„Dieses Mindestlohngesetz war und ist so überflüssig wie ein Kropf“ – Im Gespräch mit Hans Michelbach

Multikonzerne wie beispielsweise Google – die Arbeitswelt verändert sich rasant. Was bedeutet dies für den Mittelstand?


Erst einmal bedeutet das einen stark verzerrten Wettbewerb. Der Mittelstand zahlt in Deutschland ordentlich seine Steuern; Konzerne wie Google dagegen schieben Gewinne und Verluste solange hin und her, bis praktisch kaum noch eine Steuerlast übrig bleibt. Das verschafft ihnen einen unfairen Vorteil. Hier ist die Politik gefragt. Der Wirtschaftsflügel hat in dieser Frage Dampf gemacht. Der Bundesfinanzminister hat das Thema auf die internationale Tagesordnung gesetzt. Wir brauchen aber noch raschere Fortschritte.


Ein zentrales Anliegen der bayerischen Politik ist die Stärkung des Mittelstandes und die Förderung des Unternehmertums, hier gibt es eine enge Verzahnung zwischen Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Universität. Also Bayern ist gut aufgestellt, wo sehen Sie aber noch Handlungsbedarf? Anders gefragt: Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen, die kleine und mittelständische Unternehmen belasten?

Mit der bayerischen Staatsregierung können wir überwiegend zufrieden sein, was Bayern betrifft. Unsere Probleme liegen mehr auf der Bundesebene. Ich nenne beispielhaft Erbschaftssteuerreform, Flexibilisierung des Renteneintrittsalters nach oben, weiterer Bürokratieabbau. Wir hätten nichts dagegen, wenn es von der Staatsregierung und der CSU in Berlin noch mehr Rückenwind gäbe.Gerade das Thema Entbürokratisierung wird auch auf dem Bayerischen Mittelstandstag Mitte September in Deggendorf eine große Rolle spielen. Wir brauchen automatische Überprüfungen und Verfallsdaten von Gesetzen und Verordnungen. Der Bundestag muss Rechtsverordnungen von den Ministerien wieder „zurückholen“ können. Das wäre eine effektive Waffe gegen Bürokratiemonster


Worin liegen die Stärken mittelständischer Unternehmen und wie kann das Rückgrat der Gesellschaft in Zukunft noch besser gestärkt werden?

Mit mehr als drei Millionen Unternehmen, die mehr als 80 Prozent der Ausbildungsplätze und zwischen 60 und 70 Prozent aller Arbeitsplätze bereitstellen, ist der Mittelstand Rückgrat und Motor der deutschen Volkswirtschaft und des Arbeitsmarktes. Seine großen Stärken sind seine Flexibilität und seine Innovationskraft. Nicht umsonst ist eine besonders erfolgreiche Exportbranche wie der Maschinenbau stark mittelständisch geprägt. Und wenn wir von den hidden champions sprechen, dann geht es sich dabei in aller Regel um mittelständische Firmen. Der Mittelstand wird seine starke Stellung aber nur halten können, wenn man ihm nicht unfaire Lasten aufbürdet oder dem Arbeitsmarkt mutwillig Fachkräfte entzieht.


Kleine und mittlere Unternehmen sind oft innovativer als Großunternehmen, woran liegt das?

Sie sind einfach beweglicher. Die Firmeninhaber sind näher an den Kunden und näher an den Mitarbeitern. Ideen werden schneller umgesetzt. In den technischen orientierten mittelständischen Firmen gehört Tüfteln ganz einfach immer noch zum Selbstverständnis. Das schafft besondere Kompetenz für individuelle Lösungen. Und solche Lösungen werden immer öfter benötigt.


Der Deutsche Mittelstand hinkt bei der Industrie 4.0 noch nach, wie kann dem Abhilfe geschaffen werden? Mehr als ein Drittel der Unternehmer haben keine Digitalstrategie!

Wir sollten unseren Mittelstand nicht schlechter machen als er ist. Ein Blick auf die Messen zeigt: Bei der Industrie 4.0 kann sich unser Mittelstand sehen lassen. Aber der Wettbewerb ist hart. Insgesamt sind die Herausforderungen beim Thema Digitalisierung so breit und so unterschiedlich wie die ganze Breite der mehr als drei Millionen mittelständischen Betriebe.


Wird die Digitalisierung letztendlich nicht mehr Job kosten als sie erschaffen kann?

Diese Furcht wird gern von jenen geschürt, die am liebsten alles beim Alten lassen wollen. Dabei zeigt doch unsere Erfahrung: Wer sich dem Fortschritt verweigert, bleibt am Ende auf der Strecke.


