Traktat über das Buch von Domenico Losurdo: „Von Hegel zu Hitler. Geschichte und Kritik eines Zerrbildes, Papyrossa, Köln 2015“

Karl Popper ist hauptsächlich einer breiteren Öffentlichkeit durch sein Werk The Open Society and Its Enemies (Die offene Gesellschaft und ihre Feinde) aus dem Jahre 1945 bekannt geworden. Darin analysierte Popper ausführlich die angeblichen totalitären Tendenzen in den Schriften von Platon, Marx und Hegel. Als positives Gegenbild zu diesen „geschlossenen Gesellschaften“ entwirft er eine „offene Gesellschaft“, die sich pluralistisch in einem fortwährenden Prozess evolutionär fortentwickeln sollte. Popper sah schon in Platon „den ersten großen politischen Ideologen, der in Klassen und Rassen dachte und Konzentrationslager vorschlug“.[1] Diese sehr freie Interpretation der platonischen Staatslehre ohne Berücksichtigung des historischen Kontextes brachte ihm viel Kritik ein.
In Hegel sah Popper ebenso wie in den anderen Vertretern des Deutschen Idealismus einen reaktionären Apologeten der preußischen Staatsmacht, dessen Philosophie ebenfalls totalitäre Systeme begünstigt habe. Mit seinem berühmten Satz „Was wirklich ist, ist vernünftig“, der als (verkürzter) Rechts- und Machtpositivismus interpretiert wurde, solle sich Hegel der preußischen Staatsmacht angebiedert haben und ihre Machtbasis ideologisch gefestigt haben. Popper startete den Versuch, Verbindungen dieses Denkens zu Zentralismus, Etatismus und letztlich Faschismus aufzuzeigen. Die geistesgeschichtlichen Wurzeln des letzteren sieht er vor allem in einer Kombination hegelianischer Geschichtsphilosophie mit Ernst Haeckels Konzeption, der die Thesen Charles Darwins zu einer speziellen Abstammungslehre ausbaute und als Wegbereiter der Eugenik und der „Rassenhygiene“ in Deutschland gilt.[2] Haeckel trug durch seine populären Schriften sehr zur Verbreitung des Darwinismus in Deutschland bei. Im Rahmen seiner Auseinandersetzungen mit der Übertragbarkeit rassischer Kategorien auf die gesellschaftliche Entwicklung des Menschen zählt Haeckel zu den entschiedenen Vertretern einer „eugenischen“ Sozialpolitik.[3]
Popper brachte das philosophische Fundament der faschistischen Ideologien des 20. Jahrhunderts auf die populistische Formel „Hegel plus Haeckel“[4][. Im Stile der Totalitarismustheorie kritisierte er auch die dialektische Methode, die Marx von Hegel übernommen hatte, sowie sein deterministisches Geschichtsbild, was letztlich ebenfalls zu einem „geschlossenen Weltbild“ führe. Die Veröffentlichung wirkte 1945 als politisches Signal für die Akzeptanz eines parlamentarisch-demokratischen Kapitalismus, der sich „geschlossenen Denkstrukturen und Ideologiekonstruktionen“ entgegenstellt. Obwohl weder der Nationalsozialismus noch der Stalinismus explizit genannt werden, wird deutlich, dass sich die Kritik gegen sie richtet. Dabei wird die Freund-Feind-Konstruktion im Sinne Carl Schmitts besonders hervorgehoben. Die „Guten“ sind die Anhänger eines liberalistischen Gesellschaftsmodells, das von rechten und linken Totalitarismen bedroht werden, also den „Bösen“. Popper entwirft das theoretische Modell einer offenen und pluralistischen Gesellschaft, in denen Wandlungsprozesse erwünscht scheinen und individualistisches Lebensstile garantiert werden.

