Eifersucht – unvermeidlich und unnötig

Eifersucht ist typisch für alle engen Beziehungen, gehört zur Grundsozialisation in der Familie und findet sich in jeder Gesellschaft, bei jeder Person. Besonders heftig äußert sie sich in Liebesbeziehungen, vor allem in sexuellen Angelegenheiten. Warum ist das so? Was sind die Grundcharakteristiken der Eifersucht, die es so schwer machen, sie loszuwerden? Wie kann man mit ihr leben lernen?[1] Eifersucht ist umso wahrscheinlicher, je näher, je intensiver, je exklusiver eine Beziehung ist. Die die heutige Liebesbeziehung prägende Idee der romantischen Liebe fordert genau das: Nähe, Intimität, Exklusivität und macht dadurch Eifersucht hochwahrscheinlich.
Die romantische Liebe sieht Liebe als Gefühl an: Schon Platon beschrieb Liebe als Sehnsucht nach Ganzheit, die sich romantisch in der Paarbeziehung erfüllt: Nur mit der Geliebten erscheint „Ganzheit“ erreichbar. Sie wird vor allem in der Sexualität erlebt. Die Geliebte ist in der Verliebtheit einzigartig, unaustauschbar, und diese Einzigartigkeit wird auch für die gemeinsame Beziehung, insbesondere für Sexualität, Intimität reklamiert. Soziologisch gesehen, reagiert die romantische Liebe auf eine zunehmend unpersönliche Welt, in der die einzelne in verschiedene Rollen „zerfällt“. Die Liebesbeziehung – das ist ihre heutige Funktion – bestätigt hingegen die Liebenden als „Ganzes“, als individuelle Persönlichkeit mit ihrer individuellen Sicht auf die Welt. Das erlaubt es, Selbstidentität und Selbstbewußtsein aufzubauen und aufrechtzuerhalten, in einer unpersönlichen Welt selbstbewußt zu handeln. Die gegenseitige Bestätigung der Weltsichten führt im romantischen Ideal zu einer gemeinsamen, exklusiven Paarwelt. Das Paar isoliert sich von der Umwelt, und die Liebenden entwickeln in ihrer als dauerhaft gedachten Beziehung erst ihre wahre Identität. Tendenziell alles, was die andere tut, wird zum Thema des Paares: Die Geliebte wird als „Ganzes“, komplett berücksichtigt. Negativ ausgedrückt: Beide mischen sich in alle Angelegenheiten der anderen ein.
Eine Komplettberücksichtigung ist de facto nicht möglich, und dieser Anspruch überfordert denn auch das Paar. Die jeweilige Individualität kommt immer stärker zur Geltung, die gemeinsame Welt erfährt mit der Zeit Risse, zeigt sich zumindest teilweise als Fiktion, die einzelne erfährt sich wieder als einzelne. Die Sehnsucht nach Ganzheit bricht erneut aus und richtet sich dann leicht auf andere Personen, zu denen Nähe gesucht wird – und die Folge ist Eifersucht. Sie ist eine erwartbare Konsequenz des heutigen Liebeskonzepts.
Eifersucht tritt jedoch in allen engeren Beziehungen auf, auch und oft verstärkt in Beziehungen, die nur noch durch die täglichen Machtkämpfe zusammengehalten werden. Liebe hat „an sich“ nichts mit Eifersucht zu tun und auch nicht ihr Gegenteil, der Haß. Liebe läßt sich bestimmen als positive Einstellung zur anderen (Haß als negative) und durch das Zurückstellen eigener Interessen.[2] Die gegenseitige Liebesbeziehung ist jenseits von Egoismus und Altruismus (innerhalb der Beziehung – nach außen hingegen oft rücksichtslos), man stellt gerne und freiwillig Eigenes zurück und profitiert zugleich davon, der Haß macht das Gleiche negativ, da es ihm, auch wenn es gegen die eigenen Interessen verstößt, nur um den Schaden der anderen geht.
