Kunstbiennale Venedig 2013:Erstmalig ein Pavillon vom Heiligen Stuhl

Als Versuch, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts bestehende Spaltung zwischen Kunst und Kirche zu überwinden, wird der Entschluss vom Heiligen Stuhl bewertet, an der Biennale von Venedig 2013 mit einem eigenen offiziellen Pavillon teilzunehmen. Seit Langem schwebte diese Idee in der Luft. „Wir brauchen Euch!“ hieß es in dem Aufruf, mit dem sich Paul VI. im fernen 1964 an die in der Sixtinischen Kapelle versammelten Künstler richtete. Im Laufe der Jahrzehnten vermehrten sich die Anzeichen einer zunehmenden Öffnung der katholischen Kirche in ihrem Umgang mit der zeitgenössischen Kunst. Einen behutsamen Anfang in einer ausgesprochen spirituellen Richtung machte z.B. 2005 die Gruppenschau „…und noch nicht… Künstler und Liturgie heute“, die im Rahmen der „Collateral Events“ der Kunstbiennale von Venedig in der Kirche von San Lio präsentiert wurde. Die Errichtung eines vatikanischen Pavillons schien schon damals in unmittelbarer Nähe zu rücken. Der neu gewählte Papst Ratzinger begünstigte – wie kein anderer vor ihm – den kühnen Vorsatz. Erst sechs Jahre später vollzog sich ein weiterer Schritt durch die Ausstellung „Lo splendore della verità, la bellezza della carità“( Glanz der Wahrheit, Schönheit der Barmherzigkeit), die am 4.Juli 2011 im Eingangsbereich der „Aula Paul VI.“ im Vatikan eröffnet wurde und zwar – quasi demonstrativ – kurz nach Beginn der 54. Kunstbiennale Venedig 2011. Offizieller Anlass war das 60. Priesterjubiläum von Papst Benedikt XVI. Vertreten namhafte Künstler unterschiedlicher Herkunft und Ausrichtung, meistens nicht-gläubige oder nicht Konfession gebundene Kunstschaffende, die – jenseits der trendigen soziologischen und tagespolitischen Themen – ihren Weg ins Spirituelle suchen. Künstler, die „auf das Absolute hinweisen, ohne es zu beschreiben“. Neben Malern und Bildhauern wie Mimmo Paladino, Arnaldo Pomodoro, auch Musiker wie Ennio Morricone sowie namhafte Architekten wie Mario Botta und Daniel Liebeskind und Santiago Calatrava. Ein Teil der Werke wurde vom „Vatikanischen Kulturrat“ im Auftrag gegeben, weitere persönlich ausgesucht. Der Turm der sich im Bau befindlichen Kathedrale von Belo Horizonte in Brasilien war z.B. das besondere Geschenk des inzwischen über 100jährig verstorbenen Baumeisters Oscar Niemeyer. Neben ihnen – auf Wunsch des Heiligen Vaters – auch einige so genannte „kirchliche Künstler“ wie der slowenische Mosaikbildner P. Marco Rupnik oder die russische Malerin Natalia Tsarkova, die auf das Russland des Mittelalters zurückblickt. Deus ex-machina der bemerkenswerten Initiative unter dem Motto „Gott suchen im Inneren der Dinge“ war Kardinal Gianfranco Ravasi. Ihm ist nun die Realisierung des venetianischen Pavillons zu verdanken, der in dem zu diesem Zweck neulich restaurierten „Waffensaal“ (dem ehemaligen Kanonenfabrik für die Galeen) im Arsenale von Jacopo Sansovino ihren kongenialen Raum gefunden hat. Der in Mailand im internationalen, intellektuellen Milieu aufgewachsene und 1966 zum Priester geweihte Ravasi ist seit 2007 Präsident des Päpstlichen Kulturrates. In dieser Funktion kam er im Juli 2011 München, wo er das neu eröffnete Brandhorst Museum besuchte, ein Künstlergespräch mit 25 