Wege aus der Euro- und Schuldenkrise – ein vbw Streitgespräch zwischen Martin Schulz und Manfred Weber

vbw Präsident Prof. Rodenstock: „Unsolide Haushaltspolitik Ursprung allen Übels“

(München, 01.02.2013). In einem Streitgespräch, zu dem die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. eingeladen hatte, diskutierten der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz MdEP (S&D) und der stellvertretende Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber MdEP, über Wege aus der Euro- und Schuldenkrise.

Schulz sagte: „Wir erleben gewiss die schwerste Krise seit der Gründung der EU. Und langsam begreifen wir auch, welchen Preis wir für diese Krise wirklich zahlen: Nach der Vernichtung von unvorstellbaren Vermögenswerten kristallisieren sich jetzt die langfristigen Folgewirkungen immer klarer heraus: Der Raubbau an der Realwirtschaft, das beschädigte Vertrauen in die demokratischen Institutionen, das löchrig gewordene soziale Gewebe und der geschwächte Zusammenhalt in Europa. Wenn es uns nicht bald gelingt, die Krise zu überwinden, wird Europa dauerhaft Schaden nehmen. Eine reine Sparpolitik, wie sie seit einigen Jahren betrieben wird, führt ganz offensichtlich nicht weiter. Der Wunsch nach einem Rückzug in die vermeintliche nationalstaatliche Idylle ist angesichts der Undurchschaubarkeit der gegenwärtig wirkenden Kräfte und Zusammenhänge verständlich. Aber es wäre gefährlich, sich dieser Illusion hinzugeben. Abschottung verspricht keine Lösung, im Gegenteil: Wir hängen existentiell voneinander ab. Ein Zurück in den angeblich so sicheren Schoß des Nationalstaates kann es nicht geben. Ganz im Gegenteil: Nur ein starkes, nur ein einiges Europa wird die Krise meistern können.“

Weber erklärte: „In der EU darf es kein ‚Weiter so‘ geben. Die Krise ist noch nicht überstanden. Europa darf bei den Reformen nicht nachlassen, sonst stehen wir schnell wieder am Abgrund. Das gilt für alle Mitgliedsstaaten, auch für Deutschland. Dies gilt aber auch für die europäische Ebene. Das verlorene Vertrauen muss neu erarbeitet werden. Die Verantwortlichen für die Krise müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Dies heißt konkret, dass der Finanzsektor einen finanziellen Beitrag leisten muss, beispielsweise über eine Finanzmarktsteuer. Klar ist auch: Vereinbarte Spielregeln müssen endlich gelten und durchgesetzt werden. Die EU-Institutionen brauchen dazu mehr Durchgriffsrechte. Die unverbindliche Zusammenarbeit zwischen den Nationalstaaten ist weitgehend gescheitert und eine der Ursachen für die Krise. Die Intransparenz muss ein Ende haben. Die Bürger müssen auch endlich zuordnen können, wer für was in Europa Verantwortung trägt. Dies bedeutet: Raus aus den Hinterzimmern der Bürokraten und rein in die Parlamente. Die Abgeordneten können gewählt und abgewählt werden.“

vbw Präsident Prof. Randolf Rodenstock, der das Streitgespräch moderierte, wandte sich gegen den Begriff „Euro-Krise“: „Der Kern der Problematik liegt an anderer Stelle: nämlich in der übermäßigen Verschuldung sowie in dem chronischen Leistungsbilanzdefizit mehrerer Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion.“ Laut Rodenstock muss daher an der mangelhaften Wirtschafts- und Finanzpolitik einzelner Euro-Mitgliedsstaaten angesetzt werden: „Hier liegt das Grundübel. Seit vielen Jahren wurde vielfach – auch von Deutschland – gegen die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts verstoßen. Eine unsolide Haushaltspolitik führt zu einer immer weiter steigenden Staatsverschuldung. Damit muss Schluss sein.“

Rodenstock ist überzeugt, dass Deutschland seiner Vorbildrolle in Europa nur gerecht werden kann, wenn es selbst ordnungspolitisch auf Kurs bleibt. „Wir müssen alle Weichen auf Wachstum stellen. Das heißt: mehr in Infrastruktur investieren, die Lohnfindung – auch im Niedriglohnsektor – den Tarifpartnern überlassen, die Gesundheits- und Pflegeversicherung auf mehr Wettbewerb und Transparenz ausrichten und schließlich mehr Geld in Bildung stecken. Denn eine gute Bildungspolitik ist die beste Sozialpolitik.“

Rodenstock rief dazu auf, den Euro zu stärken: „Gerade die Erfolge Bayerns sind eng mit dem Euro verknüpft. Jedes Jahr exportieren bayerische Firmen Waren im Wert von über 50 Milliarden Euro in die Länder der Eurozone. Der Euro ist sowohl im inner- als auch im außereuropäischen Wirtschaftsverkehr eine verlässliche Basis für die Unternehmen. Wir müssen alles dafür tun, dass dies so bleibt.“

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