Bild 1 siehe unten Karl Popper

Neben Popper gab es noch andere Wissenschaftler, die eine Kontinuitätslinie von Hegel zum „Dritten Reich“ behaupteten. Hubert Kiesewetter, Wirtschaftshistoriker aus Eichstätt, war stark von Poppers Sozialphilosophie und dem Kritischen Rationalismus geprägt. In seiner Dissertation über den Hegelianismus bei Ernst Topitsch in Heidelberg, die unter dem Titel „Von Hegel zu Hitler“ 1973 angenommen wurde, tauchen die alten Popperschen Argumente wieder auf. Die Arbeit wurde von der philosophischen Fachwelt weitgehend skeptisch bis ablehnend aufgenommen.[5] Alfred von Martin bezeichnete Hegel als „elitären Etatisten“, der sich „über jedes Naturrecht, jedes Völkerrecht, ja über alles Übernationale in Recht und Moral (…) hinweggesetzt habe.“[6] Für Paul Wilhelm Wenger führte „ein direkter Weg von Hegel und Kant zu den Blut- und Eisen Taktiken Bismarcks und schließlich zu Hitler.“[7]
Domenico Losurdo, der als Professor für Philosophie an der Universität Urbino lehrt und ist Mitglied der Partito dei Comunisti Italiani ist, geht es in seinem Buch nun um eine Revision dieses Zerrbildes. Losurdo wendet sich gegen Wissenschaftler wie Karl Popper, die eine Kontinuitätslinie von Hegel bis Hitler vertreten und rehabilitiert „den großen deutschen Philosophen“[8], der die Freiheit des Individuums hochgeschätzt hat. Er schafft es, die Vorwürfe gegen Hegel zu dekonstruieren und demaskiert sie als bloßen Mythos. Nach dem Ende des „Dritten Reiches“ entwickelte sich laut Losurdo „die Verurteilung Hegels, der für zu deutsch gehalten wird und damit definitionsmäßig dem Westen fernsteht zu einer regelrechten Orgie.“[9]
Poppers Hegelkritik wurzelt in den Ressentiments, die sich während des 1. Weltkrieges und der russischen Revolution 1917 herausgebildet haben: Hegelianismus und Marxismus als Feind von Poppers „offenen Gesellschaft“. Die Verfestigung des Hegel-Bildes nach dem 1. Weltkrieg lässt vor allem bei Popper gut feststellen. Hegel bleibt weiterhin die Verkörperung des etatistischen, militaristischen und kriegstreibenden Preußentums. Dieses Bild hat eine über die Philosophie hinaus in der Wissenschaft große Verbreitung erfahren.
Popper wirft Hegel indirekt vor, dass die Theorie des Hegelschülers Marx zur Herausbildung der Sowjetunion beigetragen hat. Somit fällt Hegel nicht nur die Verantwortung für die ideologische Herausbildung des „Dritten Reiches“ zu, sondern auch für die UdSSR Lenins.[10]
Losurdo sieht in Hegel einen Gegner des Militarismus und des Krieges an sich: „Es ist unleugbar, dass sowohl Kant als auch Hegel entschieden gegen die Militarisierung und der Verherrlichung des Krieges sind, die Berufung sowohl auf den einen als auch den anderen seitens der Kriegsphilosophie im Laufe des Ersten Weltkriegs ist daher entschieden abwegig und instrumentell.“[11]
Losurdo würdigt Hegel als Gegner des Sozialdarwinismus: „Die strengste Kritik am Sozialdarwinismus a la Gobineau wurde von Hegel geübt, indem er die Ausarbeitung der Kategorie Mensch als solche als großen Fortschritt verherrlicht, eine Kategorie, zu der jetzt auch die Sklaven gezählt werden, für die Menschenrechte ebenfalls Geltung haben.“[12] Dem Vorwurf Poppers, Hegel hätte eine neue Rechtfertigung der Sklaverei vertreten, entgegnet Losurdo: „In Wirklichkeit geht die Haltung Hegels genau in die entgegengesetzte Richtung. Nicht nur verurteilt er die Sklaverei, sondern greift sogar zu militanten Tönen bei dieser Verurteilung, die ihn dazu führte, die Revolte Spartakus‘ und seiner Sklaven zur Verteidigung der ‚ewigen Menschenrechte‘ zu verherrlichen.“[13]
