Die Zaren Alexej I und Peter der Große: Der Blick nach Westen

Alexej I
Alexej I (1641-1676) führte einen der entscheidendsten Kriege des russischen Reiches in der Frühen Neuzeit. Im Westen hätte nach der Vereinigung Polens und Litauens auch die Vereinigung der beiden Kirchen folgen sollen, die in den beiden Gebietsteilen des neuen Staates herrschten. In Polen war 1595 beschlossen worden, die Rechtgläubigen sollen sich dem Papste unterwerfen, aber in ihren Glaubenslehren sonst unbehelligt bleiben. Das Volk empfand diesen Beschluss als den ersten Verrat an den Glauben der Väter. Wohl stand der grundbesitzende Adel, ohnehin langsam mit dem der Polen verschmelzend, zu dem Beschluss, und mancher Bauer folgte ihm; aber die Masse der Bauern und den Bewohnern der Städte lehnte ihn leidenschaftlich ab. Ihre Bedrückung wurde dadurch noch schlimmer, da sie von den Polen als Pöbelbauern beschimpft wurden.
Umso sehnsüchtiger richteten sie ihre Blicke nach dem rechtgläubigen Herrscher in Moskau, dem sie mehr vertrauten und zugeneigt waren. Zugleich taten die Polen auch alles, um die Ukrainer zu erbittern. Die Kosaken waren hier in Kämpfen gegen Tartaren und Türken selbstbewusst geworden, der König von Polen hatte ihnen unter seiner Oberherrschaft Selbstverwaltung zubilligen müssen. In Polen aber wuchs mit dem Wunsch, nur Untertanen eines einzigen Glaubens zu haben, auch die Neigung, landschaftliche Sonderrechte wie bei den Ukrainern nicht länger zu dulden. Den Kosaken konnten so durch den Polen ihre Rechte genommen werden, was diese in Aufruhr versetzte. Ihr Herrscher Bogdan Chmelnitzkij wandte sich deshalb an den Zaren Alexej I. mit der Bitte, die Kosaken in sein Reich aufzunehmen und ihnen gleichzeitig rechtliche Freiheiten zu garantieren.
Daraufhin sandte Alexej seine Truppen gegen Polen, die Bauern in Weißrussland erhoben sich ebenfalls, in Andrussowo musste Polen im Jahre 1667 Stadt und Gebiet von Smolensk, die östliche Hälfte der Ukraine und die Stadt Kiew abtreten. Damit kehrte die alte Hauptstadt des Reiches ins russische Imperium zurück. Die Rzeczpospolita erkannte die russische Herrschaft über die Woiwodschaften von Smolensk und Czernihschow sowie Teile der heutigen Ukraine östlich des Dneprs einschließlich Kiews (Woiwodschaft Kiew) an, beim letzteren allerdings jedoch nur für zwei Jahre. Das Gebiet der Saporoger Kosaken wurde zu einem polnisch-russischen Kondominium erklärt. Der Vertrag verpflichtete beide Seiten zur gemeinsamen Verteidigung gegen das Osmanische Reich und seine Vasallen, die Krimtataren. Der Vertrag von Andrussowo beendete die jahrhundertelange polnisch-litauische Dominanz in Osteuropa zu Gunsten Russlands. Das Abkommen fand seine völkerrechtliche Bestätigung im Ewigen Frieden von 1686.
Alexej, der seinem Reiche so große Gebiete wieder anfügte, musste daraufhin innenpolitische Aufgaben nachgehen. Schwer lastete der Druck der Gutsherren auf die Bauern, die nun leibeigen geworden waren. Aus diesem Grunde flüchteten viele von ihnen in die Steppe zu den Kosaken am Don. Aber auch hier gab es eine gesellschaftliche Spaltung. Die Nachkommen der ersten Kosaken waren mit der Zeit wohlhabend geworden und die Träger der staatlichen Rechte in der Gemeinschaft. Sie weigerten sich deshalb in privilegierter Position, die neuen Zuwanderer in ihre Gemeinschaft aufzunehmen, und machten sie zu rechtlosen Landarbeitern. Diese ließen sich das nicht lange gefallen und suchten nach Möglichkeiten der Verbesserung ihrer Lebenssituation. In dem Kosaken Stjenka Rasin fand die Verbitterung der entrechteten Landarbeiter einen Anführer. Die Gruppe brach nach Astrachan auf und zog die Wolga entlang; überall forderte Rasin zum Kampfe gegen Gutsbesitzer und Beamte auf, so dass sich seine Truppen immer weiter vermehrten. Mord, Raub, Plünderung und Konflikte bezeichneten ihren Weg.
Es war freilich kein Aufstand, der sich gegen den Zaren richtete. Rasin hätte den Einfluss auf seine Truppen nicht haben können, wenn er nicht versichert hätte, der Sohn des Herrschers und der Patriarch befinden sich auf seiner Seite. Aber seine Revolte war dich ein Angriff auf das gesamte gesellschaftliche Gefüge des russischen Staates. Seine Gegenspieler erwiesen sich aber auf Dauer als stärker. Nach vierjährigem Siegeszug wurde Rasin gefangengenommen und 1671 grausam hingerichtet. Sein Andenken lebte bei den geknechteten Klassen jedoch weiter als eines Schützers des Rechtes. Zum ersten Mal war vor dem Zarengeschlecht das blutige Fanal aufgestanden, ein Fanal der Zerstörung, und doch im letzten entzündet an der Sehnsucht der treuesten Untertanen nach menschlicher Würde und Freiheit.
Mehr noch als der Aufstand der rechtlosen Landarbeiter bewegte damals ein Kampf um die Entscheidung des Glaubens die russischen Bürger. Die Kirche war für die meisten ihrer Angehörigen vor allem die Bewahrerin heiliger althergebrachter Riten. Aber die Gebräuche hatten sich in den sechshundert Jahren seit Wladimirs Bekehrung eindeutig gewandelt. Wenige Geistliche konnten Griechisch, daher vermochten nur wenige die heiligen Quellen zu verstehen. So wurden die Bücher der Kirche von Geschlecht zu Geschlecht voneinander abgeschrieben und es schlichen sich Übersetzungsfehler, Irrtümer und Missverständnisse ein. So machten jetzt die Russen das Kreuzzeichen mit zwei statt mit drei Fingern, so sprachen sie von Issus, statt Jissus für Jesus.
Als nun vom Westen her die Buchdruckerkunst nach Russland kam, traten die Abweichungen nun hervor. Der herrschende Patriarch Nikon machte es sich zu seiner Lebensaufgabe, dies zu ändern und das ursprüngliche wiederherzustellen. Der Zar unterstützte ihn bei seiner Aufgabe und gab ihm volle Gestaltungsfreiheit. Dies geschah auch aus dem Grund, dass ihm die Befreiung der rechtgläubigen Christen von der türkischen Herrschaft vorschwebte, ein Gedanke, der später so lange die führenden Schichten Russlands erfüllte.
Völlige Gleichheit des Glaubens bot die beste Gewähr für die Gleichheit der politischen Überzeugungen. So wurde befohlen, dass überall auf die griechischen Quellen zurückgegangen werden sollte. Aber nicht alle im Lande folgten dieser Vorschrift. Für viele Bauern waren das Kreuzzeichen mit den zwei Fingern und der Name Issus heilig aufgrund der Tradition. Sie lebten auch in der Überzeugung, dass die Russen und nicht die Griechen das „auserwählte Volk“ seien, die immer die Reinheit des Glaubens gelebt hätten. Dieser Chauvinismus und das Festhalten an alte Konventionen führten dazu, dass viele der Gläubigen sich den neuen Regeln widersetzen. Als dann staatliche Truppen gegen die eigene Bevölkerung aufmarschierten, war das Land zerrissen. Die Angst um ihr Seelenheil trieb viele Bauern in einen (sinnlosen) Krieg gegen das eigene Militär, der Glaube hatte für sie noch eine enorme Bedeutung, dass sie für ihre Überzeugungen bereit waren zu sterben. Ein Kloster widersetzte sich acht Jahre lang der Belagerung der zaristischen Truppen, ihre Bewohner starben dann beim Sturm auf das Kloster.
Schließlich erkämpften sich die Altgläubigen die Duldung außerhalb der bestehenden Kirchen. Aber einmal von der Starrheit und der Kraft der kirchlichen Hierarchie losgelöst, begannen sie, sich in eine Menge von religiösen Sekten aufzulösen, die untereinander konkurrierten. Dies war ein ungeheurer Verlust für die rechtgläubige Kirche, denn in diesen freireliösen Gemeinschaften wuchs immer mehr das Gefühl, der Staat habe sich durch die Hilfe von Nikon zum Antichristen gemacht. Nikon und der Staat bildete nun das Hassobjekt dieser Gemeinschaften.
Nikon konnte jedoch mit dem Vertrauen des Zaren nicht umgehen und nahm sich und seine Reformen im Laufe der Zeit zu wichtig. Dies führte schließlich zum Bruch des Vertrauensverhältnises mit Alexej I. Al schließlich Nikon davon ausging, das Priestertum stehe rechtlich über dem Königtum, wurde Nikon endgültig entmachtet. Alexej verfochte nicht nur seine eigene Position in der Auseinandersetzung zwischen Kirche und Königtum, sondern auch eine lange, im russischen Reich gereifte Überlieferung, als er sich gegen Nikon wandte.
Die Kirche hatte sich nun nach der Entmachtung Nikons endgültig dem Herrscher unterworfen; die leidenschaftlichsten Kämpfer des Glaubens waren ausgeschieden und lebten nun in Sekten abseits des Staatsbetriebes ihren eigenen Glauben. Alexej I. konnte nun ungehindert die Blickrichtung Richtung Westen vollziehen.
Von hier bis zur Kirchenreform Peters des Großen war es nur noch ein Schritt. Mit der gleichzeitig gewaltsamen Durchsetzung der Nikonschen Reformen enthob sich die Autokratie jedoch auch ihrer eigenen religiös-ideologischen Legitimation. Für Millionen Altgläubige, die seitdem lang anhaltender Verfolgung ausgesetzt waren, hatte sich der Zar als „Antichrist“ entlarvt, der den Glauben der Väter nicht achtete.
Wenn auch den Nikonschen Reformen nur ein später Hauch des in Westeuropa bewegenden reformatorischen Geistes anhaftete, so ist diese Entwicklung in die Anfangsphase der Hinwendung Russlands zum Westen hin mit einzubeziehen. Erst durch die von Nikon eingeleiteten engeren Beziehungen zur griechischen Kirche und zur Kiewer Geistlichen Akademie war es ja wieder möglich geworden, über den eigenen engen geistlichen Horizont hinauszublicken. Daher konnte Zar Alexej I. seine Kinder bereits dem Geistlichen Simeon von Polock anvertrauen, der nicht nur an der nach dem Vorbild der Jesuitenhochschulen begründeten orthodoxen Akademie in Kiew, sondern wahrscheinlich sogar am Jesuitenkollegium in Wilna studiert hatte und der das Lateinische fließend beherrschte. Simeon nahm auch den Kampf um die Einrichtung einer ähnlichen geistlichen Fortbildungsstätte in Moskau auf, doch dieses ehrgeizige Projekt konnte infolge zähen Widerstandes der Kirche erst 1687 verwirklicht werden. Auch dann dauerte es noch einige Jahre, bis der Unterricht in erwünschter Weise, darunter auch in griechischer und lateinischer Sprache, erteilt werden konnte.
Über den Handel hinausgehende Kontakte mit dem Westen, wie sie sich auf diplomatischem Gebiet seit dem ausgehenden 15. und allgemeiner im 16. Jahrhundert zu entfalten begannen, beschränkten sich im Wesentlichen auf nur sehr wenige Personen und wurden von der orthodoxen Kirche mit großem Misstrauen beobachtet. Als die Aufgeschlossenheit des ersten falschen Demetrius gegenüber dem Westen und die ausländischen Intervention von 1610 eine neue Woge des Fremdenhasses aufschäumen ließen, wurde jedoch die Doppelbödigkeit der Beziehungen Russlands zum übrigen Teil Europas noch deutlicher; auf der einen Seite fuhren Regierung und Kirche fort, das Leben nach außen hin systematisch abzuschirmen, um durch Schüren der Spionagefurcht die Bevölkerung vor der „Ansteckung“ durch westliche Ideen zu bewahren.
Auf der anderen Seite zwang die Notwendigkeit, nicht zu stark hinter die rapide technische und militärische Entwicklung der übrigen europäischen Großmächte zurückzufallen, dazu die Hilfe ausländischer Fachleute weit stärker als bisher in Anspruch zu nehmen. Dies galt neben der Medizin und dem Arzneiwesen, die vor allem durch die Bedürfnisse des Hofes mit Beschlag belegt wurden, besonders für den Import technischer Errungenschaften des Westens nach Russland, so etwa moderner Methoden der Eisenverhüttung. Mit den zur Anleitung benötigten Spezialisten kamen zugleich auch ausländische Unternehmer und Inverstoren ins Land, die wie der Holländer Andreas Winius und der Däne Peter Marselis die Erlaubnis erhielten, auf eigene Rechnung Eisen zu erzeugen und zu verarbeiten.
Während die russische Regierung derart versuchte, mit ausländischer Privathilfe ihre Waffenproduktionen zu vervollkommnen und auf diesem Sektor autark zu werden, bedurfte sie zur Modernisierung der Armee nicht weniger als die Hilfe fremder Fachleute. Schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erschienen stehende Truppenteile, die nach westlichem Vorbild organisiert, gegliedert, benannt, von ausländischen Instrukteuren ausgebildet und zum Teil sogar von ausländischen Offizieren geführt wurden. Am Ende des 17. Jahrhunderts dienten fast 1000 ausländische Offiziere in der russischen Armee.
Die lange Kriegsphase nach der Mitte des 17. Jahrhunderts beschleunigte die Aufstellung von derartigen Verbänden neuer Art. 1681 schließlich ging man dazu über, auch das Adelsaufgebot und das stehende Heer älteren Datums, die Strelitzen, in die moderne Organisationsform einzugliedern. Die Strelizen lebten in den Städten in eigenen Stadtteilen und dienten in Friedenszeiten als Polizei und Wachtruppe, außerdem wurden sie auch als Feuerwehr eingesetzt. Ihre Ausbildung beschränkte sich auf Grundelemente des Waffendienstes und die Ausübung der genannten Aufgaben. Dafür waren sie von denjenigen Abgaben und Diensten befreit, die von der übrigen Stadtbevölkerung gefordert wurden. Im Vergleich zum Adelsaufgebot waren sie besser bewaffnet und ausgebildet. Das gab ihnen im Krieg einen höheren Gefechtswert. Aufgrund dessen und wegen ihrer Garde- und Elitefunktion werden sie oft mit den römischen Prätorianern oder den türkischen Janitscharen verglichen.
Einerseits wurden sie zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt, andererseits traten sie seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bei Volksaufständen selbst mehrfach als führende und organisierende Kraft gegen die Regierung auf. Dazu führten auch die vielen Kriege in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die mit einer raschen Verarmung einherging, denn die Strelizen erhielten keinen Sold, sondern waren auf ihre eigenen Gewerbe angewiesen, die ihre Frauen in ihrer Abwesenheit unzureichend weiterführten. Unter Zar Fjodor verschlechterte sich ihre soziale Lage rasch; ihre Privilegien, unter anderem Abgabefreiheit für ihren Handel und ihr Gewerbe, wurden eingeschränkt oder ganz aufgehoben. Hinzu kamen Willkür und Grausamkeit der Kommandeure, die Strelizen für sich arbeiten ließen, Löhne zurückbehielten und Prügelstrafen verhängten.
Unerlässliche Voraussetzung dafür die Aufstellung neuer Verbände war jedoch die Aufhebung der geltenden „Platzordnung“, die ausschließlich auf dem Prinzip der persönlichen Leistung aufgebaute und von dem Status des Betreffendenin der allgemeinen Adelshierarchie unabhängige militärische Karriere verhindert hatte. Nachdem die „Platzordnung“ bereits seit 1653 zunehmend durchlöchert worden war, wurde sie 1682 endgültig getilgt. Damit war den endlosen Rangstreitigkeiten der Adeligen untereinander ein Riegel vorgeschoben und tüchtigen Emporkömmlingen die Bahn geebnet. Peter der Große nutzte diese hier ausgewiesenen Möglichkeiten für sich aus.
Zusammen mit der engeren politischen und wirtschaftlichen Integration in das europäische Beziehungsgeflecht unterlagen jedoch zunehmend auch Angehörige der führenden Schichten in Russland dem Einfluss westlichen Gedankenguts und westlicher Lebensweise. Dies galt naturgemäß zunächst nur für Teile der Moskauer Hofgesellschaft, da Moskau mit vielen ausländischen Einwohnern, der Nemeckaja sloboda, Wißbegierigen die besten Kontaktmöglichkeiten bot. Immerhin fanden gegen Ende der Regierungszeit Alexejs I. selbst am Zarenhof schon Theater- und Ballettaufführungen statt.
