Ja zu Zucht und Ordnung

In Rom ist ein Buch erschienen. „Warum er heilig ist“ lautet der Titel. Noch liegt es nur auf Italienisch vor. Es geht um den großen Papst aus Polen. Sein Leben und seine Sendung, dargestellt von dem Priester Slawomir Oder, der für den Seligsprechungsprozess von Johannes Paul II. die gewaltige „positio“ zusammen gestellt hat. Diese „positio“ hält alle Zeugnisse fest, die Wegbegleiter, Mitarbeiter und enge Vertraute über Karol Wojtyla im Zuge des Seligsprechungsverfahrens abgelegt haben. Für den schnellen Leser hat Slawomir Oder manche kleinen Geheimnisse und bisher unbekannte Details aus dem Lebens Johannes Pauls II. nochmals in Form eines Büchleins bekannt gemacht. So auch die Tatsache, dass der polnische Papst nicht nur ein großer Mystiker, sondern auch ein asketischer Büßer war, der streng gefastet und sich gegeißelt hat. Igitt! Selbst im Vatikan war es einigen peinlich, dass diese Unappetitlichkeit nun ans Tageslicht kam. Ein einfacher Ledergürtel war es, den sich Papst Wojtyla auf den Rücken klatschen ließ.
Selbst in der Sommerfrische, in Castel Gandolfo, hatte er ihn stets dabei. Hatte die Welt nicht einen ganz anderen Papst im Sinn? War papa Wojtyla nicht der, der in seinen guten Jahren Bahnen durch das Schwimmbad zog?
In der katholischen Kirche bricht in diesen Tagen das große Fasten aus. Nicht um den Winterspeck zu verbrennen oder etwas für die Cholesterin-Werte zu tun, sondern um das Leiden Jesu Christi vor Tod und Auferstehung auch mit dem eigenen Körper zu begleiten. Fasten – oder auch die Selbstgeißelung, wie sie für viele große Heilige belegt und überliefert ist – nimmt den Körper in die Zucht. Schon wieder ein Wort, das heute nicht mehr üblich ist. Wenn Zucht und Ordnung nur das Ziel haben sollen, Menschen zu dressieren, um sie von irgendwelchen Idioten in idiotische Kriege schicken zu können, mag solche Zurückhaltung auch mehr als angebracht sein. Doch darum geht es nicht, wenn die Kirche von Zucht und Ordnung spricht. Sich vom Leiden unseres Herrn anrühren zu lassen und es im eigenen Fleisch ein wenig mitzuempfinden, ist nur ein Beleg dafür, dass der Weg der Nachfolge Christi nicht eine Sache des reinen Geistes, sondern auch des Körpers ist. Der letztlich in der Auferstehung mündet – auch der des Leibes. Doch dazu mehr im nächsten Heft, wenn es Ostern zu feiern gilt.
Jetzt ist Fastenzeit, direkt nach Karneval, wobei beides so richtig katholisch ist. Ist es nicht merkwürdig, dass die Narren aus den Straßen Roms verschwanden, als die Päpste die Macht über die Stadt an den italienischen Staat abgeben mussten? Ein abgehobenes Verhältnis zur eigenen Leiblichkeit kann man dem „homo catholicus“ bestimmt nicht nachsagen – im Feiern wie im Fasten, in der ausgelassenen Fröhlichkeit wie im Bemühen um Zucht und Ordnung. Inkarnation, Fleischwerdung, ist das zentrale Stichwort der christlichen Offenbarung. Und es ist nur eine logische Konsequenz, dass die Menschwerdung Gottes auch den Leib des Menschen erreicht. Die Erlösung der Menschheit ist im Fleische Jesu Christi geschehen, nicht
im Kopf religiöser Genies. Kein Wunder also, dass sie Spuren an den Körpern derer hinterlässt, die diesem Jesus auch noch zweitausend Jahre später nachfolgen wollen. Es ist nicht schicklich, über Askese, Zucht oder gar Geißelungen und – noch schlimmer! – Stigmatisierungen zu reden, doch die Geschichte der Kirche ist voll davon, bis in unsere Tage. Auch ohne den großen Johannes Paul II. Vielleicht wird ihn sein Nachfolger, unser jetziger Papst, noch in diesem Jahr seligsprechen. Doch längst schon ist auch Benedikt XVI. zum Zeichen dafür geworden, dass man Gott nicht dienen kann, ohne dass der auch den Körper in Anspruch nimmt. Tag für Tag absolviert der bald 83-Jährige ein Arbeitsprogramm, von dem sich der Durchschnittsbürger spätestens bei Erreichen des Rentenalters für immer verabschiedet. Audienzen, stets wechselnde Gäste, die Vorbereitung von Ansprachen, hin und wieder eine Reise. Ohne die geringste Aussicht auf den „Ruhestand“. Auch Benedikt XVI. ist ein Vorbild an Zucht und Ordnung. Man kennt den Anblick: Kerzengerade sitzt der deutsche Papst auf seinem Stuhl. Manchmal sieht er dort etwas verloren aus, denn die Sessel, die Benedikt XVI. bei Ansprachen im Vatikan oder auf Reisen erwarten, sind in der Regel leicht überdimensioniert. Ruhig und konzentriert schaut er drein, bis ihm sein Sekretär die Manuskriptblätter reicht. Alles Theatralische ist ihm fremd, wenn er dann sofort zu lesen beginnt. Fasten und das Üben der Zucht hat etwas Reines – wenn man es nicht für sich selbst, sondern für einen Anderen tut.

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Über Horst Guido 35 Artikel
Guido Horst wurde 1955 in Köln geboren. Nach dem Studiun der Geschichte und Politologie arbeitete er für die katholische Presse als Journalist. Im Jahr 1998 übernahm Horst die Leitung der katholischen Zeitung Die Tagespost mit Sitz in Würzburg; 2006 gab er den Posten des Chefredakteurs ab und ging wieder nach Rom. Er wurde abermals Rom-Korrespondent der Tagespost und Chefredakteur der zusammen mit Paul Badde konzipierten Zeitschrift "Vatican-magazin".

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