Spürsinn für die Unwägbarkeiten – 10 000 Euro Preissumme für die „beglückende“ Übersetzerin Melanie Walz

Ihr Laudator, der aus Berlin angereiste Lektor Jürgen Dormagen, fand, dass Melanie Walz, die aus der Hand des Münchner Kulturreferenten Hans-Georg Küppers den mit 10 000 Euro dotierten diesjährigen Übersetzerpreis der Landeshauptstadt entgegennahm, nicht nur gut, sondern „beglückend“ übersetze. Und das mit einem ungewöhnlich ausgeprägten Spürsinn für die Unwägbarkeiten eines Textes. Das führte Dormagen nicht zuletzt auf das „lose Mundwerk“ der 1953 geborenen, in München lebenden Essenerin zurück. Dieser bestätigte der profunde Kenner ihrer Kerner-Arbeit zudem eine „spitze Zunge“, unglaublich viel Neugier und, doch auch, so etwas wie „Stubengelehrsamkeit“.
Melanie Walz erarbeitete sich seit den 80er-Jahren „ein breites literarisches Spektrum“, wie es im Begleitzettel zur mit Gitarrenklängen verschönten anderthalbstündigen Veranstaltung im Großen Saal des Münchner Literaturhauses hieß. Walz übertrug sowohl englische als auch französische Romane ins Deutsche, von Jane Austen über Marcel Proust bis Patricia Highsmith und Annie Proulx. Dabei, so die Jury, machte sie „vergessen, dass wir eine Übersetzung vor uns haben“ und verlieh sie den Texten „eine lebendige Gestalt, in der all ihr Eigentümliches aufgehoben ist und zugleich als Vertrautes erscheint“.
Die Ausgezeichnete versteht sich in der Rolle der Übersetzerin als Stimmenimitatorin und Bauchrednerin, sie spiele also keineswegs die erste, sondern, Schauspielern und Regisseuren, Sängern und anderen Interpretationskünstlern gleich, die zweite Geige. Ohne diese aber, so hielt Küppers launig dagegen, könnten wir als Leser die erste Geige – in diesem Fall die „Melodie“ einer Text-Autorin, eines Text-Autors – nicht hören. Dormagens Frage nach einer „Strategie“ ihrer Übertragungs-Arbeit beantwortete die Preisträgerin mit einem unweigerlichen Muss: „In den Text reinhören, bis er mir was sagt“.

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Die Münchnerin Melanie Walz erhielt den Übersetzerpreis 2015 der LHS München. (Foto: HANS GÄRTNER)

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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