Welche Wandlungen sich in Weltoffenheit und Bildungsgrad moskauischer Diplomaten zur Zeit Alexejs vollzogen, konnte die Pariser Presse an drei Gesandten des Zaren goutieren. Während sich noch K.G. Mechechnin auf dem Parkett am Hofe des Sonnenkönigs gar nicht zurecht fand und ein Außenseiter blieb, setzte P. I. Potemkin 1668 und 1680 die Hofgesellschaft durch seinen Wissensdurst und seine guten Manieren in Erstaunen. In der Fürsten J. F. Dolgorukij begegnete man schließlich 1687 einem Repräsentanten jener höchsten Moskauer Hofkreise, die wie die Leiter des Außenamtes, A. L. Ordin-Naschkokin und A.S. Matweew oder der unter der carevna Sofija leitende Staatsmann Fürst V.V. Golicyn, durch westliche Bildung und Sprachgewandtheit glänzten.
Doch das darf alles nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch noch die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts Russland noch keinen allgemeinen Aufbruch in die westeuropäische Welt der Frühen Neuzeit bescherte. Die vom Staatsapparat und Kirche nach wie vor praktizierte Abschirmungspolitik nach außen hin begann ja selbst auf höchster Ebene Löcher zu zeigen. Der Westen selbst war erwünscht, soweit man ihn für die eigene Entwicklung in den verschiedensten Ebenen brauchte und kein bisschen mehr. Wenn das 17. Jahrhundert auch zweifellos die Voraussetzungen für weitere Europäisierungstendenzen in Russland Peters des Großen geschaffen hat, so darf man daneben ein zweites Moment nicht übersehen.
Indem sich die allmählich einsetzende Verwestlichung der staatstragenden Elemente mit der Verhärtung der sozialen Gegensätze, mit religiösen Spannungen und mit der Bürokratisierung des selbstherrlichen Regimes verband, wurden schon am Vorabend der Petrinischen Ära die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass im 18. Jahrhundert zwischen der aufgeklärten Oberschicht und der breiten Masse des noch ganz in seinen Traditionen lebenden Volkes jene Kluft wachsen konnte, die den Verlauf der russischen Geschichte lange begleiten sollte.
Als Alexej starb, wurde sein 16-jähriger Sohn Fjodor III. sein Nachfolger. Fjodor III. war sowohl religiös wie auch dem Westen sehr zugeneigt. In seiner Regierungszeit wurden daher viele Reformen begonnen, jedoch konnten die meisten davon aufgrund seiner kurzen Regentschaft nicht zu Ende gebracht werden. Die wichtigste Reform war die Abschaffung der Rangplatzordnung beim Militär (Mestnitschestwo). Weitere Reformen stärkten die Zentralisierung des Staatsapparats und drängten den Einfluss des Patriarchen zurück, den dieser auf die Staatsgeschäfte ausübte. Zugleich hatten die Reformen eine Verschlechterung der sozialen Lage der unteren Volksschichten zur Folge, die zum Moskauer Aufstand von 1682 führte.

Peter der Große
Diese Anstrengungen wurden unter Peter dem Großen weitergeführt und teilweise radikalisiert, was ihm von verschiedenen Seiten verübelt wurde. Peter der Große hat aus dem russischen Reich keinen genuinen „westlichen Staat“ geformt, sondern einen mehr oder minder effektiven Militärstaat. Er hat die Staatsraison des Moskauer Russlands erneuert in dem umfassenden Versuch, durch Unterordnung der Geister und Heranziehung aller Produktivkräfte mit oder gegen ihren Willen eine europäische Großmacht aufzubauen. Er wollte durch Eroberungskriege „das Fenster nach Westen öffnen“ und die immer wieder gefährdete Flanke nach Süden sichern. Die Verwestlichung mit der Übernahme westlicher Verwaltungsformen und Organisationsmaximen, der Kampf gegen traditionelle Trachten und Sitte ist nur in dem Sinne als ein Prozess geistiger Bildung zu verstehen, der das Vertrauen der frühen Aufklärung in die Möglichkeit einer wohlgeordneten, nach den Gesetzen der Mechanikerrechenbaren Regierung und Verwaltung den führenden Geistern gemeinsam war. Der alte Moskauer Gedanke des technisch-wissenschaftlichen Einholens des auf solche Weise überlegenen Westens fand hier eine willkommene Bestätigung.
Gewiß gehörte Peter der Große in die Epoche des europäischen Absolutismus, doch auf eine besondere abgeleitete Weise. Denn dieser war nicht zuletzt auf den Wirtschafts- und Finanzstaat aufgebaut, einem gesicherten, überschaubaren ökonomischen Grundgefüge als Grundlage selbstherrlichen Handelns und seines Werkzeuges, des stehenden Heeres. Das Moskauer Russland hat im Falle bellizistischer Gefahr auf Aufgebote zurückgegriffen, war zudem aufgrund seiner schwachen Finanzkraft nicht imstande, den Schutz des riesigen, nur unzureichend erschlossenen Territoriums überall erfolgreich zu übernehmen, solange nicht an den Grenzen die Truppen auch stetig versorgt werden konnten. Im Petrinischen Russland bedingte allein die Kriegsmacht bei noch unzureichenden ökonomischen Mitteln die Prinzipien des Staatsaufbaus und ging nicht einher mit der Integration des Reiches in einen übersichtlichen Verwaltungsstaat mit effektiven Mittelinstanzen ständischen oder bürokratischen Charakters.
Der moderne Staat setzt ein gewisses Gleichgewicht zwischen Sozialprodukt und öffentlichem Aufwand voraus, was oft die europäischen Herrscher jener Zeit nicht wahrgenommen bzw. nicht beachtet haben. Darüber hinaus stellte sich für Russland mit neuer Wucht während des Nordischen Krieges das Dilemma der Relation zwischen dem technisch kaum zu bewältigenden ungeheuren Raum und den vorhandenen Kräften von Organisation und Verwaltung. Den Staatsaufbau weniger straff auf ein Machtzentrum auszurichten, war bereits von der Überlieferung nicht einfach, wieviel schwieriger aber, jene Schichten von Staatsdienern zu prägen, die auch an der Peripherie des Reiches mit weniger strenger Überwachung ehrenhaft ihre Pflicht taten, nicht nur im Blick auf eine unvermeidbare Korruption, sondern auch auf ihre Fähigkeiten und Vorbildung.
Der Neubau Russlands war nicht zuletzt eine Bildungsaufgabe, und zwar nicht nur Bildung einer kleinen hochadeligen Schicht, sondern Ausbildung in breiterer Form. Für diese Aufgabe waren noch kaum die einfachsten Voraussetzungen gegeben, nicht zuletzt deshalb, weil die Kirche in ihrem liturgischen, nicht katechistischen Selbstverständnis sich kaum um die breitere Volksbildung gekümmert hatte. Russland hat weder die Reformation noch die Gegenreformation gekannt, d.h. keine Herausforderung, die Geistliche und Laien zu Reflexion und einsichtiger Vermittlung von Heilstatsachen und Glaubensforderungen gezwungen hätte. Aus welchen sozialen Ständen sich die Masse ausgebildeter und verantwortlicher Staatsdiener rekrutieren sollte, schien dem Herrscher weniger wichtig. Der adelige Stand war bereits unter Peter zahlreich genug und von unterschiedlichem Wohlstand, dass auch seine Angehörigen durchaus im Kanzleidienst unterkommen konnten, es fragte sich nur, wer geeignet und fähig war. Reichten die Staatseinkünfte hin, um ein genügend dichtes Netz von Administration, nicht zuletzt zur umfassenden und gerechten Steuereintreibung, über das riesige Land auszubreiten und die Leute einigermaßen ordentlich zu besolden.
Die Stadtgründung des heutigen St. Petersburg ist eine der großen Vermächtnisse Peters des Großen, der sie seiner zukünftigen Hauptstadt angesehen hat. Die architektonische Leistung der Bauherren und die der Handwerker sowie anderer unzähliger Menschen sind beachtlich. Es muss aber auch gesehen werden, unter welchen unmenschlichen Arbeitsbedingungen dies möglich wurde. Zehntausende von Arbeitern mussten ihr Leben lassen, damit sich der russische Staat gen Westen orientieren konnte. Der Ruhm Peters des Großen ist also in dieser Hinsicht auch aufgebaut auf den Blutzoll von zehntausenden einfachen Arbeitern, die für dieses Projekt Peters sterben mussten.
Die äußeren Bedingungen für eine Stadtgründung waren denkbar ungeeignet, soweit stimmt die Überlieferung. Das Delta wurde häufig von Überschwemmungen heimgesucht, ein Großteil der Gegend war nicht einmal für die Landwirtschaft geeignet. Nur einige Fischer hielten sich hier in den Sommermonaten auf. Später sollte es aufgrund der ungünstigen Lage immer wieder zu Überschwemmungen kommen, bei denen zahlreiche Bewohner ihr Leben ließen.
Dass Peter der Große trotz der widrigen Gegebenheiten diesen Ort schließlich für seine neue Hauptstadt auswählte, ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass hier vorzüglich ein Seehafen angelegt werden konnte und zudem der Anschluss an das binnenrussische Flusssystem gegeben war. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass das Stadtwappen neben dem Zepter einen See- und einen Binnenanker zeigt. Des Weiteren war die Nähe zu Westeuropa ausschlaggebend, ging es Peter dem Großen doch darum, Russland zu modernisieren.
Erst ab dem Jahr 1706 ist, durch die Zwangsrekrutierung zahlreicher Leibeigener für die Bauarbeiten an der Newa-Mündung, ein wirklicher Plan für die Errichtung einer neuen Stadt erkennbar. Sobald dieses Ziel vor Augen stand, wurde es mit großem Nachdruck und mit Rücksichtslosigkeit von Zar Peter in wenigen Jahren umgesetzt. Während die Stadt in ihren Grundmauern erstand, verbot er die Errichtung von Steingebäuden in ganz Russland außerhalb Sankt Petersburgs – jeder verfügbare Steinmetz sollte an der Erbauung der neuen russischen Hauptstadt arbeiten. Die Flucht von Arbeitern aus der Stadt und vom oft tödlichen Bauprojekt wurde mit harten Strafen geahndet.
1706 wurden 30.000 Leibeigene im Zarentum Russland zwangsrekrutiert, 1707 waren es 40.000. Ungefähr die Hälfte von ihnen schaffte es, auf dem Weg nach Nordwesten zu fliehen. Schon während der Errichtung der Stadt kamen vermutlich Zehntausende von Zwangsarbeitern und Leibeigenen ums Leben. Sie starben an Sumpffieber, Skorbut, an der Ruhr oder einfach an Hunger und Entkräftung. Große Teile der Stadt sind auf Pfählen im Boden errichtet, aufgrund der großen Zahl von Toten beim Bau sprechen viele Leute davon, dass sie eigentlich auf Skeletten ruht. Zudem befand Russland sich noch bis 1721 im Krieg gegen Schweden, mehrere Gefechte fanden in der Nähe der gerade gegründeten Zarenresidenz statt. Erst nachdem die Schweden 1709 in der Schlacht bei Poltawa geschlagen worden waren, konnte die Stadt weitgehend als gesichert angesehen werden.
Da der russische Adel nicht bereit war, in die Stadt zu ziehen, beorderte Peter ihn nach Sankt Petersburg. Die Familien mussten mit ihrem gesamten Haushalt in die Stadt ziehen, in Häuser, deren Stil und Größe genau festgeschrieben waren– selbstverständlich auf eigene Kosten. 1714 standen in Sankt Petersburg etwa 50.000 bewohnte Häuser, die Stadt war die erste in Russland, die eine offizielle Polizei sowie eine effektiv funktionierende Feuerwehr hatte. Die Innenstadt wurde abends und nachts künstlich beleuchtet, die Bewohner dazu angehalten, Bäume zu pflanzen.
Das Bauprogramm des Zaren konnte nur mit drastischen Maßnahmen durchgeführt werden. Baumaterialien waren an der Newamündung ein seltenes Gut. So wurde 1710 ein Erlass herausgegeben, nach dem jeder Einwohner der Stadt jährlich 100 Steine abliefern oder aber eine hohe Geldstrafe zahlen musste. Jedes Frachtschiff, das die Stadt anlief, musste einen bestimmten Prozentsatz der Ladung Steine anliefern. Ein Erlass von 1714 besagte, dass Steinbauten nur noch in Sankt Petersburg gebaut werden durften (dieser Erlass wurde erst 1741 wieder aufgehoben). Die drakonischen Erlasse des Zaren zeigten Erfolg: Schon 1712 erklärte Peter der Große Sankt Petersburg anstelle von Moskau zur Hauptstadt des Russischen Zarentums. Bis auf ein kleines Zwischenspiel in den Jahren 1728–1732, als der Hof in Moskau weilte, blieb Petersburg seitdem und bis 1918 Hauptstadt Russlands. Beim Adel stieß die Maßnahme auf wenig Begeisterung, nur ungern gab man die bequemen Wohnsitze in Moskau auf.
Peter ließ Handwerker und Ingenieure aus ganz Europa, insbesondere aus Deutschland und den Niederlanden, kommen, die die neue Hauptstadt von Anfang an zu einem Zentrum europäischer Technik und Wissenschaft machen sollten. Zu dieser Zeit wurde die deutschsprachige St. Petersburgische Zeitung gegründet, die erste und inzwischen älteste Zeitung der Stadt.
Die Petrinischen Reformen sind die zusammenfassende Bezeichnung für die Reformen in verschiedenen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens, die von Zar Peter I. seit seiner Rückkehr von der Großen Gesandtschaft (1698) bis zum plötzlichen Tode des Kaisers Peter I. (1725) durchgesetzt worden sind.
Sie wurden unter den Bedingungen des langjährigen und schließlich siegreichen Großen Nordischen Krieges mit Schweden eingeleitet und durchgesetzt. Vielfach improvisierte man, einen Generalplan gab es nicht. Die oft sprunghaften petrinischen Reformen betrafen das Militärwesen, die Verwaltung, die Steuern, die Wirtschaft und die Kirche. Die Menschen gleich welcher Schicht, wurden zwangsweise in den Dienst des Staates gestellt. Im Gegensatz zu früheren Zaren glaubte Peter I., dass eine wirksame Modernisierung des Landes sich nicht auf das Militärische beschränken dürfe, sondern das Ganze des zeitgenössischen Lebens umfassen müsse.
Die petrinischen Reformen brachen mit den altrussischen Traditionen (Gründung weltlicher Schulen, Zurückdrängung der Macht der Kirche) und trugen zur Modernisierung des Russischen Reiches bei, die letztlich zur Großmachtstellung Russlands im 18. Jahrhundert führte.
Sein Vater, Aleksej Michajlowitsch (1629-1676), war Zar von Russland. Nach dem Tod des Zaren im Februar 1676 stieg zunächst sein Halbbruder als Fjodor III. (1661-1682) auf den Zarenthron. Nach dem Tod Fjodors im Mai 1682 wurde der 10-jährige Pjotr zum Zaren proklamiert. In der Folge brach ein Aufstand der Strelitzen aus, durch den die vorübergehende Mitregierung von Pjotrs Halbbruder Iwan V. (1666-1696) und seiner Halbschwester Sofja durchgesetzt wurde. Seine Kindheit und Jugend verbrachte Pjotr mit Exerzierübungen und ersten Tätigkeiten im Schiffbau, bei denen er sich von in Moskau ansässigen ausländischen Fachleuten beraten ließ. Mit Erreichen der Volljährigkeit übernahm Pjotr 1689 als Peter I. die alleinige Regentschaft.
An der Wende zum 18. Jahrhundert öffnete Zar Peter der Große das teilweise in mittelalterlichen Strukturen erstarrte Zarentum Russland westeuropäischen Einflüssen und förderte Wissenschaft und Kultur. Russland lag technologisch zu dem Zeitpunkt hinter den meisten Staaten Westeuropas zurück. Dazu beigetragen hatte die Abschirmungspolitik des Staatsapparates und der Kirche, die nur da Lücken bot, wo man den Westen benötigte. Auch griff der Moskauer Staat im Falle kriegerischer Gefahr noch auf Adelsaufgebote zurück und war zudem wegen seiner schwachen Finanzkraft nicht in der Lage, den Schutz des riesigen, nur unzureichend erschlossenen Territoriums überall erfolgreich zu übernehmen.
Der junge Herrscher hatte sich durch Aufenthalte in der Moskauer Ausländer-Vorstadt, der Nemezkaja sloboda, und seine Aufenthalte während seiner ersten großen Auslandsreise von März 1697 bis August 1698, der sogenannten Großen Gesandtschaft, in den Niederlanden und England ein genaues Bild von Westeuropa, seinem Wissen und seiner Technik gemacht.
