Wenn die Chefin spricht, kann der Bewerber nur nicken: Merkel contra Schulz

Tischfußball, Foto: Stefan Groß

Heute in drei Wochen ist alles vorbei, jedenfalls der Wahlkampf. Dann geht’s machtpolitisch aber erst richtig los – bei den Koalitionsverhandlungen. Dann wird niemand mehr vom TV-Duell reden. Dabei hängen Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen eng zusammen: Das sogenannte Duell am Sonntagabend war der Auftakt für Gespräche über eine Verlängerung der Großen Koalition. Das könnten nur noch die Wähler verhindern. Aber danach sieht es nicht aus.

Die Medien hatten die Diskussion zwischen Angela Merkel und Martin Schulz zur Entscheidungsschlacht hochgejubelt. Was sie natürlich gar nicht sein konnte. Konnte man wirklich erwarten, dass sich der Herausforderer von allem distanziert, was seine SPD zusammen mit der CDU/CSU in Berlin und anderswo ausgehandelt und umgesetzt hat? Nicht wirklich.

Abgehobene Kritik an Themenauswahl

In den Medien wird heftig kritisiert, in den ersten 45 Minuten des Duells sei fast ausschließlich über Flüchtlinge und Integration gesprochen worden sei. Tenor: Hier habe die AfD das Thema diktiert. Was aber nur die Abgehobenheit der meisten Journalisten zeigt. Im aktuellen „Politbarometer“ nennen 49 Prozent der Befragten das Thema Flüchtlinge und Integration als drängendstes Problem. Erst weit dahinter folgen Rente und Bildung (jeweils 17 Prozent) und soziale Gerechtigkeit (13 Prozent). Der Vorwurf der medialen Elite lautet demnach: Es wurde am meisten darüber diskutiert, was die meisten Wähler am meisten interessiert. Darauf muss man erst einmal kommen.

In der Flüchtlingsfrage konnte es allerdings keine echte Kontroverse geben. Hatten doch Union und SPD gemeinsam im Herbst 2015 die Politik der offenen Tür praktiziert und den damit verbundenen Kontrollverlust hingenommen. Freilich ist Schulz für eine Beendigung der Vereinbarung zwischen EU und Ankara, wonach die Türkei Flüchtlinge davon abhält, durch die Ägäis nach Griechenland zu kommen. Merkel fragte lieber nicht nach, was die Wiedereröffnung dieser EU-Außengrenze bedeuten würde. Es hätte zu sehr an die unkontrollierte Öffnung unserer Grenzen 2015/16 erinnert.

Schulz zwei Mal in der Offensive

Schulz war der Aggressivere, musste er auch sein. Aber seine eher zaghaften Attacken verpufften, weil die Kanzlerin sie einfach abprallen ließ. Und im Zweifelsfall ihn süffisant daran erinnerte, dass sie dieses und jenes mit dem Außenminister und SPD-Genossen Gabriel ja abgesprochen habe.

Zwei Mal brachte Schulz die Kanzlerin in die Defensive: bei der „Rente mit 70“ und mit der Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Zweimal ließ Merkel ihn ins Leere laufen. „Rente mit 70“ – das wird es laut Merkel mit der CDU aber nicht geben, obwohl alle Rentenexperten ihrer eigenen Partei für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit plädieren. Plötzlich war auch Merkel dafür, die Gespräche mit Ankara über einen EU-Beitritt faktisch zu beenden. Da zeigte sich Merkels größte Stärke oder Schwäche: Sie räumt politische Positionen aus Gründen der Opportunität schneller, als der Beobachter mitschreiben kann. Da blieb Schulz nur noch der hämische Hinweis, vor der letzten Wahl habe Merkel auch die Maut ausgeschlossen, und jetzt komme sie doch. Da hatte er einen Punkt.

Merkel bleibt vorne

Je nach Blitzumfrage gewann Merkel die Debatte deutlich (ARD) oder knapp (ZDF). Schulz hat in der „Kanzlerfrage“ etwas aufgeholt, aber keinen großen Schritt nach vorn gemacht. Wie sollte er auch? Wenn Merkel – ganz Staatsfrau – ihm und dem Publikum erklärte, worüber sie mit den Großen der Welt gerade verhandelt habe und ihre imposante Telefonliste der nächsten Tage aufblätterte, konnte der Herausforderer nur andächtig mit dem Kopf nicken. Da wollte der Bewerber bei seiner künftigen Chefin punkten – der künftige Außenminister bei der ewigen Kanzlerin.

In den nächsten Tagen werden die beiden großen Parteien alles daran setzen, ihre Frau und ihren Mann als den großen Duell-Sieger zu portraitieren. Die SPD – auf Wahlkampf-Pannen spezialisiert – hatte die entsprechende Jubel-Meldung bereits in der Nacht zum Sonntag per Internet verbreiten lassen – 20 Stunden vor dem Duell. Auch Martin Schulz hatte sich für sein Schlusswort etwas Besonderes ausgesucht, brachte es dann schon vorher und gab auch noch zu, dass er damit den Schlussakkord vermasselt hatte. Es ging um das Zitat eines islamischen Sufi-Mystikers: „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ Was der Kandidat uns damit sagen wollte? Er weiß es wohl selbst nicht.

Eitle Moderatoren

Das Peinlichste an der ganzen Veranstaltung war, wie wichtig sich die vier Moderatoren nahmen. Am Freitag gaben sie eine Pressekonferenz, als wären sie die Hauptpersonen und die Kandidaten die Statisten. Und am Sonntagabend kam Sandra Maischberger, die beim Duell die ARD vertreten hatte, anschließend in die Talkrunde von Anne Will, um sich selber zu kommentieren. Da merkt man, wie sehr die Öffentlich-Rechtlichen um sich selbst kreisen. Warum dann nicht gleich ein ganz anderes Duell – mit sechs Moderatoren und null Politikern?

Merke: Entscheidend ist auf’m Platz

Quelle: Tichys Einblick

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