Malerei in der Aufklärung

Zeitalter der Aufklärung

Immanuel Kant formulierte zur Aufklärung folgende Leitsätze:[1] „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Das Zeitalter der Aufklärung war ein Zeitabschnitt zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert, der durch bestimmte Ideen und geistige Entwicklungen geprägt war. Die Aufklärung ging zunächst von England, Frankreich, den Niederlanden und später auch von Deutschland aus und gelangte anschließend nach Nordamerika. In Deutschland wirkte die Bewegung der Aufklärung vor allem im Zeitraum zwischen 1720 und 1800.
Die Aufklärungsdiskussion ab 1650 nahm Vorstellungen des Renaissance-Humanismus und der Reformation zwischen 1480 und 1550 auf, die das Mittelalter als vergangene Epoche definierten und von der Gegenwart eine Neuausrichtung in Form einer Wiederbelebung der Antike forderten, um dem Mittelalter zu entrinnen. Der Lichtmetaphorik bezüglich des „finsteren“ Mittelalters entsprach nun kontrastierend ein „helleres“ Zeitalter.
Allgemein versteht man unter dem Begriff „Aufklärung“ das Vorhaben, durch Wissen und neue Erkenntnisse Antworten auf Fragen zu finden und Zweifel, Vorurteile oder falsche Annahmen auszuräumen. Im Zeitalter der Aufklärung wurde die menschliche Vernunft zum Maßstab eines jeden Handelns erklärt: Wie bereits erwähnt, war einer der Grundsätze der Aufklärung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen – lediglich das, was durch ihn erfasst und erklärt werden konnte, wurde als Grundlage und Maß für Entscheidungen und Handlungen anerkannt. Man spricht auch von der philosophischen Strömung desRationalismus.
Der Begriff Aufklärung fasste verschiedene geistige, soziale und kulturelle Strömungen zusammen. Die Gemeinsamkeit dieser Strömungen bestand in der Kritik am absoluten Wahrheitsanspruch der Offenbarungsreligionen und an den absoluten Monarchien.
Man war bestrebt, sich von alten Denkweisen und früheren Vorstellungen zu befreien. Die Menschen sollten – anders als früher – ihren Kopf benutzen und nichts als gegeben hinnehmen, ohne es mittels der Vernunft zu hinterfragen. Dies richtete sich vor allem gegen blinden Gehorsam gegenüber der Kirche und anderen Obrigkeiten, gegen Vorurteile und Aberglauben. In den Augen der Aufklärer war allein der Verstand in der Lage, die Wahrheit ans Licht zu bringen und Vernunft und Freiheit das richtige Mittel, um die Menschen von Unterdrückung und Armut zu erlösen.
Die weitere Verbreitung aufklärerischer Staatsideen auch jenseits ihres geschichtlichen Entstehungszusammenhangs ist für die Ausgestaltung der modernen Staatenwelt anhaltend bedeutsam geblieben. Dies zeigt sich sowohl bei der Errichtung demokratischer Systeme auf einzelstaatlicher und zwischenstaatlicher Ebene, so in der Europäischen Union und in den Vereinten Nationen, als auch zum Beispiel in der Forderung nach weltweiter Garantie der Menschenrechte.
Ein wichtiger Faktor war dabei die Bildung, denn ein Spruch, den wir heute noch kennen, war ebenfalls einer der Leitsätze der Aufklärung: „Wissen ist Macht“. Dieser Satz wurde vom englischen Philosophen Francis Bacon geprägt und bedeutet, dass es einem Menschen erst durch Bildung und Wissen ermöglicht wird, seinen Verstand zu benutzen und eine eigenständige und unabhängige Person zu werden. Bildung und Wissenschaft sollten gefördert und vor allem in allen Schichten der Bevölkerung verbreitet werden. Die Aufklärer wollten Freiheit und Gleichheit für die Menschen sowie Toleranz gegenüber anderen Religionen – eine Forderung, die in der damaligen Gesellschaft äußerst neuartig und einschneidend war.
Eine geschlossene Theorie der Aufklärung gibt es nicht. Eher wurden Theorien der Aufklärung zwischen Gruppen, die das Wort für sich beanspruchten, sich von ihm distanzierten oder einander das Recht absprachen, in der Tradition der Aufklärung zu stehen, diskutiert. Grundgedanken wie die Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen, wie sie in die Verfassung der Vereinigten Staaten einflossen, wurden von einzelnen Aufklärern wie Edmund Burke oder Moses Mendelssohn kritisch betrachtet.
An den Humanismus anknüpfend brachte in der philosophischen Auseinandersetzung zuerst der Rationalismus angeführt von Spinoza und Leibniz neue Denktheorien hervor. Das bis dahin hegemoniale System von den angeborenen Ideen von Descartes wurde vom Empirismus (Locke, Hume), die Abhängigkeit allen Wissens von der sinnlichen Erfahrung, kritisiert.[2]
Der Ruf nach Freiheit, Gleichheit und Demokratie war deshalb so bahnbrechend und gewagt, weil die damalige Herrschaftsform der Absolutismus war. Das bedeutet, dass es eine Person gab, die ohne Einschränkung und Einmischung von außen herrschte. Die Gesellschaft war in Stände gegliedert – war man einem Stand zugehörig, war es so gut wie unmöglich, Mitglied eines anderen Standes zu werden.
Die Ständegesellschaft teilte sich auf in Klerus (alle Geistlichen und Kirchenvertreter), Adel (gleichgültig, ob man höher oder niedriger gestellter Adeliger war) sowie Bürger und Bauern. Ganz oben in der Ständeordnung standen beim Klerus Bischöfe und Papst, beim Adel standen die Fürsten, der König oder der Kaiser an der Spitze. Sie herrschten über den dritten Stand, zu dem der Großteil der Bevölkerung gehörte. Diese Ständeordnung sahen die Menschen damals als eine von Gott gegebene Ordnung an. Sie galt als unumstößlich, jeder Mensch hatte seinen festen Platz.
Im 18. Jahrhundert wurde langsam Kritik an diesem System laut, in dem Bürger und Bauern kaum Rechte hatten und trotzdem eine große Last tragen mussten. Besonders die Bauern hatten es schwer, denn neben den Steuern an den Staat mussten sie auch noch Abgaben an die Grundherren leisten, deren Land sie nutzten. Die Kritik an der alten Ständeordnung kam vor allem aus dem Bürgertum, besonders von Gelehrten. Aber auch einige Adlige fanden Gefallen an den aufklärerischen Gedanken.
Zuerst trafen sich die Aufklärer nur im kleinen Kreis, aber nach und nach wurden die Ideen weiter verbreitet. Es wurden Lesegesellschaften gebildet, Philosophen begannen, an den Universitäten die Grundsätze der Aufklärung zu lehren und über die Kunst wollte man schließlich die breite Bevölkerung erreichen. Vorher war es gang und gäbe gewesen, dass Schriftsteller ihre Aufträge von Adligen oder von der Kirche erhielten, jetzt war es plötzlich anders: Wie auch heute üblich, begannen die Autoren und Dichter, für Verleger zu schreiben, die wiederum die Bücher und Schriften an andere Menschen verkauften.
Der Staatstheoretiker Montesquieu ist besonders hervorzuheben. Die Grundlage für seine Staatstheorie bildete seine 1734 erschienene Studie über Aufstieg und Fall des Römischen Reiches.[3] Anders als die christliche Geschichtsphilosophie, die den Niedergang des Römischen Reiches als das Werk göttlicher Vorsehung betrachtet hatte, wollte Montesquieu eine auf natürlichen Gesetzlichkeiten beruhende Erklärung für die geschichtlichen Abläufe finden und hatte daher nach den anthropologischen, ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Bedingungen der politischen Entwicklungen gefragt.
Diese Einsichten formte er in seinem Hauptwerk Vom Geist der Gesetze (1748) zu einer Staats- und Gesellschaftstheorie aus: Er versuchte, die bestimmenden äußerlichen und vor allem mentalen Faktoren zu finden, gemäß derer einzelne Staaten ihr jeweiliges Regierungs- und Rechtssystem entwickelt haben. Aus diesen Faktoren ergibt sich der „allgemeine Geist“ („esprit général“) einer Nation und diesem wiederum entspricht der „Geist“ ihrer Gesetze. Deren Gesamtheit ist nach Montesquieu also nicht eine quasi beliebige Summe von Gesetzen, sondern Ausdruck des natürlichen Umfeldes, der Geschichte und des „Charakters“ eines Volkes.