Was bedeutet der demographische Wandel für den Mittelstand?

Demographischer Wandel ist eine langfristige Entwicklung. Was dieser Wandel letztendlich bedeutet, hängt davon ab, wie wir uns darauf einstellen. Wenn wir uns nicht anpassen, bekommen wir Probleme bei der Gewinnung von Fachkräften, bei der Finanzierung unserer Sozialsysteme und vielem mehr. Hier sehe für die erheblichen Handlungsbedarf und Mut zur Veränderung. Demographischer Wandel bedeutet aber auch Wandel der Nachfrageprofile. Ältere Kunden haben andere Bedürfnisse als jüngere. Darauf müssen sich vor allem die Konsumgüterindustrie und der Handel einstellen.


Sie bestehen auf eine Nachbesserung der Erbschaftsreform, wie diese gerade von Bundesminister Wolfgang Schäuble vorgelegt wurde! Welche Nachteile bringt der jetzige Stand der Reform für den Mittelstand und welche Nachbesserungen sind nötig? Die Wirtschaft hat die Reform abgelehnt, weil Familienbetriebe dadurch zu sehr belastet würden. Philipp Graf Lerchenfeld bezeichnete den Gesetzesentwurf in Teilen als Rückschritt zum Referentenentwurf.


Es spricht gleich Mehreres gegen die Reformvorlage. Die Erbschaftssteuer greift ins Eigenkapital ein. Dies kann zur Gefahr für Betriebe und Arbeitsplätze werden. Es benachteiligt die inhabergeführten mittelständischen Unternehmen gegenüber den Konzernen, die eben nicht mit einer Erbschaftssteuer belastet sind. Hinzukommt, dass der Gesetzentwurf die Vermögenssteuer durch die Hintertür wieder einführt. Hier versucht die SPD massiv, ihren Sozialneid auszuleben. Ich erwarte vom Bundesfinanzminister und von der Bundeskanzlerin, dass sie die SPD auf Kurs bringen.


Thema Mindestlohn: Trotz Nachbesserungen beim Mindestlohn im Juni 2015 durch das Arbeitsministerium sind viele bayerische Hoteliers und Gastwirte mit dem erhöhten Bürokratieaufwand unzufrieden. Viele mittelständische Unternehmen sehen sich durch das „Bürokratiemonster à la Nahles“ überfordert. Sind wir mit diesem Mindestlohngesetz auf dem richtigen Weg?

Dieses Mindestlohngesetz war und ist so überflüssig wie ein Kropf. Es wird immer ein Bürokratiemonster bleiben. Da helfen auch jüngsten Minimaländerungen nicht. Und anders als die SPD behauptet, haben die Arbeitnehmer praktisch nichts davon. Ihre Gesamteinkommen liegen heute letztlich nicht höher als vorher. Man sollte die Lohnfindung dort lassen, wo sie hingehört: in den Verhandlungen der Tarifparteien.


Immer mehr Mittelständler beklagen sich über den Fachkräftemangel, die Abwanderung Auszubildender in die Großstädte bzw. zu den großen Konzernen, die mit Top-Gehältern werben. Welche Chance hat hier der Mittelstand auf lange Sicht und wie kann man die Position der mittelständischen Unternehmen stärken?

Wir sollten hier nicht in Schwarzmalerei verfallen. Natürlich wird der Wettbewerb um die Fachkräfte härter. Aber die mittelständischen Betriebe in der Fläche stehen so schlecht nicht da. Es zieht Arbeitnehmer und Auszubildende vor allem dann in die Großstädte, wenn die Politik die Fläche vernachlässigt.Die bayerische Staatsregierung fährt hier einen klugen Kurs. Sie stärkt die Fläche und damit auch den Mittelstand. Zum Beispiel durch die dualen Studienangebote, die Fachkräftebedarf und Qualifikation gut miteinander verbinden und gleichzeitig hochwertiges Know-how in die Regionen tragen.Sorge machen wir eher selbsternannte Bildungsexperten, die glauben machen wollen, möglichst alle müssten ein Abitur machen. Der Mensch beginnt aber nicht erst beim Akademiker.

Welche Rolle wird die Gesellschaft 4.0 für den Mittelstand spielen?

Der Mittelstand wird sich einer solchen Entwicklung stellen und sie ebenso erfolgreich meistern wie andere Veränderungen vorher.

Die Fragen stellte Dr. Dr. Stefan Groß

Der Text ist im Bayernkurier Heft 4 erschienen

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