Dürfen Politiker Predigten kritisieren?

Jesus am Kreuz, Foto: Stefan Groß

Die Äußerungen über das Verhältnis von Kirche und Politik von Julia Klöckner sind ein starkes Stück, vor allem für eine so profilierte und exponierte Christdemokratin.

Auslöser der Kritik Frau Klöckners war die Weihnachtspredigt Heinrich Bedford-Strohms, des Ratsvorsitzenden der EKD. In dieser hatte sich Bedford-Strohm kritisch mit Politikstil und Ideologie von US-Präsident Trump auseinandergesetzt. Anlässlich der Predigt hat die CDU-Vizevorsitzende gegenüber der „Bild“ bemängelt, „dass aus manchen Kirchenkreisen mehr zum Thema Windenergie und Grüne Gentechnik zu hören ist als über verfolgte Christen, über die Glaubensbotschaft oder gegen aktive Sterbehilfe“.

Tatsächlich ist die innere Widersprüchlichkeit der Aussage von Frau Klöckner frappierend. Frau Klöckner betonte natürlich, Kirche solle „kritische Denkanstöße geben“. Aber wohl nur, wenn das Gesagte der eigenen politischen Meinung entspricht, nicht in Deckung mit den Programmen konkurrierender Parteien zu bringen ist und auch nur in wohldosierter Form.

Laudato Si

So ist etwa die Bewahrung der Schöpfung (christlich formuliert) bzw. lokaler und globaler Ökosysteme ein Thema, das Menschen international konfessions-, weltanschauungs- und parteiübergreifend beschäftigt und auch verbindet.

Die Katholikin Klöckner hätte zum Beispiel gut daran getan, die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus zur Kenntnis zu nehmen. In dieser schreibt Franziskus: „Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten“, eines Planeten, den Franziskus in Bezugnahme auf den Heiligen Franz von Assisi „Das gemeinsame Haus“ nennt.

In „Laudato Si“ ruft der Papst zum Handeln auf u.a. gegen „Umweltverschmutzung und Klimawandel“, die Verknappung von Trinkwasser, den „Verlust der biologischen Vielfalt“, soziale Probleme oder die „weltweite soziale Ungerechtigkeit“.

Franziskus kritisiert wiederholt „die Schwäche der Reaktionen“ aus den Kreisen politisch Verantwortlicher: „Wenn die Politik nicht imstande ist, eine perverse Logik zu durchbrechen, und wenn auch sie nicht über armselige Reden hinauskommt, werden wir weitermachen, ohne die großen Probleme der Menschheit in Angriff zu nehmen. […] es reicht nicht, oberflächliche ökologische Überlegungen einzubeziehen, während man nicht die Logik infrage stellt, die der gegenwärtigen Kultur zugrunde liegt. Eine gesunde Politik müsste fähig sein, diese Herausforderung anzunehmen.“
Spannung

Zurückgeworfen auf die Politik wird wieder einmal das Spannungsverhältnis zwischen weltanschaulich-moralischer Handlungsausrichtung – Max Weber würde dieses Verlangen als „Gesinnungsethik“ kritisieren – und Verantwortungsethik, kurz zwischen Wünschbarkeit und ethisch reflektierter Machbarkeit ersichtlich.

Wobei von Frau Klöckner bereits die Formulierung eines Wunsches als Angriff auf die Macher gewertet wird – oder gar als aktives, mitunter parteipolitisches „Machen“. Unerhört daran ist das Nicht-Hören-Wollen aus politischen Gründen. Hier ist der von ihr im gleichen Interview angeführte „persönliche Kompass“ wohl defekt, den Kirche ja stärke und vermitteln solle.

Kirchenvertretern zuzuweisen, zu welchen Themen man sich aus ebenfalls politischen Gründen äußern (Sterbehilfe, Christenverfolgung) solle, oder nicht (Umweltpolitik), gehört sich für die Nummer zwei einer christdemokratischen Partei jedenfalls nicht.

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