

Was ist zwei Jahre später aus der Ukraine geworden? Und was waren die weitergehenden Konsequenzen des Februar-Putsches von 2014 für Europa und weltweit?

Die Maidan-Operation in der Ukraine hat die Welt an den Rand eines Krieges gebracht. Unmittelbar nach dem Ereignis brach der Widerstand im überwiegend russischsprachigen Südosten des Landes aus, wo die Bevölkerung eine Abspaltung von der Ukraine forderte. Kiew antwortete mit roher Gewalt. Die überwiegend russische Bevölkerung der Krim votierte daraufhin für eine Wiedervereinigung mit Russland, wonach die Halbinsel von Moskau in die Russische Föderation eingegliedert wurde.

Das löste eine hysterische Kampagne gegen den Kreml aus, in der Moskau beschuldigt wurde, eine militärische Aggression gegen die Krim und die Ostukraine begonnen zu haben.

Russland wurde angeklagt, Osteuropa erobern und auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR ein Großreich errichten zu wollen. Die New York Times veröffentlichte angebliche fotografische Beweise – die sie von der amerikanischen Regierung erhalten hatte – von maskierten russischen Soldaten, die in den Südosten der Ukraine eindringen. Die Zeitung war gezwungen, die Story wieder zurückzuziehen, da sie auf gefälschten Fotos basierte. Als Flug MH17 der Malaysian Airlines über der Ukraine abgeschossen wurde, machten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten den Kreml und die von Russland unterstützten Separatisten im Südosten der Ukraine dafür verantwortlich. Es wurde nie ein Beweis vorgelegt, der dies untermauern könnte, und bis heute ist ungeklärt, wer die Schuld für den Flugzeugabschuss trägt.

Dies wurde alles genutzt, um eine massive militärische Aufrüstung durch die USA und die Nato entlang der russischen Grenzen zu rechtfertigen. Nato-Einheiten sind in den baltischen Staaten stationiert, im Schwarzen Meer werden militärische Übungen abgehalten, Polen wird auf einen Krieg mit seinem östlichen Nachbarn vorbereitet. Mittlerweile wird fast routinemäßig vom möglichen Atomwaffeneinsatz als Abschreckung einer angeblichen Aggression Russlands gesprochen.

Im September 2014 verkündete US-Präsident Obama während eines Besuchs in Estland Washingtons „standhafte“, „ewige“ und „unverbrüchliche“ Zusage, die baltischen Staaten zu verteidigen. Diese werden von rechten nationalistischen Regimes regiert, die Moskau feindselig gegenüberstehen. Die US-Regierung verpflichtete sich, unter vollständiger Missachtung der Meinung der amerikanischen Bevölkerung, einen Atomkrieg mit Russland zu führen, falls es zu einem Konflikt zwischen Estland, Lettland oder Litauen mit Moskau kommen sollte.

Um die Putin-Regierung zu destabilisieren und einen Zersetzungsprozess in Russland hervorzurufen, haben die USA und Europa Wirtschaftssanktionen gegen Moskau verhängt. Begleitet werden diese von Währungsspekulationen und einem Ölpreisverfall, die das Land in eine Rezession treiben und zu einem dramatischen Absturz des Lebensstandards führen.

In der Ukraine selbst ging im Jahr 2015 die Wirtschaftsleistung um zehn Prozent zurück. Um den Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu genügen, hat Kiew die Ausgaben für Sozialprogramme drastisch reduziert, Löhne eingefroren, öffentliche Angestellte entlassen und die Konsumentenpreise bei Versorgungsunternehmen massiv erhöht. Im letzten Jahr trieb die Regierung die Kosten für Erdgas um 285 und für Wasser um über 70 Prozent in die Höhe. Renten wurden um 15 Prozent gekürzt, was real 40 Prozent entspricht. 15 Prozent der Lehrer wurden entlassen. Doch immer noch weigert sich der IWF, die letzte Hilfs-Tranche von 35 Milliarden Dollar auszuzahlen und behauptet, dass die Regierung die Wirtschaft immer noch nicht schnell genug „reformiere“.

Mitte letzten Jahres, als ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebte, lag das durchschnittliche Monatseinkommen bei etwa 1.176 Hrywnja (50 Dollar). Nach Angaben der Weltbank hat sich die Armut somit seit dem Jahr 2013 vervierfacht. Im letzten Jahr betrug die Jugendarbeitslosigkeit 23 Prozent – das ist der höchste Wert seit 1991, als die Ukraine nach der Auflösung der Sowjetunion ein eigenständiger Staat wurde.

Anderthalb Millionen Menschen flohen aus dem ukrainischen Donezbecken, wo die Regierung und rechtsextreme paramilitärische Einheiten versuchten, eine prorussische Separatistenbewegung zu unterdrücken. Die Flüchtlingswelle hat eine Hungerkrise ausgelöst. Das Welternährungsprogramm benötigt dringend 35 Millionen Dollar, um Lebensmittel für 260.000 Vertriebene bereitstellen zu können. Die Kämpfe in der Ostukraine kosten geschätzte 5 Millionen Dollar pro Tag und forderten bislang fast 9.000 Tote.