Eine umfassende Reformierungspolitik setzte eine tragende und fähige Bürokratie voraus, die die Maßnahmen weitergeben konnte. Die vorhandenen Administrationsorgane waren für diese Zwecke aber unzulänglich. Waren die am Anfang durchgeführten Reformen in diesem Bereich noch überhastet, wurden diese nach der Schlacht von Poltawa sorgfältiger ausgearbeitet. Auch wurden vielfach ausländische Fachkräfte und Gelehrte herangezogen, die Entwürfe und Reglements ausarbeiteten.
·Der erste Abschnitt begann mit der Stadtreform von 1699 – um den Machtmissbrauch der Voevoden zu begrenzen, ließ Peter I. am 30. Januar 1699 in einem Ukas Rathäuser für die Städte errichten. Von den Kaufleuten bestimmte Bürgermeister sollten sämtliche Steuer- und Rechtsfragen der Handelstreibenden an sich ziehen, um den Kaufleuten Rechtssicherheit zu gewähren, dem Staat aber ungeschmälerten Steuerfluss zu sichern.
·der zweite Abschnitt folgte mit der Gouvernementsreform von 1708/09 – mit einem Ukas wurde das Staatsterritorium in acht Gouvernements aufgeteilt, deren Steueraufkommen den jeweiligen Befehlshabern zur Truppenversorgung diente. Durch diese eingeleitete Dezentralisierung wurde gewährleistet, dass in einem Kriegsfall, in dem sich ja Russland befand, zumindest Teile des Landes verteidigungsfähig blieben.
·Die letzte Phase erfolgte mit dem neuerlichen Umbau des Gouvernements 1719 – der Befehl zur Neuordnung der Provinzen erging am 29. Mai 1719: zunächst wurde der Gouverneur vieler Rechte entzogen, so leitete der Voevode unter Umgehung des Gouverneurs die Steuern direkt nach Petersburg weiter. Die nunmehr 11 Gouverneure behielten im Wesentlichen ihre militärischen Kompetenzen. Zweitens wurde die Zahl der von Voevoden geleiteten Provinzen auf 50 erhöht. Schließlich richtete Petersburg in der lokalen Verwaltung eine Vielzahl neuer Ämter ein, um die Gewaltenteilung zu verankern.
Ab 1711 stand der Senat als oberste Zentralbehörde im Mittelpunkt der Reformbemühungen. Der Senat war eine Gruppe der höchsten Würdenträger des Landes, die beratende Funktion hatten und in der Lage sein sollten, die Regierung bei Abwesenheit Peters zu führen. Mit dem Ukas vom 22. Februar 1711 wurden neun Männer zu Senatoren, wobei mit der Leibkanzlei als Teil der alten Bojarenduma auch personelle Kontinuitäten zutage traten. Der Senat hatte das Justizwesen zu leiten und das gesamte Feld der Innenpolitik. Die zuvor bestandene Bojarenduma wurde daraufhin abgesetzt. Der Senat wurde nach Möglichkeit mit Personen besetzt, die aufgrund ihrer Kompetenz ausgewählt wurden. Das Militär- und Außenministerium hatte dabei eine Schlüsselstellung, sie waren immer in engem Kontakt mit dem Zaren. Der Senat bestand mit nur wenigen Änderungen bis 1917.
Die Reform der zentralen Ämter war lange vorbereitet und im Ausland beobachtet, Gottfried Wilhelm Leibniz gab beispielsweise nützliche Tipps. Andere Länder wie beispielsweise Schweden dienten teilweise als Vorbilder. Aufgrund dessen wurden – als modernste Neuerung – sogenannte Kollegien eingeführt, die in etwa die Funktion von Ministerien hatten. Peter führte von diesen Kollegien 10 ein, die folgende Ressorts hatten: Berg (Bergbau), Manufaktur (Manufakturen), Kommerz (Handel), Staatskontor (Staatsfinanzen), Kammer (Finanzen des Zaren), unterstand dem Senat, Krieg (Militär), Admiralität (Marine), Außen, Justiz, Kirchenangelegenheiten (erst 1721 dazugekommen, stand neben dem Senat).
Die Kollegien wurden vom hohen Adel gebildet. Viele Probleme der Verwaltung entstanden mit den Kollegien aufgrund von Ressortüberschneidungen und Konkurrenzdenken. Doch dieses Verwaltungssystem blieb prinzipiell bis 1917 erhalten. Große Veränderungen gab es vor allem in den Bereichen Kultur, Kirche, Wissenschaft und Bildung.
Die neue Hauptstadt galt im russischen Volk als Symbol des fremden, unverständlichen, unnützen und abgöttischen Neuen. Die ablehnende Haltung wurde hervorgerufen durch die großen Opfer, die der Bau der Stadt forderte, und durch die Anwendung von Zwangsmitteln bei der Peuplierung der Stadt.So wurde bald nach dem Tod PetersI. die Hauptstadt für kurze Zeit wieder nach Moskau verlegt.
Für eine erfolgreiche und nachhaltige Reorganisation des Verwaltungsapparates bedurfte es aber eines bedeutenden Signals, um mit den festgefahrenen Moskauer Traditionen zu brechen. Dieses Signal bot sich an, nachdem russische Truppen am 1. Mai 1703 bis zur Newa-Mündung vorgestoßen waren. Der Zar ließ nun nach eigenem Plan ab dem 16. Mai die Peter-und-Paul-Festung errichten mit dem Ziel, ein dauerhaftes „Fenster zum Norden“ zu etablieren und damit die Öffnung für die Modernisierung deutlich zu machen. Im November traf das erste holländische Handelsschiff ein, zugleich entstand die erste russische Waren- und Wechselbörse.
In den folgenden Jahren wurde der Ausbau der neuen geplanten Hauptstadt, Sankt Petersburg exzessiv vorangetrieben, ungeachtet aller Opfer. Dafür beorderte Zar Peter seit 1704 für die Sommermonate 24.000 Arbeitskräfte in die Sümpfe des neu eroberten Mündungsdeltas der Newa. Seit 1708 stieg die Zahl auf bis zu 40.000. Es kam zu Unruhen, vor allem in Südrussland. 1712 wurde die Regierung von Moskau nach St. Petersburg verlegt. Um die neue zentrale Rolle der Stadt als Fenster nach Norden zu fördern, erzwang Zar PeterI. seit 1720 die Umleitung fast des gesamten russischen Außenhandels vom bis dato bedeutendsten russischen Außenhandelshafen Archangelsk nach St. Petersburg.
Um St. Petersburg zu stärken, mussten viele russische Adelige dort, in einer Stadt ohne Hinterland und mit ungesundem Sumpfklima, diese aufbauen. Denn wer in Peters Reich vorankommen wollte, musste sich seiner Meinung nach der notwendigen Modernisierung anpassen. Unter Peter stiegen viele Leute aus dem Landadel oder bescheideneren Verhältnissen auf, so etwa Heinrich Ostermann, Alexander Menschikow, Peter Schafirow. Doch auch die alten Bojarenfamilien, die Scheremetjews, Dolgorukis, Apraxins und Peter Tolstoi nahmen westeuropäische Titel wie Fürst oder Graf an. Andere Leute, die einen unerwartet schnellen Aufstieg erlebten, waren Zarin Katharina I., die eine litauische Magd gewesen war, Menschikow, der Pastetenbäcker gewesen sein soll, Lefort, ein Bürgerlicher aus Genf. Ostermann, einer von Peters besten Diplomaten, war ein Gastwirtssohn aus Westfalen und Peter Schafirow ein konvertierter Jude. Es gibt viele Beispiele dafür, dass Peter fähige Leute nach Verdienst beförderte. Er machte einmal einen Leibeigenen, der anonym einen guten Verbesserungsvorschlag gemacht hatte, zum Leiter der Kanzlei. Doch Peter konnte natürlich nicht den Adel ignorieren und er konnte ebenso wenig alle Schlüsselstellungen in Administration und Armee nur mit Emporkömmlingen und Ausländern besetzen. Peter wollte, dass der Adel die ihm gebührenden Stellen in Verwaltung und Armee besetzte und aktiv seinen Staat mitgestaltete, das allerdings natürlich in Peters Sinne der Modernisierung. Die Bojaren sollten natürlich die nötigen Qualifikationen besitzen. Sie mussten Arithmetik, Sprachen, Geometrie und Ballistik erlernen, ihre Söhne ins Ausland schicken und vieles mehr. Wer sich bewährte und die Politik des Zaren mitmachte, konnte sehr hoch steigen. So war auch der konservative Adelige gezwungen mitzumachen, wollten er nicht gesellschaftlich und politisch ins Abseits geraten und von Ausländern überspielt werden. In Russland besaß der Adel noch einen großen Einfluss im ländlichen Raum.
Während der Regierungszeit des Zaren Peter I. 1689 bis 1725 wurden durch Patrick Gordon, François Le Fort und Andere die Grundlagen einer modernen Armee nach westeuropäischem Vorbild geschaffen. Als Initialzündung für die grundlegende Reformierung erwies sich die Katastrophe infolge der Schlacht bei Narva im Großen Nordischen Krieg im Jahr 1700, bei der sich die russische Armee als deutlich unterlegen gegenüber einer viel kleineren schwedischen Streitmacht erwies. Zu der Zeit verfügte der Zar über ein Heer von 100.000 Mann, das durch die Auflösung der Strelitzen-Regimenter 1698 und die Verstoßung der Strelitzen aus dem Heer um 30.000 Mann geschwächt wurde.
Da die schwedische Hauptarmee auf dem polnischen Kriegsschauplatz gebunden war, nutzte Zar Peter I. die Situation und baute Schritt für Schritt die Armee wieder auf. Durch Rekrutierungen konnte die Armee wieder gestärkt werden und umfasste 1705 bereits wieder 200.000 Soldaten, nach 34.000 im Jahr 1700.Peter I. ernannte ausländische Experten, die die Truppen – ausgestattet mit modernen Waffen – in den Methoden der westeuropäischen Kriegsführung schulen sollten. Um die bei Narva verloren gegangene Artillerie schnell wieder aufzubauen, ließ Peter I. Kirchenglocken konfiszieren, um aus ihnen Kanonen herzustellen. So verfügte im Frühjahr 1701 die russische Armee wieder über 243 Kanonen, 13 Haubitzen und 12 Mörser. Danach wurden weitere Anstrengungen unter der Leitung geschickter holländischer Geschützgießer unternommen, um die Artillerie weiter zu modernisieren. In Lüttich, Europas ältester und wichtigster Waffenfabrik, wurden 15.000 neue Musketen gekauft.
Weitere Punkte der Heeresreform von 1705 und davor waren:
·Die alte Moskowiter Reiterei wurde durch Dragonerverbände ersetzt, die keine reinen Adelsverbände mehr darstellten.
·Weitere Anstrengungen wurden für den Aufbau von militärischen Ausbildungsstätten unternommen. Ferner wurden die ehemaligen Spielregimenter Peter des Großen, das Preobraschenski- und das Semjonowski-Regiment als privilegierte Eliteeinheiten der Zaristischen Garde errichtet.
·Der Adel, der bisher im Rahmen des Adelsaufgebotes dienstverpflichtet war und als Gefolgsleute Dienstlehen erhalten hatten, wurde von nun an als regelmäßig besoldete Offiziere in die Armee eingebunden. Das Unteroffizierskorps und die Mannschaften wurden durch Bauern und Bürger der Städte gestellt. Die Dienstzeit betrug 15–20 Jahre.
·Als Spezialisten wurden ausländische Fachleute in die Organisation des russischen Heeres integriert, wobei die Schlüsselpositionen von Russen besetzt blieben.
Die Zaristische Armee konnte zwischen 1701 und 1706 von 40 auf 78 Regimenter vergrößert, und bis 1709 von Grund auf erneuert und reorganisiert werden, so dass sie in der Lage war, mit den disziplinierten schwedischen Truppen mitzuhalten und in der Schlacht bei Poltawa einen entscheidenden Sieg zu erringen, und die Wende des Krieges herbeizuführen.
Die Schlacht bei Poltawa am 27. Juni war die entscheidende Schlacht des Russlandfeldzugs von Karl XII. im Großen Nordischen Krieg zwischen Russland unter Peter I. und Schweden unter Karl XII. Die Schlacht stellte den Wendepunkt des Krieges zugunsten der antischwedischen Koalition dar. In der Schlacht kämpften 37.000 Soldaten der russischen Armee mit 28 Artilleriegeschützen. Ihnen gegenüber standen 26.000 schwedische Soldaten mit vier einsatzfähigen Geschützen.
Frühe schwedische Siege bei Kopenhagen und in der Schlacht bei Narva 1700 warfen Russland und Dänemark zeitweilig aus dem Krieg. Allerdings war König Karl XII. nicht fähig, den Krieg zu Ende zu bringen. So benötigte der schwedische König weitere sechs Jahre, um den verbliebenen Gegner August von Sachsen-Polen zum Frieden zu zwingen. In der Zwischenzeit baute Zar Peter I. seine Armee wieder auf. Die neue russische Armee verfügte jetzt über gut ausgebildete Infanterie, wie sie für die Anwendung der Lineartaktik notwendig war, und zeitgemäße Feuerwaffen.
Seit Ende Februar 1709 stand die schwedische Hauptarmee zwischen dem Psjol und der Worskla, den nördlichen Nebenflüssen des Dnepr, mit dem Hauptquartier in Budischtschi nördlich der Festung Poltawa. Den Vorschlag der Berater Karls, sich aufgrund der vielen Ausfälle und des Munitionsmangels nach Polen zurückzuziehen, wollte der König nicht annehmen. Im Frühjahr begann Karl XII. stattdessen die Offensive wieder aufzunehmen. Seine erste Aktion war die Belagerung der Stadt Poltawa Anfang April 1709, die er mit 8000 Mann durchführte. Der strategische Sinn der königlichen Kampftaktik bestand darin, dass von hier aus der Vormarsch über die Worskla ostwärts in Richtung Charkiw-Belgorod-Kursk auf Moskau erfolgen sollte.
Poltawa liegt am Fluss Worskla etwa 300 Kilometer ostsüdöstlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew und etwa 100 Kilometer südlich der russischen Grenze. Durch den Winter war das Schießpulver unbrauchbar geworden und es fehlte auch an brauchbarer Munition für die Kanonen. Folglich konnten die Schweden die Festung nicht bombardieren, wodurch sich die Belagerung hinzog. Die Garnison der Festung hatte eine Stärke von 4200 Soldaten unter dem Befehl des Obersten Alexei Stepanowitsch Kelin. Diese wurden durch ukrainische Kosaken und die bewaffnete Bevölkerung (insgesamt 2600 Mann) unterstützt. Es gelang ihnen während der folgenden 87 Belagerungstage die schwedischen Angriffe abzuwehren. Peter hatte so genug Zeit zum Entsatz der Festung eigene überlegene militärische Kräfte zusammenzuziehen.
Peter befand sich in der Zeit vor der Schlacht in einer akuten Notlage: Er musste seine Kräfte und seine Aufmerksamkeit zwischen der schwedischen Bedrohung im Westen und der des Aufstandes im ganzen Süden und Südwesten teilen. Sein Erscheinen auf dem Hauptkriegsschauplatz verzögerte sich durch eine erneute Erkrankung, die sich von Ende April bis Anfang Juni 1709 hinzog. Schließlich kamen die russischen Streitkräfte mit insgesamt 42.500 Mann in 58 Infanteriebataillone und 17 Kavallerieregimenter und 102 Geschützen. Ende Mai auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses Worskla an. Das russische Kommando fasste auf dem folgenden Kriegsrat am 16./27. Juni den Beschluss, die Schlacht mit den Schweden zu führen. Am gleichen Tag überquerte die russische Vorhut den Fluss nördlich der Stadt Poltawa, in der Nähe des Dorfes Petrowka, und sicherte damit den Übergang der Hauptgruppe ihrer Armee, der am 20. Juni/1. Juli erfolgte. Zar Peter der Große lagerte in der Nähe des Dorfes Semjonowka.
Während der rechte Flügel der Schwedischen Armee von der russischen Artillerie zurückgedrängt wurde, überwältigte die russische Kavallerie die linke, von der schwedischen Hauptarmee getrennten Flanke der Schweden unter Roos. Mit über 1000 Toten und wenig Munition war General Roos dazu gezwungen, sich in den Süden zurückzuziehen. Seine Truppen suchten Zuflucht im Wald nördlich von Poltawa, wo sie von der Kavallerie Menschikows zerschlagen wurden. Nachdem die schwedischen Truppen unter Schlippenbach und Roos kapituliert hatten, drang die Kavallerie Menschikows in Rücken und Flanke der schwedischen Hauptarmee vor. Die schwedische Kavallerie versuchte vergebens, für die Infanterie Zeit zu gewinnen. Die Schweden waren der russischen Übermacht nicht gewachsen und begannen den Rückzug, der sich in eine regelrechte Flucht verwandelte. Unter dem unaufhaltsamen Andrang der russischen Infanterie und Kavallerie gerieten die Schweden in Panik und ergriffen in chaotischem Durcheinander die Flucht.