Montesquieu unterscheidet zwischen moderaten Regierungssystemen – das ist die Republik in unterschiedlicher Ausprägung und die konstitutionelle Monarchie – und solchen, die auf Gewaltherrschaft beruhen, wie der Absolutismus und jede andere Despotie.[4] Die drei Haupttypen von Regimen: Republik, Monarchie und Gewaltherrschaft sieht er jeweils durch eine bestimmte menschliche Grundhaltung geprägt: die Tugend, die Ehre und die Furcht.
Für die auf Ehre beruhende konstitutionelle Monarchie, aber auch für die auf Tugend basierende Staatsform, die Republik, hält er Gewaltenteilung für nötig, um die Willkür durch Einzelne oder Mannschaften zu vermeiden, sonst sind sie gefährdet despotisch zu werden.
Montesquieus politische Philosophie enthält liberale und konservative Elemente. Er stellt die moderaten Regierungssysteme nicht gleich, sondern favorisiert ausdrücklich die parlamentarische Monarchie nach englischem Muster. Das dort verwirklichte Modell einer Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative sichere am besten die Freiheit des Einzelnen vor staatlicher Willkür.
Die Kunst spielte eine sehr wichtige Rolle im Zeitalter der Aufklärung, schließlich war sie die beste Art, nicht nur Reiche und Gelehrte zu erreichen, sondern auch die Allgemeinheit.[5]
Denn mit Hilfe der Kunst konnten die neuen Ideen angenehm verpackt und so besser vermittelt werden. Die Menschen hatten nicht den Eindruck, belehrt zu werden, sondern erfreuten sich an einem Gedicht oder Theaterstück und bekamen trotzdem die Vorstellungen der Aufklärer mit auf den Weg.
Bestimmte Gattungen („Textsorten“) und Formen der Literatur fanden die Aufklärer besonders geeignet, um die Menschen zu belehren. Zum Beispiel waren Fabeln in der Aufklärung sehr beliebt, in denen Tiere auftraten, die menschliche Züge hatten und sich wie Menschen verhielten. Der berühmte Dichter Gotthold Ephraim Lessing führte außerdem etwas völlig Neues in die Welt des Theaters ein: das bürgerliche Trauerspiel. Vorher war es üblich gewesen, dass die Hauptfiguren in solchen Trauerspielen ausschließlich Adlige waren. Lessing aber setzte Bürgerliche in den Mittelpunkt seiner Theaterstücke. Auch Romane waren in der Aufklärung sehr beliebt, um den Lesern die neuen Ideen zu vermitteln. Zusätzlich zu den in Deutschland entstandenen Werken wurden auch Romane, Erzählungen und Theaterstücke aus dem Französischen und Englischen übersetzt und in Deutschland veröffentlicht.
Das Zeitalter der Aufklärer hat neben G. E. Lessing noch eine ganze Reihe von Dichtern und Denkern hervorgebracht, die wegen ihres großen Einflusses uns noch heute bekannt sind. Der Dichter Christoph Martin Wieland gilt etwa als der bedeutendste Erzähler der Aufklärung, weil er den ersten „Bildungsroman“ verfasste. Bekannte Vordenker und Philosophen der Aufklärung sind zum Beispiel der Deutsche Gottfried Wilhelm Leibniz, der Franzose Descartes, der Brite John Locke oder der Schotte David Hume.
Als bedeutendster Philosoph der Aufklärung wird der deutsche Denker Immanuel Kant angesehen, von dem auch der Leitsatz der Aufklärung, „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, stammt. Nach Kant ist Aufklärung „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ – auch dieser Satz ist berühmt geworden. Sein wichtigstes Werk heißt „Was ist Aufklärung?“ und erklärt ganz genau, worauf es bei der Aufklärung ankommt.
Zu den bedeutendsten Vertretern der französischen Aufklärung gehört außerdem der Schriftsteller und Philosoph Voltaire, dessen Werke auch übersetzt und in anderen Ländern eifrig gelesen wurden. Er verurteilte den Absolutismus scharf und kritisierte außerdem die Vormachtstellung der katholischen Kirche. Voltaire zeichnete sich dadurch aus, dass seine Schriften leicht verständlich waren und außerdem einen spöttischen Unterton hatten.
Das Zeitalter der Aufklärung stellte einen großen Einschnitt in der Geschichte dar und hatte schwerwiegende Auswirkungen.[6] So wurden die Geschehnisse und Umbrüche zur Zeit der Französischen Revolution von 1789 maßgeblich von der Aufklärung bestimmt. Zwar kann man die „große Revolution“ in Frankreich nicht allein auf die aufklärerische Bewegung zurückführen, aber die Revolutionsführer waren allesamt Anhänger der Ideen der Aufklärung – die Leitgedanken der Revolution waren „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“.
Als Folge der Revolution wurde in Frankreich der Absolutismus abgeschafft. Zu den wichtigsten Errungenschaften der Aufklärung gehört, dass die ersten demokratischen Verfassungen in Kraft gesetzt und unverzichtbare Menschenrechte niedergeschrieben wurden. Die erste dieser Verfassungen, die sich auf die Gedanken und Ideale der Aufklärung stützen, war die Unabhängigkeitserklärung der Gründungskolonien der USA im Jahr 1776, 15 Jahre später folgten die demokratischen Verfassungen von Frankreich und Polen.
Zweifelsohne stellte das Zeitalter der Aufklärung die Weichen für die „moderne Welt“. Zum Ausgang des 17. Jahrhunderts wurde das Ideal eines „vernunftgesteuerten Handelns“ aber auch zunehmend infrage gestellt – zum Teil kam die Kritik von Vertretern der Aufklärung selbst. So ging der englische Philosoph und Aufklärer Shaftesbury von einem „Sinn für das Moralische“ aus, der nicht von Vernunftstrategien, sondern von Gefühlen geleitet werde. Die einseitige „Verstandesherrschaft“ wurde von Kritikern als Abkehr von der Gefühlswelt und Fantasie angesehen.
Bemängelt wurde von vielen zeitgenössischen Denkern, Schriftstellern und Künstlern, dass das aufklärerische Menschenbild dem „ganzen Menschen“ nicht gerecht werde und ihn auf ein Verstandeswesen reduziere, das in einem maschinenähnlichen Körper wohnt. Ebenso die Fortschrittsgläubigkeit – das naive Vertrauen in die Errungenschaften der Naturwissenschaften und Technik – wurde angeprangert. Es kamen Zweifel auf, ob die Probleme und Konflikte im menschlichen Zusammenleben in einer von der Vernunft geleiteten Gesellschaftsordnung beseitigt werden könnten.
Die Pädagogik wurde von den Gedanken und Konzepten der Aufklärung komplett erneuert.[7] John Locke formulierte den Gedanken der tabula rasa, nach dem die Menschen bei Geburt wie ein leeres Blatt seien, das erst durch die Erziehung beschrieben würde. Damit formulierte er einen Grundgedanken der bürgerlichen Pädagogik, in welcher der Erziehung alles möglich erscheint – zugleich sind diejenigen, die von der Erziehung betroffen sind, ein Nichts. Diese Ideologie findet sich auch in dem Erziehungsroman Émile oder über die Erziehung von Jean-Jacques Rousseau; in Deutschland wurde sie unter anderem vom Philanthropen Christian Gotthilf Salzmann und in der Schweiz von Johann Heinrich Pestalozzi vertreten. Kindheit wurde damit erstmals in Europa als ein eigenständiger Lebensabschnitt wahrgenommen, zuvor wurden hier Kinder als „kleine Erwachsene“ betrachtet.

Kunstepoche der Aufklärung

Im gesellschaftlichen Leben rückte die höfische Kultur gegenüber der bürgerlichen immer mehr in den Hintergrund. Ein bürgerlicher Moralismus verdrängte den strahlenden Lebensgenuss des Rokoko.