Eifersucht wie die ihr verwandten Phänomene Neid und Rivalität sind hingegen ichzentriert, egoistisch. Bei Rivalität und Neid sind zwei Personen im Spiel: Rivalen kämpfen um ein Gut, während beim Neid die eine Person ein Gut besitzt, das die andere anstrebt. Beide Male geht es um den Wunsch nach etwas, was man nicht besitzt. Bei Eifersucht sind hingegen drei Personen im Spiel und befürchtet oder erleidet man einen Verlust an erwünschter oder als Anrecht angesehener Aufmerksamkeit oder Zuwendung von einer Person zugunsten einer Rivalin. Man ist dann auf die Geliebte oder die Rivalin oder beide eifersüchtig. Die Eifersucht sieht eigene Interessen durch Außenbeziehungen gefährdet.
Eifersucht erfüllt die Definitionskriterien einer Emotion: Sie hat eine affektive, eine Gefühlskomponente, das subjektive Gefühlserlebnis, eine kognitive Komponente, die Situationsauffassung, führt zu körperlichen Reaktionen und zu motorischem Ausdruck (Gestik, Mimik) und tendiert zu Handlungen.
Ihr subjektiver Kern ist das Gefühlserlebnis. Was für Gefühle werden erlebt? Ist für Eifersucht das Schwanken zwischen Liebe und Haß das zentrale Charakteristikum (wie etwa Baumgart annimmt)? Eifersucht kann aus Liebe entstehen und in Haß enden, aber beides ist nicht notwendig. Man muß weder die Geliebte noch die Rivalin hassen. Auch wenn man ihnen nicht gerade tolle Liebesnächte wünscht (manche Verfechter von „Polyarmorie“ sehen gerade das als wünschenswert an), so ist doch etwas Mißgunst noch kein Haß. Man ist vielmehr ärgerlich, wütend, zornig, weil die Geliebte einen zurücksetzt, nicht mehr liebt, als ersetzbar behandelt, verletzt. Aus der Zurücksetzung und Verletzung folgen Angst vor Verlust, man ist, vor allem bei eingetretenem Verlust, verzweifelt, depressiv, traurig. Eifersucht als Gefühl ist eine Mischung aus Ärger, Angst, Traurigkeit, die je unterschiedlich stark auftreten. Bei einer Bedrohung der Beziehung wird die Verlustangst überwiegen, bei eingetretenem Verlust die Traurigkeit und die Verlustangst der Angst vor dem Alleinsein weichen. Eines der Gefühle kann auch fehlen oder minimiert sein, ein anderes besonders oder auch allein hervortreten (mit negativen Folgen insbesondere der Zorn). Eifersucht kann in ganz unterschiedlichen Formen und Stärken auftreten.
Warum aber ist man überhaupt eifersüchtig? Was, genauer: welche „Erkenntnis“, welche kognitive Komponente macht die Gefühle zur Eifersucht? Engere Beziehungen sind Teil des eigenen Ich, sie formen die Ichidentität und stabilisieren das Selbstbewußtsein. Eifersucht hat heute mit Liebe zu tun, weil die romantische Liebe mit ihrer Betonung von Verschmelzung und Totalität eine enge Beziehung stiftet, die entscheidend zur Ichidentität beiträgt. Ein Eifersuchtsanlaß stellt das bisherige Ich infrage und beschädigt damit den Selbstwert, das Selbstbewußtsein. Das erfährt man nicht einfach kognitiv, man steht bei wichtigen Ereignissen nicht erkennend neben sich selbst, sondern wird beim Verstehen des Anlasses unmittelbar verletzt und emotional getroffen. Man versteht, daß die Beziehung bedroht oder verlorengegangen ist und reagiert auf dieses einschneidende Ereignis mit Ärger, Angst, Traurigkeit. Zentral für die Eifersucht ist der aus Bedrohung oder Verlust hervorgehende Selbstzweifel, der Verlust an Selbstwert und Selbstbewußtsein. Auch verletzte Eitelkeit, verletzte Ehre sind Minderungen des Selbstbewußtseins, und auch andere Eifersuchtsmotive, wie Wunsch nach Erhalt der Beziehung, nach Zuwendung, nach Erhalt der Einzigartigkeit oder des Gebrauchtwerdens hängen damit zusammen. Man erfährt sich auch im persönlichen Bereich, der einen nicht als Rolle, sondern als Person bestätigen soll, als ersetzbar.