Noch am Abend der Schlacht veranstaltete Peter ein Bankett. Zu Ehren der gefangenen schwedischen Generäle seinen Pokal erhebend, dankte er Ihnen als seinen Lehrmeistern auf dem Gebiet der Kriegsführung. Die Träger, die Karl XII. auf einer Bahre herumtrugen, fielen im russischen Feuer, die Bahre zerbrach und der König entkam erst im letzten Augenblick mit heftig blutender Wunde, von Masepa begleitet, vom Kampfplatz.
Über die russischen Verluste in der Schlacht bei Poltawa gibt es kaum Unklarheiten. Sie beliefen sich auf insgesamt 1345 Tote und 3290 Verwundete. Hingegen gibt es zu den schwedischen Verlusten unterschiedliche Angaben. Robert Massie gibt genau Angaben: 6901 Tote und Verwundete (darunter 300 Offiziere), sowie 2760 Gefangene (darunter 260 Offiziere). Unter den Gefangenen befanden sich auch Fürst Max von Württemberg, der Oberkommandierende Feldmarschall Carl Gustaf Rehnskiöld, der Premierminister Graf Carl Piper.Andere Autoren halten ihre Angaben allgemeiner und geben die schwedischen Verluste in der Schlacht mit ungefähr 10.000 Mann an.
Nach der Schlacht sammelten sich die zurückflutenden Schweden im Lager bei Puschkariwka. Insgesamt bestand die Armee mit den Truppen, die noch vor Poltawa und an den verschiedenen Flussübergängen lagen, noch aus etwa 15.000 Mann (zum größten Teil Kavallerie) und 6.000 Kosaken Als einzige Rückzugslinie stand der Weg nach Süden zur Verfügung, der ins Gebiet der Krimtataren führte. Unter deren Schutz hoffte Karl XII. seine Truppen reorganisieren und auffrischen zu können, bevor sie durch osmanisches Gebiet nach Polen zurückgeführt würden.
Man beschloss daher im schwedischen Hauptquartier, dass Karl XII., die Verwundeten sowie eine Eskorte aus Schweden und Kosaken den Dnepr überqueren und durch die Steppe zum Südlichen Bug auf osmanisches Gebiet ziehen sollte. Das Heer hingegen sollte die Worskla wieder hinauf marschieren und nach Überwindung des Flusses an einer Furt nach Süden zur Krim einschwenken. Von dort sollte es in Otschakow am Schwarzen Meer wieder zum König stoßen. Um 8 Uhr traf jedoch eine russische Kolonne von 6.000 Dragonern und 3.000 Kalmücken unter General Menschikow ein.
Angesichts der überall zutage tretenden Demoralisierungs- und Auflösungserscheinungen sowie des aktuellen Mangels an Lebensmitteln und Kriegsmaterial hielt Lewenhaupt einen erneuten Waffengang für aussichtslos und leitete sofort Verhandlungen ein, in deren Verlauf Menschikow ihm normale Kapitulationsbedingungen stellte. Nur die Kosaken würden nicht als Kriegsgefangene, sondern als Verräter behandelt werden. Lewenhaupt beriet sich mit den verbliebenen Generalen und Obristen und man einigte sich schließlich, zu kapitulieren, obwohl man den gegenüberstehenden russischen Truppen zahlenmäßig fast doppelt überlegen war. Am Morgen des 30.Juni um 11 Uhr kapitulierte das schwedische Heer mit rund 14.000 Soldaten, 34 Geschützen und 264 Fahnen. Die verbliebenen Kosaken flüchteten größtenteils auf ihren Pferden, um der Bestrafung als Verräter zu entgehen. Die Kolonne König Karls XII. erreichte wenige Tage später am 17. Juli den Südlichen Bug, wo sie jedoch zwei Tage lang aufgehalten wurde, bis der Pascha von Otschakow seine Erlaubnis erteilte, das Osmanische Reich zu betreten. Eine Nachhut von 600 Mann schaffte das Übersetzen über den Bug nicht mehr und wurde von 6.000 russischen Reitern unter General Wolkonski eingeholt und niedergemacht.
Die schwedische Hauptarmee wurde völlig vernichtet, und Karl XII. war für die nächsten sechs Jahre im Exil im Osmanischen Reich außer Gefecht gesetzt. Durch die Niederlage Karls verlor dieser in wenigen Stunden das Ansehen, das er sich mit seinen Siegen bis dahin in Europa erworben hatte. Die Siegesmeldungen erreichten durch spezielle Kuriere alle gekrönten Häupter in Europa. Für die europäische Öffentlichkeit war die Meldung vom Schlachtfeld bei Poltawa eine Nachricht, die anfangs ungläubiges Staunen hervorrief. Macht und Ansehen in Europa gingen fortan von Karl auf Peter über. Russland erschien nun als Großmacht der Zukunft und trat als ernsthafter Gegner aller europäischen Mächte hervor.
Die Niederlage bedeutete für Schweden den völligen Zusammenbruch des strategischen Konzepts Karls XII., die Gegner Schwedens nacheinander durch Anwendung überlegener Kriegskunst auszuschalten. Dies bedeutete einen Wendepunkt des Krieges. Dennoch blieb Schweden am Tage nach der Schlacht noch immer die dominierende Großmacht in Nordeuropa mit einer Vorherrschaft im Ostseeraum. Peter nutzte den erlangten Vorteil und befahl gleich nach der Schlacht die schwedischen Ostseeprovinzen zu erobern. Es folgte zugleich die Wiederherstellung der Tripelallianz zwischen Russland, Dänemark und Sachsen-Polen. Von nun an hatten Russland und seine Verbündeten Dänemark-Norwegen und Sachsen die strategische Initiative und begannen weiter beziehungsweise wieder, später gemeinsam mit ihren neuen Verbündeten Preußen sowie Braunschweig-Lüneburg, in schwedisches Territorium einzudringen.
Der Größe des Sieges entsprachen die Feiern, die der Zar in ganz Russland veranstalten ließ. Ein einprägsames Schauspiel lieferte der Triumphzug, der am 21. Dezember 1709 in Moskau veranstaltet wurde. Unter dem Donner der Geschütze von den Mauern und Wällen der Stadt herab und dem Geläut der Kirchenglocken setzte sich die Marschkolonne in Bewegung, begleitet von Trompetenschmettern und Paukenschlag, voran marschierten russische Garderegimenter mit den erbeuteten Trophäen, Fahnen und Standarten, dann folgten die gefangenen schwedischen Offiziere in aufsteigendem Rang bis zum Feldmarschall und dem Premierminister, alle zu Fuß. Der Abend schloss mit einem großen Feuerwerk.
Der 200. Jahrestag des Sieges wurde besonders aufwendig begangen. Zar Nikolaus II. erschien an den Gedächtnisorten, um die Toten zu ehren und zahlreiche Gedenkstätten einzuweihen, darunter die Weiße Rotunde, ein Aussichtsplateau an der Stelle, wo sich die alte Festung befunden hatte. Im selben Jahr wurde ein Museum zur Geschichte der Schlacht gestiftet, davor steht heute Zar Peter in voller Lebensgröße. Und auch der 250. Jahrestag, der in die Tauwetter-Periode unter Chruschtschow fiel, wurde mit Salutschüssen und einem Feuerwerk begangen. Monographien, Festveranstaltungen, Sammelbände und Aufsätze komplettierten die Erinnerung an die 250-Jahr-Feier 1959.
Die Anfänge des Alexander-Newski-Klosters in St. Petersburg sollen laut einer alten russischen Sage mit dem Sieg Peters über die Schweden zusammenhängen. Ob dies tatsächlich so zutrifft, kann nicht genau beantwortet werden. Peter der Große soll daher nach seinem wichtigen Sieg über die Schweden bei Poltawa bewusst diese symbolträchtige Stelle ausgesucht haben und ordnete am 20. Februar 1712 den Bau eines Klosters an. Am 25. März 1713 wurde eine Holzkirche eingeweiht. Geplant und ausgebaut wurde der Komplex in den Jahren 1715 bis 1722 unter Domenico Trezzini. Die Überführung der Gebeine Alexander Newskis ordnete Peter der Große in einem Ukas am 29. Mai 1723 an. Am 30. August 1724, genau drei Jahre nach dem Frieden von Nystad, wurden die Beine des Nationalheiligen in Anwesenheit Peters im Kloster beigesetzt.
Am 10. September 1721 trat Schweden im Friedensvertrag von Nystad die Gebiete Ingermanland, Livland, Estland, die Inseln Ösel und Dagö sowie Südkarelien an Russland ab. Dafür erhielt es Finnland zurück, das Peter I. 1714 erobert hatte. Zudem leistete Russland Schweden Reparationen in Höhe von 2 Millionen Reichstalern.
Im Zuge der Friedensverhandlungen am Ende des Krieges bot Königin Ulrika Eleonora am 7. Januar 1720 auch August dem Starken einen Waffenstillstand an. Obwohl August II. mit einer Revision des Altranstädter Friedens die Anerkennung seiner polnischen Königswürde zu verknüpfen hoffte, kam es jedoch zu keinem Abschluss. An den den Großen Nordischen Krieg beendenden Friedensschlüssen war Sachsen-Polen, obwohl aktive Kriegspartei, damit nicht beteiligt. Eine beiderseitige Bekräftigung des faktischen Friedenszustandes zwischen Sachsen und Schweden fand erst im April 1729 statt. Der polnische Sejm hatte zuvor 1726 zu Grodno beschlossen, in Friedensgespräche mit Schweden einzutreten und frühere Friedensabkommen, in erster Linie den Vertrag von Oliva, zu bestätigen. Nach einer ersten Absichtsbekundung 1729 begannen erneut Verhandlungen, in deren Verlauf Schweden im Februar 1730 und Polen im September 1732 Entwürfe vorlegten, die in einer beidseitigen Friedensdeklaration mündeten.
Der Große Nordische Krieg hatte eine grundlegende Verschiebung im europäischen Mächteverhältnis zur Folge. Schweden verlor seine Besitzungen im Baltikum und in Deutschland (bis auf Wismar und Vorpommern nördlich der Peene).Dadurch verlor Schweden seine Stellung als nordische Großmacht, auch wenn manche in Schweden dies noch nicht wahrhaben wollten – so wurde 1741 ein Krieg gegen Russland vom Zaun gebrochen, der in einem weiteren Desaster endete.
An die Stelle Schwedens als nordische Großmacht trat fortan das Russische Kaiserreich, das nicht nur zur neuen Vormacht an der Ostsee aufstieg, sondern auch eine entscheidende Rolle bei der Neuordnung Europas spielte. Der Nordische Krieg hatte dem russischen Volk jedoch das Äußerste an Leistung abverlangt. Zeitweilig wurden 82 Prozent der Staatseinnahmen für den Krieg ausgegeben. Allein zwischen 1705 und 1713 gab es zehn Musterungen, die rund 337.000 Männer zu den Waffen riefen. Die Dienstbedingungen waren dabei so schlecht, dass während des Großen Nordischen Krieges 54.000 russische Soldaten an Krankheiten starben und nur etwa 45.000 tödlich verwundet wurden. Peters neue Hauptstadt Sankt Petersburg entstand an der Ostsee, geschützt durch breite Küstengebiete – eine Entwicklung, welche die um ihren Ostseehandel besorgte Seemacht Großbritannien unwillig mit ansehen musste. Mitten im Krieg schuf Peter der Große so die Grundlagen der russischen Großmachtstellung; um den neuen Anspruch zu unterstreichen, ließ er das Russische Zarentum in Russisches Kaiserreich umbenennen und seinen Titel offiziell von Zar in Kaiser ändern. Russland war nach der jahrhundertelangen Entfremdung, bedingt durch die Tatarenherrschaft, wieder ein festes Glied des europäischen Staaten- und Bündnissystems.
Mit Russlands Aufstieg war gleichzeitig der Abstieg Polens verbunden, das in die Anarchie abglitt und in die Einflusssphäre des Zarenreichs geriet, ab 1768 de facto zu einem russischen Protektorat herabsank und bis 1795 von seinen Nachbarn vollständig aufgeteilt wurde. Der Nordische Krieg hinterließ das zu Litauen zählende Gebiet Weißrusslands vollkommen verwüstet. Das russische Heer verließ das Land erst 1719. Landwirtschaft, Handwerk und Handel lagen am Boden. Infolge der Pest starben Tausende Einwohner, so dass die Bevölkerungszahl Weißrusslands nahezu um ein Drittel reduziert wurde.
Der Niedergang Schwedens und Sachsen-Polen-Litauens wiederum befreite Brandenburg-Preußen von zwei starken potentiellen Gegnern in der Region und fiel mit seinem Aufstieg zur Großmacht zusammen, auch wenn auf englische Intervention hin Schweden den nördlichen Teil Schwedisch-Pommerns behalten konnte und im Schlepptau von England fortan ein Gegengewicht gegen Brandenburg bilden sollte. Nachdem sie im Verlauf des Großen Nordischen Kriegs aus der zweiten in die erste Reihe der europäischen Staaten aufgerückt waren, komplettierten Russland und Preußen in den folgenden Jahrhunderten neben Frankreich, Österreich und Großbritannien die Pentarchie der europäischen Großmächte.
Neben den teilweise drastischen Kriegsauswirkungen auf einzelne Staaten wurde der gesamte Ostseeraum während des Großen Nordischen Krieges im Zeitraum von 1708 bis 1712 von einer Pestepidemie gewaltigen Ausmaßes heimgesucht. Ausgehend von dem Seuchenzug in Polen erreichte die Pest innerhalb weniger Jahre eine tödliche Dynamik, die bis in den hohen Norden nach Stockholm ausgriff. Wesentlicher Katalysator der Pest war der Große Nordische Krieg, der eine bedeutende Anzahl Menschen innerhalb kurzer Zeit weite Teile Nord- und Osteuropa durchschreiten ließ und so ganz entscheidend zur Ausbreitung der Pest beitrug.
Die schwedische Militärmaschine wurde unter Karl XI. nach den enttäuschenden Ergebnissen aus dem Nordischen Krieg von 1674 bis 1679 einer umfassenden Reformierung unterworfen. Schweden verfügte über 50 Festungen und 40 Redouten an seinen Außengrenzen. Da die Ostsee weitestgehend ein schwedisches Gewässer war, sollten an den Grenzen des Reiches Festungen gegnerische Angriffe aufhalten solange, bis die schwedische Flotte (Seeherrschaft vorausgesetzt) ein Entsatzheer vom Mutterland über das Meer transportierte. Diese Strategie kam insbesondere am Anfang gegen Seeland, vor Narwa und vor Riga sehr erfolgreich zum Einsatz.
Eben um diese Seeherrschaft in der Ostsee wurde erbittert gekämpft. Bis 1720 wurde Russland zur stärksten Seemacht in der Ostsee. Neben Gefechten zwischen Kriegsschiffen mit großem Tiefgang gab es auch Kämpfe zwischen Galeerenflotten. Diese waren besonders praktisch in flachen und inselreichen Gewässern wie sie in der Ostsee häufig vorkommen, z.B. im Finnischen Meerbusen. Auch Kämpfe auf Seen, in Lagunen und auf Flüssen hatten ihre Bedeutung. So bekämpften sich zum Beispiel auf dem Ladogasee und dem Peipussee zu Anfang des Krieges schwedische und russische Flottillen.
Der russische Kriegsführungsansatz setzte auf die Verfügbarkeit der größeren Ressourcen. Insbesondere in den Schlachten bis 1709 beruhten die russischen Siege vor allem auf der zahlenmäßigen Überlegenheit, da die nach 1700 durchgeführten Militärreformen erst langfristig ihre volle Wirkung erzielten. Zum Beispiel konnte zu Anfang des Krieges die sich erst entwickelnde russische Metallurgie bis 1712 den Bedarf der Armee an Musketen nicht decken, sodass 1707 der Anteil der Pikeniere gegenüber den Musketieren sogar erhöht wurde. Die Bemühungen Peters, eine Armee westlichen Stils wiederaufzubauen bezogen sich vor allem auf die militärische Organisation und Verwaltung.
Er erschuf einen Generalstab, führte als Antwort auf die ungestümte Angriffsweise der Schweden den Infanterieangriff mit aufgesetztem Bajonett als Schocktaktik ein. Insgesamt wuchs die russische Armee zu einer kampfstarken Organisation heran, die der schwedischen oder anderen Armeen in nichts nachstand. Die russische Militärmacht betrug 1700 nach der Schlacht bei Narwa 34.000 Mann, 1705 betrug die Gesamtstärke 200.000 Mann.