In der bildenden Kunst wurden helle Farben und schwingende Linien aktuell; die Verweltlichung religiöser Darstellungen wurden Kennzeichen der neuen Epoche. Man versuchte, das Künstlerische verstandesmäßig zu erfassen. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Rokoko abgelöst durch den Klassizismus, dessen Ziel in der Nachahmung antiker Kunst bestand. [8] Johann Joachim Winckelmann galt als der geistige Begründer des Klassizismus im deutschsprachigen Raum. Für Winckelmann stellte es die höchste Aufgabe der Kunst dar, der Schönheit Ausdruck zu verleihen. Hierfür fand Winckelmann die Formel „edle Einfalt, stille Größe“, die er dem Verspielten, Überladenen und Allegorischen des Rokoko entgegensetzte. [9]
In der Malerei lösten sich die Künstler von dem häufig allegorischen Programm der Barockzeit und malten Szenen aus der griechischen und römischen Antike (Johann Asmus Carstens, Anselm Feuerbach)
Im späten 18. Jahrhundert begann eine Verwissenschaftlichung der Kunst: „Erst im Jahrhundert der Aufklärung (…) begannen Künstler und Kunstschriftsteller sich dafür einzusetzen, dass historische Kunstwerke erhalten wurden, wofür dann ausgerechnet die französischen Revolutionsmuseen vorbildhaft werden konnten.“[10]
Die der Aufklärung praktizierte Kunst wird bereits in der Renaissance und im Barock eingeleitet.[11] Die „Wiedergeburt“, die im Begriff Renaissance angesprochen wird, bezieht sich auf die erneute Anknüpfung an die klassische Antike, auf deren Menschenbild und Naturbegriff die Kunstproduktion aufbaut.[12] In der Musik und Literatur blühen profane Werke. Die Reformation forciert die Schwächung der römisch-katholischen Kirche als wichtigstem Auftraggeber der Künstler, was auf dem Konzil von Trient mit einem ausführlichen Gegenkonzept beantwortet wird. Die Notwendigkeit einer katholischen Gegenreformation legt den Grundstock für die Explosion der künstlerischen Produktion in Musik und bildender Kunst im Barock.
In der zweiten Hälfte des 18. und am Anfang des 19.Jahrhunderts, im Zeitalter der Aufklärung, begannen die gebildeten Kreise Gemälde, Skulpturen und Architektur sowie Literatur und Musik als Kunst im heutigen Wortsinn zu diskutieren. Themenverbindend wurde die Ästhetik in Abgrenzung zum Hässlichen als Kategorie zur Qualifizierung von Kunstwerken begründet. Freiheit wurde zum Ideal für Politik, Wissenschaft sowie für die sich allmählich als eigenständige Bereiche herausbildenden Gattungen Literatur und Kunst.
Der handwerkliche Aspekt künstlerischen Schaffens verlor an Bedeutung. Mit dem deutschen Idealismus stand die Idee über dem Artefakt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für diesen Prozess war die durch die beginnende industrielle Revolution beschleunigte Säkularisierung.
Die Differenzierung zwischen Literatur und Kunst war das Ergebnis der kurz zuvor begonnenen Literaturdiskussion, die sich nicht mehr mit allen geistigen Arbeiten befasste, sondern Romane, Dramen und Gedichte als Literatur in einem gewandelten Wortsinn zusammenfasste.
Im Bestreben, ein größeres Publikum anzusprechen, wurde der Terminus Kunst zunächst auf Gemälde und Skulpturen verengt, auf Gegenstände, die in den Zeitungen und Zeitschriften – den Journalen, die es seit dem frühen 18.Jahrhundert gab – vorgestellt und beurteilt wurden.[13] Es entstand ein verbreitetes Rezensionswesen. Die Begriffe Werk, Original und Genie als Ausdrucksformen der Individualität des Künstlers wurden durch Kant geprägt. Man unterschied zwischen inneren und äußeren Bildern. Innere Bilder waren zum Beispiel Sprache, Vorstellungen und die Ideen, äußere hingegen Einrichtungsgegenstände, Bauwerke oder handwerklich gefertigte Produkte.[14]
Dem Freiheitsgedanken gemäß ist der bildende Künstler nicht mehr einem Auftraggeber verpflichtet, sondern produziert unabhängig für einen neu entstehenden Kunstmarkt. Damit wandeln sich zum einen die Themen, die statt religiöser und mythologischer Motive, Porträt und Allegorie nun zum Beispiel auch Schilderungen aus der Arbeitswelt des aufkommenden Industriekapitalismus umfassen.
Zum anderen entwickeln sich individuelle Stile, die nicht zuletzt als Markenzeichen, modern gesprochen als Marketinginstrument der konkurrierenden Künstler dienen. Auch Komponisten wie Mozart verabschieden sich aus festen Anstellungen bei weltlichen oder kirchlichen Fürsten. Diese neue Freiheit ist mit entsprechenden Risiken verbunden, das romantische Bild des verarmten Künstlers, verbunden mit dem Geniebegriff sind die Folgen.[15]
Die Kunstrichtung des Rokoko hat seinen Namen nach dem Hauptmotiv seiner Ornamente erhalten, der Rocaille, dem Grotten-und Muschelwerk.[16] Unter Rocaille im eigentlichen Sinne versteht man die wie Meeresmuscheln gerieften und ausgefransten Formen, die an kantigen Kurvenlinien ansetzen. Dieses Ornament trat um 1730 an Stelle des seit etwa 1710 üblichen Laub- und Bandwerkes, das aus kurvig geführten und verflochtenen Bändern gebildet war.
Das Rokokoornament war in der deutschen Kunst noch phantasievoller, freier, oft auch willkürlicher als im Ursprungsland Frankreich. Es setzte sich hier eher und häufiger über die dort noch beibehaltende symmetrische Anordnung hinweg. Der aus der Régence entspringende Kunststil hatte mit der Krönung Louis XV (1722) in Frankreich seinen absoluten Höhepunkt erlebt. Bestimmt wurde dieser Stil durch Motive heiterer Dekorationskunst und wurde durch asymetrische, architektonische und kunstgewerbliche Schmuckformen entfaltet.[17]
In der Malerei ist allgemein die Tendenz zur Verweltlichung, zur sinnlicher Ästhetik und zur Darstellung intimer bis erotischer mit anzüglichen Formen versehenden Situationen beliebt. Weitere Themen waren landschaftliche Darstellungen, Phantasieporträts, Karnevalsdarstellungen und Genreszenen. Im sakralen Bereich neigte die Rokokomalerei jedoch eher zu Themen wie Andacht, Heiligenlegenden, also zum Bereich des Gefühls, des Einfühlens. In der Freskomalerei (Johann Baptist Zimmermann, Matthäus Günther, Daniel Gran) entfalteten sich nach dem Eindringen der illusionistischen, scheinperspektivisch gemalten Architektur ins Deckenbild eine große Fülle geistreicher Lösungen für das Problem von Bild und Rahmen.
Grundlegend war dabei etwa ab 1720 die Verwendung des, wie oben erwähnten Roceilleornamentes, welches zwischen Architektur- und Bildgegenstand changiert und das vermittelnde Element zwischen den Bereichen der gebauten und der gemalten Architektur einerseits sowie gemalter Architektur und gemalter Himmelsöffnung andererseits darstellte. Als Vorbild galt nun nicht mehr wie in der Renaissance die römische, sondern die griechische Kunst. In dieser wurde das nie wieder erreichte Ideal einer vollendeten Harmonie von Kultur und Natur gesehen.
Während in Frankreich früher fast ausschließlich die geistlichen und weltlichen Höfe als Auftraggeber fungierten, gab es zum ersten Mal auch Aufträge von reichen, der Bourgeoisie angehörigen, Personen. Es muss aber festgehalten werden, dass dies eher eine Seltenheit war, die aber im späteren Klassizismus immer deutlicher ihren Durchbruch erlebte. Weiterhin wichtig ist, dass das ganze europäische Rokoko stark durch italienischen und französischen Einfluss geprägt wurde, der besonders die Miniatur- und Pastellmalerei hervorbrachte. Die Farbskala erfuhr eine beträchtliche Aufhellung in Richtung des Pastells, das die Venizianerin Rosalba Carriera um 1720/21 in Paris einführte. Weiß wurde als gleichsam materialisiertes farbiges Licht beigemischt, wodurch sich die äußerst dekorativen, heiter festlichen Effekte ergaben.