Der Eifersüchtigen geht es um das Selbst, den Gewinn, den sie aus der Beziehung zieht und nicht verlieren will. Liebe definiert hingegen, daß man der anderen Gutes will. Eifersucht ist deshalb kein Zeichen von Liebe, sondern ein Zeichen dafür, wie stark der eigene Selbstwert oder das Selbstbewußtsein von einer Beziehung bestimmt werden und wie groß die Verlustängste sind. Das Fehlen von Eifersucht bedeutet deshalb auch nicht fehlende Liebe. Ist die Verlustangst gering, so wird auch die Eifersucht weniger stark ausfallen. So kann gerade dann, wenn das Selbstbewußtsein sich besonders über die andere aufbaut, bei Frischverliebten, deren Beziehung nicht in Frage steht, ein „Seitensprung“ keine oder nur geringe Eifersucht auslösen. Von mangelnder Liebe kann hier keine Rede sein. Eifersucht folgt nicht aus Liebe, sondern ist abhängig davon, wie stark das Selbstbewußtsein – das nach außen groß oder gering sein kann – von dem Eifersuchtsanlaß in Mitleidenschaft gezogen wird. Ein starkes Selbstbewußtsein, das sich auf eine enge Beziehung, eine starke Bindung stützt, schützt nicht unbedingt vor starker Eifersucht.
Gilt in einem Extrem Eifersucht als Zeichen von Liebe, so im anderen als Mangel an Liebe, der einem verfehlten (kapitalistischen) Besitzanspruch oder Unreife entspringt. Geringe Eifersucht kann zwar ein Zeichen geringer Besitzansprüche sein, aber genausogut ein Zeichen schwacher Bindung (und das qua definitionem: Eifersucht entgegengesetzt ist Gleichgültigkeit). Entscheidender: Eifersucht entsteht zunächst überhaupt nicht aus einem Besitzanspruch, sondern aufgrund einer falschen Erwartung: Man erwartet, daß man die Aufmerksamkeit, die man bisher erhielt, und zwar freiwillig, nicht aus einem Besitzanspruch, sondern aus Liebe erhielt, auch weiterhin erhält. Eifersucht ist eine enttäuschte Erwartung. Die Eifersüchtige erfährt dabei gerade, daß die Zuwendung der Geliebten freiwillig ist, und zwar heute nicht mehr nur die Zustimmung zum Ehevertrag, sondern die Zuwendung in jedem Moment. Das Treueversprechen der Liebe gilt heute nur im Moment des Versprechens (wo es auch ernst gemeint ist), und von der Gesellschaft wird das auch anerkannt, der Anspruch auf Treue sozial, also vor allem moralisch und rechtlich nicht mehr gestützt.
An körperlichen Reaktionen (und in Gestik und Mimik) ist je nach Stärke der Eifersucht und je nach Person vieles beobachtbar: Bauchschmerzen, Niedergedrücktheit, Wellen von Panik und Ohnmacht, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwäche, Unsicherheit. Sie sind nicht eifersuchtsspezifisch: Es könnte sich auch um Verliebtheit handeln. Entscheidend ist die Situationsauffassung, die die Eifersucht zur Eifersucht macht. Auch das Handeln der Eifersüchtigen kann unterschiedlich ausfallen: Nichtstun, Trennung, selbstbezogener Rückzug in die Depression oder Suizid, Aggressionen oder Gewalt bis zum Mord.
Die extremen Reaktionen sind vor allem eine Folge von Schuldzuweisungen an Geliebte und Rivalin. Traditionell gab die Eifersüchtige der sich abwendenden Geliebten die Schuld am Verstoß gegen den Ehevertrag. Heute hat eine systemische Sichtweise die Schuldthese abgelöst: Das Gelingen oder Scheitern einer Beziehung ist eine Sache von beiden, einseitige Schuldzuweisungen unangemessen. Die Schuldzuweisung ist der Versuch, das angeschlagene Selbstbewußtsein durch Zuschreibung der Verantwortung an die Geliebte oder Rivalin, durch Externalisierung, zu stabilisieren. Das kann insbesondere bei Gewaltanwendung nicht mehr auf großes Verständnis hoffen. Eifersucht hat nichts mehr mit Schuld zu tun. Die heutige Liebesbeziehung ist während ihrer ganzen Dauer freiwillig. Man kann heute kein Recht und keinen moralischen Anspruch auf emotionale Zuwendung einer anderen beanspruchen. Die Eifersucht kann der Geliebten zu verstehen geben, daß sie es an „normalerweise“ in einer Liebesbeziehung erwartbarer Zuwendung fehlen läßt. Aber ein Anspruch auf diese Zuwendung besteht nicht. Deshalb läßt sich auch nicht mehr von berechtigter oder unberechtigter Eifersucht sprechen. Berechtigt war eine Eifersucht, wenn ein Partner fremd ging und damit schuldig wurde, unberechtigt bei falschem Verdacht. Wenn die moralische Komponente wegfällt, kann man nur noch von verständlicher und unverständlicher (unangemessener, krankhafter) Eifersucht sprechen.
