Vor 850 Jahren gelangten die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln

„Caspar, Melchior, Palthasar, steht mir bey in allem meinem Thun und Lassen, Handel und Wandel, Gehen und Stehen es sey auf dem Wasser, oder Land, die wollen mich vor Kugel Feuer, Wasser, und alles, was dem Leib und der Seele schädlich ist, allzeit behüten und bewahren im Leben und im Sterben, mit ihrer starken und mächtigen Gnad (…).“ So lauten einige Zeilen um das Jahr 1800 aus dem „Dreykönigzettel oder Gebeth, so zu Cöln am Rhein in der Domkirche mit goldenen Buchstaben geschrieben und aufbewahret wird“. Angerührtzettel wurden diese Pilgerzeichen auch genannt, die über die Schädel der ersten Christuspilger gestrichen wurden und dem Pilger sozusagen als Nachweis für seine Wallfahrt dienten. Vielfältige Pilgerzeichen sind im Laufe der Zeit entstanden, seitdem die Gebeine jener Magier aus dem Morgenland, die dem Stern gefolgt waren, um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen (Mt, 2,1-2), nach Köln übertragen wurden.

Das war im Jahr 1164. Am 23. Juli brachte der damalige Kölner Erzbischof und Kanzler des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, Rainald von Dassel, die Reliquien nach einer beschwerlichen Reise von über 40 Tagen als ein Geschenk des Kaisers Friedrich Barbarossa nach der erfolgreichen Eroberung von Mailand mit. Der Rückkehr des Erzbischofs und seiner Kriegsbeute stürzte laut zeitgenössischen Quellen die gesamte Einwohnerschaft entgegen und geleitete ihn und die Gebeine mit Hymnen und Gesängen in den Dom. Doch dieser karolingische Dom, der laut des heute amtierenden Dompropsts Norbert Feldhoff sicherlich so etwas wie ein Unesco-Weltkulturerbe im XXL-Format wäre, war dem machtbewussten Erzbischof zu unbedeutend für ein Reliquiar solcher Qualität. Also wurde der Abriss des Domes sowie ein Neubau beschlossen – und so steht der heutige gotische Dom als Schrein für den Schrein mit den Heiligen Drei Königen, und folglich, so Feldhoff, „wäre Köln nicht das, was es heute ist“. Das weiß auch der aktuelle Oberbürgermeister Jürgen Roters und nahm daher selbstverständlich an der Eröffnungsfeier und Ausstellungseröffnung im Binnenchor des Kölner Wahrzeichens teil.

Von den zurückliegenden 850 Jahren seit der ,Translatio‘ erzählt diese beeindruckende Schau unter dem Titel „Caspar Melchior Balthasar – 850 Jahre Verehrung der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom“, die seit dem Wochenende im Dom sowie in der Schatzkammer gezeigt wird und den Auftakt zu den verschiedenen Feierlichkeiten dieses herausragenden Datums kölnischer Stadtgeschichte markiert. Dabei handelt es sich um ein Datum, das weit über die Region hinaus strahlt. Schließlich ist das Ereignis aus dem zwölften Jahrhundert auch aus kirchengeschichtlicher sowie kulturgeschichtlicher Sicht bis heute prägend, was die fulminante Ausstellung auch angemessen abbildet und in den unterschiedlichsten Aspekten würdigt und befragt. Warum wurde den Gebeinen der ersten Christus-Pilger nicht schon in Mailand jene Verehrung zuteil, wie sie seit ihrer Kölner Zeit erfuhren und bis heute erfahren? Wie kamen sie eigentlich nach Mailand? Wie oft sind die Drei Weisen noch innerhalb der Kölner Kathedrale umhergewandert (worden) und welche Orte der Verehrung gab es, bis sie ihren definitiven Platz gefunden haben? Welche Verbindungen gibt es zwischen dem berühmten goldenen Schrein des Nikolaus von Verdun und der Goldschmiedekunst des frühen 13. Jahrhunderts? Wie wurden Geschichten, Legenden und Verehrung der Begründer des Pilgerwesens in Kunstwerken und Literatur wiedergegeben? Welche Auswirkungen hatte die Aufbewahrung der Gebeine auf den wirtschaftlichen Aufschwung Kölns sowie auf die Stadt- und Reichspolitik?

