Mit der Hilfe von oben: Vom Leben zwischen Glaube und Aberglaube erzählt eine Ausstellung in Wasserburg/Inn

Das Museum Wasserburg, so steht es in einem seiner Flyer, verzichte „weitestgehend auf lange erläuternde Texte“, setze vielmehr auf „Inszenierungen und den unverstellten Blick auf das Original“. Inszeniert wurde jetzt eine Schau von schönen, nützlichen und wunderlichen Dingen, die den Alltag des Menschen unter den Segen und die Hilfe von oben stellten. „Dem Himmel so nah“ überschrieb Museumsleiterin Sonja Fehler ihre tolle Sonderschau und gab ihr den Untertitel „Vom Leben in alter Zeit“. Mitzudenken ist: „… bei den kleinen Leuten“.

Denn denen ging es, ob auf dem Land oder in Stadt und Dorf, meistens miserabel. Sie waren Not und Leid, Krankheit und vielerlei Gefahren ausgesetzt und suchten Zuflucht – beim Himmel. „Himmel, hilf!“, hieß es, bei Feuersbrunst, Unglücksfällen, Säuglingstod oder Viehseuche, bei Armut, Schmerzen, bei niederdrückenden Lebensumständen. Wie herausfinden aus dem Elend, das schon an der Wiege begann und oft erst an der Bahre endete? Gott der Herr und die Heiligen sollten helfen.

Dass dabei nicht immer der „reine Glaube“ die letzte Hoffnung war, sondern auch Magie und Wahrsagerei mit „verbotenen“ Praktiken ins Spiel kamen, wird in der Ausstellung von Station zu Station deutlich. Vieles wird der Besucher belächeln, manches ihm aus heutiger Sicht verständlich, dennoch unerklärlich erscheinen. Er staunt, wie stark der einfache Mensch auf die überirdischen Mächte vertraute, ob mit oder ohne den Segen der Kirche. Mit einem untrüglichen Schönheitssinn wurden die Gegenstände des Alltags und die ihn überhöhenden Objekte mit Zeichen und Bildern verziert, die den Frömmigkeitssinn der Menschen früher und ihr Vertrauen auf undefinierbare Kräfte, die gewissen Materialien innewohnten, bezeugen.

Das Wasserburger Museum besitzt genügend Exponate selbst, um die Spannung beim Abschreiten der einzelnen Stationen – von der Geburt bis zum Tod – nicht erlahmen zu lassen. Es kann aber glücklicherweise auch auf prachtvolle Leihgaben des örtlichen Volkskunstspezialisten Armin Göttler zurückgreifen. Profanes und Geistliches wechselt sich ab: hier ein Brautschaff mit den Herzen Jesu und Mariä, dort ein Kupferstich mit einer „geistlichen Uhr“, hier eine Werkzeugkraxe mit einer biblischen Szene, dort eine mit den Jesus- und Marienmonogrammen bemalte Wiege, hier ein schmiedeeisernes Grabkreuz, auf dem sich eine ganze Familie von Malerhand verewigen ließ, dort ein Taufkleid aus blassblauer Seide, hier eine Votivtafel, ein Wettersegen, reihenweise Rosenkränze mit Amuletten oder eine ganze „geistliche Hausapotheke“, dort ein Kinderaltar zum „Pfarrer-Spielen“, was noch vor ein paar Jahrzehnten auf dem Land Gepflogenheit war.

Die Ausstellung „Dem Himmel so nah. Vom Leben in alter Zeit“ dauert bis 25. Juni und ist von Dienstag bis Sonntag von 13 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppenführungen nach Vereinbarung auch außerhalb der Öffnungszeiten (Ruf 08071 – 92 52 90; www.museum.wasserburg.de), auch für Schulklassen. Freier Eintritt am Internationalen Museumstag 21. Mai, 13 bis 17 Uhr.

 

Foto (Hans Gärtner)

Werkzeugkraxe (19. Jh.) des Zimmerers Johann Riepertinger, dessen Initialen JRZ rückseitig stehen und an dessen Vornamen die aufgemalte Szene (Taufe Christi durch Johannes) erinnert.

 

Über Hans Gärtner 456 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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