Kunstmarkt in Höchstform – Art Basel und ihre Töchter 2015

Auf dem Weg zum Basler Messeplatz lohnt ist ein Besuch des Skulpturensaales im Antikenmuseum. Daniel Silvers Umgang mit Marmor, Stein und Bronze zeigt aufstrebendes Talent. Seine Serie „Rock Formations“ gehört zum öffentlich zugänglichen Kunst Parcours in der Altstadt.
Vor den Toren der großen Messehallen angekommen, zieht das Projekt “DO WE DREAM UNDER THE SAME SKY“ viele Besucher an. Unter luftigem Bambusdach kocht Rirkrit Tiravanija mit Hilfe von Kunststudenten der Frankfurter Städelschule für alle, um ein Forum für gemeinsamen Austausch zu schaffen. Es scheint so ein bisschen, als ob dieser Sozialismus von unten als Aushängeschild gebraucht wird. Denn drinnen geht’s um einen möglichst großen Anteil von 51 Milliarden weltweitem Jahresumsatz der Branche. Wobei politischer Aktivismus kein Hinderungsgrund ist, wie Ai Weiwei wieder demonstriert. Hunderte metallisch glänzende Fahrräder sind nach seinen Anweisungen ohne Lenker, Sattel und Antrieb liegend zu einem riesigen Tor aufeinander ge-„Stacked“. In seiner Heimat verdrängen immer mehr Autos dieses traditionelle Fortbewegungsmittel und erzeugen dabei Unmengen von Smog. Julius von Bismarck bewohnt gleich nebenan sein „Egocentric system“. Eine sehr dynamisch drehende Schale von 5 Metern Durchmesser mit Schlafsack, Wasserflasche und Schreibtisch. Seine Galerie, Marlborough in Chelsea, ist nicht dafür bekannt, mit Werken von Kleinseelen zu handeln. Unbescheiden ist auch die Zahl der von Ryan McGinley nackt für sein „Yearbook“ vor bonbonfarbenem Studiohintergrund fotografierten Jugendlichen. Sie drängen neonkalt beleuchtet an und übereinander.
Strukturell neu geordnet zeigt sich die Art Basel auf der Grundebene der Messehalle 2, wo 57 Galerien neue Standorte haben. Ziel sind kürzere Wege, ja nachbarschaftliche Nähe der Besten unter den Besten, für Freunde der Kunst zwischen 1900 und 1970, damit weniger von ihnen die TEFAF in Maastricht aufsuchen. Wie gut Ernst Ludwig Kirchners „Portrait Leon Schames“ mit neuester Kunst in einem Raum harmonieren kann, zeigt vorbildlich die Galerie Thomas aus München. Solche Inspirationen machen die Art Basel zur wichtigsten Kunstmesse der Welt. Man muss nur versuchen, nicht zu tief in die großen, blauen Katzenaugen an Gagosians Stand B11 zu schauen, damit sie nicht mit Jeff Koons zugezuckert werden. Unendlich harte Selbstreflexion bringt Jeppe Heins konkave Formation „Parallel Mirrors“ aus poliertem Edelstahl, ausgestellt bei Johann König. Mary Goldman gibt Tony Craggs Skulptur „Antler“ genügend Raum. Edward Burtynskys Fotografie eines fast endlos tiefen Stufenbrunnens im indischen Rajasthan wirkt in der Koje von Greenberg wie eine optische Täuschung von M. C. Escher.
Nach 31.000 Quadratmetern, über 280 Galerie Präsentationen mit Werken von etwa 4000 Künstlern, wirbt vor dem Ausgang die Foundation Beyeler für den Besuch ihrer großen Gauguin Ausstellung. Kaum weniger bedeutend, folgt darauf Marlene Dumas. Eine Meisterin lasierender Ölmalerei. Jetzt wird auch klar, warum bei David Zwirner so viel von ihr zu sehen war.
Designenthusiasten steuern nun den Eingang Süd der Halle 1 an, wo 45 Galerien vom „Zickzack Stuhl“ eines Thomas Rietveld bis zum goldenen Manschettenknopf reinen Luxus anbieten. „Design Miami/Basel“ ist ein ausgezeichneter Marktplatz für unerwartete Stilkombinationen. R & Company stellt Spielfiguren der Thüringerin Renate Müller zu Alien Figuren der Haas Brothers aus Los Angeles. Galerie Feldt weiß die Qualitäten des Möbeldesigners Finn Juhl mit enormen Preisen zu würdigen. Patrick Seguin bietet demontierbare Stühle in bestem Erhaltungszustand von Jean Prouvé zur Auswahl.
Optimal für den ausklingenden Tag ist die Sonnenterrasse der ehemaligen Warteck Brauerei am Rheinufer. Dies wissen auch die Organisatoren der Baseler „Liste“, die nach 20 Jahren den Zusatz „junge“ Kunstmesse nicht mehr betonen. 79 Galerien zeigen junge Kunst, deren Schöpfer jetzt auch älter als 40 sein dürfen.
Auf der anderen Rheinseite ist die Architektur der alten Markthalle schon Grund genug für einen Besuch der „Volta“. ASEBÆK zeigt Fotogramme von Nicolai Howald hinter Plexiglas. Täuschend echt erscheinen Manabu Hasegawas Waffen aus Papier am Stand der Tezukayama Gallery aus Osaka.
Kunstmarktprofis müssen noch zur „Scope“. Fotointeressierte zum Start der ersten „Photo Basel“. Für die Esther Woerdehoff die Ausstellung „Drive in“ kuratiert hat.

Art Basel: bis 21. Juni 2015, 11 – 19h
https://www.artbasel.com/en/Basel/For-Visitors/Useful-Information
Liste Basel: bis 21. Juni, 13 – 19, Sonntag 13 – 18h
http://www.liste.ch/fair/info/
Scope Basel: bis 21 Juni 2015, 11 – 20h
http://scope-art.com/shows/basel-2015/about/
Volta Basel: bis 20. Juni, 10 – 19h
http://voltashow.com/VISITOR-INFO.5723.0.html
Photo Basel: bis 20. Juni, 11 – 18h
http://www.photo-basel.com/e_40_visitors.htm
Foundation Beyeler:
Paul Gauguin: bis 28. Juni 2015, 10 – 18h
Marlene Dumas: bis 6. September 2015, 10 – 18h
http://www.fondationbeyeler.ch/Informationen/Info

Über Löw Jan 27 Artikel
Jan Löw, geboren 1965 in Jena, studierte Kunstgeschichte und Medienwissenschaft in Jena und Weimar. Er war langjähriger freier Mitarbeiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. Löw arbeitet als freier Photograph in Berlin und in Thüringen.

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