Diesen und vielen weiteren Fragen und Aspekten geht die von Leonie Becks, Matthias Deml und Klaus Hardering unter Beteiligung fast aller Gewerke der Dombauhütte konzipierten Schau in drei Themenkomplexen nach. So geht es innerhalb des Doms in der Hubertuskapelle um den Verehrungsort der Heiligen vom Ende des 17. Jahrhundert bis weit ins 19. Jahrhundert, das barocke Dreikönigenmausoleum. Außerdem werden in der Kapelle anhand von ausgewählten Exponaten – auch mittels Kopfhörer – Geschichten über die Verehrung sowie Darstellungen in der Kunst thematisiert. Der dritte Schwerpunkt liegt in der Schatzkammer, wo der Dreikönigenschrein als bedeutendste Goldschmiedearbeit des Mittelalters sowie die Goldschmiedekunst des 13. Jahrhunderts im Mittelpunkt stehen. Gleichwohl stammt das wohl sensationellste Objekt dieses Bereichs aus einer ganz anderen Zeit: der Ptolemäer-Kameo aus dem Jahr 278 vor Christus.

Dieser Stein zeigt in seiner Gravur zwar den ägyptischen König Ptolemaios II. und seine Frau Arsinoe, wurde aber im Mittelalter aufgrund der Darstellung eines dritten Kopfes auf dem Nackenschild des Helmes als eine Darstellung der Heiligen Drei Könige interpretiert. Dieses erhabene Relief bildete bis 1574 den wertvollsten Schmuckstein des Dreikönigenschreins. Dann gelang es einem unbekannten Täter während der Morgenmesse den Stein und andere Kostbarkeiten vom Schrein abzubrechen. Später gelangte der Kameo in die kaiserlichen Sammlungen in Wien. Nun ist er 440 Jahre nach seiner gewaltsamen Entfernung wieder für die Dauer der Ausstellung in unmittelbarer Nähe seines angestammten Platzes, der Trapez-Platte, zu sehen. Diese Platte, die die Sicht auf das sogenannte Häupterbrett mit den gekrönten Reliquienschädeln der Heiligen Drei Könige verschließt, wurde für die Jubiläumsausstellung eigens abgenommen. So bekommen die Besucher aus nächster Nähe nun einen Blick auf die überaus kleinteilig und kunstfertig gestaltete Platte und ihre Goldschmiedebeschläge. Die stammen übrigens weitestgehend aus dem 18. Jahrhundert. An dieser Stelle sei die kürzlich erschienene dreibändige Arbeit der Kunsthistorikerin Dorothee Kemper (Die Goldschmiedearbeiten am Dreikönigenschrein, Verlag Kölner Dom) erwähnt, die auf 1400 Seiten in einer kriminalistischen Forschungsarbeit der Frage nachgeht: Was ist am Schrein eigentlich original?

Wenn im September die Domwallfahrt ansteht, wird es auch wieder die Möglichkeit geben, das bei mittelalterlichen Pilgerfahrten bekannte und seit 2006 wiederbelebte Pilgerzeichen zu ,erwerben‘: der Gang unter dem Schrein. Dahinter steht die Vorstellung, dass der Pilger dabei von den Gebeinen der Heiligen angerührt wird. Es wird in Köln und – so ist zu hoffen – weit darüber hinaus mit diesem Jubiläum die verschiedensten Möglichkeiten und Einladungen geben, sich von den ersten Christus-Pilgern anrühren zu lassen und auch über das eigene Unterwegs-Sein zu reflektieren. Im Pilgerlied, das erstmals 1998 erklang und rasch Eingang in das Liedgut der Messen im und um den Kölner Dom gefunden hat, heißt es dazu treffend: „Gottes Stern, zeige uns stets den Weg zum Leben. So machten sich die Weisen auf und folgten deinem Himmelslauf.“

Über Constantin Graf von Hoensbroech 74 Artikel
Constantin Graf von Hoensbroech absolvierte nach dem Studium ein Zeitungsvolontariat über das "Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses - ifp". Nach Stationen in kirchlichen Medien war er u. a. Chefredakteur von "20 Minuten Köln", Redaktionsleiter Rhein-Kreis-Neuss bei der "Westdeutschen Zeitung", Ressortleiter Online bei "Cicero" sowie stellvertretender Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer zu Köln. Seit März 2011 ist er Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation der Rheinland Raffinerie der Shell Deutschland Oil GmbH.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.