Wichtige Länder des Rokoko waren Italien mit Venedig, Frankreich mit der schon damals wichtigsten Stadt Paris, Deutschland mit München, Österreich mit Wien, England und Spanien, wobei gesagt werden muss, dass die Wurzeln des Rokoko primär in Frankreich, sekundär in Italien entsprangen und sich dann auf die anderen Länder ausbreiteten. Frankreich nimmt die wichtigste Rolle der Stilepoche des Rokokos ein.[18]
Zu einem der wichtigsten Künstler dieser Epoche avancierte der Franzose Antoine Watteau (1684-1721).[19] Er verstand es meisterhaft den geistvollen liebenswürdigen Charme, der das hervorstechende Merkmal des französischen Rokoko darstellte, auf seinen Werken zum Ausdruck zu bringen. Er übte somit entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung dieses Stils aus. Da Watteau bereits vor Beginn der Epoche der Aufklärung verstarb, passen seine Werke nicht ins zeitliche Raster dieser Epoche. Watteau muss aber wegen seines großen Einflusses auf den entscheidenden, die Kunst in den Anfängen der Aufklärung beinflussenden französischen Rokokostils erwähnt werden.
Watteau galt als Maler der „Galanten Feste“.[20] Der französische Maler flämischer Herkunft wurde am 18. Oktober 1684 in Valenciennes geboren und kam 1702 nach Paris, wo er 1712 zur Akademie zugelassen wurde. In seinem von Krankheit und Schwermut überschatteten kurzen Leben schuf er ein erstaunlich umfangreiches Werk, das in zahllosen Nachstichen verbreitet wurde und die Rokokomalerei befruchtet hat wie kein zweites. Die leuchtende zarte Farbigkeit seiner Bilder verschwimmt zu einem kostbar schimmernden Gesamtton, in dessen duftiger Atmosphäre sich die heiter beschwingten Figuren in schwereloser Eleganz bewegen. Szenen der italienischen Komödie und der höfisch galanten Gesellschaft, meist in Parklandschaften, bilden die bevorzugten Themen.
Er hat mit seinen Schäferstücken, galanten Festen, ländlichen Vergnügungen und Schauspielerdarstellungen eine neue Gattung der Malerei begründet und durch seine Figuren, deren Kostüm er zumeist den arkadischen Schäferspielen des Theaters entlehnte, einen Einfluss auf die Modetracht seiner und der späteren Zeit ausgeübt. Schon zu seiner Zeit kamen die Coiffures à la Watteau auf, zu denen sich später ganze Kostüme à la Watteau, die Watteauhäubchen, die Negligés à la Watteau u. a. m. gesellten.
Mit großer Sicherheit und Lebendigkeit der Zeichnung verband er eine geistreiche und leichte, wenn auch bisweilen flüchtige Pinselführung und ein fein ausgebildetes Naturgefühl, das sich besonders in den landschaftlichen Hintergründen seiner Gemälde zeigt.
Der vierbändige Korpus Recueil Julliene gehört zu den bedeutendsten, berühmtesten und seltensten graphischen Werken des 18. Jahrhunderts. Er ist benannt nach Watteaus Freund und Förderer Jean de Jullienne (1686–1766), dessen Anliegen es war, mit diesem Werkverzeichnis Watteaus Kunst zu bewahren und zu dokumentieren. 621 Radierungen erschienen zwischen 1726 und 1735 als enorm kostspielige Prachtbände in 100 kompletten Sätzen. Der französische König Ludwig XV. besaß 10 Exemplare dieses Werkes. Um die Blätter einzeln verkaufen zu können, wurden später zahlreiche Sammelbände zerlegt. Die beiden ersten Bände erschienen 1726 und 1728 und enthielten Watteaus 350 zeichnerische Detailvorlagen für Gemälde auf hervorragender Papierqualität in Übergröße (Format grand jésus). Dafür beschäftigte Jullienne 13 Kupferstecher, darunter Jean Audran und François Boucher. Jullienne selbst stellte 20 Radierungen her. Die Bände 3 und 4 wurden schließlich mit 16 der besten Graveure Frankreichs ausgeführt, darunter Jacques-Philippe Le Bas, Louis Crépy, Charles Nicolas Cochin und Jean Audrans Sohn Benoit. Das Format grand aigle war noch größer, wurden doch hier die Gemälde selbst zum Gegenstand.
Von seinen übrigen Werken sind hervorzuheben: Die italienische sowie die französische Komödie und der Tanz in der Gemäldegalerie Berlin, zwei galante Feste im Freien (in der Dresdner Galerie), der junge Savoyarde und das Menuett (in der Eremitage zu St. Petersburg), die Dorfhochzeit (im Soanemuseum zu London), der Ball und die Jagdgesellschaft (im Dulwich College bei London).
Der erfolgreichste Maler des französischen Rokkoko Stils war Francois Boucher (1703-1770).[21] Er hinterließ an seinem Lebensende mehrere Hundert Werke. Unter diesen befinden sich kostbare Gobelins, Buchillustrationen und natürlich viele Gemälde. In diesen rückten sowohl aktuelle und gesellschaftliche Themen als auch galant erotische Schäferspiele in den Vordergrund, daher wird das Rokoko auch immer als ein teilweise intimer, erotischer, sogar manchmal als anzüglich empfundener Malereistil beschrieben. In seinem Tun wurde er von der niederländischen Landschaftsmalerei beeinflusst, am meisten prägten ihn aber die Kunstwerke seines Lebensgenossen Antoine Watteau.
Der am 29. September 1703 in Paris geborene Maler war Schüler von Francois Lemoyne und des Kupferstechers Jean-Francois Cars. 1727 reiste er für vier Jahre nach Italien, wo ihn vor allem die Werke des Tiepolos beeindruckten. Gleich nach der Rückkehr begann seine Karriere an der Pariser Akademie, deren Direktor er 1765 wurde. Bereits 1755 war er zum Leiter der Königlichen Gobelinmanufaktur ernannt worden. Durch die besondere Protektion der Madame de Pompadour, die er mehrfach porträtierte, erhielt Boucher zahlreiche Aufträge vom königlichen Hof. Seine virtuos gemalten Bilder mit ihren hellen, duftigen Farben und anmutig bewegten Figuren verkörpern exemplarisch die galante Welt des Rokoko. Boucher, der auch als Buchillustrator tätig war, starb am 30. Mai 1770 in Paris.[22]
Als Meister der dekorativen Kunst (in Gemälden, bei Deckenmalereien, Innendekorationen, Entwürfe für die Gobelin-Manufaktur in Béauvais, für Opernbühnenbilder und Entwürfen für die Porzellanmanufaktur in Sèvre) prägte er jahrzehntelang den Stil am Hofe des Königs. Seine Gemälde fanden sich auf den Fürstenhöfen in ganz Europa.
Er arbeitete hart, malte eine große Zahl Bilder (die Bekanntheit stieg mit der Verteilung) und brachte es schon zu einer regelrechten Produktion, wie sich in ihm auch bereits ein industrieller Geist ankündigte. Er unterhielt ein Atelier mit Schülern, die oft seine Werke fertig ausführten, wiederholte Ausschnitte in verschiedenen Zusammenhängen und malte oft Kopien seiner Bilder (sog. „eigenhändige Repliken“) für verschiedene Auftraggeber, wie etwa im Fall der Marie-Louise O’Murphy. Als offizieller königlicher Maler wurde Boucher sehr von Diderot und den Enzyklopädisten kritisiert. Man warf ihm vor allem während der Revolution vor, ein leichtlebiges und frivoles 18. Jahrhundert dargestellt zu haben. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde er wieder als großer Maler geschätzt.
Die Richtung des Klassizismus neben dem Rokoko prägte die Epoche der Aufklärung in entscheidender Weise.
Die Malerei des Klassizismus entwickelte sich ab etwa 1760.[23] Sie verkörpert einen an der Antike und der italienischen Renaissance orientierten Kunststil. Der Klassizismus in Frankreich wird aufgrund der klassischen Kunst des 17. Jahrhunderts als néo-classicisme bezeichnet. Klassizistische Werke zeichnen sich durch eine einfache und klare, gelegentlich auch strenge Formensprache aus. Als Ziel galt, durch Maß und Harmonie eine „vollkommene“, die Natur idealisierende Schönheit hervorzubringen. Die Kunstwerke sollten schön, edel und erziehend sein. Für deren Erzeugung wurden Kriterien und Regeln zugrundegelegt.
