Egal, welcher Pfad zum Kommunismus führt?

Wer Jung-Marxist war hat zwar Lebenszeit mit einer infantilen Ideologie vergeudet, doch es bleibt das Gespür für hintergründige Verschleierungen kommunistischen Denkens, denn bekanntlich waren die schärfsten Kritiker der Elche einstmals selber welche.
Meine Mutter wusste ohne Abitur: „Wenn Kommunisten das Maul aufmachen, kommen nur Lügen heraus!“ Ich war damals tief beleidigt. So klar würde ich es selbst heute nicht sagen, aber mit Heidegger müssten selbst Intellektuelle verstehen, dass Wahrheit etwas mit Unverdecktheit zu tun hat. Wer nach einem falschen Menschen- und Geschichtsbild menschengemäße Politik betreiben und Geschichte gestalten will, muss ein Zauberer sein, denn nichts hat soviel Unglück über die Menschheit gebracht wie der atheistische Glaube an eine bessere Welt. Die weltweiten Umsetzungsversuche beweisen nur eins: Massenmörder des 20. Jahrhunderts beriefen sich fast alle auf die Revolutionstheorien und ersatzreligiösen Verheißungen der Ideologie-Firma Marx & Engels.
Dem Aufklärungswahn, dem sich edle Geister zur Erziehung des Menschengeschlechts hingaben, folgten schon vom Anbeginn der Französischen Revolution furchtbarste Massaker. Gegen den realistischen Blick der den Rechtsstaat fördernden Denker wie Montesquieu, Locke, Hobbes, von Hayek oder Röpke propagieren Linke und Grüne noch immer einen Pfad, der sich bald zur Allee ausbreiten und direkt ins irdische Paradies führen soll. Das ist das Geniale am Größenwahn, sie wissen mit Marx immer, wo’s lang geht. Er glaubte, die Geschichtsgesetze erkannt und das Rätsel der Weltgeschichte gelöst zu haben.
Gegenwärtig wird Maos Schachzug erprobt, der 1956 forderte: „Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern“. Er hätte auch von vielen Pfaden sprechen können, denn bald setzte er zum „großen Sprung nach vorn“ und zur „Kulturrevolution“ an. Auf jeder Station seines Weges hinterließ Mao Hekatomben von Toten. Auch dieser Massenmörder konnte Humanes formulieren: „Probleme ideologischen Charakters oder Streitfragen, die im Volke entstehen, können nur mit der Methode der Demokratie, mit der Methode der Diskussion, Kritik, Überzeugung und Erziehung, nicht aber durch Zwangs- und Unterdrückungsmaßnahmen gelöst werden.“
Der Weg der Links-Partei führe in eine Gesellschaft, die frei von Ausbeutung und Diskriminierung ist. Welch eine Anmaßung angesichts der Megaverbrechen von Bolschewisten, Kommunisten, Sozialisten, für die sie sich ein paar Krokodilstränen abquetschen. Das bedeutet, dass diese Verbrechen erneut auf uns lauern, wenn der Verfassungsschutz weiterhin eine linke Augenkappe trägt, wenn der Rechtsstaat nur die Propaganda-Delikte der Rechtsextremisten verfolgt, während Linksextremisten im Bundestag sitzen und Steuergelder im Kampf gegen Rechts abfassen. Wie soll ich mich als Konservativer noch mit einem Staat identifizieren, der mir immer mehr aus der Tasche zieht und mir mit einer irren Steuerbürokratie viel Lebenszeit raubt? Mit einem Staat, der die Zukunft unserer Kinder plündert, um in der Gegenwart den Großzügigen zu spielen? Einem Staat, dessen Beamte Milliardensummen sinnlos in den Sand setzen, während immer mehr Menschen über immer weniger Geld und damit Freiheit verfügen? Einem Staat, der nicht mehr zwischen rechts und rechtsextrem unterscheidet, sondern alles rechts von der Mitte kriminalisiert? Einem Staat, der die Opfer der 2. deutschen Diktatur mit Brosamen abspeist, aber Profiteure des Unrechtsstaates mit Privilegien ausstattet? Die Liste ließe sich fortführen, doch verglichen mit jedem sozialistischen ist dieser „kapitalistische“ Staat verteidigungswert. Wo angstfrei jeder kritisieren darf, lassen sich zu Problemen, die es immer und überall geben wird, die besten Lösungen finden, auch wenn es lange dauert.