Hegels Philosophie wurde von der Ideologie und der Propaganda der Nationalsozialisten vehement abgelehnt.[14] Dort finden sich keine Berufungen auf Hegel im positiven Sinne; Personen, die im Hegelschen Sinne argumentierten, wurden verfolgt und zum Schweigen genötigt.[15] Losurdo beruft sich auf den antidemokratischen Staatsrechtler Carl Schmitt, der das Ende der Philosophie Hegel mit der „Machtergreifung“ der NSDAP zusammenfallen ließ: „An diesem Tage (dem 30. Januar 1933) ist demnach, so kann man sagen, Hegel gestorben.“[16] Außerdem stellte der NSDAP-Ideologe Alfred Rosenberg fest, dass der Hegelsche Begriff des Staates als Konstruktion der allgemeinen Vernunft „auf dem Altar der Volkshaftigkeit und der Volksordnung geopfert“ wurde.[17] Dem Nationalsozialismus ging es darum, Hegels Staatsverständnis, die Verherrlichung der politischen Gemeinschaft als Ort der Verwirklichung der Universalität, zu bekämpfen. Diese Kulturpolitik des „Dritten Reiches“ ist der Hegelschen Vorstellung diametral entgegengesetzt. Die Komponente Volk/völkisch bildete eine zentrale Komponente der imperialistischen und rassistischen Ideologie, die Hegels Staatsauffassung entgegengesetzt war. Hegel war ein Gegner des Antisemitismus und Rassismus in seiner Epoche, die amerikanische Revolution wurde von ihm begrüßt.
Personen aus dem Widerstand gegen Hitler wie von Trott schöpften aus Philosophie Hegels Kraft für den ihre Handlungen.[18] Von Trott gehörte zum Kern der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg. In Zusammenarbeit mit Claus Graf Schenk von Stauffenberg war er an der Verschwörung vom 20. Juli 1944 beteiligt.

Bild 2 Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Die Hegelsche Verherrlichung des Staates und der politischen Gemeinschaft als Ort der Verwirklichung der Allgemeinheit der Vernunft und des Gesetzes wird von Popper unterschlagen: „Popper ist darum bemüht, als Vorläufer Hitlers gerade einen Autor abzustempeln, der dagegen etliche Motive einer unerbittlichen Kritik unterwirft, die dann, monströs weiterentwickelt, in der Nazi-Ideologie zusammenströmen.“[19]
Losurdo sieht den Chauvinismus als wesentlich für die ideologische Vorbereitung des Nationalsozialismus an: „Die Hegelsche ‚Staatsvergötterung‘ und Philosophie hat nicht nur gar nichts damit zu tun, sondern bildet (…) ein ernstes Hindernis für die fortschreitende chauvinistische und sozialdarwinistische Verseuchung, die dann in der Barbarei des Dritten Reiches endete.“[20]
Der italienische Philosoph und Politiker Lucio Colletti ging von Deutschland als einem ganz von einer ununterbrochen organizistischen Tradition durchdrungenem Land aus. In diese vielfarbige Tradition gehören, natürlich mit unterschiedlicher Bedeutung und auf unterschiedlichen Ebenen, Schiller und die klassische Dichtung, die Romantik, Hegel, Marx usw. bis zu Hitler.[21] In dieser Geschichte der deutschen Kultur zeige sich, dass das Land nicht in der Lage sei, die offene Gesellschaft zu akzeptieren. Coletti sieht dort eine organizistische Reaktion gegen den liberalen Individualismus, was Losurdo kritisiert: „Aber diese Art von Organizismus ist Hegel völlig fremd, der nicht nur die Stadt als Vorposten des Prozesses zur Verwirklichung der Freiheit sieht, sondern der auch die Universalität des Widerspruchs unterstreicht, der in allem Wirklichen, aber in erster Linie gerade in der geschichtlichen und politisch-sozialen Wirklichkeit gegenwärtig ist.“[22]
Laut Popper gibt es eine angebliche Kontinuität von den Befreiungskriegen über die Kriege des deutschen Imperialismus bis zum „Dritten Reich“. Hegel und seine historischen deutschnationalen Antagonisten wie Arndt, Jahn, Görres werden dabei als Vorläufer des Pangermanismus in einen Topf geworfen.[23] Losurdo sieht dagegen den Nationalsozialismus als den Abschluss einer Reaktionsbewegung, die nicht nur die Idee von Freiheit und Gleichheit, sondern auch die Auffassung der Geschichte als Fortschritt entschieden in Abrede stellt.

