Interview mit Dr. Michael Kerkloh – „Wir wollen aber an vorderster Front dabei sein!“

SG: Das renommierte US-Reisemagazin „Premier Traveler“ hat den Flughafen München als „Best Airport in the World 2015“ ausgezeichnet. Dafür herzlichen Glückwunsch! Herr Dr. Michael Kerkloh, sie sprechen von einem 5-Sterne Service. Was haben wir darunter zu verstehen?

MK: Fünf Sterne stehen für exzellente Qualität. Der Flughafen München ist sicherlich ein außergewöhnlich guter Flughafen. Unser gesamtes Niveau, die Freundlichkeit der Mitarbeiter und die Effizienz der Flughafenmaschinerie zählen zu unseren besonderen Qualitäten. Hinzu kommt, dass wir auch gut aussehen. Welcher Airport kann das schon von sich sagen? Das schätzen nicht nur unsere Passagiere. Viele Menschen kommen an den Flughafen, die einfach nur den Airport genießen wollen, obwohl sie nicht fliegen. Unser Flughafen ist ein außergewöhnlicher Ort, vielleicht sogar einer der außergewöhnlichsten Orte in Bayern. Hier treffen sich Menschen aus allen Teilen der Erde und können den Duft der großen weiten Welt schnuppern. Dazu kommen die Gastronomieangebote und das Einkaufserlebnis. Wir bieten eine Bühne, die einmalig ist. Natürlich dürfen auch die Basis-Tugenden nicht fehlen: Der Flugverkehr muss pünktlich sein, die Sauberkeit des Airports ist wichtig. All das hat uns im Zusammenspiel diese fünf Sterne gebracht. In den letzten zehn Jahren haben wir acht Mal, die Auszeichnung, „Bester Flughafen in Europa“ bekommen. Der Flughafen München ist eine Visitenkarte Bayerns und Deutschlands.


SG: 2015 war ein Passagierrekordjahr. Der Münchner Flughafen 2015 hat erstmals die 40-Millionen-Marke übertroffen. Noch dynamischer war der Zuwachs bei der Luftfracht. Wie erklären Sie sich das?

MK:
Das sind unterschiedliche Welten. Wir wissen, dass der Personenluftverkehr weltweit weiter wachsen wird und dass wir in 15 Jahren, also 2030, in Deutschland ungefähr 50% mehr Flugreisende haben werden. Für München bedeutet dies 60 Millionen Passagiere jährlich. Daraus erklärt sich auch der Bedarf für die dritte Startbahn. Wir wissen, das Verkehrswachstum wird kommen, weil das Mobilitätsbedürfnis weiter steigen wird. Bei der Fracht hängt es sehr stark davon ab, wo gerade auf der Welt was passiert und wer gerade untereinander gute Wirtschaftsbeziehungen pflegt und wo der Warenaustausch sehr intensiv ist. Bayern ist das deutsche Boom-Land mit einer sehr gesunden Wirtschaftsstruktur, das kommt auch dem Flughafen mit seiner internationalen Vernetzung zugute. Wir haben bei der Fracht im vergangenen Jahr eine Zunahme von neun Prozent verzeichnet und werden auch in diesem Jahr noch einmal deutlich zulegen.


SG: Ein neues Satellitenterminal geht im April in Betrieb. Warum braucht man dieses, wenn die Lage in München, was die Dritte Start- und Landebahn betrifft, noch so unklar ist?

MK:
Weil der Luftverkehr weiter wächst. Wir haben im letzten Jahr einen Passagierrekord und ein Wachstum von über drei Prozent verbucht. In diesem Jahr dürften es sogar über fünf Prozent mehr Fluggäste werden.Beim Terminal 2 haben wir die Kapazitätsgrenze für die Passagierabfertigung aber bereits vor ein paar Jahren erreicht. Das Satellitenterminal bringt uns zusätzliche Kapazität für elf Millionen Gäste. Und es wird darüber hinaus auch unsere Qualität steigern. Heute müssen mehr als 50% der Flugzeuge auf dem Vorfeld abgefertigt werden, weil direkt am Gebäude kein Platz mehr ist. Die Passagiere müssen dafür vom Gebäude zum Flugzeug bzw. in der Gegenrichtung mit dem Bus befördert werden. Das wird in Zukunft für die allermeisten Flüge nicht mehr erforderlich sein, weil wir mit dem Satelliten 27 zusätzliche Abstellpositionen für Flugzeuge direkt am Gebäude gewinnen. Über Fluggastbrücken gelangen unsere Gäste in ein wirklich grünes Terminal, dessen Energieverbrauch gegenüber dem der bestehenden Abfertigungsgebäude um 40% reduziert werden konnte. Wir werden einen kleinen Viktualienmarkt und bavarian brands haben. Die Servicequalität wird deutlich zunehmen, der Stressfaktor der Passagiere sinken, und die Anschlüsse sind einfach viel besser erreichbar. Wenn die dritte Startbahn dann kommt, ist es gut, dass der Satellit da ist, aber dann muss man eigentlich schon über den nächsten nachdenken. Es bleibt dabei, dass wir sowohl weltweit als auch in Europa künftig eine Zunahme im Flugverkehr haben werden. Als eines der beiden großen Drehkreuze in Deutschland wird der Flughafen München an diesem Verkehrswachstum partizipieren.

