Gleiche Rechte auch für Christen – Über eine neue Intoleranz in Europa

Vor einiger Zeit schrieb ein deutscher Journalist: In Europa gibt es drei Gruppen, gegen die Vorurteile gesellschaftlich akzeptiert werden: Raucher, Jäger – und Katholiken. Johannes Paul II schreibt bereits 1983 „Neben herkömmlichen Arten der Verfolgung, darf man heute eine verfeinerte Art nicht übersehen, nämlich eine gesellschaftliche Diskriminierung oder eine Beschneidung von Freiheitsrechten, die bis hin zu einem zivilen Tod führen können.“ Am 24. April 2009 stellt die UNO Durban Review Konferenz in Genf fest, dass das Phänomen „Christianophobie“ im Wachsen sei – und sich insbesondere durch negative Stereotypisierung und durch Stigmatisierung zeige. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beschließt am 4. März 2009 in einer Fachtagung zum Thema ‚Intoleranz gegen und Diskriminierung von Christen’: Auch in den westeuropäischen Staaten müsse etwas gegen Diskriminierung von Christen unternommen werden und sie fordert die zuständigen Institutionen auf, das Problem genau zu beobachten.

Christenverfolgung in Europa? Klingt das nicht eigenartig? Wir denken an unsere Brüder und Schwester in einigen arabischen oder asiatischen Ländern. Sie fürchten um Leib und Leben, um ihre Häuser und Gemeinschaften. Ein Messbesuch am Sonntag in feiner Kleidung ist dort undenkbar. Wir dürfen stolz sein auf unsere Geschwister und von ihrem Mut lernen. Unsere Situation ist eine andere: Nicht die Versammlungsfreiheit wird mit Gewalt bedroht, sondern die Meinungsfreiheit mit gesellschaftlicher Ausgrenzung. Nicht unsere Häuser werden niedergebrannt, sondern unsere Veranstaltungen durch politische Kampagnen und Gegendemonstrationen blockiert. Wir wollen nicht vergleichen, sondern aufzeigen, was in der angeblich so freien europäischen Gesellschaft geschieht. Erleben wir nicht oft eine Ausgrenzung von Christen aus dem öffentlichen Leben? Sind es nicht die christlichen Symbole, Kreuze, Christbäume, Krippen- und Ostermotive, die zunehmend mit Verbannung belegt werden? Werden Christen nicht häufig in den Medien negativ dargestellt – als die Dummen, die Unversöhnlichen, die Fundamentalisten? Ist nicht die Religionsfreiheit in Gefahr, wenn eine Pfarrei oder ein christlicher Verein einen Arbeitnehmer nach der eigenen Glaubensüberzeugung aussuchen möchte, und dies vor dem Gesetz gleichheitswidrig ist?
Wie steht die Gesellschaft zur Gewissensfreiheit, wenn sich ein Arzt, ein Krankenhelfer, der ethisch umstrittene Dinge nicht machen möchte, um einen höheren Posten bewirbt? Wie halten wir es mit der Redefreiheit, wenn sich ein Christ gegenüber homosexuellen Lebensweisen kritisch äußert? Christenverfolgung? Nennen wir es Intoleranz gegen und Diskriminierung von Christen.
Auf der Webseite www.christianophobia.eu dokumentieren wir konkrete Fälle der Intoleranz gegen Christen. Diese Vorkommnisse lassen sich in zwei Kategorien teilen: Einerseits die Beschneidung von Rechten und Freiheiten (also der Religions-, Meinungs-, und Gewissensfreiheit). Andererseits bemerken wir eine gesellschaftliche Ausgrenzung oder Marginalisierung. Lassen Sie mich ein paar praktische Beispiele anführen: Im April nennt das belgische Parlament in einer Entschließung die Einstellung des Papstes zu Kondomen in der HIV-Debatte ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ In derselben Debatte meint im März Harvard-HIV-Forscher Edward Green: „Wir Liberale, die über die weltweite Ausbreitung des HIV forschen, stehen vor schrecklichen berufliche Risiken, wenn wir dem Papst recht geben.“
Der britische Lehrer Kwabena Peat wurde im Januar 2009 bis dato vom Dienst suspendiert, nachdem er sich beim Direktor über eine verpflichtende Lehrer-Fortbildung zum Thema Homosexualität beschwert hatte: Dort hatte er ‚lernen’ müssen, dass das Problem bei denen läge, die Heterosexualität als Normalität ansehen würden.
Die Debatten in Deutschland um das Christival 2008 oder um den „Marburger Kongress“ im Mai sind exemplarisch für die Intoleranz gegen Christen. Wohin ist der Sinn für Demokratie, Austausch und Toleranz entschwunden? Hier geht es nicht um Sonderrechte. Es geht um gleiche Rechte auch für Christen.

