Pfarrer Albrecht Hey im Gespräch mit der Tabula Rasa

Wie muß man sich den Alltag auf dem Schulschiff der Bundeswehr, der Gorch Fock, vorstellen? Wie lange ist die Besatzung am Stück auf See?

Die Offiziersanwärter, die vor ihrem Dienst bereits ein Jahr in der Marine gedient haben, sind ein viertel Jahr zur Ausbildung auf dem Schulschiff. Jeder Offizier der Marine hat seine Karriere auf der „Gorch Fock“ begonnen, die seit 1958 im Dienst der Bundeswehr fährt. Die „Gorch Fock“ ist das einzige unbewaffnete Kriegsschiff und konnte aus diesem Grund während des Kalten Krieges Häfen anlaufen, in die kein westliches Militärschiff Einfahrt erhalten hätte. So lag die „Gorch Fock“ inmitten des Kalten Krieges bereits in Petersburg vor Anker.

Sind die Sachsen und Thüringer insgeheim ein Seefahrervolk? Rein statistisch gesehen kommen viele Soldaten aus dem mitteldeutschen Raum?

Ob die Mitteldeutschen ein Seefahrervolk sind, mag dahingestellt bleiben, aber daß die meisten Rekruten in der Marine mittlerweile aus Sachsen kommen, ist eine Tatsache. Davor waren es vorwiegend Soldaten aus Bayern.

Was sehen Sie als wichtigste Aufgabe an, daß das Leben an Bord funktioniert; muß man ein Teamplayer sein?

Da die Rekruten quasi kaum Privatsphäre haben, währendem die Offiziersanwärter eigene Kabinen haben, müssen sie auf alle Fälle, um des gemeinschaftlichen Friedens willen, Teamplayer sein, ohne gegenseitige Achtung und Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Kameraden geht gar nichts.

Als Seelsorger haben Sie lange auf der „Deutschland (A 59)“ gearbeitet, was waren Ihre Impressionen? Seefahrerromantik oder harte Rekrutenausbildung? Die Besatzung der „Deutschland“ (Schulschiff Klasse 440) zählte immerhin 30 Offiziere, 30 Portepee-Unteroffiziere, 90 Unteroffiziere, 180 Mannschaftsdienstgrade, 120 Offizieranwärter, 6 Zivilangestellte

Die Seefahrerromantik ist eine pure Illusion, der Schiffsalltag ist genau strukturiert und verlangt von der gesamten Mannschaft ein Höchstmaß an Disziplin; eine Ausbildung auf einem Schillschiff ist und bleibt eine harte Zeit. Während dieser Zeit müssen die Offiziersanwärter sämtliche Positionen im Schiff durchlaufen, um später, bei der Befehlsausübung, alle Prozesse, die sich am und unter Deck abspielen, genau zu kennen. Nur wenn der spätere Kapitän genau weiß, wie die Maschine funktioniert, vermag er die dort ablaufenden Prozesse zu kalkulieren und diese bei seinen Befehlen zu berücksichtigen.

Wie wurde zu Ihrer aktiven Zeit als katholischer Militärseelsorger das religiöse Angebot wahrgenommen?

Die Besatzung ist, wie im wirklichen Leben auch, ein Spiegel der Gesellschaft. Und in Zeiten der Säkularisation sind es zunehmend immer mehr Soldaten, die nicht in den Gottesdienst kommen. Zu meiner Zeit auf der „Deutschland“ zelebrierten wir, der evangelische Pfarrer und ich, Meßfeiern am Wochenende, ein Wochenende eine katholische Meßfeier, ein Wochenende einen evangelischen Gottesdienst.

Was sind die konkreten Aufgaben eines Militärseelsorgers, wie viele Personen üben bundesweit dieses Amt aus?

Neben den pastoralen Aufgaben zählt die persönliche Betreuung des militärischen Personals zu den vordergründigen Aufgaben eines Militärpfarrers. Der Pfarrer trägt die Uniform der Bundeswehr, ißt in der Messe und ist dem Kapitän ratschlagend und beratend zu Seite. Der Pfarrer hat so, gegenüber dem medizinischen Personal beispielweise, eine Ausnahmestellung an Bord.

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