Da Peter der Große in seinen 36 Regierungsjahren nur in 2 Jahren keinen Krieg führte, gab es eine Vielzahl von Aushebungen. Allein zwischen 1705 und 1713 während des Großen Nordischen Krieges gab es 10 Musterungen, die rund 337.000 Männer zu den Waffen riefen. Die Dienstbedingungen waren allerdings so schlecht, dass während des Großen Nordischen Krieges etwa 45.000 russische Soldaten tödlich verletzt wurden, aber 54.000 an Krankheiten starben.
Eine weitere Reform Peters, die auch für die Erhöhung der Effizienz der Armee sehr wichtig war, war die Reform der Rangtabelle 1721. Ursprünglich durfte nach der alten Rangtabelle niemand in der Armee unter jemandem dienen, dessen Rang niedriger war als der Rang des eigenen Vaters. Dies führte dazu, dass geeignete Militärs keine Führungsaufgaben in Verbänden übernehmen konnten, sofern in diesen Verbänden Söhne ranghöherer Adeliger dienten. Dadurch wurde die Schlagkraft der russischen Armee massiv geschwächt. Dieses System wurde von Sofia Alexejewna zwar außer Kraft gesetzt, aber erst durch die neue Rangordnung 1721 ersetzt. Vor allem in den Garderegimentern, die aus den Spielregimentern Zar Peters entstanden waren, wurde der Adel verpflichtet. Die Dienstpflicht wurde streng gehandhabt. Jeder männliche erwachsene Adelige musste im Regiment aktiv werden. Die Dienstzeit des Adels betrug ungefähr 25 Jahre.
Peter leitete die Organisation der neuen russischen Armee und der neu gegründeten russischen Flotte ein. Er wollte Russland modernisieren und auf den technischen Stand Westeuropas bringen. Dazu war ein reger technologischer, kultureller und wirtschaftlicher Austausch erforderlich, und er war entschlossen, dafür die Kommunikation mit Europa über den Seehandel zu intensivieren. Der Zar selbst befasste sich intensiv mit dem Schiffbau und erlernte das Handwerk während seiner Großen Gesandtschaft im Rahmen einer viermonatigen Ausbildung in einer holländischen Schiffswerft. Russland war zum Ende des 17. Jahrhunderts fast völlig von den Weltmeeren abgeschnitten und besaß nur einen internationalen Seehafen in Archangelsk.
Bereits im Januar 1696 hatte Peter eine Delegation junger russischer Adeliger in den Westen geschickt, um dort die Techniken der modernen Wirtschaft, Kriegsführung und Staatslenkung zu studieren. Peter I. war insbesondere an der handwerklichen und technischen Seite der europäischen Bildung interessiert. Peter der Große versuchte daher, diese Reise noch nutzbarer zu machen, indem er jedem seiner Reisebegleiter eine besondere Mission zuteilte, welche hauptsächlich darin bestand, sich mit diesem oder jenem Zweig der Industrie bekannt zu machen und die geschicktesten Industriellen jener Zeit zur Übersiedlung nach Russland zu bewegen. Der Blick des Zaren richtete sich somit auf die reichen Staaten Westeuropas, um deren staatliche Strukturen und Gesellschaft kennenzulernen und später einzuholen. Außerdem ging es ihm darum, militärische oder diplomatische Bündnispartner gegen das Osmanische Reich zu finden.
Am 6. Dezember 1696 gab der Zar seine Pläne der Bojarenduma bekannt. Die Bojaren reagierten mit Bestürzung auf die Pläne des Zaren, was ihn jedoch nicht von seinen Reiseplänen abhielt. Am 10. März 1697 brach das Gefolge von Moskau über Nowgorod nach Riga ins schwedische Livland auf. Der Zar reiste inkognito als Unteroffizier des Preobrachensker Regiments im Gefolge mit. 14 Tage später kam die Gruppe in Riga an, das seit 1629 zu Schweden gehörte.
Am 10. April 1697 erreichte der Zar die Stadt Mitau, wo er sich zwei Wochen aufhielt. Friedrich Kasimir Kettler, Herzog von Kurland, bot dem russischen Staatsoberhaupt eine besonders freundliche Aufnahme, so dass die Identität des Monarchen der breiten Öffentlichkeit nicht länger verborgen blieb.
Nach den Aufenthalten in Livland und am kurländischen Hof schiffte Peter sich im April 1697 in Libau ein und begab sich über Pillau ins preußische Königsberg, wohin auch die Gesandtschaft unter der Leitung von Lefort, aber auf dem Landweg über die Memel, reiste. Der Aufenthalt in Königsberg dauerte vom Mai bis Juli 1697. In Königsberg besuchte Peter I. beim Fachingenieur Steitner von Sternfeld einen Artilleriekurs. Am Ende dieses Kurses erhielt Peter von seinem Lehrer ein Diplom auf Pergament, das bescheinigte, dass „Pjotr Michailow“ in überraschend kurzer Zeit tiefe Kenntnisse im Bereich der Artillerie erworben hatte und dass er als ein kluger, zuverlässiger und mutiger Meister dieser Branche betrachtet werden konnte. Im August folgte ein Aufenthalt in Berlin. Als erster Erfolg der Gesandtschaft sind die Verhandlungen in Preußen zu nennen, die unter anderem die zukünftige antischwedische Nördliche Allianz zwischen Sachsen-Polen, Dänemark und Russland 1699 vorbereiteten. Peter wartete bis zur polnischen Königswahl, die für die Position der Adelsrepublik innerhalb der Heiligen Liga besonders wichtig war, und reiste danach nach Amsterdam, wo er von August 1697 bis Januar 1698 auf den Werften der „Ostindischen Kompanie“ in Zaandam arbeitete. Peter I. erhielt als Pjotr Michalow ein Zertifikat, das bestätigte, dass er für vier Monate und fünf Tage als Schiffszimmermann unter Aufsicht des Meisters Pool gearbeitet hatte, dass er sorgfältig alle Zweige des Handwerks erlernt hatte und dass er sich anständig benommen hatte. Anschließend folgte ein Aufenthalt in Nimwegen. Die holländischen verwendeten große Mühe darauf, den Aufenthalt der Gesandtschaft so angenehm und prunkvoll wie möglich zu gestalten. Am 21. September 1697 kam es zu einem inoffiziellen Treffen zwischen Peter I. und dem Statthalter der Niederlande, Wilhelm III. von Oranien. Es schlossen sich weitere Gespräche und Geschäfte an.
Im Januar 1698 fuhr Peter I. mit einem kleinen Gefolge (25 Personen) über den Ärmelkanal nach England. Im April 1698 wurde eine Verbindung zwischen England und Russland beschlossen. Da ein Abkommen mit den Generalstaaten nicht erreicht werden konnte, konzentrierte sich die Gesandtschaft auf den Erwerb von dringend benötigten Waffen und die Anwerbung von Fachleuten. So konnten in den ersten Monaten des Jahres eine große Anzahl von Fachleuten für die Schwarzmeerflotte verpflichtet werden, nachdem in Livland, Kurland und Preußen nur vereinzelt Experten geworben werden konnten. Die Zahl soll bei etwa 1100 gelegen haben. Die Gesandtschaft organisierte damit gewissermaßen einen Technologieschub und Wissenstransfer von Westeuropa nach Russland. Schließlich waren rund 640 der etwa 1100 Personen Holländer. Im Mai 1698 erfolgte die unverbindliche Abreise des Zaren aus London und der Gesandtschaft aus den Niederlanden, da ein Frieden zwischen dem Habsburgischen Kaiser und der Hohen Pforte drohte und damit der wichtigste Verbündete im Kampf gegen die Osmanen und die Krimtartaren wegzubrechen drohte. Innerhalb weniger Wochen reiste die Gesandtschaft über Hamm, Bielefeld, Halle an der Saale, Leipzig und Dresden nach Wien
Der Besuch bei Kaiser Leopold I. in Wien war der politische Höhepunkt. Natürlich hatte er, obwohl er starrsinnig daran festhielt, nirgends sein Inkognito aufrechterhalten können, denn die in Moskau akkreditierten ausländischen Diplomaten hatten ihre Regierungen über die Abreise der Großen Gesandtschaft nach Westeuropa und die Teilnahme Peters I. unterrichtet. Die Gesandtschaft langte Anfang Juni 1698 in Wien an und zog nach längeren Zwangsaufenthalten in der Vorstadt offiziell am 26. Juni in Wien ein. Der Aufenthalt Peters I. stellte sich als außenpolitisches Fiasko dar. Ende Juli wurde die Gesandtschaft zwar zur offiziellen Audienz vorgelassen, dennoch konnte die kompromisslose Haltung des Kaisers gegenüber einer Fortführung des Krieges gegenüber der Hohen Pforte nicht geändert werden. Noch während die Gesandtschaft ihre Weiterreise nach Venedig und Rom plante, änderte Peter die Pläne und entschloss sich zur unverzüglichen Rückkehr nach Moskau. Grund war der Ausbruch des zweiten Strelizenaufstandes, der sich gegen die Ausländer in Moskau richtete. In Polen traf Peter am 10. August den polnischen König August II., bei dem er sich drei Tage aufhielt und dabei erste Gespräche über ein gemeinsames Vorgehen gegen Schweden im Baltikum führte. Die Rückreise von Polen nach Moskau, wo der Zar völlig unvermutet eintraf und den Aufstand der Strelizen blutig niederschlug, dauerte weitere drei Wochen.
Das Zarenreich galt zu dem Zeitpunkt daher als klassische Landmacht und besaß keine Seefahrertradition. Dafür verfügte Russland in überreichem Maße über alle Materialien und Rohstoffe, die für den Schiffbau erforderlich waren. Der Schiffbau im eigenen Land war sehr viel billiger als in den Niederlanden und England, was auch die Vorgänger Peters wussten. So hatte Zar Alexei I. 1662 im Ausland sondieren lassen, in welchem Maße es dort möglich wäre, Schiffe zu kaufen und Seehandelsplätze für russische Kaufleute in Pacht zu nehmen. Es wurden holländische Werftarbeiter angeworben, die in russische Dienste traten und für den Seedienst auf dem Kaspischen Meer ein großes Schiff, die Orjol, zu bauen, die 1669 in Astrachan von Stapel gelassen wurde.
Russlands Konkurrenten Schweden und das Osmanische Reich versuchten, Russland vom Zugang zu den Meeren fernzuhalten. Die Notwendigkeit des Baus einer eigenen Kriegsflotte ergab sich für den jungen Zaren Peter schon nach seinem ersten militärischen Misserfolg im Kampf um Asow im Jahr 1695, als deutlich wurde, dass die Osmanen mit ihrer kampfstarken Flotte allein mit den Mitteln des Landkrieges nicht zu schlagen waren. Vor der Festungsstadt Asow mündete der Don in das Asowsche Meer. Damit sollte der Zugang zum Schwarzen Meer gewährleistet und das Tor zum Mittelmeer aufgestoßen werden. Federführend beim Aufbau der neuen Marine war François Le Fort. Für die Durchführung der zweiten Asow-Kampagne von 1696 ließ Peter als erste Flotte in der Geschichte Russlands die Asow-Flotte bauen, die aus zwei Schlachtschiffen, vier Brandern, 23 Galeeren und 1300 als Strug bezeichnete Kanonenruderboote mit Hilfssegeln bestand, die auf den Werften in und um Woronesch gebaut worden waren. Diese nahmen als Unterstützung der Armee im zweiten der Asowfeldzüge erfolgreich an der Belagerung und Eroberung von Asow teil. Der langfristige Plan sah vor, weitere Festungen am Schwarzen Meer zu erobern, weshalb der Zar seiner Bojarenduma eine Aufstellung von Umlageregelungen zur Beschaffung der zum Flottenbau benötigten Mittel vorlegte, die daraufhin am 20. Oktober 1696 einen Beschluss zum Aufbau einer Marine fasste. Dieses Datum gilt als offizieller Geburtstag der regulären russischen Marine.Russland hatte zwar mit der zweiten Asowkampagne einen Zugang zum Schwarzen Meer erkämpft, besaß aber immer noch keinen Zugang zu den Weltmeeren, da der unter osmanischer Kontrolle stehende Bosporus den Zugang verhinderte und eine Weiterführung des Krieges gegen die Türken durch die Ereignisse im Norden nicht möglich war. Im Nordwesten führte der Finnische Meerbusen in die Ostsee, dieser war aber seit 1617 mit dem Frieden von Stolbowo Hoheitsgebiet des Schwedischen Reiches.
1700 brach der Große Nordische Krieg aus. Um einen Zugang zur Ostsee zu erhalten, musste zunächst das Newaumland erobert und militärisch gesichert werden. In diesen Kämpfen wurden auch Flussboote auf dem Ladogasee, Onegasee und Peipussee gebaut und eingesetzt. Es folgten die Belagerung von Nyenschanz und die Belagerung von Nöteborg. Zur Sicherung der neu eroberten Gebiete wurde die Peter-und-Paul-Festung angelegt. Jetzt hatte Peter sein Fenster zum Westen und einen Marinestützpunkt an der Ostsee. Der Bau der geruderten Flotte erfolgte in den Jahren 1702–1704 auf Werften im Delta der Flüsse Sjas, Luga und Olonka statt. Daraus entwickelte sich nach und nach die Baltische Flotte. Um die eroberte Küstenlinie verteidigen und die feindlichen Seeverbindungen in der Ostsee angreifen zu können, schufen die Russen eine Flotte aus russischen und importierten Segelschiffen. Beim Bau der Flotte kamen Tausende russische Bauern zum Einsatz, die von hunderten Schiffsbauern und Offizieren angeleitet wurden, welche Peter aus Westeuropa zum Dienst anwarb.
Westliche Mathematiker, Schiffsbauer und Wissenschaftler schufen die Grundlage für die Seefahrtausbildung und Schiffsbautechnik in Russland. Zunächst war der Wladimirskij Prikas für den Schiffbau zuständig, später der Admiraltejskij Prikas. Die Marineoffiziere kamen aus dem Adel und die gemeinen Seeleute aus den Reihen der Rekruten der Armee. Der Dienst in der Flotte war lebenslang. Im Jahre 1701 wurde die „Schule für mathematische und navigatorische Wissenschaften“ eingerichtet, an der ausländische Lehrer wirkten (z.B. Prof. Farwharson aus Aberdeen); an ihr stellten allerdings Kinder adliger Familien eine Minderheit dar. Die Schüler wurden häufig ins Ausland geschickt, um den Dienst in fremden Flotten zu lernen.
Nachdem man sich in St. Petersburg etabliert hatte und die Angriffe der Schweden abgewehrt hatte, wurde der Erwerb eines Hafens weiter südlich zum neues strategischen Ziel für die russische Marine, da der Hafen von St. Petersburg oft vereist und nicht nutzbar war. Dennoch blieb St. Petersburg der Hauptstützpunkt, und im Vorfeld der neuen Hauptstadt wurde die Seefestung Kronstadt erbaut. In St. Petersburg wurde auch die erste Marineakademie des Landes gegründet. Weitere Stützpunkte wurden in Wyborg, Helsinki, Reval und Åbo geschaffen. Erster Oberkommandierender der Baltischen Flotte wurde Cornelius Cruys. 1718 wurde die oberste Marinebehörde Russlands geschaffen: das Admiralitätskollegium.
Die junge russische Marine bestand in der Seeschlacht von Hanko im Juli 1714 eine wichtige Bewährungsprobe gegen die schwedische Marine. Bis zu dem Zeitpunkt hatte Schweden die Herrschaft in der Ostsee, danach konnte die russische Marine bis Dänemark vorstoßen.
1722 hatte die Kaiserliche Russische Marine 130 Segelschiffe, darunter 36 Linienschiffe, 9 Fregatten, 3 Schnauen, 5 Bombardierschiffe und 77 Hilfsschiffe. Die geruderte Flotte bestand aus 396 Schiffen, darunter 253 Galeeren und Halbgaleeren (modifizierte dreimastige Brigantine) und 143 Brigantinen. Die Schiffe wurden in 24 Werften auf Stapel gelegt, darunter die in Woronesch, Kasan, Perejaslaw, Archangelsk, Olonez, Sankt Petersburg und Astrachan.
Die organisatorischen Prinzipien der Kaiserlichen Russischen Marine sowie die Erziehungs- und Übungsmethoden zur Vorbereitung des zukünftigen Kaders und die Methoden zur Durchführung militärischer Aktionen wurden in Anlehnung an Dienstvorschriften und seerechtliche Bestimmungen führender Seemächte im „Seereglement“ zusammengefasst. Peter der Große, Fjodor Apraxin, Akim Senjawin, Naum Senjawin, Michail Golizyn und andere werden allgemein als besonders wichtig für die Entwicklung russischer Kriegführung zur See betrachtet. Die Hauptprinzipien der Seekriegführung wurden ferner von Grigori Spiridow, Fjodor Uschakow und Dmitri Senjawin entwickelt. Bedingt durch die schlechten Bedingungen in der Armee, nahm zu der Zeit die Desertion große Ausmaße an. Eine von der russischen Administration unternommene Zählung ergab 198.876 Deserteure in der Zeit von 1719 bis 1727.