Der Klassizismus wandte sich im Zeitalter der Vernunft und Aufklärung gegen die Sinnlichkeit des zuvor herrschenden Rokoko.[24] Seit den 1820er Jahren entstand ein Rangstreit zwischen dem Klassizismus und der beginnenden Bewegung der Romantik. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts trat der Realismus als weitere Gegenbewegung in Erscheinung.
Vertreter des Klassizismus in Frankreich sind Joseph-Marie Vien, Anne-Louis Girodet-Trioson, Élisabeth Vigée-Lebrun, François Gérard, Antoine-Jean Gros, Jacques-Louis David und Jean-Auguste-Dominique Ingres, in Deutschland Jakob Asmus Carstens, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Anton Raphael Mengs, Gottlieb Schick und Angelika Kauffmann.[25]
Die Maler lösten sich von dem allegorischen Programm der Barockzeit und malten Szenen aus der griechischen und römischen Antike. Die klassizistische Kunstauffassung stellte die Idee über die Realität. Aufgrund einer ihm eingegebenen Idee von Vollkommenheit müsse der Künstler die Zufälligkeiten der unvollkommenen Wirklichkeit durch den Stil seiner Gestalten korrigieren. Das Studium von musterhaften alten Kunstwerken, das Befolgen von Gestaltungsregeln, war dem Naturstudium übergeordnet. Auf Farbigkeit konnte ein strenger Klassizist im Prinzip auch verzichten.[26]
Eine klar überschaubare und harmonische Komposition der Figuren, ein ruhiges Zeitmaß waltet in allen Gebärden. Die pastose Farbgebung des Barock verschwindet zugunsten eines flächigen Farbauftrages.
Eine unveränderliche Ordnung war der am meisten geeignete Ausdruck für konservative, die Gesellschaftsordnung stabilisierende Absichten. Ihn vertraten kunstpolitisch und praktisch die Akademie und die ihr unterstellte Kunsthochschule, die Ecole des Beaux-Arts.
Die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts in Frankreich wird in entscheidendem Maß vom Rangstreit zwischen den Künstlern des Klassizismus und der Romantik geprägt.[27]
In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts gerieten die Klassizisten mehr und mehr in Konflikt mit einer neuen Generation von Künstlern, der romantischen Schule. Die neue Bewegung löste eine Gegenbewegung zur Antikennachahmung des Klassizismus aus. Sie gewann in allen Bereichen des kulturellen Lebens in Europa weltanschaulichen Einfluss. Die „Romantiker“ sahen die antike Klassik als etwas Unwiederbringliches an und suchte nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen. Harmonie und Vollkommenheit werden in ihr als verlorene Ideale betrachtet, in denen einzig sentimentale Sehnsüchte zum Vorschein treten.
Die Malerei der Romantik wandte sich gegen die geschlossene Bildform des Klassizismus und löste den gegenständlichen Kontur meist zugunsten der Farbe auf. Unter diesem Aspekt wurde in Frankreich Eugène Delacroix als der Hauptwidersacher Ingres’ angesehen.[28]
Klassizismus und Romantik werden heute aus kunsthistorischer Sicht weniger als unversöhnlich widerstreitende Kunstformen angesehen.[29] Sie seien vielmehr zwei eng miteinander verzahnte und einander spiegelnde Versuche, auf die ästhetischen Herausforderungen der frühen Moderne zu antworten. Insbesondere in der Malerei des Biedermeier und der Malerei der Spätromantik findet eine Überlappung statt.In Frankreich wandte man sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Barock und Rokoko, den Kunststilen des Absolutismus ab.[30] Auch in der Kunst sollte der Bruch mit der alten Herrschaft der Aristokratie augenfällig werden. Jacques-Louis David und sein Schüler Ingres übernahmen die schlichten Formen der griechischen und römischen Antike in die Malerei. Davids Gemälde Der ermordete Marat von 1793 zeigt dabei ein höchst aktuelles Thema. Eine Anhängerin des französischen Königs hatte am 13. Juli 1793 den Revolutionär Marat in seiner Badewanne erstochen. Der Nationalkonvent gab darauf David den Auftrag, den Mord an Marat in einem Bild zu verewigen. Der Künstler, selbst Anhänger der Revolution, malte viele ihrer Wortführer, schuf aber auch große Leinwände mit Historien, deren mythologische und historische Themen sich auf das zeitgenössische Frankreich beziehen ließen. Kompositionell bestimmten horizontale und vertikale Linien viele seiner Werke. Theatralische Posen zeichnen seine deutlich modellierten Figuren aus. Antike Themen, die strenge Komposition und die klar gezeichneten Linien, die Davids neoklassischen Stil kennzeichnen, standen in scharfem Kontrast zur verspielten Eleganz der Kunst des Rokoko.
Davids Schüler Jean-Auguste-Dominiques Ingres wurde im frühen 19. Jahrhundert der führende Salonmaler. Wie sein Lehrer perfektionierte Ingres seine Zeichentechnik an den Skulpturen der Antike und Renaissance. Die seit der Renaissance geführte Diskussion, on Linie oder Farbe der Vorzug zu geben sei, setzte sich im 19. Jahrhundert fort. Als Ingres 1853 Präsident der Ecole des Beaux-Arts wurde, setzte sich seine zeichnerische Auffassung in weiten Kreisen durch. Schließlich lernte ein angehender Künstler sein Handwerk an Ecole oder Akademie. Ausgestellt wurde das von einer künstlerischen Jury für passend Befundene im jährlich stattfindenden Salon.
Ort der unter königlicher Schirmherrschaft stehenden Ausstellung war der Salon d’Apollon im Louvre.[31] Ihre Entscheidungen traf die Jury auf der Grundlage der Hierarchie der Gattungen: Unangefochten an erster Stelle standen die Historienbilder, da sie auch intellektuelle Anforderungen an die Künstler stellten, schließlich musstensich Thema und malerische Umsetzung entsprechen. An zweiter Stelle folgte die Genremalerei, den geringsten Ruhm versprachen Portraits und Landschaften.
In Deutschland fasste der Klassizismus Ende des 18. Jahrhunderts Fuß.[32] In Berlin griffen die Baumeister unter Friedrich dem Großen auf Formen der römischen und griechischen Antike zurück, so beim Brandenburger Tor. In München zog der Klassizismus mit Ludwig I und dessen Ansätzen zur Stadterweiterung ein. Eines der größten städtebaulichen Emsebles des 19. Jahrhunderts ist der Königspalast, gestaltet vom Hauptvertreter des Münchener Klassizismus, Leo von Klenze. Am Königsplatz verwirklichte Klenze zwei seiner Hauptwerke, die Glyptothek und die Propyläen.
Während in Architektur und Bildhauerei noch klassizistische und historische Tendenzen bestimmend waren, trat die Malerei als Kunstgattung hervor, in der die Romantik ihre stärkste Ausprägung fand.[33] Die Kunst sollte Ausdruck der freien Persönlichkeit und des subjektiven Erlebens sein.
Im Kontext der wachsenden Naturbegeisterung erlebte die Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert einen enormen Aufschwung. Märchen- und Sagenwelten, Ereignisse aus der mittelalterlichen Geschichte, ebenso der ferne Orient waren große Themen der romantischen Künstler.[34] Der Rückzug in die Innerlichkeit und in ferne Zeiten und Länder lag auch in der politischen Situation begründet. Europa war in den Jahrzehnten nach der Französischen Revolution von Kriegen erschüttert. Napoleons Feldzüge hinterließen in Italien, Österreich, Preußen und Spanien Verheerungen.