Bild 3
Domenico Losurdo

Die Vorstellung Poppers, Hegel sei als glühender Nationalist gegen Frankreich eingestellt gewesen, ist ein Zerrbild der Wirklichkeit. Ein zentrales Thema der Kulturpolitik Hegels lag darin, die klassische deutsche Philosophie als Pendant der französischen Revolution von 1789 zu entwickeln. Damit schlug Hegel laut Losurdo „eine (…) Brücke zwischen den beiden Kulturen“: „So bei Hegel, der von Deutschland und Frankreich als von den Ländern spricht, die mit der politischen Aktion oder mit der Philosophie mehr als alle anderen zur Formierung der modernen Welt und zum Vormarsch der Freiheit beigetragen haben.“[24]
Hegel hebt den großen historischen Fortschritt hervor, den die Ausbreitung des allgemeinen Begriffs Mensch im Verlauf eines langen und geschichtlichen Prozesses darstellt:„ Es ist als etwas Großes zu achten, daß der Mensch jetzt, weil er Mensch ist, als Recht haben zu müssen angesehen wird, so daß also sein Menschsein höher ist als sein Status“ [25] Hegel liefert damit eine universale Definition von Individuum und Mensch, die sich gegen jeglichen Rassismus und Chauvinismus richtet.
Auch Charles Taylor kritisierte Popper, mit der „Attitüde eines Popstars“ insbesondere Platon und Hegel verteufelt und dadurch eine Aufmerksamkeit erlangt zu haben, die der inhaltlichen Bedeutung seiner Gedanken in keiner Weise entsprechen.[26]
Unzweifelhaft geht es bei Hegels Lehre vom „objektiven Geist“ um die Verwirklichung der Freiheit.[27] Hegel zeigt auf, inwiefern diese inhaltlich bestimmte, vernünftige Freiheit in der Wirklichkeit zum Teil realisiert ist. Dazu gehört auch, dasjenige, was als vernünftig eingesehen wird, in Institutionen umzumodeln, die veränderbar sind. Diese bewusste Verfolgung gemeinschaftlicher Interessen in den Institutionen des Staates ist prinzipiell eine Erweiterung der Freiheit der Menschen. Dies bedeutet keine starre Institutionalisierung, sondern darin sind schon wandelbare Prozesse von vornherein angelegt.[28] Der Sphäre des objektiven Geist hinzugerechnet werden die historischen Formen des Rechts, der Moralität, der Sittlichkeit und des Staates, die von der individuell variierenden Sphäre des subjektiven Geistes abzugrenzen ist. Hegels Geschichtsphilosophie ist ein Anhang zur Lehre vom objektiven Geist. Dieser tritt in der menschlichen Gesellschaft in Form überindividueller, objektiver Gesetze auf.