Peter baute eine merkantilistische Wirtschaft auf. Dazu zählt besonders seine starke Förderung der Manufakturen. Beim Amtsantritt Peters existierten in Russland nur zehn Manufakturen.
Merkantilismus ist ein nachträglich geprägter Begriff für ein stark durch staatliche Eingriffe geprägtes Wirtschaftsmodell zur Zeit des Absolutismus. Im Zentrum stand die Förderung der Wirtschaft im Lande und des Exports bei gleichzeitiger Eindämmung von Einfuhren. Durch das Merkmal der „uneingeschränkten staatlichen Regulierung“ unterscheidet sich dieses Modell von den modernen Vorstellungen des Freien Marktes. Der Merkantilismus war in Europa die vorherrschende wirtschaftliche Lehrmeinung der Frühmoderne (vom 16. bis zum 18. Jahrhundert), er war ein Spektrum verschiedener wirtschaftspolitischer Konzepte, welche sowohl geldpolitische als auch handels- und zahlungsbilanztheoretische, aber auch finanzwirtschaftliche Ansätze verband.
Mit dem Bedürfnis der absolutistisch regierten Staaten nach wachsenden, sicheren Einnahmen zur Bezahlung der stehenden Heere und des wachsenden Beamtenapparats und nach repräsentativen Bauten und Mäzenatentum der Fürsten entwickelte sich in den verschiedenen europäischen Staaten eine vom Interventionismus und Dirigismus geprägte wirtschaftspolitische Praxis, der eine geschlossene wirtschaftstheoretische und -politische Konzeption noch fehlte. Gemeinsam ist dieser Praxis das Streben nach Überschüssen im Außenhandel zur wirtschaftlichen Entwicklung des eigenen Staats. Die Kapitalmenge, die durch die staatlichen Goldreserven repräsentiert wird, werde am besten durch eine aktive Handelsbilanz mit hohen Exporten und niedrigen Importen erhöht. Regierungen unterstützten demnach diese Ziele, indem sie Exporte aktiv förderten und Importe durch Anwendung von Zöllen hemmten.
In der Binnenwirtschaft führte dies zu signifikanten staatlichen Eingriffen und zur Kontrolle über den Außenhandel und das Wirtschaftssystem, während gleichzeitig wichtige Strukturen des modernen kapitalistischen Systems entstanden. Der Merkantilismus belastete die damaligen zwischenstaatlichen Beziehungen durch zahlreiche europäische Kriege, der Imperialismus entstand. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Merkantilismus durch die klassische Nationalökonomie des schottischen Ökonomen Adam Smith verdrängt. Heute wird der Merkantilismus (als Ganzes) von der Mehrzahl aller Ökonomen abgelehnt, obwohl einige Elemente weiterhin Beachtung finden.
Fast alle europäischen Ökonomen, die zwischen 1500 und 1750 publizierten, werden heute im Allgemeinen als Merkantilisten betrachtet, obwohl diese sich selbst nicht als Anhänger einer gemeinsamen Ideologie begriffen. Der Begriff „merkantiles System“ wurde vom Marquis de Mirabeau 1763 geprägt und von Adam Smith 1776 allgemein verbreitet. Das Wort stammt vom lateinischen mercari (Handel treiben) mercator bzw. merx (Ware) bzw. italienisch/französisch mercantile (kaufmännisch) ab. Ursprünglich nur von Kritikern wie Mirabeau und Smith verwendet, wurde der Begriff bald auch von Historikern übernommen.
Der Merkantilismus als Ganzes kann nicht als eine einheitliche, geschlossene Wirtschaftstheorie betrachtet werden. Es gab keinen merkantilistischen Autor, der ein umfassendes Modell für ein ideales Wirtschaftssystem vorlegte, wie Smith dies später für die klassische Nationalökonomie tat. Stattdessen betrachtete jeder merkantilistische Autor einen anderen Teilaspekt der Wirtschaft. Einzelne problembezogene Ideen und unterschiedliche Ansätze in den europäischen Staaten stehen häufig unverbunden nebeneinander.
Der Merkantilismus betrachtet Außenhandel als Nullsummenspiel, bei dem der eine gewinnt, was der andere verliert. Deshalb ist es per definitionem unmöglich, den gesamtwirtschaftlichen Nutzen zu maximieren. Merkantilistische Schriften wurden eher dazu erstellt, politische Vorgehensweisen zu rechtfertigen, als zu untersuchen, welche Politik am nützlichsten sei.
Ausgehend von der Überlegung, dass eine permanent aktive Zahlungsbilanz eine Steigerung des Edelmetallschatzes einer Nation bewirken würde, was mit dem Reichtum der Nation gleichgesetzt wurde, kamen Forderungen nach Förderung einer aktiven Handels- und Dienstleistungsbilanz auf. Als wirtschaftspolitisches Instrumentarium bediente man sich in England des Protektionismus: Die Einfuhr von Rohstoffen wurde durch günstige Zölle erleichtert, die Ausfuhr von Fertigwaren und Nahrungsmitteln durch hohe Zölle erschwert. Letzteres sollte das inländische Angebot an Fertigprodukten und Nahrungsmitteln erhöhen und damit die Preise senken in der Erwartung, dass mit sinkenden Nahrungsmittelkosten auch die Löhne fallen und letztlich die Produktionskosten gesenkt werden könnten.
Die Einfuhr günstiger Rohstoffe sollte die inländische Produktion zusätzlich anreizen. Ein Verbot des Exports von Geld und Edelmetall ins Ausland um 1600 sollte zusammen mit rigider Devisenbewirtschaftung den Abfluss von Edelmetall ins Ausland erschweren. Zudem wurde in der Navigationsakte von 1651 festgelegt, dass der Transport aller Export- und Importgüter durch englische Schiffe zu erfolgen habe, was die Kontrolle erleichtern und die Dienstleistungsbilanz aktivieren sollte. Dass diese Wirtschaftspolitik gleichzeitig aber die Konkurrenz der Produkte (Erfindungen) und Produktionsmethoden (Innovationen) mit dem Ausland herabsetzte, wurde zu einer entscheidenden Überlegung der Freihändler.
Die merkantilistischen Maßnahmen zur Förderung der Binnenwirtschaft waren weniger eindeutig als ihre Außenhandelspolitik. Während Adam Smith die Merkantilisten so darstellte, als würden sie strikte Kontrollen über das Wirtschaftssystem befürworten, widersprachen dem viele Merkantilisten. Die Frühmoderne war die Zeit der Patente und gesetzlich auferlegter Monopole. Aus der Tradition fürstlicher Regalien, wie z.B. dem Münzregal oder dem Salzregal, also Einnahmequellen der fürstlichen Schatzkammer, entwickelte sich die Vorstellung, durch die Verleihung von Monopolen an einen dem Fürsten ergebenen Unternehmer einen sicheren Markt zu verschaffen und den daraus resultierenden Reichtum gut kontrollieren und gezielt abschöpfen zu können. Einige Merkantilisten befürworteten die Monopole, andere erkannten die Korruptionsanfälligkeit und Ineffizienz solcher Systeme. Viele Merkantilisten erkannten auch, dass die unausweichliche Folge von Quoten und Preisregulierungen Schwarzmärkte seien.
Ein Punkt, in dem sich die Merkantilisten einig waren, war die Unterdrückung der Arbeiterklasse. Arbeiter und Bauern hatten am Existenzminimum zu leben, damit die Güter kostengünstig hergestellt werden konnten. Ziel war es, die Produktion zu maximieren; der Verbrauch und Genuss der Arbeiter wurde nicht berücksichtigt. Nur wenn sie durch harte Arbeit ihr Existenzminimum sichern konnten, war sichergestellt, dass eine maximale Produktion erreicht werden konnte. Höhere Löhne, Freizeit oder Bildung für die Unterschichten würden unausweichlich zu Lastern und Faulheit führen und wirtschaftlichen Schaden anrichten.
Der Merkantilismus entwickelte sich zu einer Zeit, in der sich die europäische Wirtschaft in einer Übergangsphase befand. Mit dem Vordringen des Geldes und seinem Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Zahlungsbilanzmitteln über Grenzen hinweg veränderten sich die Bedürfnisse sowohl der Fürstenhaushalte, als auch der Kaufleute. Technische Verbesserungen in der Schifffahrt und das Wachstum der großen Städte führten zu einem schnellen Wachstum des internationalen Handels. Durch die Einführung der doppelten Buchführung und der modernen Bilanzierung konnten Zu- und Abflüsse von Geld leicht nachvollzogen werden. Die isolierten, auf Naturalwirtschaft beruhenden feudalen Grundherrschaften wurden durch zentralisierte, auf Geldwirtschaft beruhende Nationalstaaten ersetzt. Dies veränderte auch die Betrachtung der Einnahmen der Fürstenhaushalte: Hatte sich im Frühmittelalter der Monarch von einer Königspfalz zur anderen begeben, um die Realabgaben seiner lokalen Untertanen zu verzehren, bzw. für Bauprojekte ihre reale Arbeitsleistung in Anspruch genommen und sich ansonsten mit den Einnahmen aus den Regalien begnügen müssen, konnte der Staat im Zeitalter des Absolutismus in einer Geldwirtschaft auf Steuern zurückgreifen. Mit der Einführung indirekter Steuern war die Durchsetzung ihrer Erhebung auch nicht mehr zwangsläufig mit der Ausübung von individueller Gewalt verbunden.
Vor dem Merkantilismus strebten die mittelalterlichen Scholastiker ein Wirtschaftssystem an, das zur christlichen Lehre von Gerechtigkeit und Frömmigkeit passte. Sie konzentrierten sich hauptsächlich auf Tauschvorgänge zwischen Individuen, die Mikroökonomie. Der Merkantilismus gehörte zu den Theorien und Ideen, welche das mittelalterliche Weltbild ersetzten. Die merkantilistische Idee, dass jeglicher Handel ein Nullsummenspiel sei, in welchem jede Seite den anderen in skrupellosem Wettbewerb zu betrügen versuchte, wurde in die Arbeit von Thomas Hobbes integriert. Diese dunkle Seite der menschlichen Natur passte ebenfalls gut in die puritanische Weltsicht, und einige der schärfsten merkantilistischen Gesetze, wie die Navigations-Akte, wurden von der Regierung Oliver Cromwells eingeführt.
Basis des Merkantilismus war der steigende Geldbedarf des absolutistischen Staates. Es zeigte sich, dass die Plünderung von Kolonien weniger Rentabel war als die Entwicklung der Produktivkräfte der Volkswirtschaft des Mutterlandes. Daraus erwuchs ein Interesse an Volkswirtschaftslehre. In der Praxis des Merkantilismus drehte sich der Schwerpunkt der Überlegungen weniger um die Nutzenmaximierung für alle Untertanen, als vielmehr um die Stärkung der wirtschaftlichen und finanziellen Basis des Staates. Daraus folgern einige Historiker, dass der Merkantilismus nicht nur zeitgleich mit dem politischen Absolutismus auftrat, sondern dass Merkantilismus die ökonomische Ausprägung des Absolutismus war. Dagegen wird argumentiert, dass z.B. der französische und brandenburgisch-preußische Merkantilismus zwar durchaus von staats- und planwirtschaftlichen Elementen durchsetzt war, dass das letztendliche Ziel aber nicht eine Staatswirtschaft war, sondern die Privatisierung international wettbewerbsfähiger Unternehmen. In diesem Sinn wird der brandenburgisch-preußische Merkantilismus auch als Vorbereiter des Privatkapitalismus interpretiert. Die Geldknappheit des absolutistischen Staates zwang dazu nur Kernbereiche der jeweiligen Volkswirtschaft zu fördern. In Frankreich war das die Luxusgüterindustrie, in England der Handel, in Deutschland das Gewerbe und der Agrarsektor. Das war gleichsam eine Vorwegnahme der Führungssektor-Konzeption.
Der Merkantilismus war nur Mittel zum Zweck der Stärkung der Finanzkraft eines Landes. Daraus erklärt sich, dass sich keine geschlossene kohärente Theorie entwickelte, sondern Theorie und Praxis von Pragmatismus dominiert wurden. Direkte Nutznießer des Merkantilismus waren neben den Landesfürsten die Unternehmer, Verleger und Großhändler. Deren Aufstieg ging mit einem Bedeutungsverlust der Zünfte und Gilden sowie des Landadels einher.
Die Förderung der Industrie durch Peter stand in engem Zusammenhang mit den Bedürfnissen der Armee während der langen Kriegsjahre. Aber darüber hinaus entstanden auch viele Manufakturen und Fabriken, die Gebrauchsgüter herstellten. Einige Fabriken, unter ihnen die Spiegelfabrik Menschikows, arbeiteten schon für den Export. 1716 wurde das Spinnrad in Russland eingeführt. Noch ein Jahr vor seinem Tod ordnete PeterI. an, dass alle Findelkinder zu Handwerkern und Fabrikanten erzogen werden sollten. In seinem letzten Regierungsjahr gab es etwa 100 Fabriken, darunter einige mit mehr als 3000 Beschäftigten –herausragend die Waffenfabrik von Tula. Am Ende der Regierung registriert die Statistik einen ausgeglichenen Staatshaushalt von etwa 10 Millionen Rubel.
Das Verhältnis zwischen Zar und Kirche war seit Peters Thronbesteigung angespannt. Zar Peter I. spürte hinter den Strelizen die Hände der Kirche. Auch in den Klöstern vermutete er verschwörerische Kräfte der Mönche. Der Klerus stand geschlossen (Gläubige und Altgläubige) gegen die Neuerungen Peters. Der Klerus hatte eine große Macht im Volk, so dass Zar Peter I. die Kirche in seine Reformen integrieren musste. Der Tod des Patriarchen Adrian (1628–1700) am 16. Oktober 1700 kam ihm dabei gelegen. Zar Peter I. unterband die Wahl eines neuen Patriarchen und setzte stattdessen einen Patriarchatsverweser ein, der im Gegensatz zum Patriarchen nicht die Würde der russisch-orthodoxen Unfehlbarkeit verkörperte. Erst nach dem Großen Nordischen Krieg begann Zar Peter I. die Reformierung der russisch-orthodoxen Kirche.
Am 25. Januar 1721 wurde durch das Geistliche Reglement eine Staatsbehörde geschaffen, der Heiligste Dirigierende Synod (das Geistliche Kollegium), der die Stelle des Patriarchats einnahm. Die Mitglieder schworen dem Zaren einen Amtseid, so dass diese Institution vom Zaren abhängig wurde. Zar Peter I. hatte sozusagen ein Ministerium für kirchliche Angelegenheiten geschaffen und gleichzeitig die kirchliche Eigenständigkeit abgeschafft. Die kirchliche Gerichtsbarkeit wurde eingeschränkt, genauso wie der Besitz der Klöster, denen er auch die Zahl der Mönche beschnitt.
Energisch setzte sich Peter der Große für die Förderung von Kultur, Bildung, und Wissenschaft in seinem Reich ein. Bei der Verwirklichung seiner Reformabsichten – die ihn insbesondere bei seinen kürzeren Auslandsaufenthalten im Heiligen Römischen Reich 1711 und 1712/3 geprägt hatten, bediente sich der Zar vor allem der Deutschen Frühaufklärung, die in Russland im 18. Jahrhundert zur vorherrschenden Denkrichtung werden sollte. Insbesondere die ersten bedeutenden russischen Wissenschaftler Wassili Nikititsch Tatischtschew, Michail Wassiljewitsch Lomonossow und Wassili Kirillowitsch Trediakowski waren in höchstem Maße von deutschen Gelehrten wie Leibniz und Wolff beeinflusst.
Der hohen Bedeutung, die der Zar der Bildung für die Entwicklung einer modernen Gesellschaft beimaß, zeigten seine zahlreichen Erlasse, durch die Schulen der verschiedensten Typen ins Leben gerufen wurden. Dennoch blieb das weltliche Schulwesen im Argen, weil es an Geld und Lehrern fehlte. Ein weiteres Projekt, das Zar Peter in Angriff nahm, war die Etablierung einer Akademie der Wissenschaften, die im Dezember 1725 nach seinem Tod von seiner Nachfolgerin KatharinaI. als Russische Akademie der Wissenschaften gegründet wurde. In enger Verbindung mit der Akademiegründung standen die von ihm befohlene Erkundung und Erforschung seines riesigen Reiches. Die von PeterI. inspirierten Forschungsexpeditionen bis in den Fernen Osten, wie z. B. die Expeditionen Berings vermittelten der russischen Wissenschaft wichtige Impulse und förderten die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Reiches.
Eine Veränderung der alten Ordnung (starina) erfolgte beispielsweise durch eine Kalenderreform, wobei der byzantinische Kalender abgeschafft wurde. So wurde der 1. September 1699, der in Moskau der Anfang des Jahres 7208 hätte sein sollen, nicht gefeiert, sondern stattdessen auf weltliche Weise der 1.Januar 1700. Es kam damit zur Einführung des julianischen Kalenders (er war in protestantischen Ländern im Vergleich zum gregorianischen Kalender üblicherweise 11 Tage zurück).