Die Eifersüchtige kümmern solche Unterscheidungen wenig: Eifersucht hat man unabhängig davon, ob man sie haben „darf“ oder nicht. Das romantische Liebeskonzept, das die Selbstwerdung in der monogamen Dauerbeziehung vorsieht, ist so tief verwurzelt – wo sonst findet man heute sein Glück –, daß sein hochwahrscheinliches Scheitern emotional nicht einfach einkalkuliert werden kann. Jede weiß natürlich „an sich“, daß Liebe erkaltet, Liebe nicht erzwungen und eine Abwendung der Geliebten immer eintreten kann – doch die Paare setzen gegen dieses bessere Wissen emotional weiterhin auf „ewige“ Treue. Emotional erfährt man das Treueversprechen als Gewißheit, als etwas, was nicht falsch sein kann und gegen das Wissen deshalb nichts nützt. Für den Fall des Scheiterns sind keine Verhaltensweisen eingelernt. Die Eifersüchtige ist ihrer Eifersucht ausgeliefert und wird mit ihr, da die Umwelt das Scheitern als normal ansieht, ohne großes Verständnis allein gelassen. Die reflektierte Eifersüchtige ist deshalb selbst über ihre Eifersucht bestürzt, leidet nicht nur an ihrer Zurücksetzung, sondern auch daran, daß sie eifersüchtig ist. Sie lernt sich, das könnte man als positiven Ertrag sehen, in ihren schwachen Seiten (Ängsten, Abhängigkeiten, Unsicherheiten) kennen.
Eifersucht war angesichts ihres Gewaltpotentials sozial nie recht erwünscht, bestätigte aber mit der Familienehre die Familie als Kern der Gesellschaft und war insofern funktional. Eifersucht thematisierte sozial unerwünschte, rechtlich oder moralisch ungerechtfertigte Außenbeziehungen. Bei dem ihr verwandten Neid ist noch heute der Übergang zu berechtigter Empörung angesichts ungerechter Besitzverhältnisse, zum Gerechtigkeitssinn, fließend. Die Empörung angesichts „ungerechtfertigter“ Außenbeziehungen wird hingegen heute bei Beziehungen von Erwachsenen nicht mehr sozial gestützt: Es gibt keine ungerechtfertigten Außenbeziehungen mehr. Der Erhalt der Familie ist für die Gesellschaft nicht mehr notwendig. Eifersucht läßt sich sozial nicht mehr rechtfertigen. Sowohl individuell (als quälendes Gefühl) als auch sozial ist sie heute unerwünscht. Sie kann heute nicht mehr positiv gesehen werden. Allerdings wird man sie angesichts ihrer emotionalen Verankerung nicht so leicht los. Reflexion hilft gegen Emotionen nur bedingt – es bräuchte die Einübung einer neuen Liebeskultur.
Was für ein Verhalten sollte an die Stelle von Eifersucht treten? Eifersucht glaubt, bestimmte Beziehungen oder ein zurücksetzendes Verhalten nicht tolerieren zu können. Ihr (kontradiktorischer) Gegensatz ist die Toleranz, Eifersucht gleichbedeutend mit Intoleranz. Toleranz ist aber nicht einfach positiv: Sie kann entarten – zur Gleichgültigkeit (dem konträren Gegensatz aller engagierten Beziehungsmöglichkeiten u.a. der Eifersucht). Mit ihr wäre die Eifersucht zwar überwunden, aber zugleich die Beziehung überflüssig geworden. Wie weit kann Toleranz heute gehen, ohne eine Beziehung aufzulösen? Anders gefragt: Was darf man in einer Beziehung erwarten? Was für ein beiderseitiges Verhalten ist die Minimalbedingung dafür, daß heute eine Beziehung – eine gute Beziehung – aufrechterhalten werden kann? Das betrifft zunächst nicht die Eifersüchtige, sondern die Geliebte.