Der bedeutendste deutsche Landschaftsmaler der Romantik war Caspar David Friedrich.[35] Immer wieder zeichnete er die Landschaft seiner Heimat Pommern und die wilde Natur auf der Ostseeinsel Rügen. Er fertigte in freier Natur Skizzen an, die er im Atelier zu Landschaften komponierte. Seine Bilder zeigen häufig weite, zerklüftete Gebirge, Landschaften mit gotischen Ruinen und einzelnen isolierten Figuren. Einsamkeit in der unendlichen Weite der Natur ist auch das Thema seines wohl bekanntesten Bildes „Das Eismeer“. Seine Stimmungslandschaften sollten eine Ahnung des Göttlichen vermitteln, wie es sich in der Natur zeige. Gleichzeitig begriff er sie als Spiegel der Seele, da der Maler das wiedergebe, was sich in seinem Inneren abspielte.
In Friedrichs Bildern sind die Körper, Dinge und Erscheinungen der Natur aus ihren natürlichen Zusammenhängen gelöst, im Bildraum organisiert und in Variationen zu immer neuen Bildkompositionen geführt. Zeichnungen dienen als Vorarbeiten für ein Gemälde oder als Vorlage für die Bildgestalt des Gemäldes. Landschaften unterschiedlicher Topografien werden oft auf einer Bildfläche zusammengesetzt. Ebenso montiert der Maler Architekturen verschiedener Stile. Bei Bäumen aus Naturstudien setzt er aus kompositorischen Gründen nicht vorhandene Äste an. Gebirgszüge im Hintergrund norddeutscher Landschaften werden meist zum Zweck der Hintergrundgestaltung platziert.
Flache Landschaften sind oft aufmodelliert, so dass die Bestimmung der zweifelsfrei zugrunde liegenden realen Orte schwierig ist. Friedrichs Gemälde sind kaum einfache Naturnachahmung, sondern entstanden als ein vielschichtiger Prozess von verarbeitetem Naturerlebnis und gedanklicher Reflexion. Trotz der Zusammensetzung von Landschaften entsteht im Gemälde der Eindruck großer Naturnähe.
Friedrichs Zeichnungen sind mit Bleistift, Feder sowie Tusche gefertigt und finden sich überwiegend in Skizzenbüchern. Er zeigte eine besondere Begabung in der Verwendung des gerade erfundenen Bleistifts in mehreren Härtegraden. Seine Zeichnungen bekommen bei einer sehr differenzierten Binnenzeichnung sogar malerische Qualität. Das vorrangige Interesse des Malers galt Naturmotiven. In der Dresdner Umgebung, auf Reisen nach Mecklenburg, Pommern, in den Harz oder das Riesengebirge entstanden Darstellungen von Pflanzen, Bäumen, Felsen, Wolken, Dorfansichten, Ruinen, Küsten- und Gebirgslandschaften.
Nach den Skizzen lässt sich der Verlauf von Friedrichs Wanderungen rekonstruieren. Die Zeichnungen dienten als Grundlage für Elemente von Gemälden, Sepien und Aquarellen, haben aber in ihrer Mischung aus Sorgfalt und Lebendigkeit einen künstlerischen Eigenwert. Wegen seines geringen Talentes im Figurenzeichnen machen Figurendarstellungen und Porträts nur einen geringen Teil des Gesamtwerkes aus.
Die Niederlande durchliefen im Goldenen Zeitalter eine kulturelle Entwicklung, die sich von der ihrer Nachbarstaaten deutlich unterschied und allgemein als Höhepunkt der holländisch-niederländischen Zivilisation angesehen wird.[36] Während in anderen Ländern reiche Aristokraten Schirmherren und Gönner der Künste waren, spielten in den Niederlanden wohlhabende Händler und andere Patrizier diese Rolle. Hier bildete die aufstrebende, ungewöhnlich breite Mittelschicht zusammen mit den reichen Bauern das entscheidende Potential für die ökonomische wie auch für die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung des Landes.
Sie alle stellten einen riesigen Markt für den Absatz gewerblicher und künstlerischer Erzeugnisse dar.[37] Durch ihr wachsendes gesellschaftliches Ansehen entstand bei Händlern, Handwerkern, kleinen Beamten oder Offizieren das Bedürfnis, ihren Status zur Schau zu stellen, und zwar auf eine vergleichbare Weise, wie es im Hochadel und Klerus gang und gäbe war. Dank ihrer Kaufkraft konnten sie sich diese Wünsche erfüllen.
Durch das allgemein gesteigerte Interesse an der Beschreibung der sichtbaren Welt wurde der Wunsch nach Kunstbesitz geradezu unersättlich, und die Nachfrage nach weltlicher Malerei blühte auf wie nie zuvor und nirgendwo sonst. Porträts beispielsweise sollten den gesellschaftlichen Rang der eigenen Person darstellen, wenn nicht erhöhen.[38] Das über die unbedingt erforderlichen Einrichtungsgegenstände hinausgehende Mobiliar wurde als Statussymbol betrachtet, was sich im Besitz prächtiger Eichentruhen, achteckiger Tische und teurer Betten bei den Bauern und in kostbaren Uhren, Spiegeln, Porzellan oder Besteck der Bürgerschaft ausdrückte. Der teilweise ins Unerhörte wachsende Reichtum der Niederländer garantierte somit die Lebensgrundlage der Künstler des 17. Jahrhunderts (selbst wenn nur die wenigsten vollständig davon leben konnten) und hatte zur Folge, dass es eine ungleich bessere „Kunstversorgung“ der Bevölkerung gab als irgendwo sonst in Europa.
Kunst und Kultur, dabei besonders die Malerei, entwickelten sich zusammen mit ihren neuen „Kunden“ zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor.[39] Den schon damals gültigen Gesetzen der freien Marktwirtschaft folgend, wurde das „Dienstleistungsgewerbe Kunst“ immer differenzierter, es bildeten sich zum Beispiel Fachbetriebe für bestimmte Gattungen der Malerei aus und gleichzeitig entstanden Bildgattungen, deren Motive für die Malerei Neuland waren, wie beispielsweise die Landschaftsmalerei und das Genre der Sittengemälde. Auch stilistisch wurde die Kunstlandschaft immer vielfältiger, so dass die Auftraggeber sogar Malweisen, sei es der flämisch-italienischen oder der holländischen Schule selbst bestimmen konnten.[40]
So bestimmten bürgerliche Auftraggeber die Kunstproduktion, die auf dem Selbstverständnis einer frühkapitalistischen Republik fußte, was zu einem höheren Realismus und zur Bevorzugung bestimmter Kunstgattungen wie Porträtmalerei (Einzel- und Gruppenbildnis), Genrebilder oder Stilllebenmalerei führte. Die schutterij, die Schützen mit ihrer Schützengilde und die rederijkers, die Dichter, organisiert in der rederijkerskamer, der Dichtergilde (seinerzeit „Redekammer“ genannt), waren gleichzeitig kulturelle Zentren und Förderer der Künste. Die Schützen hatten sich zu einer Art städtischen Bürgerwehr organisiert und sorgten nachts für Ruhe und Ordnung in den Städten. Alle männlichen Einwohner waren ihr zu Dienst verpflichtet.
Die Dichtergilden stellten Vereinigungen auf Stadtebene dar, die literarische Aktivitäten begünstigten und unterstützten. Die Städte waren ebenso stolz auf diese Gilden wie die Bürger auf ihre Mitgliedschaft, die sie sich viel kosten ließen. Große niederländische Dichter, wie zum Beispiel Pieter C. Hooft und Joost van den Vondel, waren Mitglieder einer Rederijkerskamer. Die einzelnen Gilden und Gildenmitglieder ließen sich gerne und oft bei der Ausübung ihrer Ehrenaufgabe porträtieren. Ein Beispiel dafür ist das Bild der Nachtwache von Rembrandt van Rijn.[41]
Im 17. Jahrhundert erreichte die Malerei in den Niederlanden eine derartige Blüte, dass sie gelegentlich alleine mit dem Begriff des Goldenen Zeitalters verbunden wird.[42] Schon im 16. Jahrhundert war die Kunstproduktion hoch gewesen. Allein in Antwerpen sollen 1560 mehr als 300 Meister mit Malerei und Graphik beschäftigt gewesen sein, hingegen nur 169Bäcker und 78Fleischer. Nun entstanden in dem dicht besiedelten Land in kurzer Zeit und auf engstem Raum viele Zentren der Malerei– neben Amsterdam etwa Haarlem, Delft, Utrecht, Leiden, Den Haag und Deventer. Bald waren Malerei und Druckgraphik geradezu allgegenwärtig, die Niederlande wurden zu einer riesigen „Kunstfabrik“.[43] Jährlich kamen 70.000 Bilder auf den Markt, wobei 650 bis 700 niederländische Maler durchschnittlich jeweils 94 Bilder im Jahr malten, berühmte und weniger berühmte Maler gemeinsam mit ihren Schülern nahezu fließbandartig produzierten.