Um die Besteuerung zu rationalisieren, wurde 1718 die Kopfsteuer eingeführt, wonach allen männlichen Landbewohnern gleichmäßig die gesamte Steuerlast eines Dorfes aufgebürdet werden sollte. Eigentlich als Erleichterung für die Bauern gedacht, hatte sich durch die ständigen Finanzforderungen des Zaren und die häufigen Rekrutenaushebungen die Lage der Bauern erheblich verschlechtert. In allen Bevölkerungsschichten gab es erheblichen Widerstand gegen die Reformpolitik, der sich in verzweifelten Volksaufständen äußerte, die wiederum auf Befehl des Zaren mit brutaler Gewalt niedergeschlagen wurden. Dass die drückende Steuerlast, die Schollenbindung und Leibeigenschaft der Bauern Hauptursachen für die nur langsamen Fortschritte im Russischen Reich waren, wurde von Zar PeterI. nicht gesehen.
Zar Peter der Große hatte den Eindruck, dass im Russland seiner Zeit zu sehr an althergebrachten Traditionen festgehalten werde und das Land auf manchen Sektoren einer Modernisierung bedürfe. In seiner Meinung bestärkten ihn Eindrücke, die er auf seiner Reise ins westliche Europa gewonnen hatte. Unter anderem waren wallende Vollbärte in den von ihm besuchten Ländern eher selten zu sehen und auch die Kleidung der bereisten Länder erschien ihm funktioneller, als die Gewänder seiner Untertanen. Er nahm sich daher vor, Verschiedenes in seinem Reich zu ändern.
Als er vom Auslandsaufenthalt heimgekommen war, wurde im Schloss von Preobraschenskoje, zu jener Zeit der Zarensitz vor Moskau, ein Empfang gegeben, zu dem viele Würdenträger erschienen. Peter der Große erschien die Gelegenheit günstig, gleich ein Zeichen für neu anbrechende Zeiten zu setzen. Er ließ sich Barbierzeug geben und schnitt eigenhändig die langen Bärte seiner Besucher ab. Nur drei Personen entgingen ihrem Bartverlust: Sein früherer Vormund Tichon Strešnev (1644–1719), der russisch-orthodoxe Patriarch Adrian I. und der schon sehr alte Fürst Čerkasskij. Einige Tage danach gab der Zar seinem Hofnarren den Auftrag, die Prozedur des Bartabschneidens bei Hofe fortzusetzen. An der Tafel des Zaren war nunmehr stets ein des Barbierens kundiger Bediensteter eingesetzt, der jedem erscheinenden Bartträger noch während der Dauer des Mahls die Haare stutzte.
Damit nicht genug, gab Peter am 5. September 1698 einen Ukas heraus, der Männer, ausgenommen Geistliche und tendenziell Bauern, anhielt, sich ihren Vollbart abzurasieren. Doch Widerstände von Betroffenen blieben. Daraufhin belegte er Vollbartträger mit einer Abgabe, die 1701 und 1705 vom Zaren erneut angeordnet wurde. Bauern, die in eine Stadt kamen, mussten die Abgabe bezahlen, wollten sie ihren Bart behalten.
1722 wurde im Zuge der Adelsreform eine Rangtabelle eingeführt. Sie ermöglichte den unmittelbaren Vergleich ziviler und militärischer Dienstgrade, sollte die Vormachtstellung des alten Erbadels, der Bojaren, brechen und einen von der Krone abhängigen Dienstadel schaffen. Nur ein Drittel des Adels durfte sich dem zivilen Dienst widmen; das Militärische genoss Vorrang.
Um St. Petersburg, die Stadt an der Ostsee, zu stärken, mussten viele russische Adelige dort, in einer Stadt ohne Hinterland und mit ungesundem Sumpfklima, diese aufbauen. Denn wer in Peters Reich vorankommen wollte, musste sich seiner Meinung nach der notwendigen Modernisierung anpassen. Unter Peter stiegen viele Leute aus dem Landadel oder bescheideneren Verhältnissen auf, so etwa Andreas Ostermann, Alexander Menschikow, Peter Schafirow. Doch auch die alten Bojarenfamilien, die Scheremetjews, Dolgorukis, Apraxins und Peter Tolstoi nahmen westeuropäische Titel wie Fürst oder Graf an. Andere Leute, die einen unerwartet schnellen Aufstieg erlebten, waren Zarin Katharina I., die eine litauische Magd gewesen war, Menschikow, der Pastetenbäcker gewesen sein soll, Lefort, ein Bürgerlicher aus Genf. Andreas Ostermann, einer von Peters besten Diplomaten, war ein Gastwirtssohn aus Westfalen und Peter Schafirow ein konvertierter Jude.
Doch Peter konnte natürlich nicht den Adel ignorieren und er konnte ebenso wenig alle Schlüsselstellungen in Administration und Armee nur mit Emporkömmlingen und Ausländern besetzen. Peter wollte, dass der Adel die ihm gebührenden Stellen in Verwaltung und Armee besetzte und aktiv seinen Staat mitgestaltete, das allerdings natürlich in Peters Sinne der Modernisierung. Die Bojaren sollten natürlich die nötigen Qualifikationen besitzen. Sie mussten Arithmetik, Sprachen, Geometrie und Ballistik erlernen, ihre Söhne ins Ausland schicken und vieles mehr. Wer sich bewährte und die Politik des Zaren mitmachte, konnte sehr hoch steigen. So war auch der konservative Adelige gezwungen mitzumachen, wollten er nicht gesellschaftlich und politisch ins Abseits geraten und von Ausländern überspielt werden. In Russland besaß der Adel noch einen großen Einfluss im ländlichen Raum.
1722 führt er für alle Beamten und Würdenträger in Staat und Militär eine „Rangtabelle“ mit 14 Klassen ein. Nicht Abstammung und Familien-Nimbus allein sollen über die gesellschaftliche Stellung entscheiden, sondern persönliche Fähigkeiten und Verdienste: Der Dienstadel tritt dem Erbadel zur Seite. Während der Zar auch noch diese Reform auf den Weg bringt, brechen seine Soldaten 1722 zum persischen Feldzug auf. Es ist der Versuch, am Kaspischen Meer Fuß zu fassen. Die Russen besiegen die Perser, Baku wird russisch.
1724 gründet der Monarch in St. Petersburg die russische Akademie der Wissenschaften. Gespräche darüber hat er wohl schon 1711 mit dem Göttinger Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz geführt. Die neue Institution soll „unter den Russen solche ausfindig machen, die gelehrt sind“, was zunächst ziemlich schwierig ist. Unter den ersten 17 Akademiemitgliedern befindet sich kein einziger Russe. Im Mai 1724 krönt Peter seine Frau Katharina zur Kaiserin, ohne sie ausdrücklich als seine Nachfolgerin auszurufen, was sie dann aber 1725 für zwei Jahre wird.
Für die Zukunft wichtiger war auch wichtig, dass Peter nach dem Tode des Patriarchen Adrian 1700 den Sitz vakant ließ. Erst viel später richtete er an seiner Stelle ein Geistliches Kollegium ein, d.h. eine effektive Verwaltungsbehörde, in die kein Hierarch allein bestimmen sollte. Vielleicht hat das Wissen um Nikon und die von ihm beschworen Staatskrise hier mitgewirkt. Dieses Gremium hoher geistlicher Würdenträger wurde als oberstes Organ neben dem Senat gestellt. Die Reformurkunde, das Geistliche Reglement 1721 stellt die Bildungsaufgabe der Kirchen in den Vordergrund, Tatsächlich ist durch diese Reform die orthodoxe Kirche in der Folge oft kurzsichtigen Interssen des Staates in einer Weise zugeordnet worden, die die verhängnisvolle Kluft zwischen ihr und einer mündig werdenden Bildungsschicht für lange Zeit unüberbrückbar erscheinen ließ.
Es ist nicht ohne weiteres festzustellen, wie viele Neulinge sich in den Adel in der Petrinischen Zeit hinausgedient haben. Peter hatte dem Senat aufgetragen, tausend Adelsdiener, die lesen und schreiben konnten, zur Musterung für die Offiziere auszuwählen. Eine Übersicht gibt es nur über ausländische Anwärter: Nach der Eingliederung der Ostseeprovinzen sind viele Deutsche in russische Dienste getreten, daneben Schweden, Schotten und andere. Die neue Bürokratie hat sich ausgedehnt und eine ganze Reihe von Nichtadeligen zuerst in die Kanzleikarriere aufgenommen. Auch im Süden des Reiches kam es zur Ansiedlung von Serben, Rumänen und Griechen, die staatstragende Aufgaben übernahmen.
Peter der Große war verantwortlich für den Bau der Isaakskathedrale, die noch heute eines der kulturellen Highlights St. Petersburg und ganz Russland darstellt.
Die Isaakskathedrale (Kathedrale des Heiligen Isaak von Dalmatien) ist die größte Kirche Sankt Petersburgs und einer der größten sakralen Kuppelbauten der Welt. Die Kirche ist 111 Meter lang, 97 Meter breit und 101,50 Meter hoch. Der Durchmesser der vergoldeten Hauptkuppel beträgt 26 Meter. In der Kirche finden mehr als 10.000 Menschen Platz.
Der Gedenktag des hl. Isaak von Dalmatien fiel mit dem Geburtstag Peters des Großen zusammen. Daher wurde bereits im Jahr 1707 kurz nach der Gründung von Sankt Petersburg mit dem Bau einer ersten Isaakskirche aus Holz begonnen. 1717 wurde die Holzkirche durch einen Steinbau ersetzt und als Kathedrale geweiht. Die Architekten waren Johann Georg Mattarnovi und Nikolas Härbel. 1735 wurde die Kathedrale durch ein Feuer zerstört. 1764 beauftragte Katharina II. den italienischen Architekten Antonio Rinaldi mit dem Bau einer dritten Isaakskathedrale. 1790 verließ Rinaldi Russland, ohne sein Werk vollendet zu haben. Der Bau kam ins Stocken und wurde 1796 eingestellt.
1798 unternahm Vincenzo Brenna einen Versuch, die Kathedrale fertigzustellen, musste jedoch aus Kostengründen auf vier von fünf geplanten Kuppeln und auf den Glockenturm verzichten. 1802 wurde die Kathedrale geweiht. Nach dem Sieg über Napoleon I. im Vaterländischen Krieg wollte Alexander I. die Isaakskathedrale zu einem Nationaldenkmal umgestalten. Er schrieb 1816 einen Architektenwettbewerb aus, den der Franzose Auguste Ricard de Montferrand für sich entscheiden konnte. 1818 begannen die Bauarbeiten. Zunächst wurde der Vorgängerbau teilweise abgebrochen; nur der Altarraum blieb bestehen. In den nächsten Jahren wurde der sumpfige Bauplatz fundamentiert. Dazu wurden etwa 11.000 Baumstämme in die Erde gerammt. Von 1822 bis 1825 wurden die Bauarbeiten auf Drängen der Akademie der Künste eingestellt, da es zu statischen Problemen gekommen war. Zudem wurde Montferrands fachliche Kompetenz angezweifelt. Montferrand verstand es jedoch, seine Gegner mit einem überarbeiteten Entwurf zu überzeugen.
1827 waren die Arbeiten am Fundament abgeschlossen, 1828 Fertigstellung der Unterkirche. Zwischen 1828–1830 wurden die 48 Portikus-Säulen (je 17 Meter hoch) aufgestellt. 1835 kam es aufgrund von weiteren statischen Problemen zu einer erneuten Planänderung. Die Errichtung der 101 Meter hohen Hauptkuppel zog sich von 1837 bis 1841 hin. Sie war die erste große Kuppel in Metallbauweise weltweit.1848–1858 kam es zur Vollendung des Innenraums.
Nach der Oktoberrevolution wurden in der Isaakskathedrale bis 1928 Gottesdienste abgehalten. Danach wurde in der Kirche ein antireligiöses Museum eingerichtet, das 1931 seine Pforten öffnete. Damals wurde ein 91 Meter langes Foucaultsches Pendel in die Kuppel gehängt. Im Zweiten Weltkrieg diente die Isaakskathedrale als Depot für Kunstgegenstände aus den um Leningrad liegenden Zarenresidenzen. 1942 wurden die fünf vergoldeten Kuppeln mit einem grünen Tarnanstrich überzogen. Die Kathedrale hatte dennoch erheblich unter dem deutschen Artilleriebeschuss zu leiden. Nach dem Krieg begannen aufwändige Restaurierungsarbeiten. Die Restaurierung war 1960 abgeschlossen. Mit der zunehmenden Religionsfreiheit in der Sowjetunion konnte erstmals 1990 wieder ein festlicher Gottesdienst abgehalten werden. Eine erneute Restaurierung erfolgte in den Jahren 1994 bis 2003. Heute werden an hohen Feiertagen Gottesdienste in der Isaakskathedrale zelebriert.
Den Außenbau gliedern insgesamt 112 Granitsäulen, die einzeln bis zu 114 Tonnen wiegen. Bedeutend sind die vier großen Giebelreliefs, von Iwan Vitali und Francois Lemaire geschaffen. Das südliche zeigt „Die Anbetung der Könige“ von Iwan Vitali, das östliche den „Hl. Isaak von Dalmatien, dem Kaiser Valentian sein nahes Ende vorverkündend“. Das nördliche Giebelrelief zeigt die „Auferstehung Christi“, das westliche „Die Begegnung des hl. Isaak von Dalmatien mit dem Kaiser Theodosius“ – wobei Kaiser Theodosius mit den Gesichtszügen Alexanders I. ausgestattet ist.
Bedeutend sind auch die drei großen Bronzetüren, die in das Innere der Kathedrale führen. Das Westportal ist den Aposteln Petrus und Paulus gewidmet, das Nordportal dem hl. Isaak von Dalmatien und dem hl. Nikolaus von Myra, das Südportal dem hl. Wladimir und dem hl. Alexander Newskij.
Im Inneren der Kirche befinden sich über 200 meist großformatige Gemälde und Mosaiken sowie zehn große Säulen aus Malachit und zwei aus Lapislazuli. Die Wände sind mit verschiedensten Marmorarten, Edel- und Schmucksteinen geschmückt. Insgesamt wurden 43 verschiedene Baustoffe benutzt, was der Kirche den Beinamen „Museum der russischen Geologie“ einbrachte. Alle beim Bau der Kathedrale verwendeten Materialien finden sich bei der im Inneren der Kirche stehenden Büste Montferrands wieder, die geschaffen wurden.
Die Kathedrale wurde von Karl Brüllow (1799–1852), Fjodor Antonowitsch Bruni, Peter Bassin, Johann Konrad Dorner, Wassili Schebujew und Nikolaj Alexejew ausgemalt. Die 39 Gemälde der Attika stellen Szenen aus der Bibel dar, von der Erschaffung der Welt bis zur Kreuzigung Christi. Die 22 halbrunden Lünettenbilder zeigen Taten russischer Heiliger. Die Hauptkuppel schmückt das Gemälde „Gottesmutter in Ruhm“ von Karl Brüllow. Es zeigt die Gottesmutter Maria, umgeben von Heiligen, Aposteln und Evangelisten.

Die dramatische Art, wie der Zar Anfang 1725 stirbt, passt zu seinem turbulenten Herrscherleben: Auf einer Inspektionstour nahe der Newa-Mündung entdeckt Peter ein Boot, das der Sturm auf eine Sandbank geworfen hat. Einige Soldaten, die nicht schwimmen können, kämpfen in der rauen See um ihr Überleben, andere versuchen, den gekenterten Kahn wieder flottzumachen. Peter lässt sich zur Sandbank rudern, ungeduldig springt er schon vor der Sandbank über den Bootsrand, um schneller helfen zu können.
Das eiskalte Wasser bekommt ihm schlecht: In der Nacht quälen ihn Fieber und Schüttelfrost, sein notorisches Blasen- und Nierenleiden meldet sich heftig zurück. Scheinbar erholt er sich wieder und erlaubt sich noch auf einem nachweihnachtlichen Fest exzessiven Alkoholgenuss. In der Nacht zum 8. Februar ruft er nach seiner Tochter Anna, der späteren Herzogin von Holstein-Gottorf. Als sie kommt, ist er schon bewusstlos, er stirbt gegen sechs Uhr morgens.
Das Thronfolgesetz von 1722 stellte im ausdrücklichen Hinweis auf den unbegrenzten Willen des Selbstherrschers diesem anheim, wen er zu seinem Nachfolger bestimmen werde. Auf dem Totenbett hat Peter der Große nicht mehr die Kraft besessen, einen Nachfolger zu benennen. Dies war verhängnisvoll im autokratischen Russland – die Entscheidung über den Thron ging in die Hände unkontrollierbarer Wirren über, die Russland noch lange Zeit beschäftigen sollten.