Die ukrainische Armee, die sich unter dem Gewicht weitverbreiteter Desertionen und Massenopposition gegen Einberufungen aufzulösen begann, wird mit Hilfe amerikanischer Militärberater und Geldspritzen aus Washington wieder aufgepäppelt. Das ukrainische Militär arbeitet mit marodierenden Banden von Neofaschisten zusammen, die die Regierung oftmals nicht unter Kontrolle halten kann. Sie selbst ermittelt gegen diese Milizen wegen Entführung, Mord, bewaffneten Überfällen und Raub.

Die Regierung mit dem „Schokoladenkönig” Petro Poroschenko an der Spitze, setzt sich aus einer bunten Mischung von glühenden Rechten, Ultranationalisten, Antikommunisten und offenen Nazi-Sympathisanten zusammen. Dmitro Jarosch, ein Mitglied von Swoboda und Führer des Rechten Sektors, dient der Regierung als Militärberater. Regelmäßig bricht rechtsextreme Gewalt im Lande aus. Als sich die Maidan-Proteste vergangenen Monat zum zweiten Mal jährten, setzten Banden ukrainischer Nationalisten russische Banken in Kiew, Lwiw und Mariupol in Brand und plünderten sie. Der amerikanische Informationsdienst und Think-Tank Stratfor schreibt von einer „starken Vermehrung rechter Bewegungen“ im Land.

Die Regierung, die auf Janukowitsch folgte, wird von der breiten Bevölkerung verachtet. Poroschenkos Zustimmungswerte sind seit seinem Machtantritt im Mai 2014 um 30 Prozentpunkte gesunken und stehen jetzt mit 17 Prozent weit unter denen seines Vorgängers. Die einzige Person, die vielleicht noch mehr Hass auf sich gezogen hat, ist Premierminister Jazenjuk, der vom IWF gedungene Mann fürs Grobe. Er verfügt in der Bevölkerung über eine Zustimmung von acht Prozent und hat letzten Monat nur knapp ein Misstrauensvotum überstanden.

Die Behauptung, der Maidan würde zu einer demokratischen Renaissance der Ukraine führen, liegt in Trümmern. Dies gilt ebenso für das Argument, Janukowitschs gewaltsame Amtsenthebung sei eine defensive Reaktion auf ein Blutbad der Regierung gegen friedliche Demonstranten gewesen. Es häufen sich zunehmend Beweise, dass das „Scharfschützenmassaker“ vom 20. Februar 2014, bei dem Demonstranten angeblich von Janukowitschs Sicherheitsdienst (Berkut) grundlos getötet wurden, in den Worten des Wissenschaftlers Iwan Katschanowski, in Wirklichkeit „eine Operation unter falscher Flagge war, die rational geplant und mit dem Ziel ausgeführt wurde, die Regierung zu stürzen und die Macht zu ergreifen.“ Jüngst gab Iwan Bubentschik, ein Maidan-Schütze, zu, er habe zwei Berkut-Kommandanten getötet, bevor die Sicherheitskräfte einen einzigen Schuss in die Menge abgaben.

Derrussische Linke Kagarlizki argumentierte im Februar 2014 zunächst, dass die Vorherrschaft rechtsextremer Kräfte auf dem Maidan „nicht bedeutet, dass man nicht an der Bewegung teilnehmen und in ihr und an ihrem Rande aktiv werden sollte. Man solle natürlich die temporäre Schwäche der Staatskontrolle sowie das tatsächlich vorhandene Machtvakuum nutzen, um persönliche autonome Räume zu schaffen, über die man die neue ‘Post-Maidan’-Stufe des politischen Lebens betreten kann.“ Später fing er an, die Kiewer Regierung zu verurteilen und rief dazu auf, ein Noworossija (Neurussland) im ukrainischen Donezbecken zu errichten.

Kagarlizki ist in Russland seit vielen Jahren im politischen Geschäft. Während der 1980er Jahre trat er für Michail Gorbatschows marktfreundliche Perestroika ein und unterstützte die Restauration des Kapitalismus in der UdSSR. Bis vor wenigen Jahren stand er in enger Verbindung mit der RSM. Er unterhält freundschaftliche Beziehungen zur Kommunistischen Partei und zu den russischen Gewerkschaftsbürokraten.