Die traditionellen kirchlichen Bildthemen wurden seit der Reformation indessen als „katholisch“ abgelehnt, die protestantischen Bürger wollten ihre Religiosität, ihre Lebensführung und ihre ureigenen Themen und Probleme – in erster Linie also sich selbst in ihrem beruflichen und privaten Umfeld, und in möglichst vorteilhafter Weise – verewigt sehen. Dies führte zur Ausprägung neuer Bildgattungen (z.B. Tronjes) und zur Erfindung neuer Bildthemen.[44] Es entstanden geradezu massenweise Einzelporträts und Gruppenbildnisse, auf denen die Familie, die Verwandtschaft, die Gildemitglieder, das Ratskollegium oder Festivitäten und Feierlichkeiten festgehalten waren; Stillleben gewährten Einblicke in das tägliche Leben des Bürgertums mit protzigen, sinnesfreudigen Interieurs hinter äußerlich unscheinbar und klassizistisch streng daherkommenden, schmalen Bürgerhäusern. Vanitas-Motive rechtfertigten die Zurschaustellung von Reichtum und Macht durch ihre warnende Botschaft.
Eine nie da gewesene Spezialisierung innerhalb der Malerei setzte ein.[45] Willem Claesz. Heda und Willem Kalf malten nur Stillleben. Ihre „Ontbijtjes“, ihre „Frühstücks“-Stillleben, hatten sie sogar auf wenige Gegenstände reduziert, die sie mit geringen kompositorischen Änderungen wieder und wieder variierten. Jan van Goyen, Jacob van Ruisdael und Meindert Hobbema standen für die Landschaftsmalerei, Jan Steen, Adriaen van Ostade und Adriaen Brouwer für die Bauernsatire, Gerard ter Borch und Pieter de Hooch für das Gesellschaftsstück (einer Variation des Genrebildes, das bäuerliche Festlichkeiten thematisiert), Pieter Jansz Saenredam und Emanuel de Witte für die Architekturmalerei, Thomas de Keyser und Frans Hals für Porträts.[46]
Gerard ter Borch gilt als einer der Hauptmeister des holländischen Genrebildes. Seine erste Ausbildung als Zeichner erhielt er von seinem Vater Gerard ter Borch d.Ä. Erste Werke, die der Vater sorgfältig aufbewahrte, stammen aus dem Jahr 1625 und sind noch heute erhalten. Diese zeigen Genreszenen und vor allem Landschaften aus der Umgebung von Zwolle.
1634 erhielt er das Meisterrecht und durfte seine Bilder signieren. So stammt das früheste von ihm bekannte Werk auch aus dem Jahr 1635. Noch im Sommer des gleichen Jahres begab er sich nach London, wo sein Onkel Robert van Voerst erfolgreich als Kupferstecher tätig war. Dort kam er in Kontakt zu Anthonis van Dyck. Gegen 1636 kehrte er für kurze Zeit nach Zwolle zurück, von wo aus er Studienreisen nach Italien und Spanien unternahm. In Madrid malte er ein Porträt des spanischen Königs Philipp IV., das jedoch nicht erhalten ist. Zwischen 1640 und 1645 befand er sich wieder in Holland, wo er vor allem in Holland und Amsterdam tätig gewesen ist. Dort erwachte in ihm das Interesse an der Genremalerei.
Zwischen 1644 und 1645 war er in Amsterdam als vielbeschäftigter Porträtist tätig und erlangte dadurch eine große Popularität.[47] Dort ist es Ter Borch gelungen sich in den vornehmsten Amsterdamer Regentenkreisen Einzug zu verschaffen. Neben Portraits der Familien Six, De Graeff, Pancras, De Vicq hatte er auch Bildnisse von angesehenen Gelehrten wie Caspar van Baerle angefertigt. Diesem Bekanntheitsgrad verdankte er es, dass ihn 1646 der holländische Gesandte Adriaan Pauw bat, ihn zu den Friedensverhandlungen zwischen den Niederlanden und Spanien nach Münster zu begleiten. Dort durfte er viele der anwesenden Diplomaten porträtieren, wodurch er die Aufmerksamkeit des spanischen Gesandten, dem Grafen von Peñeranda, erregte. Dieser nahm Gerard ter Borch in seine Dienste, so dass dieser Augenzeuge des am 15. Mai 1648 geschlossenen Separatfriedens zwischen den Niederlanden und Spanien wurde.
Das Ereignis hielt er in seinem berühmten Gemälde Der Friedensschluß zu Münster fest, das heute im Rijksmuseum in Amsterdam gezeigt wird.[48] Noch im gleichen Jahr kehrte er nach Holland zurück, wo er in den nächsten Jahren in den verschiedensten Städten tätig war. Abwechselnd lebte er in Amsterdam, Den Haag, Haarlem, Kampen und Zwolle. Sein Hauptbetätigungsfeld war nun die Genremalerei, wo er in kurzer Zeit zu einer Meisterschaft heranreifte, so dass er heute als einen der bedeutendsten Vertreter dieser Gattung gilt. Nach seiner Heirat am 14. Februar 1654 ließ sich Gerard ter Borch endgültig in Deventer nieder.
Ab 1660 wandte er sich wieder vermehrt der Porträtmalerei zu, so dass nur noch wenige Genrebilder entstanden.
Trotz seines ausgedehnten Wanderlebens blieb Gerard ter Borch zeitlebens der holländischen Schule treu. Schon in seinen frühen Werken, die deutlich von den Amsterdamer Genremalern Pieter Codde und Willem Duyster beeinflusst sind, zeigt sich sein Interesse für die Wiedergabe menschlicher Figuren, die vorrangig von einer Seite beleuchtet werden und sich in Räumen mit spärlicher Einrichtung befinden. In diesem Genre der Malerei waren seine Werke den größten Entwicklungen unterworfen. Malte er anfangs vor allem Szenen aus dem Volks- und Soldatenleben, spezialisierte er sich ab 1648 auf Interieurszenen mit einigen wenigen Figuren, die galante Paare und meist Damen beim Lesen, Schreiben, Musizieren oder der Toilette zeigen.[49]
In der Art der Anordnung und Darstellung der Figuren beschritt Gerard ter Borch völlig neue Wege und wurde damit zum Wegbereiter für jüngere Meister, die sich an ihn orientierten. Beispielhaft seien hier nur Gabriel Metsu, Pieter de Hooch und Jan Vermeer genannt. Seinen Porträtstil entwickelte Garard ter Borch unter dem Einfluss des Haarlemer Malers Hendrick Pot. Bereits in den 1640er Jahren war dieser voll ausgereift und kaum Wandlungen unterworfen. Seine Modelle sind meist schwarz gekleidet und vor neutralen grauen Hintergründen abgebildet.
Mit der Frührenaissance sind endgültig die Goldgründe mittelalterlicher Heiligenbilder durch Landschaften ersetzt, zunächst noch, wie bei Giotto, als kulissenartige Zusammenstellung einzelner Motive, später als einheitlicher Hintergrund.[50]
Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts entstand nördlich der Alpen ein neues, vorher unbekanntes Naturempfinden. Die Natur erhielt in Bildern der Donauschule einen eigenständigen Rang; Naturstudien ohne Menschendarstellungen sind keine Seltenheit. Das erste reine Landschaftsgemälde ohne jegliche Figuren ist das Bild Donaulandschaft mit Schloss Wörth, entstanden um 1522 von einem Maler der Donauschule, Albrecht Altdorfer.[51] Frühe Beispiele aus dem nördlichen Europa für die Wiedergabe einer konkreten Landschaft – des Genfer Sees – sind Der wunderbare Fischzug des Konrad Witz – oder einer realistischen Darstellung von bewegtem Wasser auf dem um 1435 entstandenen Christophoros des gleichen Malers.[52]
Sowohl in Venedig als auch in Florenz fanden die Anregungen aus dem Norden und die Entdeckungen der Perspektive in Italien auf unterschiedliche Weise ihren Niederschlag. In Piero della Francescas Montefeltro-Diptychon schaut der Betrachter aus der Vogelperspektive auf eine sich weit ausbreitende, lichte Landschaft, wobei sich Porträt und Landschaft auf unterschiedlichen und unverbundenen Bildebenen befinden. Leonardo da Vinci († 1519), von dem auch die erste reine Landschaftszeichnung stammt, stellte als Hintergründe einiger seiner Gemälde, wie der Felsgrottenmadonna, der Mona Lisa oder der Anna Selbdritt, alle im Louvre in Paris, keine Abbilder einer realen Natur dar. Diese Landschaften sind vielmehr eine Art Überblick über die elementaren Erscheinungsformen der Natur: Erde, Wasser, Fels und Luft, Nähe und Ferne, Wärme und Kälte.