Die Einschätzung des Reformwerks Peters I. ist nicht einheitlich, brachte er doch bei seinen Modernisierungsversuchen die Kräfte der Unterschichten an den Rand der Erschöpfung. Seine lange Zeit hervorgehobene Pionierrolle bei der Modernisierung Russlands wurde relativiert: Viele seiner Reformen wurzelten in den Vorstößen seiner Vorgänger des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Peters I. Nachfolger setzten die von ihm intensivierte Modernisierung Russlands grundsätzlich fort, wenn auch viele seiner Reformen zunächst rückgängig gemacht wurden. Die Kraft der petrinischen Umgestaltungen war aber so groß, dass der Prozess der Modernisierung in Russland selbst unter den späteren, schwachen Kaisern unumkehrbar wurde. Vor allem Kaiserin Katharina II., gebürtige deutsche Prinzessin Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst, knüpfte an die petrinischen Reformen an und setzte zugleich die ambivalenten Tendenzen von Peters Reformwerk, als aufgeklärte Herrscherin unter Anwendung autokratischer Machtmethoden, fort.
Viele Neuerungen Peters verletzten jedoch das konservative Russland, das noch nicht für seine Reformen empfänglich war. Der Aufstand der Strelizen war nicht der einzige in Peters Regierungszeit, alle waren sie freilich für seine Macht ungefährlich. So groß war doch wieder die ererbte Verehrung für den Namen des Zaren, dass sie sich kreuzte mit dem Abscheu selbst vor dem Antichrist und ihn lähmte, so hart und zupackend war Zar Peter überall da, wo er Gefahr für seine Macht und seine Erneuerungspläne witterte. Seine heute noch in Pracht erstrahlende Leistung war die neue Hauptstadt des Reiches, Petersburg. An der Mündung der Newa in die Ostsee war die an der äußersten Grenze des russischen Reiches gelegene Stadt entstanden, um einen verbindenden Weg nach Westen zu schaffen und um die Hoheit über das Meer zu gewährleisten.
Das ursprüngliche Gebiet war Sumpf, so dass Tausende von Pfählen eingerammt werden mussten, was zehntausenden von Arbeitern das Leben kostete. Der Adel und die Behörden mussten auf Geheiß Peters von Moskau nach Petersburg umsiedeln, was den meisten gar nicht schmeckte. Entblößt der hohen Reichsämter, stand nun die alte Hauptstadt Moskau inmitten des russischen Reiches, ein Sinnbild der Schicksalswende, die der Zar heraufbeschworen hatte. Durch den Sieg bei Poltawa 1709 gegen die Schweden wurde Russland zur europäischen Großmacht. Für die Ukrainer selbst war es eine schlimme Neuigkeit. Peter hatte schon vorher die Selbständigkeit der Donkosaken aufgehoben, jetzt wurden auch noch die Freiheitsrechte der Ukraine beschnitten. Dieser Vorgang wurde von Katherina II. weiter fortgesetzt. Als Einheitsstaat dehnte sich das russische Reich vom Eismeer bis an die türkische Grenze aus. 1721 wurde nach 20jähirger Dauer der Nordische Krieg mit dem Friedensvertrag von Nystad beendet. Die Gebiete Karelien, Ingermanland, Livland und Estland musste Schweden an das russische Reich abtreten. Der Weg zum Meer war für Peter den Großen damit endgültig gewonnen.
Es war eine nicht unberechtigte Ehrung, wenn der russische Senat dem Zaren auf seinen Antrag hin den Beinamen den Großen verlieh und ihn zum ersten Male als Kaiser von Russland begrüßte. Neben die alte ehrwürdige Kaiserwürde, die von den Deutschen in Verwahrung genommen worden war, trat jetzt die neue der Russen. Wie die alte in sich den Anspruch auf die politische Vormachtstellung im mittleren und westlichen Europa begründete, so enthielt die neue von Beginn an den Willen, Ausdruck des Vorkämpfertums für alles zu sein, was slawisch und rechtgläubig war.
Was die Regierungszeit Peters im Nachhinein verdunkelt, war die Grausamkeit des Mordes an seinem Sohn Alexej, was auch mit der Angst Peters um den Fortbestand seiner Reformen nicht entschuldigt werden kann.
Seinen Sohn scheint es auch aus dem Grund nicht geliebt oder wenigstens respektiert zu haben, da er auch Alexejs Mutter Jewdokija nicht geliebt hatte. Dazu war Alexej ein ganz anderer Typ als sein Vater, ein Gelehrter, der in den Augen seines Vaters unsoldatisch und „unmännlich“ erschien. Das Schlimmste aber für Peter war, dass sein Sohn in sich zu viel Anschauungen des alten Zarentums verkörperte, die strenge Gläubigkeit, das Abgeschlossensein gegenüber dem Westen und seinen Werten, das Ruhen des Russentums in der Überlieferung. Kein Zweifel konnte darüber sein, dass Alexej alle Neuerungen seines Vaters rückgängig machen würde, wenn er an die Regierung käme. Peter bemerkte auch, dass viele Bojaren und Geistliche in Alexej Hoffnungen setzten, dass sich die Neuerungen seines Vaters nicht grundsätzlich durchsetzen würden.
All dies führte letztlich dazu, dass Peter beschloss, sich von seinem Sohn loszusagen. In bitteren Anklageschriften wandte er sich gegen den Thronfolger. Immer wieder unterwarf sich der junge Prinz demütig seinem Vater. Schließlich forderte der Zar den Sohn auf, dem Throne zu entsagen und Mönch fernab von Petersburg zu werden. Auch diesmal wich Alexej dem Machtkampf mit seinem resoluten Vater aus, auch jetzt bejahte er allzu rasch das, was sein Vater von ihm forderte. Bald spürte Alexej, dass sein Vater den Entschluss fasste, ihn endgültig loszuwerden. Daraufhin floh er nach Neapel, doch auch dort fanden ihn die Häscher des Zaren. Ihrer Überredung, ihren Drohungen und ihren Versprechen gelang es, den flüchtigen Zarensohn zur Heimreise zu bewegen. Kaum war er zurückgekehrt, wurde er von Peter in den Kerker geworfen und dann gefoltert, wobei der junge Prinz die Namen seiner Helfershelfer der Flucht namentlich nennen musste. Diese wurden auch zugleich verhaftet und in den Kerker geworfen, bis ein Massenprozess gegen diese und Alexej begann. Der wütende Argwohn des Zaren witterte nun überall Aufstände und Verschwörungen gegen sich und sein Werk, wo sich nur Unzufriedenheit geäußert hatte. Schwer traf die Wut des Zaren auch seine Gattin. Peters Argwohn hatte sie auch mit in jenem Kreis der unzufriedenen Restauration gesehen. Die Untersuchung von diesen Anschuldigungen ergab nichts davon, aber dafür die Tatsache, dass die seit Jahren von allen Freuden der Welt getrennte Gattin in ihrer Zelle ein Verhältnis mit einem Offizier eingegangen war.
In seiner Wut ließ Peter den Offizier am Pfahl hinrichten, seine Frau wurde in Gegenwart ihres Sohnes ausgepeitscht. Dann wurde sie in Einzelhaft in den Kerker geworfen. Ihre angebliche Schuld gegenüber Peter soll darin bestanden haben, dass sie ihre unverschuldete Einsamkeit nicht mehr ertragen konnte und sich deswegen Trost bei anderen Männern suchte. In einem letzten Prozess wurde Peters Sohn zum Tode verurteilt. Jedoch bevor das Urteil vollstreckt werden konnte, starb Alexej in seiner Zelle. Die genaueren Umstände seines Todes bleiben bis heute im Dunkeln. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass der nicht widerstandfähige Alexej durch die Folgen der vorherigen Folter starb.
Diese grausame Seite Peters des Großen muss erwähnt werden; er blieb zeitlebens misstrauisch gegenüber Vertretern alter Konventionen in seiner Umgebung, die seine Modernisierung des Reiches torpedieren würden. Der Prozess gegen seinen Sohn war nicht nur eine persönliche Sache für Peter, er wollte auch möglichen anderen in seinen Augen Aufständischen zeigen, wie er mit solchen Machenschaften umgeht und ein Exempel statuieren.
Bis zum Jahre 1700 lässt sich eine Geschichte Europas schreiben, ohne dass der Staat Russland darin vorkäme. Von da an ist es nicht mehr möglich. Peter führte Russland an die Ostsee und machte das Land vor allem nach dem Sieg über die Schweden zu einer Großmacht in Europa und führender Macht an der Ostsee. Für das innere Leben in seinem Staat hat er die Tore nach dem Westen weit aufgerissen. Dabei vernachlässigte er die Wohlfahrt der Massen und die Lebensumstände in seinem Riesenreich. Die Ausweitung der Macht Russlands geschah auf dem Rücken der einfachen Leute, zehntausende von ihnen kamen beim Bau Petersburgs ums Leben. Diese Hinterlassenschaft bedeutete für die Dynastie der Romanows eine Hypothek für die nächsten Jahrzehnte.
Schon zu Lebzeiten ließ sich Peter der Große ein zeitgemäßes Schloss (Schloss Peterhof) errichten, wo er viel Zeit seines Lebens verbrachte. 1714 begannen die Planungen für das neue Schloss, an denen Peter, der sich auf einer langen Rundreise durch Europa bereits mit verschiedenen Handwerkskünsten beschäftigt hatte, aktiv mitarbeitete und für die er sich Rat von Andreas Schlüter und dessen Schüler Johann Friedrich Braunstein einholte.
Im August 1723 konnte das Schloss Peterhof eingeweiht werden. Die Bauarbeiten an dem großen, doch recht schlichten Schloss waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig abgeschlossen. Neben dem eigentlichen Palast waren die Goldene Kaskade und ein großer Teil des Unteren Parks angelegt, der 400 Meter lange Kanal zur Ostsee ausgehoben sowie die Arbeiten an den Lustschlössern Monplaisir und Marly, eine Reminiszenz an das Schloss Marly-le-Roi von Ludwig XII. weitgehend beendet. Die Vorliebe für den Prunk des französischen Absolutismus war ein entscheidendes Merkmal des neu errichteten Schlosses und ein Höhepunkt der europäischen Architekturkunst. Nach der Einweihung nutzte Peter I. den im barocken Stil dekorierten Palast als seine Sommerresidenz, während er die restlichen Jahreszeiten weitgehend im Winterpalast verbrachte. Das Schloss und die Parkanlagen wurden in der Folgezeit ständig erweitert und verschönert.
Nach dem Tod Peters I. 1725 stand der Palast einige Jahre leer. Erst 1730 ließ die Zarin Anna die Arbeiten an dem Schloss wieder aufnehmen. Unter Zarin Elisabeth wurden dem Großen Palast, der bisher nur etwa so breit wie die vorgelagerte Kaskade war, durch Bartolomeo Francesco Rastrelli die kurzen Seitenflügel angefügt, das Hauptgebäude verlängert und aufgestockt und die Pavillonbauten an den Enden des Baukörpers errichtet, wovon einer die Schlosskirche aufnahm. Diese Arbeiten dauerten von 1747 bis 1752 und verliehen dem langgestreckten, gelb getünchten Bau mit den weißen Dekorationen seine heutige Gestalt. Des Weiteren nahm noch Katharina die Große einige Verschönerungen vor. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bauten die russischen Zaren an dieser Residenz, die sie in unregelmäßigen Abständen immer wieder bewohnten und die mit prächtigen Paradezimmern, wie dem Goldenen Saal, dem Thronsaal und dem mächtigen Treppenhaus aufwarten kann, in der sich aber auch die intimeren Wohnräume der russischen Herrscherfamilie finden, wie das Schlafzimmer Peters des Großen.
Nach dem Tod Peters des Großen 1725 legte sich der Enthusiasmus der russischen Herrscher für das Fenster nach Europa. Im Jahr 1727 wurde Moskau für kurze Zeit wieder Hauptstadt. Erst Kaiserin Anna kehrte nach Sankt Petersburg zurück. Diese machte St. Petersburg erneut zur Hauptstadt, Annas stadtplanerische Entscheidungen prägen Petersburg bis in das 21. Jahrhundert. Sie verlegte zum einen das Stadtzentrum von der heute so genannten Petrograder Seite auf die Admiralitätsseite der Newa, zum anderen legte sie die wichtigsten Hauptstraßen, den Newski-Prospekt, die Gorochowaja Uliza und den Wosnessenski-Prospekt an. Trotzdem residierte sie weiterhin lieber und öfter in Moskau.
Kaiserin Elisabeth (1741–1762) und vor allem Katharina II.(1762–1796) öffneten das Reich wieder verstärkt nach Westen, indem sie Künstler und Architekten nach Sankt Petersburg holten. Durch das Einladungsmanifest Katharinas wurden unter anderem Religionsfreiheit und die Selbstverwaltung auf lokaler Ebene mit Deutsch als Sprache zugesichert. außerdem auch eine finanzielle Starthilfe. Unter diesen Künstlern war wohl italienischen Baumeister Bartolomeo Francesco Rastrelli der bedeutendste für das Zarenreich der damaligen Zeit.
In der Zeit Elisabeths entstanden die meisten der Prunkbauten, die noch immer das Stadtbild bestimmen. Sie ließ unter anderem den Winterpalast und das Smolny-Kloster bauen. Den Katharinenpalast ließ sie zu Ehren ihrer Mutter umgestalten, der Stil Francesco Rastrellis begann die Stadt zu prägen.
Der Standort des Klosters Smolny war ein ehemaliges Gelände einer Teerfabrik, gelegen an einer Newa-Biegung im Nordosten Sankt Petersburgs. Heute liegt das Kloster am Rastrelli-Platz, welcher zu Ehren des Architekten des Smolny-Klosters so benannt worden ist.
Das Kloster wurde von Zarin Elisabeth I. als Altersruhesitz geplant und von dem italienischen Baumeister Bartolomeo Francesco Rastrelli in den Jahren 1748 bis 1757 erbaut. Das Kloster ist in Form eines griechischen Kreuzes angelegt, in dessen vier Ecken einkupplige Kirchen integriert worden sind. Es wird weithin als Meisterwerk des Elisabethanischen Barocks angesehen und die für Rastrelli typischen weiß-blauen Farbtöne dominieren. Der von ihm entworfene 160m hohe Glockenturm hätte das höchste Gebäude Russlands der damaligen Zeit werden sollen. Der Ausbruch des Siebenjährigen Kriegs verhinderte jedoch den weiteren Ausbau und mit dem Tode Elisabeths im Jahre 1762 wurden Pläne für den Glockenturm und den weiteren Innenausbau auf Eis gelegt. Da die neue Zarin, Katharina II., zudem den Klassizismus bevorzugte, erhielt der vormalige Hofarchitekt Rastrelli keine weiteren Aufträge mehr.
Der weitere Innenausbau geschah erst gut 70 Jahre später unter dem Baumeister Wassili Petrowitsch Stassow im Auftrag des Zaren Nikolaus I. im Jahre 1828. Stassow lehnte sich dabei eng an Rastrellis Entwürfen an. Die Kathedrale wurde von ihm im damals vorherrschenden neoklassizistischen Stil prunkvoll ausgestaltet und enthält ein Silbertabernakel, der einem Tempel mit 24 Säulen und einem Altar in der Mitte ähnelt. Am 22. Juli 1835 wurde die Kathedrale gesegnet. In den Jahren 1873 bis 1875 entstand die Ikonostase nach Vorbild des Petersburger Barocks. Die den Heiligen Elisabeth und Maria Magdalena geweihten Seitenaltäre wurden im Jahre 1885 errichtet. Obschon die Kathedrale geweiht worden ist, war das Kloster als solches nie in Betrieb.
Heute dient der Innenraum der Kathedrale unter anderem als Konzertsaal. In den Gebäuden des Klosterkomplexes befinden sich zudem die Fakultäten der Soziologie, Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen der staatlichen Universität Sankt Petersburg.
Katharina ließ im Jahre 1764 zunächst Teile des Klosters zu einer höheren Bildungsanstalt für Mädchen umfunktionieren. Nachdem die Zahl der Schülerinnen stieg, wurde auf dem Gelände des Klosters das Smolny-Institut errichtet, um die älteren Mädchen aufzunehmen. Das Gebäude wurde 1806 bis 1808 nach streng klassizistischen Plänen des Architekten Giacomo Quarenghi errichtet. Formgebend ist ein zentraler Portikus mit acht Säulen, der vor der eigentlichen Halle mit zahlreichen weißen Säulen errichtet wurde.
Das Institut diente im 19. Jahrhundert als Bildungsanstalt für adelige Mädchen, die auf das Leben in der höheren Gesellschaft als Hofdame vorbereitet wurden und hauptsächlich Fremdsprachen und gutes Benehmen erlernten. Es war die erste Bildungseinrichtung für Frauen in Russland überhaupt und stand bis zum Jahre 1917 unter dem persönlichen Schutz der Zarin.

Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.