Linke bezeichnen die marxistische Utopie als „Vision einer gerechten Gesellschaft“. Nicht nur John Gray erkannte: „Utopien sind Wunschträume kollektiver Erlösung und Alpträume des Erwachens“. Die Linke habe mit dem Stalinismus gebrochen und sich bei den Opfern entschuldigt, meinen sie, als wäre der Stalinismus der Kern des Problems. Wir Opfer kennen nur das Ex-Politbüromitglied Günter Schabowski, der sich sowohl entschuldigt als auch seine Gefängnisstrafe angenommen hat und uns bei der Aufklärung der 2. deutschen Diktatur unterstützt. Hätte er es sich angemaßt, uns weiter regieren zu wollen, würden wir ihm kein Wort glauben, weil er dann kein Bekehrter wäre, sondern ein Wendehals wie jene, die an die Macht drängten, als wäre nichts gewesen.
„Keine Partei nimmt die Demokratie so ernst wie die Linke“, so Lötzsch. Solcher Zynismus sollte ernst genommen werden. „Natürlich“, gesteht sie ein, „ist der Begriff Kommunismus belastet. Wir sollten uns aber keine Denkverbote auferlegen lassen“, sagte sie, die noch zu DDR-Zeiten ein Auslandssemester in Holland absolvieren durfte und sich wohl nicht ganz zufällig als „Heilige Johanna der Alt-Tschekisten“ für die Wahl von Stasi-Agenten in deutsche Parlamente einsetzt. „Der Kommunismus an sich ist doch eine uralte Idee, die die Sehnsucht nach einer gerechten Gesellschaft ausdrückt. Alles, was wir im vergangenen Jahrhundert erlebt haben, hatte nichts mit Kommunismus zu tun, das war Stalinismus oder real existierender Sozialismus.“ Und so werden Nebelbomben am laufenden Band gezündet, nachdem der Test, wie weit man sich mit der eigentlichen Absicht hervorwagen kann, nicht gelungen war. „Und natürlich sind Diskussionen immer mit Begriffen verbunden“, fügt sie hinzu. Entscheidend sei, dass über die Zukunftsgestaltung in der Gesellschaft nachgedacht wird. „Und meine Botschaft ist: Wir als Linke treten für den demokratischen Sozialismus ein.“ Was geschähe, es sagte jemand: „Wir als Rechte treten für den demokrati-schen Nationalsozialismus ein“? Die sitzen, bitte schön, schon im Knast.
Das 1918 in Russland eingeführte und von den Nazis übernommene Gulag-KZ-System war faktisch die „Erziehungsanstalt“ des „neuen Menschen“ zu einer „gerechten Gesellschaftsordnung“. Lötzschs Parteigenosse Gysi, der alles nur besser machen will, gibt sich ganz überrascht, dass der „Kommunismus das Ziel der Partei sein soll. Mein Ziel ist er nicht. Ich bin demokratischer Sozialist.“ Sozialismus? Ist das nicht die Vorstufe zum Kommunismus? Sozialdemokraten wollen heute auch gern demokratische Sozialisten sein, die seit Willy Brandt die Erkenntnis Kurt Schumachers verdrängen, der noch aus eigener Erfahrung wusste, was Kommunisten immer waren: „rotlackierte Nazis“.
Im Kommunistischen Manifest heißt es: „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.“ Frau Lötzsch verschmäht es tapfer, um den heißen Brei herum zu reden: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.“
Gewaltsamer Umsturz? Nein, da beugt sie sich der Parteidisziplin, wo man sich auf die weichen Begriffe „Systemveränderung“ oder „Richtungswechsel“ einigte und weiß, was damit gemeint ist. Jetzt, wo man (noch) nicht allein herrscht, darf man sich selber widersprechen und dabei auf Marx berufen, der 1857 schrieb: „Es ist möglich, dass ich mich blamiere. Indes ist dann immer mit einiger Dialektik zu helfen. Ich habe natürlich meine Aufstellungen so gehalten, dass ich im umgekehrten Fall auch Recht habe.“
So schlau waren Pieck und Ulbricht auch, als sie ihre Kaderpartei nach der kannibalischen Einverleibung der SPD nicht KPD, sondern Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) nannten. Dazu der treffliche Kommentar des Kommunisten und KGB-Oberstleutnants Willi Rom: „Die Partei, die ist noch da. Die KPD hat unter viel schwierigeren Umständen gekämpft. Sie hat nie aufgegeben. Sie gibt vielleicht ihren Namen auf, heißt SED oder PDS, aber sie gibt nie ihr Ziel auf … Warten Sie ab. Das, was hier in der DDR passiert, ist noch lange nicht fertig … Der Weg wird lang, wenn man Fehler macht. Die SED hat Fehler gemacht. Aber das Ziel erreichen wir. Die darauf hoffen, dass der Kommunismus am Ende ist, hoffen vergebens.“ Auch die im Bundestag statt im Knast sitzende Genossin Wagenknecht vertritt diese, aber auch jene Meinung: „Die Linke ist doch die einzige Partei, die das Grundgesetz noch ernst nimmt.“ Gefängnis? Nein, Irrenhaus!
