„Terror“ lässt sich nicht militärisch besiegen

Zugspitze, Foto: Stefan Groß

Wider die Angst

Unerwartete Angstmomente lassen unseren Puls rasen und lösen evolutionär bedingt entweder Fluchtreflexe aus oder lähmen. Das weiß ein jeder, der jemals wirkliche Furcht empfunden hat. Anders verhält es sich, wenn Angst zum Dauerzustand wird. Das aus einer solchen Drucksituation resultierende permanente Unsicherheitsgefühl legt sich wie ein dunkler Schatten über die Welt und verzerrt nach und nach nahezu unvermeidbar die eigene Wahrnehmung.

24/7-Terror – eine Erfolgsstory

Wenn man die aktuelle Medienberichterstattung betrachtet, wird deutlich, dass wir als Gesellschaft tatsächlich in einem Zustand ständiger Furcht vor Terror leben. Die Strategie jener Verbrecher, die weltweit wie auch immer motivierte Anschläge auf zumeist zivile Ziele verüben, geht also auf: die Strategie, ganze Gesellschaften Andersdenkender durch permanente Angst, eben „Terror“, zu destabilisieren.

„Terror“ lässt sich nicht militärisch besiegen

Als Staat kann man diesen Terror militärisch leider nicht erfolgreich bekämpfen, denn die „Krieg“-Führung des in ziviler Kleidung operierenden Gegners ist zum einen asymmetrisch und erinnert in ihrer Regellosigkeit an die verheerenden Fehden des frühen Mittelalters. Zum anderen sind die meisten Terroranschläge der Gegenwart ganz offenbar religiös motiviert, und einen von der Gottgefälligkeit seines Tuns überzeugten Menschen wird man durch moralische Appelle, strengste Strafverfolgung oder gar Tötungsandrohung nicht von seinen Anschlagsplänen abbringen können.

Wohlstand & Bildung statt Kampf der Kulturen

Der mittlerweile selbst von gewichtigen SPD-Politikern geforderte „kultureller Kampf“ gegen Islamisten wird in der Bevölkerung auf viel Zustimmung stoßen, birgt aber die Gefahr, dass Deutsche künftig allen Anhängern des Islam feindselig begegnen und sich auf diese Weise wechselseitige Provokationen aufschaukeln. Andererseits gilt es natürlich, den sozialen Nährboden, aus dem sich die Nachwuchsterroristinnen und -terroristen der Gegenwart weltweit rekrutieren, möglichst schnell nachhaltig auszutrocknen. Dazu bedürfte es schneller, wirksamer und international breit abgestimmter Wirtschaftshilfe, insbesondere für instabile Staaten mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung sowie parallel einer Bildungsoffensive – in der Tat aber nicht nur dort, sondern auch in der westlichen Welt!

Bildung – das betonte Nelson Mandela als alter Mann im Rückblick auf sein eigenes bitter-süßes Leben einst zu recht – ist langfristig die einzig wirksame Waffe gegen Armut, Gewalt sowie religiösen und politischen Extremismus. Bildung eröffnet Menschen Teilhabe und damit Lebensperspektiven. Gelingende Bildung lehrt das selbständige Denken ebenso wie das kluge Fragen und Hinterfragen.

Auch die „Realität“ ist relativ

Im Deutschland des Jahres 2017 wäre dringend zu hinterfragen, ob wir uns zurecht derart fürchten, dass andere wichtige Themen neben der Terror-Dauerberichterstattung kaum noch unser Interesse finden. Ferner wäre zu  hinterfragen, warum großartige politische Leistungen im unmittelbaren Lebensumfeld, die uns eigentlich ein Gefühl der Stärke, der Sicherheit und Zukunftsoptimismus vermitteln müssten, nicht mehr wahrgenommen werden: Niemals in der Geschichte war der allgemeine Lebensstandard in Deutschland höher als heute, niemals in der Geschichte genossen die Menschen in Deutschland und Europa ein derartiges Maß an politischer und persönlicher Freiheit und lebten zugleich derart friedlich zusammen, niemals zuvor eröffneten der wissenschaftliche und technische Fortschritt – insbesondere die digitale Revolution – der Menschheit vergleichbare gemeinsame Zukunftschancen.

„Sapere aude“

Die im weltweiten Vergleich paradiesischen Zustände im Deutschland und Europa der Gegenwart werden von vielen Bürgern fälschlicher Weise als Selbstverständlichkeit wahrgenommen oder wohl eben deshalb nicht mehr registriert. Hinzu kommt, dass das allgemeine Bewusstsein im Alltag zunehmend durch ein medial vermitteltes und hochfrequent verstetigtes Angstgefühl bestimmt wird. So schien der Tod nach dem menschenverachtenden Dezember-Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit 12 Toten und 53 Verletzten zuletzt auf jeder öffentlichen Silvester-Party, in jeder U-Bahn und jedem Bus zu lauern. Eine irrationale Engführung, wenn man sich zum Beispiel vor Augen führt, dass in Deutschland allein im Oktober des vergangenen Jahres 311 Menschen Verkehrsunfällen zum Opfer fielen und weitere 33.200 zum Teil schwer verletzt wurden.

Zur Brechung unserer gesamtgesellschaftlichen Phobie bedarf es frischen Mutes: Auf Seiten der Medien als mächtiger „vierter Gewalt“ wäre in erster Linie eine mutige Rückbesinnung darauf notwendig, die Bevölkerung jenseits von Quotenüberlegungen in angemessenem Umfang und stets ausschließlich über geprüfte und überprüfbare Fakten zu informieren. Da dieser Schritt von unserer konkurrenzgetriebenen Medienwelt allerdings nicht zu erwarten ist, sollten wir Bürgerinnen und Bürger unabhängig von den auf uns einprasselnden medial vermittelten Wirklichkeiten den Mut und das Selbstbewusstsein aufbringen, Nachrichten zu hinterfragen und (wieder) selbst zu denken. Nicht nur, um unsere hochkomplexe Gegenwart besser zu erfassen und kausal zu verstehen, sondern vor allem, um aus dem jeweils gewonnen Lagebild verantwortbare Schlüsse für unser eigenes Tun oder Unterlassen ziehen zu können. Ob dies einer freiheitlich orientierten demokratischen Mehrheit gelingen wird, dürften die Wahlen zum Deutschen Bundestag schon bald zeigen.

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