Auf Grundlage des postmodernen Ansatzes der interkulturellen Philosophie, der eng mit den Veränderungen der Globalisierung verbunden ist, ist Hegel allerdings eine eurozentristische Betrachtungsweise vorzuwerfen. Unter Eurozentrismus versteht man die ideologische Beurteilung inner- und außereuropäischer Gesellschaften auf der Grundlage der von Europäern entwickelten Werte und Normen. Einer der Protagonisten der interkulturellen Philosophie, Ram Adhar Mall, charakterisiert den interkulturellen Ansatz wie folgt: Es werden überkommene „monokulturell zentrierte“, eurozentrisch einseitige „Bilder“ überwunden, auch bezüglich der Philosophiegeschichtsschreibung; an deren Stelle tritt eine Vielfalt philosophischer Kulturen, die potentiell je eigene Lösungsansätze für bestimmte Fragestellungen anbieten. Die Betrachtung und Beurteilung inner- und außereuropäischer Kulturkreise auf der Grundlage der ein Europa hegemonialen Werte sind zu beanstanden: „Interkulturelle Philosophie soll Stereotype der Selbst- und Fremdwahrnehmung kritisieren, Offenheit und Verständnis befördern und in gegenseitiger Aufklärung bestehen. Sie muss auch bereit sein, sich selbst und seine Kultur, Philosophie und Religion von außen sehen zu lernen.“[29] Interkulturelle Philosophie erhebt den Anspruch, von mehreren Ursprungsorten des Philosophierens auszugehen und ein Bewusstsein für die Pluralität in der Weltphilosophiegeschichte zu schaffen. Es wird daher vom dialogischen Prinzip der interkulturellen Denkform gesprochen.[30] Die europäische Philosophiegeschichte gilt demnach als kleinerer Ausschnitt, der lediglich Teil des größeren Ganzen der Weltphilosophie ist. Die Hinwendung zu den philosophischen Denkrichtungen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens sind Ausdruck dessen.
Hegel sah nur die europäische Philosophie als die Philosophie schlechthin an, obwohl er Kenntnis von der Existenz chinesischer, japanischer, indischer oder altägyptischer Philosophie besaß. Er sah in den „Vorlesungen zur Philosophie der Weltgeschichte“ zwar eine Vorgeschichte in China, Indien, Persien, Babylonien und Kleinasien, die aber als eigentliche Philosophie erst mit Homer oder den Vorsokratikern beginnt. Diese entfaltet sich dann im griechisch-römischen Mittelmeerraum und erreicht ihren Höhepunkt im Europa nördlich der Alpen.
Heinz Kimmerle, emeritierter Philosophieprofessor, kritisiert Hegel wegen seines eurozentrischen Ansatzes vehement. In den „geographischen Grundlagen der Weltgeschichte“ aus den „Vorlesungen zur Philosophie der Weltgeschichte“ mache Hegel wegen ihrer „geographischen Eigenart“ Asien mit Ausnahme von Teilen des heutigen Chinas und Indiens sowie Afrika mit der Ausnahme Ägyptens nicht zum Schauplatz der Weltgeschichte. Diese Gebiete könnten aus folgenden Gründen in der Weltgeschichte niemals eine Rolle spielen: „Da es nach Hegels Meinung bei diesen Gebieten um ein Übergewicht der ‚Talebene‘ bzw. des ‚Hochlandes‘ handelt, fehlt ihnen die Spannung einer Landschaft, die in Berg und Tal, Hochland und Flachland gegliedert ist, die vom Naturzusammenhang aus vorausgesetzt werden muss, damit sich dort Geschichte abspielen kann. Und die klimatischen Bedingungen großer Hitze widersprechen der Voraussetzung, dass ‚die gemäßigte Zone das Theater für das Schauspiel der Weltgeschichte‘ bieten muss.“[31]
