Ein Freigeist in Bayern: Der Kartograph Philipp Apian

Seit Mitte November hängt über der Treppe der Bayerischen Staatsbibliothek eine etwa 50 m2 große Landkarte, die so wirkt, als wäre sie extra für den imposanten Raum geschaffen. Der Eindruck täuscht, aber – betrachtet man es genau – doch nicht ganz. Die dunkelrote-gelb-grüne Landkarte ist in der Tat eine getreue Reproduktion der „Großen Karte von Baiern“, die der junge Mathematiker Philipp Apian (1531-1589) vor exakt 450 Jahren seinem Auftraggeber, dem bayerischen Herzog Albrecht V. (1528-1579) für seine 1558 über dem Antiquarium in der Residenz errichtete „Hofbibliothek“ übergab. Dort hing sie als „Blickfang“ für Gäste und Besucher, die über Bayerns Reichtum und Schönheit ins Staunen gebracht wurden. Mit der Schatz- und Kunstkammer, der Antiken- und Münzsammlung zählte die Hofbibliothek zu den fünf Sammlungen, die der Herzog während seiner Herrschaft begründete. Sie bildete den ersten Nukleus der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek (BSB), die sich seit eigenen Jahren bemüht, die Schätze des von ihr bewahrten Kulturerbes an eine breitere Öffentlichkeit zu vermitteln. Dies auch durch wichtige Kooperationen u.a. mit hochkarätigen Münchner Institutionen wie der Hypokulturstiftung oder der Alten Pinakothek, die mit Ausstellungen wie „Pracht auf Pergament“ (2012) hervorragende Synergien schaffen konnten. Als eine der bedeutendsten Bibliotheken und Forschungsstätten internationalen Ranges hat die BSB seit 2008 ein „Drei-Pfeiler-Profil“ entwickelt: als „Schatzhaus des kulturellen Erbes“, als „multimedialer Informationsdienstleister“ und als „Innovationszentrum für digitale Informationstechnologie und -services“.
Ein „kartographisches Meisterwerk von hohem wissenschaftlichen Anspruch“ und ein „Kunstwerk“ zugleich, nannte die „Große Karte von Bayern“ Dr. Rolf Griebl, Direktor der BSB bei Eröffnung der kleinen, aber auf ihrer Art spektakulärer Ausstellung „Die Vermessung Bayerns 450 Jahre Philipp Apians Große Karte“, die es bis zum 16. Februar 2014 zu bewundern gilt. Die in neunjähriger Arbeit angefertigten Karte im Maßstab von ca. 1: 45.000 begeisterte sofort den kunstsinnigen und wissenschaftsinteressierten Herzog, der – wie ein Fürst der Renaissance – namhafte Künstler wie Orlando di Lasso und Hans Mielich an seinen Hof zog und auch ein Förderer der Buchmalerei war, was natürlich auch seinen Drang nach Repräsentation in Zeiten gewaltiger politischen Umwälzungen befriedigte. Für den 23.jährigen „gebildeten Humanisten“ mit einem Hang für Prunk und Luxus war die „Bavaria Illustrata“ seines gleichaltrigen „Mitschülers“ Philipp Apian die willkommene Ergänzung zu Aventinus „Bayernchronik“. Durch sie wurde Bayern in der Tat zum „bestvermessenen Land“ der damals bekannten Welt. Um ihre Nutzung unter dem Volk zu ermöglichen, wurden aus kunstvoll von Jost Amann gestalteten Holzschnitten 24 Tafeln auf 1:144.000 erstellt, die bis zum 19. Jahrhundert die Grundlage für alle wichtigen bayerischen Karten bildeten. Auf den berühmten Bayerischen Landtafeln, die erhalten blieben, nachdem die „Große Karte“ von „Mäusern zerfressen und verbrannt“ wurde, waren nicht nur Ortsnamen, Gewässer oder Bergwerke zu sehen, sondern auch Wappen, Gamsböcke und sogar historische Ereignisse wie die Schlacht bei Ampfing bei Mühldorf ersichtlich. Sie bleiben von herausragendem kulturhistorischen Interesse bis zu unseren Tagen, indem sie beispielweise über den Klimawandel Auskunft geben u.a. durch die Kartierungen von sieben Weinanbaugebieten an der Altmühltal oder bei Regensburg, die im Dreißigjährigen Krieg und im Zuge der „Kleinen Eiszeit“ verschwanden.