Jede nähere Beziehung beruht auf gegenseitiger Solidarität und Achtung. Auch wer sich einer anderen Person zuwendet, sollte – moralisch gesehen – in der bisherigen Beziehung weiterhin Solidarität und Achtung (nicht Mitleid) üben. Das monogame Liebeskonzept, das von einer Geliebten zur nächsten wechselt, ist moralisch rücksichtslos, die serielle Monogamie inhuman. Die Empörung der Verlassenen erscheint deshalb auch heute noch als gerechtfertigt. Nicht die sexuelle Untreue ist das Problem, sondern das Verlassen einer Beziehung nur wegen einer neuen Verliebtheit. Eine neue Liebeskultur müßte den Exklusivitätsanspruch der romantischen Liebe aufgeben und zugleich am Treueversprechen bezüglich des Zusammenbleibens festhalten.[3] Die moderne Gesellschaft benötigt Eifersucht in keiner Form mehr, und deshalb könnte heute „an sich“ die Liebesbeziehung auch ohne Eifersucht auskommen – selbst wenn ein Rivale da ist oder eine anderweitige intime Beziehung besteht.
Unter welchen Bedingungen ist das denkbar? Eifersucht erfährt einen realen Verlust, unter dem man leidet, oder ängstigt sich vor einem Verlust. Eifersucht benötigt einen Anlaß und das durch ihn hervorgerufene Leid. Im Umkehrschluß: Wer unter einem Verlust nicht leidet oder keine Verlustängste hat, ist nicht eifersüchtig. Der zentrale, individuell steuerbare Punkt ist deshalb: Die Beziehung darf nicht in Frage stehen. Ideal gedacht: Die Liebenden schwören sich „ewige“ Treue – auch und gerade dann, wenn sich eine oder beide außerhalb der Beziehung verlieben, und sie halten gegebenenfalls mehrere Liebesbeziehungen aufrecht. Die Verlustängste müssen minimiert werden, sonst ist die Eifersucht groß.
Bei neuer Verliebtheit erfährt sich allerdings die bisherige Geliebte unvermeidlich emotional zurückgesetzt (auch wenn sich das Verhalten gegenüber ihr nicht ändert). Die Einzigartigkeit, die die romantische Liebe so sehr betont, ist verlorengegangen, und die Geliebte findet bei einer anderen etwas, was sie in der Beziehung nicht oder nicht mehr findet. Auch im sexuellen Bereich erfährt man sich als ersetzbar. Die hieraus resultierende Eifersucht läßt sich angesichts der tiefsitzenden romantischen Vorstellung von Unersetzbarkeit und ihrer Bedeutung für das Selbstbewußtsein kaum vermeiden. Da es sich dabei um ein falsche Erwartung handelt – jede ist, und sie weiß das, in vielen Hinsichten ersetzbar –, die keinen Anspruch begründet, ist heute ein Festhalten an dieser Erwartung, die „kontrafaktische“, moralische Reaktion unangemessen und stattdessen individuelles Lernen, die Änderung der Erwartung angesagt, die weitgehende Ersetzbarkeit zu akzeptieren. „Nur“ weitgehend, das könnte dieses Lernen erleichtern, ist die Ersetzbarkeit, weil jede Person und jede Beziehung auch einmalig sind, und diese Einmaligkeit nicht durch eine andere Person und Beziehung ausgelöscht werden kann.
Eifersucht entsteht durch Selbstzweifel. Die Geliebte hat deshalb alles zu vermeiden, was sie verstärkt, also insbesondere nicht dauernd von der Rivalin zu reden oder gar von ihr zu schwärmen (einige „polyamoröse“ Stimmen sehen das anders und übernehmen den gerade in Liebesdingen weit verbreiteten rücksichtslosen Aufrichtigkeitswahn). Um ein „realistisches“ Bild der Situation zu gewinnen, sollte die Eifersüchtige die Rivalin allerdings kennen oder kennenlernen.