Frau Lötzsch doziert: „Egal, welcher Pfad zum Kommunismus führt, alle sind sich einig, dass es ein sehr langer und steiniger sein wird.“ Die logische Fortführung liest sich bei Marx so: „Wir sind rücksichtslos, wir verlangen keine Rücksicht von euch. Wenn die Reihe an uns kömmt, wir werden den Terrorismus nicht beschönigen.“ Das macht auch Frau Lötzsch nicht, denn offen sagt sie: „Es sind viele Bausteine, mit denen wir darum kämpfen, in der heutigen bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft über sie hinaus zu wirken, die Profitdominanz über Wirtschaft und Gesellschaft zu überwinden, die Ansätze einer neuen Gesellschaft »hineinzupressen« in die alte, bis sich beweist, dass dem demokratischen Sozialismus die Zukunft gehört.“ Und an anderer Stelle: „Ich erkläre ausdrücklich, dass für mich linke Politik insgesamt und die Politik der Partei DIE LINKE in der herausfordernden Tradition ‚Gesellschaft verändernder radikaler Realpolitik’ steht.“
Wohlstandsbürgern fällt selbst hier noch nicht der Groschen. Sie müssen wahrscheinlich den Terror einer „radikalen Realpolitik“ erst am eigenen Leib verspürt haben wie ich selber. Dann verstand ich Marx: „Prügel ist das einzige Resurrektionsmittel für den deutschen Michel.“ Nach einer Prügelorgie des uniformierten „Erziehers“ Hoffrichter im Zuchthaus Cottbus begriff ich, als ich mich blutend am Boden wälzte, den ehrlichen Satz von Marx: „Wir haben es nie verheimlicht. Unser Boden ist nicht der Rechtsboden, es ist der revolutionäre Boden.“ Marx sehnte den Tag herbei, zu „dessen Morgenrot der Widerschein brennender Städte am Himmel ist, wenn unter diesen ‚himmlischen Harmonien’ die Melodie der Marseillaise und Carmagnole mit obligatem Kanonendonner an sein Ohr hallt, und die Guillotine dazu den Takt schlägt.“
Kommunisten halten uns nur für so dumm wie wir wirklich sind. Das ist ihr gutes Recht in einem Staat, der allen und allem alles geworden ist; nur ein Rechtsstaat, der sich strikt an das Grundgesetz hält, scheint er kaum noch zu sein. Einst waren es die Roten, die gemeinsam mit den Braunen Deutschlands erste Demokratie in die Zange nahmen. Jetzt hat die verkommene Demokratie neben den linken und rechten Extremisten noch ein paar Feinde mehr: den Islamismus, die Bürokratenkrake und die Resignationspartei der Nichtwähler.

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Über Siegmar Faust 46 Artikel
Siegmar Faust, geboren 1944, studierte Kunsterziehung und Geschichte in Leipzig. Seit Ende der 1980er Jahre ist Faust Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), heute als Kuratoriums-Mitglied. Von 1987 bis 1990 war er Chefredakteur der von der IGFM herausgegebenen Zeitschrift „DDR heute“ sowie Mitherausgeber der Zeitschrift des Brüsewitz-Zentrums, „Christen drüben“. Faust war zeitweise Geschäftsführer des Menschenrechtszentrums Cottbus e. V. und arbeitete dort auch als Besucherreferent, ebenso in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Er ist aus dem Vorstand des Menschenrechtszentrums ausgetreten und gehört nur noch der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik und der Wolfgang-Hilbig-Gesellschaft an.

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