Aus dem in der Bayerischen Staatsbibliothek verwahrten Nachlass Philipp Apians werden handschriftliche Dokumente und Drucke präsentiert, die Herzog Wilhelm V. 1590 von Apians Witwe erwarb. Ergänzt wird die Schau durch Leihgaben des Bayerischen Nationalmuseums, des Deutschen Museums, des Bayerischen Staatsarchivs, des Stadtarchivs München und des Stadtmuseums in Ingolstadt. Auf eindrucksvoller Weise gewähren sie einen Einblick in die Vermessungsmethoden Apians, der, um seinen Auftrag zu erfüllen, in „schier sieben Summernzeit“ das ganze Herzogtum bereiste, auf Kirchtürme und Berge stieg und mit Jakobstab, Quadrant, Sternen und Sonnenuhr arbeitete. Eingegangen wird auch auf die Biographie Apians, der als Freigeist ein bewegtes Dasein in turbulenten Zeiten zwischen Renaissance, Humanismus und Reformation führte. Nach seiner Ablehnung des Schwurs auf das Konzil in Trient war er als Protestant gezwungen, nach Tübingen ins Exil zu gehen, wo er auch starb. Dort weigerte er sich ebenso, sich zur lutherischen Konfession zu bekennen und verlor seine Professur. Aktiv blieb er trotzdem bis zu seinem Lebensende und seinem Motto treu: „Wir alle müssen studieren und arbeiten, als hätten wir das ewige Leben, aber so leben und beten, als müssten wir noch heute sterben“. 250 Jahre lang blieb sein detailliertes kartographisches Werk maßgeblich und wurde noch 1800 vom „Kartenliebhaber“ Napoleon zur Orientierung bei seinem Einmarsch in Bayern genutzt. Qualitativ übertroffen wurde sie erst 1867 durch Fertigstellung des „Topographischen Atlas des Königreiches Bayern“. Gekrönt wird die Schau von einer digitalen 3D-Version vom berühmten Himmels- und Erdglobus Apians, der zu den wertvollsten Schätzen der Staatsbibliothek gehört. Der in Kooperation mit dem Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut realisierte interaktive und mit Gestensteuerung zu bedienende Globus mit vielfältigen Points-of-Interest, ist eine faszinierende Weltneuigkeit, die erlaubt, einzigartige Kulturobjekte in die digitale Welt zu übertragen. Als hochtechnologischer Pendant zu erleben ist die App „Bayern in historischen Karten“ mit 2.500 Sehenswürdigkeiten, wofür die Bayerische Staatsbibliothek mit dem „Public Brian Award 2013“ unter der Schirmherrschaft des Staatsministeriums der Finanzen ausgezeichnet wurde. App und 3D-Globus sind das faszinierende Resultat der geglückten „Innovationskooperation“ mit dem IT-Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung und dem Landesamt für Vermessung und Geoinformation.

Öffnungszeiten:
Mo-Fr 10 bis 18 Uhr – Sa/So 13 bis 17 Uhr
Geschlossen vom 24.12.2013. bis zum 1.1.2014 u. am 6.1.2014
Führungen auch für Schulklassen unter der Nummer: 089-28638-2115 oder unter buchung@mpz.bayern.de

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Über Anna Zanco-Prestel 178 Artikel
Dr. Anna Zanco-Prestel, hat Literaturwissenschaften (Deutsch, Französisch und Italienisch) und Kunstgeschichte in Venedig, Heidelberg und München studiert. Publizistin und Herausgeberin mit Schwerpunkt Exilforschung. U.d. Publikationen: Erika Mann, Briefe und Antworten 1922 – 69 (Ellermann/DTV/Mondadori). Seit 1990 auch als Kulturkoordinatorin tätig und ab 2000 Vorsitzende des von ihr in München gegründeten Kulturvereins Pro Arte e.V.

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