Hegel sehe in Afrika zwar „Familiensittlichkeit“ und „Horden“, aber keine staatlichen Strukturen wie in Europa zu seiner Zeit. Da für ihn aber Weltgeschichte die Geschichte von Staaten darstellt, bleibt Afrika in seiner Definition von Weltgeschichte außen vor. Für ihn herrscht in Afrika „das Verhältnis des Despotismus; die äußere Gewalt bleibt selbst willkürlich.“ In seinen „Vorlesungen zur Philosophie der Religion“ gehören Afrika, die Eskimos und China zu „Religionen der (direkten und indirekten) Zauberei.“ Dort regieren „magische Praktiken sowie „der Fetischglaube, der sich an äußere Gegenstände heftet, die der Mensch zugleich in seiner Gewalt behält. Eine „Verehrung Gottes“ wie in europäischen Gesellschaften wäre dort nicht möglich genauso wie „die Anerkennung des allgemeinen Geistes im Gegensatze zu dem des Individuums.“[32]


[1]l Popper, K.: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 8. Auflage, Tübingen 2003, Einleitung, S. IX
[2] Weingart P./Kroll, J./Bayertz, K.: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, Frankfurt am Main 1992, S. 89f
[3][3] R. J. Richards: The Tragic Sense of Life: Ernst Haeckel and the Struggle over Evolutionary Thought. The Chicago2008, S. 327
[4] Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. II., a.a.O., 73f.
[5] Kiesewetter, H.: Von Hegel zu Hitler. Die politische Verwirklichung einer totalitären Machtstaatstheorie in Deutschland (1815-1945), Hamburg (Hoffmann und Campe Verlag) 1974; 2. völlig veränderte und erweiterte Auflage, Frankfurt am Main (Verlag Peter Lang) 1995.
[6] Von Martin, A.: Wegbereiter des deutschen Zusammenbruchs (Hegel, Nietzsche, Spengler), Recklinghausen 1948
[7] Der Spiegel 13/1959, S. 25
[8] Losurdo, D.: Von Hegel zu Hitler? Geschichte und Kritik eines Zerrbildes, Köln 2015,S. 14
[9] Ebd., S. 15
[10] Ebd., S. 140
[11] Ebd., S. 58
[12] Ebd., S. 147
[13] Ebd., S. 153
[14] Thamer, H.U.: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933-1945, Berlin 1986, S. 543
[15] Hilmer, B.: Scheinen des Begriffs. Hegels Logik der Kunst, Hamburg 2007, S. 84
[16] Schmitt, C.: Staat, Bewegung, Volk, Hamburg 1933, S. 32
[17] Bollmus, R.: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, Stuttgart 1970, S. 84
[18] Glaser, H.: Kleine deutsche Kulturgeschichte. Eine west-östliche Erzählung vom Kriegsende bis heute, Frankfurt/Main 2002, S. 74
[19] Losurdo, Von Hegel zu Hitler, a.a.O., S. 157
[20] Ebd., S. 130
[21] Coletti, L.: Hegel und der Marxismus, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1976
[22] Losurdo, Von Hegel zu Hitler?, a.a.O., S. 141
[23] Ebd., S. 163
[24] Ebd., S. 165
[25] Hoffmeister, J. (Hrsg.): Berliner Schriften, Hamburg 1956, S. 98)
[26] Taylor, C.: Overcoming Epistemology. Philosophical Arguments, Harvard 1995
[27] Störig, H.J.: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Frankfurt/Main 1992, S. 458f
[28] Vgl. dazu auch Binkelmann, C.: Theorie der praktischen Freiheit. Fichte-Hegel, Berlin 2007
[29] Mall, R.A.: Tradition und Rationalität, in Bickmann, C./Witz, M. u.a.(Hrsg.): Tradition und Traditionsbruch zwischen Skepsis und Dogmatik, Amsterdam/New York 2006, S. 30
[30] Hengst, D.P./von Barloewen, C. (Hsrg.): Kulturbegegnungen. Band I, Osnabrück 2003, S. 24
[31] www.galerie-inter.de/Kimmerle/Phil.Einf2.htm
[32] Zitiert aus Ebd.

Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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