Im Juli 2014 tauchte Kagarlizki in der Krim-Stadt Jalta auf, um sich mit einer Reihe von pseudo-linken Kräften zusammenzutun und ein „Manifest“ zu veröffentlichen. Dieses betraf den Maidan und die prorussische Separatistenbewegung, die im Südosten der Ukraine auf den Plan getreten war. Es argumentierte, die Separatisten in dieser Region führten eine „Volksbefreiungsrevolution“ an, die nach links gepuscht und im Ergebnis zur Bildung eines Staates führen könnte, der „die Interessen der Bevölkerung und ihre allseitige Entwicklung“ garantiere, ausbeuterisches Privateigentum sowie „wucherisches Finanzkapital“ verböte und Renten nebst Sozialleistungen zur Verfügung stelle.

Nichts Derartiges trat ein, und konnte es auch nicht. Die Kräfte, die in den abgespaltenen Regionen des ukrainischen Donezbecken an die Macht kamen, waren keine Repräsentanten des linken Flügels oder der wirklichen Massenopposition gegen den Putsch in Kiew, die in dieser Region bestanden hatte. Sie waren ein Mischmasch aus rechten russischen Nationalisten sowie pro-kapitalistischen und sogar monarchischen Elementen, die das politische Vakuum füllten, welches durch den Zusammenbruch der Unterstützung für die Kiewer Regierung und den Massenexodus einer Bevölkerung entstanden war, die vor dem Krieg floh. Zwar versuchten sie ursprünglich, linke Stimmungen und Nostalgie für die sowjetische Vergangenheit auszunutzen, um sich eine Unterstützungsbasis in der Bevölkerung zu sichern, doch dies war lediglich eine Maske für ihr reaktionäres, nationalistisches Programm.

Die Führer der „Volksrepublik Donezk“, die bei offiziellen Anlässen sogar die Internationale ertönen lassen, erklären beispielsweise das russisch-orthodoxe Christentum zur Staatsreligion. Am 8. Juli 2014 ließ Strelkow, der damalige Militärkommandeur der Volksrepublik, seinen Emotionen freien Lauf: „Wir kämpfen hier insbesondere für Russland und für die Rechte des Volkes der Republik Donezk. Wir streiten hier für die UdSSR und für die Rechte des Volkes der Republik Donezk als Bestandteil der UdSSR, für die UdSSR als unser universelles, göttliches Vaterland.“ Diese Bemerkungen, die eine Zurückweisung der revolutionären und internationalistischen Ursprünge der Sowjetunion darstellen, sind eine ungenießbare Ausgeburt von Stalinismus und russischem Chauvinismus.

Von Anfang an ließen die Führer dieser „Volksrepubliken“ ausdrücklich wissen, dass sie „in keinerlei Beziehung zu Kommunisten stehen, die beschlagnahmen und verstaatlichen wollen“. Ferner forderten sie „Respekt“ für „das Recht auf Eigentum.“ Eduard Limonow, Anführer der rechtsextremen russischen Nationalbolschewistischen Partei, pries das „Noworossija“-Projekt der Pseudo-Linken als „rot-braune“ Allianz.

Kagarlizki und seine Anhänger lamentieren jetzt über den Misserfolg von Noworossija und vertreten die Ansicht, dass dieser eine Folge des Verrats der russischen Nation durch den Kreml sei, da jener zur Verteidigung seiner neoliberalen Agenda und bürokratischen Interessen im Südosten der Ukraine intervenierte. Ein Leitartikel, der kürzlich auf Kagarlizkis Webseite Rabkor erschien, führt aus: „Die Hoffnung, dass es möglich wäre, in Noworossija einen neuen, demokratischeren und fortschrittlicheren Staat als gegenwärtig in Russland (ganz zu schweigen von der Ukraine) zu schaffen, erfüllte sich nicht. Und das nicht, weil diese Hoffnungen grundlos wären. Ganz im Gegenteil, sie waren vollkommen real. Die Kreml-Regierung hatte das, ebenso wie wir und unsere Mitstreiter, verstanden, und leider … arbeitete (der Kreml) daran, alles in der Noworossija-Bewegung, das lebendig und fortschrittlich war, zu unterdrücken.“

Die Idee, dass ein fortschrittlicher Kleinstaat, der seiner Bevölkerung Wohlergehen garantiert, aus einer verarmten Region Osteuropas und einem Teil des deindustrialisierten Südwestrussland, herausgeschnitten werden könne, ist absurd und reaktionär. Er bliebe vollständig vom Zugang zu internationalen Märkten abhängig, unabhängig davon, was er an Reichtum produzieren mag,. Er müsste sich mitten in einem explosiven Konflikt zwischen dem Westen und Russland behaupten. Dies ist kaum mehr als ein Wiederaufbrühen des stalinistischen Programms vom „Sozialismus in einem Lande“ – wobei sogar der Hinweis auf den Sozialismus fehlt.

Die Ukraine bleibt weiter zersplittert und es ist leider zu erwarten, dass es in naher Zukunft so bleibt. Unterschiedliche Machtinteressen prallen aufeinander, eine Lösung zum Wohle der Menschen scheint fast unmöglich zu sein.

Finanzen

Über Michael Lausberg 543 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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