HERZ-Ausstellung der MÜNCHENER SECESSION in der STADTGALERIE in Altötting

Cor reparandum“, ein die Krankenhausatmosphäre heraufbeschwörendes Bild aus dem Schläuche heraushängen, „Infarkt“, eine farbenprächtige Komposition, die sich mit Medizin verwandten Motiven füllt, „Notausgang“, ein grün schimmerndes Schild neben einem roten Rettungsalarmknopf: so nennen sich einige der Werke, die bis zum 9. Juni 2014 den Besuchern einer außergewöhnlichen Ausstellung in Altötting präsentiert werden. Eine thematische Ausstellung, mit der sich die aus mehr als 80 Mitgliedern bestehende, 1892 gegründete Künstlergruppe Münchener Secession – die erste aller „Secessionen“! – zum vierten Malin der angesehenen, seit einem Jahr von Ulrike Kirnich geleiteten Stadtgalerie zur Schau stellt. Ein Flammendes Herz mit einer goldenen Krone von Arnold Ludwig, das der Ausstellung als Plakatmotiv dient, lässt unmissverständlich den direkt Bezug zum Ort erkennen, an dem die Ausstellung stattfindet: In den Nischen der Gnadenkapelle von Altötting – auch „Herz Bayerns“ genannt – sind nämlich traditionsgemäß die Herzen der bayerischen Monarchen in entsprechenden Herzurnen aufbewahrt, nicht zuletzt jenes von Ludwig II., das nicht nur fromme Pilger sondern auch kulturell-historisch interessierte Touristen in den Wallfahrtort hinein strömen lässt.
Nicht alle Arbeiten erwecken auf Anhieb Assoziationen zur auserkorenen Thematik, die in einer Vielfalt unterschiedlicher Medien Ausdruck findet. Die Palette reicht von Hedwig Katzenbergers quadratischem, blutrotem Bild, ein „Herz von innen“ mit beinah magischer Anziehungskraft, bis hin zu Simon Dittrichs humorvollen, auf die Altöttinger „Schwarze Marie“ anspielenden Farbstiftzeichnungen oder zu den beißenden Karikaturen von Michael von Cube. Uhlands Gedicht Frühlingsglaube „Nun, armes Herz. Sei nicht bange!“ kommentiert poesievoll ein stilisierter grüner Baum des Malers Helmut Kästl. Vorgeführt wird zudem auch der herzbewegende 18-minütige Videofilm Eine Bitte hätte ich noch! von Michael Runschke, der im Hospiz der Barmherzigen Brüder in München Menschen beim Sterben begleitet hat. Bei einigen Exponaten lässt sich der Zusammenhang zum vorgegeben Thema erst mühsam deuten oder nur erahnen, wie im Grunde bei der zeitgenössischen Kunst sonst üblich. So bei der schwebenden weiß-roten Installation aus Leucht-Sammel-Stäben und feinstem Metallgewebe von Dorothea Reese-Heim, die die Blicke der Betrachter katalysiert. „Poesie des Blutkreislaufs“ definiert sie in seiner knappen Ansprache voller Inhalte der Maler und Bildhauer Alto Hien, der mit dem Präsidenten der Münchener Secession Thomas Bindl die komplexe Schau meisterlich kuratiert und gestaltet hat.„Herz“ – formuliert er – sei für Altötting ein schwieriges Thema; beinah so aussichtslos wie„Eulen nach Athen zu tragen“, denn „es wimmele von Herzen in Altötting, von heiligen und scheinheiligen Herzen, von frommen und sündigen, von blutrünstigen und reumütigen…“Ein schwieriges und zugleich gefährliches Thema speziell für Künstler. Nicht einmal „Picasso, der vor nichts zurückschrecke, habe es jemals gewagt, ein Herz zu malen“. Das Risiko liege wohlgemerkt in der Gefahr, ins Banale abzurutschen, was die Ausstellung keineswegs tut. Das Herz – so Alto Hien weiter – als „etwas Heiliges“, als universelles „Mythos -in allen Kulturen der Welt – von den Inkas bis hin zu den Bayern“, ein Thema, das wie kein anderes „Leben und Lieben, Religion und Aberglauben, modernste Medizin und eine üppig blühende Phantasie“ in sich vereine. Übertroffen als solches vielleicht nur noch durch den Tod, wobei „selbst der Tod ein wesentlicher Aspekt des Herzens sei“. Das Herz als Topos in der Dichtung, in der Musik, in der Literatur und im Film. Das Herz als „ewiges Rätsel“, nicht entschlüsselbar, mysteriös, ein „geniales Meisterwerk der Natur“. Herz schließlich als Begleiter auf einer Reise in die Quintessenz der Dinge, auf dem Weg zum Wahren, denn – wie in der Geschichte „Der Kleine Prinz“ vom Flieger-Poet Antoine de St. Exupéry zu lesen – „man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist unsichtbar“.

Ausstellende Künstler:
Ludwig Arnold Carolina Camilla Kreusch
Hermann Bigelmayr
Albert Krottenthaler
Thomas Bindl
Philipp Mager
Michael von Cube
Joseph Michael Neustifter
Ernst Eichinger
Dorothea Reese-Heim
Doris Hadersdorfer
Michael Runschke
Doris Hahlweg
Philipp Steiner
Ilona Herreiner
Gabi Streile
Alto Hien
Jan Thomas
Helmut Kästl
Christian Wichmann
Hedwig Katzenberger
Robert Zahornicky
KingKong Kunstkabinett

Ausstellungsdauer: 4. April . 9. Juni 2014
Stadtgalerie – 84503 Altötting – Papst-Benedikt-Platz 3
Öffnungszeiten: Di-Fr14.00 – 16.00 Uhr
Do 14.00 – 18.00 Uhr
Sa, So, Feiertag: 10.30 – 12.30 u. 14.00 – 16.00 Uhr
Kunstführungen mit Alto Hien:
– Sa 26.04. um 16.00 Uhr
– Do 22.05. Um 18.00 Uhr
– Do 05.06. um 18.00 Uhr
Eintritt inkl. Führung: €4,50
www.altoetting.de .
www.muenchenersecession.de

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Über Anna Zanco-Prestel 178 Artikel
Dr. Anna Zanco-Prestel, hat Literaturwissenschaften (Deutsch, Französisch und Italienisch) und Kunstgeschichte in Venedig, Heidelberg und München studiert. Publizistin und Herausgeberin mit Schwerpunkt Exilforschung. U.d. Publikationen: Erika Mann, Briefe und Antworten 1922 – 69 (Ellermann/DTV/Mondadori). Seit 1990 auch als Kulturkoordinatorin tätig und ab 2000 Vorsitzende des von ihr in München gegründeten Kulturvereins Pro Arte e.V.

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