Künstlern führte und eine unvergessliche Ansprache vor 200 kunstinteressierten Besuchern in der Katholischen Akademie hielt. Sein Engagement gilt nicht nur der Überwindung der Trennung zwischen Kunst und Kirche sondern insbesondere auch der Intensivierung des Dialogs zwischen Glaubenden und Nicht-Glaubenden, die er u.a. anlässlich der von ihm ins Leben gerufenen internationalen Gespräche im „Cortile dei Gentili“ (Vorhof der Völker) vorantreibt. In München war es zur offiziellen Ankündigung der bevorstehenden Errichtung eines Pavillons nicht des Vatikans als „Staat des Heiligen Stuhls als „universelle Instanz“ gekommen. Als möglicher Standort wurde u.a. ein Areal neben dem Deutschen Pavillon genannt. Auch von einem vom Schweizer Star-Architekten Mario Botta entworfenen Neubau als eine Art kleine Insel in der Lagune war die Rede gewesen. Gezeigt werden hätten Arbeiten von je zwei Künstlern aus allen fünf Kontinenten. Im Laufe der Zeit wurden der dafür eingesetzten Vatikanischen Kommission mehrere Namen international bekannter Künstler vorgeschlagen, darunter Gerhard Richter, Mona Hartoum, Doris Salcedo, Janis Kounellis oder Bill Viola, ein Favorit von Kardinal Ravasi. Zeitweilig wurde auch der Ankauf von einer der drei Versionen von Lucio Fontanas Kreuzweg in Erwägung gezogen. Die Entscheidung fiel letztendlich – gewiss auch aus Gründen wirtschaftlicher Natur – anders aus und zwar zugunsten von Studio Azzurro, Joseph Koudelka und Lawrence Carroll, drei Vetreter eines künstlerischen Diskurses, der sich der Sprache junger Menschen annähert, wie Kardinal Ravasi selbst verlauten ließ. Thematisiert werden in der Werkschau die ersten 11 Kapitel der Genesis. Der in Multimedia-Technologien spezialisierten Mailänder Gruppe Studio Azzurro fällt die Aufgabe zu, die Schöpfung in einer interaktiven Installation auf 120 qm unter dem Titel „Im Anfang (und dann)“ zu repräsentieren, während der als Fotograf des „Prager Frühlings“ in die Geschichte eingegangene Josef Koudelka in einer Art fotografischer „De-Konstruktion“ der Schöpfung“ über Widersprüche und Wirren im menschlichen Lebens reflektiert. Das Thema einer „Neu-Schöpfung“ des Menschengeschlechts rückt in den Mittelpunkt des Werkes des australischen Künstlers Lawrence Carroll, der zwischen Abstraktion, Konzeptkunst und Arte Povera arbeitet. Kuratoren des Pavillons, der sicherlich zur Attraktion der am 1. Juni beginnenden Kunstbiennale von Venedig 2013 wird, sind Antonio Paolucci, Leiter der Vatikanischen Museen und Micol Forti, Leiterin deren Abteilung zeitgenössischer Kunst. Zur Realisierung war eine Investition von € 750.000 notwendig, die gänzlich von privaten Sponsoren, darunter Banca Intesa-San Paolo und ENI, getragen wird.

Finanzen

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Dr. Anna Zanco-Prestel, hat Literaturwissenschaften (Deutsch, Französisch und Italienisch) und Kunstgeschichte in Venedig, Heidelberg und München studiert. Publizistin und Herausgeberin mit Schwerpunkt Exilforschung. U.d. Publikationen: Erika Mann, Briefe und Antworten 1922 – 69 (Ellermann/DTV/Mondadori). Seit 1990 auch als Kulturkoordinatorin tätig und ab 2000 Vorsitzende des von ihr in München gegründeten Kulturvereins Pro Arte e.V.

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