Europa ist stolz auf seinen Pluralismus und seine angeblich einzigartige Toleranz gegenüber jeglicher Meinung. Dem hält der jüdische New Yorker Rechtsgelehrte Joseph Weiler entgegen: Wenn es um ein Kreuz an der Wand geht, ist nicht nur das Kreuz, sondern auch die weiße Wand eine Wertentscheidung. Wenn es also darum geht, das christliche Erbe Europas im Verfassungsvertrag zu nennen, ist seine Ausklammerung nicht der neutrale Weg – sondern eine Entscheidung dagegen. Militanter Atheismus besagt: Im privaten Bereich darf jeder seine Religion leben. Aber im öffentlichen Raum hat sie keinen Platz. Dass dies dem Wesen des Christentums und wohl jeder Religion widerspricht und damit eben gegen die Religions- und Meinungsfreiheit verstößt, scheint den selbsternannten Verteidigern der Freiheit nicht aufzufallen. Religion ist per definitionem nicht Privatsache, sondern hat immer einen weltanschaulichen Auftrag. Die Kirche ist auch nicht einem Verein gleichzustellen, in dem sich ähnlich-gesinnte brave Bürger zum Austausch treffen. Sie hat einen Heilsanspruch, der die Gesellschaft – mit ihrem öffentlichen Leben – durchzieht. Durch den einzelnen Gläubigen, der den Glauben eben nicht wie einen Hut an der Garderobe abgibt, ist ihre Heilsbotschaft in den politischen Gremien, in den Zeitungsredaktionen, in den Schulen, in den Unternehmen anwesend. Oder besser: sollte sie sein. Weiler spricht von einer doppelten Ghettoisierung der Christen in Europa. Einerseits werden sie von einem radikalen Säkularismus in ein Ghetto getrieben. Andererseits lassen sie dies auch freiwillig zu. Wie selten vernehmen wir verärgerte Stimmen der Vernunft wenn Christen diskriminiert werden! Wo ist die Selbstverständlichkeit der Glaubensüberzeugung hingekommen, die unser Denken und Wirken prägt? Der militante Atheismus möchte uns einreden, dass jemand, der aus einer Glaubensüberzeugung heraus denkt, nicht zählt, weil er sich nicht frei für seine Meinung entschieden hätte. Welche Motivationen für Überzeugungen will man denn dann gelten lassen? Selten bringt eine Überzeugung so viel Ratio mit sich wie eine im christlichen Glauben verwurzelte.
Die Antwort auf den aggressiven Atheismus ist liebevolles aber überzeugtes Engagement eines jeden einzelnen Mitglieds im blockierten Riesen unserer christlichen Gemeinschaft. Manchmal erfordert dieses Engagement Mut, manchmal auch jemanden, der seinen Kopf hinhält. Verstecken wir unsere Feigheit nicht hinter dem Wort Klugheit! Wenn alle mitmachen, kostet es niemanden den Kragen. Und wir dürfen uns auch ruhig einmal empört zeigen.

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Dr. Gudrun Kugler, geb. 1976, studierte Jura und katholische Theologie. Sie ist Partnerin bei Kairos Consulting für Non-Profit-Initiativen und Lehrbeauftragte am Internationalen Theologischen Institut für Studien zu Ehe und Familie. Von 2001 bis 2004 war sie Europavorsitzende der World Youth Alliance in Brüssel.

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