Als ein Vermittler niederländischer Malkunst in Venedig gilt Antonello da Messina († 1479), der sich um 1475 in Venedig aufhielt.[53] Ebenso folgenreich für die Landschaftsdarstellungen venezianischer Maler waren Dürers Holzschnitte, während seine Landschaftsaquarelle aus der Italienreise nicht publiziert waren und schon wegen ihrer Funktion als Arbeitsskizzen keine öffentliche Wirkung hatten.[54] Bei den Venezianern Bellini, Giorgione und Tizian entfaltete sich die für die venezianische Malerei charakteristische Verschmelzung von Figuren und Landschaft, Licht und Farbe zu einer stimmungsvollen Bildeinheit von poetischer und lyrischer Qualität. Giorgione malte mit seinem Gewitter um 1515 das erste Bild, in dem die Figuren an den Rand gerückt sind und Landschaft zum Bildthema wird.[55]
Ab Mitte des 16. Jahrhunderts kam es in den Niederlanden zu einer ersten Blüte der Landschaftsmalerei, die mit den Namen Joachim Patinir, Gerard David, Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel verknüpft ist.[56] Von Joachim Patinier († 1524) stammen die überblicksartigen Weltlandschaften, in denen biblische oder mythologische Figurengruppen fast nur den Rang von Staffagefiguren einnehmen. Auch auf Breughels Bild Sturz des Ikarus von 1558 ist das eigentliche – mythologische – Thema an den äußersten Rand gerückt zu Gunsten der Darstellung einer weiten Landschaft im Licht der Morgensonne, zu deren harmonischem Einklang auch der tätige Mensch gehört.[57]


[1] Zitiert aus Löwith, K.: Das Verhältnis von Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes und Kant, Heidelberg 1964, S. 25
[2] Bahr, E. (Hrsg.): Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen. Reclam, Stuttgart 2008, S. 20
[3] Hereth, M: Montesquieu zur Einführung, Wiesbaden 2005, S. 26
[4] Desgraves, L.: Montesquieu, Frankfurt 1992, S. 47ff
[5] Meyer, A.: Die Epoche der Aufklärung. Akademie, Berlin 2010, S. 35ff
[6] Bahr, E. (Hrsg.): Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen. Reclam, Stuttgart 2008, S. 23ff
[7] Meyer, J.: Erziehung im 18. Jahrhundert, Berlin 1987, S. 72ff
[8] Dönike, M.: Pathos, Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796-1806, Berlin 2005, S. 15f
[9] Leppmann, W.: Johann Joachim Winckelmann. Ein Leben für Apoll, Berlin 1996, S. 13
[10] Grasskamp, W.: Ist die Moderne eine Epoche? Kunst als Modell, München 2002, S. 24
[11] Dönike, M.: Pathos, Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806. = Die Nachahmung des Gewaltsamen, Berlin u. a. 2005,S. 28
[12] Baumgart, F.: Vom Klassizismus zur Romantik. 1750-1832. Die Malerei im Jahrhundert der Aufklärung, Revolution und Restauration, Köln 1974, S. 9
[13] Ebd., S. 30
[14] Ebd., S. 32
[15] Ebd., S. 38
[16] Panik, N.: Kultur des Absolutismus, München 1989, S. 177
[17] Tzionis, A./Liane Lefaivre, L.: Das Klassische in der Architektur. Die Poetik einer Ordnung, Braunschweig u. a. 1987, S. 72
[18] Ebd., S. 179
[19] Ebd., S. 180
[20] Ebd.
[21] Ferster, J.: Französische Geschichte, Hamburg 1993, S. 348
[22] Ebd., S. 349
[23] Dönike, M.: Pathos, Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806. = Die Nachahmung des Gewaltsamen, Berlin u. a. 2005, S. 40
[24] Laugier, M.-A.: Manifest des Klassizismus, Zürich u. a. 1989, S. 32
[25] Baumgart, F.: Vom Klassizismus zur Romantik. 1750-1832. Die Malerei im Jahrhundert der Aufklärung, Revolution und Restauration, Köln 1974, S. 52
[26] Laugier, M.-A.: Manifest des Klassizismus, Zürich u. a. 1989, S. 35
[27] Toman, R. (Hrsg.): Klassizismus und Romantik. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung, Köln 2006, S. 45ff
[28] Ebd., S. 49
[29] Ebd., S. 58
[30] Tzionis, A./Liane Lefaivre, L.: Das Klassische in der Architektur. Die Poetik einer Ordnung, Braunschweig u. a. 1987, S. 46
[31] Ebd., S. 99
[32] Dönike, M.: Pathos, Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806. = Die Nachahmung des Gewaltsamen, Berlin u. a. 2005, S. 49ff
[33] Ebd., S. 53
[34] Baumgart, F.: Vom Klassizismus zur Romantik. 1750-1832. Die Malerei im Jahrhundert der Aufklärung, Revolution und Restauration, Köln 1974, S. 82
[35] Ebd., S. 79
[36] Sander, J./ Kemperdick, S.: Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden: Die Geburt der neuzeitlichen Malerei: Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt am Main und der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Ostfildern 2008, S. 6
[37] Pächt, O.: Van Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989, S. 120
[38] Pächt, O.: Altniederländische Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. München 1994, S. 97
[39] Pächt, O.: Van Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989, S. 121
[40] Pächt, O.: Altniederländische Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. München 1994, S. 100
[41] Pächt, O.: Van Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989, S. 120
[42] Sander, J./ Kemperdick, S.: Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden: Die Geburt der neuzeitlichen Malerei: Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt am Main und der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Ostfildern 2008, S. 6
[43] Pächt, O.: Van Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989, S. 121
[44] Sander, J./ Kemperdick, S.: Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden: Die Geburt der neuzeitlichen Malerei: Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt am Main und der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Ostfildern 2008, S. 6
[45] Pächt, O.: Van Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989, S. 122
[46] Pächt, O.: Van Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989, S. 127
[47] Pächt, O.: Altniederländische Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. München 1994, S. 80
[48] Pächt, O.: Altniederländische Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. München 1994, S. 102
[49] Sander, J./ Kemperdick, S.: Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden: Die Geburt der neuzeitlichen Malerei: Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt am Main und der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Ostfildern 2008, S. 16
[50] Büttner, N.: Geschichte der Landschaftsmalerei, München 2006,.S. 17
[51] Büttner, N.:Die Erfindung der Landschaft. Kosmographie und Landschaftskunst im Zeitalter Bruegels, Göttingen 2000,S. 23
[52] Eclercy, B. (Hrsg.): Nah und Fern. Landschaftsmalerei von Brueghel bis Corinth, Köln 2011, S. 52
[53] Feldges, U.: Landschaft als topographisches Porträt. Der Wiederbeginn der europäischen Landschaftsmalerei in Siena, Bern 1980, S. 28
[54] Eschenburg, B.: Landschaft in der deutschen Malerei – vom späten Mittelalter bis heute, München, 1987, S. 89
[55] Landschaft, in: Barck, K. u.a. (Hrsg.): Ästhetische Grundbegriffe. Studien zu einem historischen Wörterbuch. 3. Auflage, Stuttgart 2001, S. 617–695, hier S. 627
[56] Büttner, N.: Geschichte der Landschaftsmalerei, München 2006,.S. 36
[57] Eschenburg, B.: Landschaft in der deutschen Malerei – vom späten Mittelalter bis heute, München, 1987, S. 53

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Über Michael Lausberg 543 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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