Das Gefälle zwischen Eifersüchtiger und Geliebter bleibt zwangsläufig bestehen. Die Geliebte erfährt schlimmstenfalls bei ihren anderweitigen Beziehungen ein schlechtes Gewissen – was völlig harmlos gegenüber der quälenden Eifersucht ist. Die Eifersüchtige ist mit ihrer Eifersucht allein und muß lernen, mit ihr zu leben – das, und nicht ihre eher unrealistische vollständige Behebung ist das Ziel. Eifersuchtsanfälle gegenüber der Geliebten beschleunigen gewöhnlich die Trennung, die die Eifersüchtige „eigentlich“ nicht will. Ungebändigte, unreflektierte oder auch vor sich selbst geleugnete Eifersucht reagiert nur emotional und das hochwahrscheinlich destruktiv (so auch bei kühl-sachlichen Rachefeldzügen). Deshalb sollte Eifersucht möglichst nicht oder wenig und vor allem ohne Drohungen geäußert werden. Die Geliebte kann mit der Eifersucht nichts anfangen, will in guten Beziehungen der Eifersüchtigen nicht wehtun, und eine Mitleidsreaktion ist von der Eifersüchtigen selbst nicht gewünscht.
Alle Vorschläge zur Eifersuchtsbewältigung laufen auf eine Stärkung des Selbstbewußtseins hinaus, die dann mehr Toleranz erlaubt. Die Eifersüchtige muß sich neu definieren, eine neue Identität oder zumindest neue Teilidentität aufbauen, die unabhängiger von der Beziehung ist. Nur so, durch Stärkung des Selbstbewußtseins, läßt sich auch Eifersucht vorbeugen. Bei aller zwangsläufigen Abhängigkeit von der Geliebten sollte man sich immer seines eigenen Werts bewußt bleiben und sein Leben im Zweifelsfall auch allein führen können – gerade das erhält im übrigen am ehesten eine Beziehung (konkret ist das am einfachsten durch getrennte Wohnungen zu gewährleisten, das Zusammenleben der größte Fehler, den heutige Beziehungen begehen). In den heutigen individualistischen Zeiten aber, das sollte man immer bedenken, sind gute langjährige Beziehungen selten und sollten nicht leichtfertig, nicht wegen erwartbarer Außenbeziehungen und nicht wegen Eifersucht aufgegeben werden.


[1]Von der Literatur zur Eifersucht vgl. Robert Bringle/Bram Buunk, Eifersucht und Partnerschaft, in: M. Amelang/H. Ahrens/H. Bierhoff, Hrsg., Partnerwahl und Partnerschaft, Göttingen 1991; Andreas Bruck, Eifersucht bewältigen, Opladen 1992; Annette Schmitt, Logographie der Eifersucht: Eine inhaltsanalytische Untersuchung von Geschichten über selbsterlebte Eifersucht, Lengerich 1996. Thomas Deutschbein, Freiheit von der Eifersucht – Wege zu einer neuen Partnerschaft, novum 2010 stellt zu Recht die Monogamie in Frage, dürfte aber doch die Toleranzmöglichkeiten überschätzen und ist wie die meisten Psychologieratgeber etwas langatmig. Ganz enttäuschend hingegen Marcus Daum, Psychologie der Eifersucht – Ursachen, Formen und Wege aus der Eifersuchtsfalle, Paderborn 2006 (eine bloße Aneinanderreihung von oft überholten Theorien), und auch Hildegard Baumgart, Formen der Eifersucht – Erfahrungen und Lösungen im Beziehungsdreieck, München 2006 vergißt eine genauere Analyse der Eifersucht, ist mehr ausufernd als tief.
[2]Vgl. Sigbert Gebert, Was heißt Liebe? Tabula Rasa 104 (10/2014).
[3]Vgl. Sigbert Gebert, Mehrfachbeziehungen als Ideal – Für eine neue Liebeskultur, Tabula Rasa 85 (3/2013) und Sinn – Liebe –Tod, Kehl 2003. Deutschbein a.a.0. überbetont hingegen die „Treue zu sich selbst“ und Toleranz, was sich dann doch stark dem Pol Gleichgültigkeit nähert.

Finanzen

Über Gebert Sigbert 9 Artikel
Sigbert Gebert, Dr. phil., Dipl.-Volksw., geboren 1959, studierte Philosophie, Politik, Soziologie und Volkswirtschaft in Freiburg (Brsg.) und Basel. Lebt als Privatgelehrter in Freiburg und Zürich. Veröffentlichungen u.a. „Sinn – Liebe – Tod“ (2003), „Die Grundprobleme der ökologischen Herausforderung“ (2005), „Philosophie vor dem Nichts“ (2010).

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