SG: Thema 3. Startbahn, Sie kämpfen seit Jahren für die 3. Start- und Landebahn. Wieso ist es so wichtig und woran scheitert es Ihrer Meinung nach, was sind die größten bürokratischen Hürden, damit der Flughafen weiter auf Wachstumskurs gehen kann? Sind es die Anwohner, ist es die Bürokratie, ist es Seehofer?


MK: Das ist nicht so einfach zu sagen. Bürokratische Hürden haben wir keine mehr, da wir alle genehmigungsrechtlichen und gerichtlichen Hürden überwunden haben und es jetzt nur noch um politische Hürden geht. Wir haben alles geschafft, bis zum letzten Gerichtsverfahren. Das Geld ist vorhanden, was man normalerweise bei Infrastrukturprojekten nicht sagen kann. Der Bedarf ist da und jetzt braucht es politische Überzeugungsarbeit. Es gibt keine Lobby für große Projekte mehr. Auch diejenigen, die von großen Projekten leben, beteiligen sich nicht mehr an einem solchen Lobbying. Dass es auch Betroffenheiten gibt, wollen wir gar nicht weg reden. Hier setzen wir auf faire Kompensation- und Ausgleichsmaßnahen, denn den Betroffenen werden Nachteile zugemutet, während das gesamte Land profitiert. Vorteile bietet die dritte Bahn für zwölf Millionen Bayern; Nachteile haben einige Tausend hier vor Ort. Die Politik muss hier eine Abwägungsentscheidung treffen: Kommt die dritte Bahn nicht, wird man die negativen Folgen nicht sofort merken, sondern erst nach fünf bis zehn Jahren. Und darin liegt, denke ich, auch die Herausforderung für die Politik: Es geht darum zu erklären, dass Zukunft nicht zufällig entsteht, sondern das Ergebnis einer enormen strukturellen Anstrengung ist. Dazu gehört auch die analoge Infrastruktur. Dazu gehört aber auch, dass diese analoge Infrastruktur dann möglichst ressourcenschonend und nachhaltig entwickelt und betrieben wird. Und diesen Anspruch haben wir hier. Wenn schon eine analoge Erweiterung der nationalen Luftverkehrsinfrastruktur notwendig ist, dann sollte diese doch dort durchgeführt werden, wo möglichst wenig Menschen von den Auswirkungen betroffen sind und der Ausbau so umweltverträglich wie möglich gestaltet wird.

SG: Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hält sich bei diesem Thema sehr zurück. In einem Gespräch beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee haben Sie gegenüber Bundesverkehrsminister Dobrindt betont, dass die Dritte Start- und Landebahn die letzte sein würde, die in Deutschland gebaut würde, warum?

MK: Ganz simpel, weil woanders kein Platz mehr ist. Der Flughafen München ist deshalb so weit draußen, weil hier Platz ist. Im Vergleich zu Düsseldorf, Hamburg und Berlin sind es paradiesische Zustände. Vielleicht wird am neuen Berliner Flughafen noch eine Start- und Landebahn gebaut, daran glaube ich aber nicht. Ich bin felsenfest überzeugt: Dies ist die letzte Bahn, die Deutschland an einem signifikanten Flughafen bekommt. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir dafür werben, dass das Projekt realisiert wird, weil es für unsere langfristige Entwicklung enorme Konsequenzen hat. Als vor 30 Jahren der neue Münchner Flughafen gebaut wurde, hat man damit eine wichtige Voraussetzung für die dann folgende äußerst erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung in Bayern geschaffen. Wenn wir jetzt auf den Bau der dritten Startbahn verzichten, werden wir jedoch in 30 Jahren feststellen, dass die Bedeutung des Standortes geschrumpft ist und wir dann nicht mehr an vorderster Front dabei sind. Wir wollen aber an vorderster Front dabei sein.

Fragen: Stefan Groß

Finanzen

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Dr. Michael Kerkloh leitet den Flughafen München und ist dessen Geschäftsführer.

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