Stefan Groß trifft Markus Ferber zum Interview: Europa braucht mehrere Geschwindigkeiten

Markus Ferber, Quelle: Ferber

Es schimpfen ja alle über Donald Trump, schon seit Jahren. Gibt es an Donald Trump eigentlich etwas, was positiv ist?

Ich habe bisher versucht, neutral an den Politikentwurf von Herrn Trump heranzugehen und ich habe nichts Positives bisher gefunden. Er ist innenpolitisch bisher mit allem gescheitert. Das einzige, was er bisher hinbekommen hat, war, den fiscal cliff zu umgehen – also, eine weitere Aufstockung der Verschuldungsgrenze – was seinem eigenen Klientel ja nicht gefallen hat. Und er ist mit der Gesundheitsreform gescheitert. Er isoliert die USA außenpolitisch und insofern ist das eine sehr ernüchternde Bilanz. Ich gehe davon aus, wenn im November 2018 die Halbzeitwahlen zum Repräsentantenhaus und für ein Drittel der Senatoren bedeuten, dass die Republikaner ihre Mehrheit verlieren werden, dass dann auch innerhalb der Republikaner der Druck groß werden wird, über einen neuen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen nachzudenken.

Nun rückt ja Europa immer mehr nach rechts – auch Deutschland! Wie sieht man das in Brüssel und in Straßburg? Ist das ein Problem?

Natürlich war eine große Überraschung über die Deutlichkeit des Wahlergebnisses. Auf der anderen Seite sind wir einer der letzten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, wo es solche populistischen Bewegungen ins Parlament schaffen. Insofern wird Deutschland immer mehr ein normales Land in der Europäischen Union. Aber es haben am Wahlabend alle europäischen Partner verstanden, dass die Rechtspopulisten keinerlei Gestaltungsspielraum bekommen werden. Und wir im Europäischen Parlament sind es ja auch gewöhnt, mit 20 % Populisten auf linker und rechter Ebene auszukommen und trotzdem Mehrheiten zu organisieren. Insofern war der AfD-Sieg bei der Bundestagswahl sicherlich überraschend für manchen in der Europäischen Union. Aber die Tatsache selbst macht uns zu einem ganz normalen Land. Entschuldigung, wenn ich das so einfach formuliere, aber das ist in der Tat die Wahrnehmung, die ich in Brüssel gehört habe.

Wieviel soziale Marktwirtschaft verträgt Europa?

Das Ordnungsmodell der Europäischen Union ist die soziale Marktwirtschaft. Ludwig Erhard hat nicht nur das Nachkriegsmodell für Deutschland, sondern auch das Modell für die Europäische Union formuliert. Und das ist auch das richtige Ansatz. Wir müssen natürlich schon den sozialen Aspekt der sozialen Marktwirtschaft auf europäischer Ebene noch klarer definieren. Da reicht es nicht, zu sagen, dass die sozialen Sicherungssysteme in der nationalen Verantwortung sind. Gerade der Begriff der Solidarität, der mit dem Begriff der Subsidiarität einhergeht, heißt, dass Europa auch lernen muss, stärker solidarisch zu sein. Und das bedeutet, dass wir bei einer Reihe von Finanztiteln jetzt in der Fortschreibung des nächsten Finanzrahmens darüber nachdenken müssen, wie dieser Solidaritätscharakter – also Hilfe zur Selbsthilfe, um wirklich wirtschaftliche Entwicklung zu generieren, und Menschen mitzunehmen, sei es in Qualifikationsmaßnahmen, sei durch Integration in den Arbeitsmarkt und Ähnliches mehr – da stärker tätig zu werden, als wir das momentan tun. Alleine die Eliten zu unterstützen, im Rahmen der Forschungsförderung, im Rahmen des Studentenaustausches, und ganz andere Teile der Bevölkerung außen vor zu lassen, wird sich Europa auf Dauer nicht leisten können.

Der Kommissions-Präsident hat ja von mehreren Geschwindigkeiten gesprochen. Macron hat das jetzt sozusagen auf zwei Geschwindigkeiten reduziert. Sind Sie ein Befürworter von zwei Geschwindigkeiten?

Ich bin ein Befürworter von mehreren Geschwindigkeiten, weil es ja auch der Erfahrung entspricht. Wenn 28 Läufer sich auf einen Marathon begeben, dann kommen sie nicht in zwei Gruppen durchs Ziel. Sondern da kommt jeder nach seinen Möglichkeiten durchs Ziel. Und so ähnlich stelle ich mir auch immer die Europäische Union vor. Wir haben gemeinsame Ziele, aber nicht jeder kann gleich als Erster da durchlaufen und man läuft auch nicht in Gruppen durch. Der Macron-Vorschlag ist sehr introvertiert für die Euro-Gruppe und würde die Länder, die noch nicht im Euro sind, wirklich dauerhaft aus dem Euro heraushalten. Das halte ich für schwierig, weil der Euro natürlich schon am Ende die Währung der gesamten Europäischen Union sein soll, wenn alle Kriterien erfüllt sind. Aber da zu sagen: Lasst uns, die 19, die den schon haben, noch enger zusammenzuarbeiten, als das heute der Fall ist, bedeutet, dass für die noch-nicht-Euro-Länder die Hürde, Mitglied beim Euro zu werden, so hoch wird, dass das nie gelingen wird. Und das würde eine dauerhafte Spaltung der Europäischen Union bedeuten.

Die Fragen stellte Stefan Groß

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