Wer war eigentlich Kaiser Augustus?

Antike Reste, Griechenland, Foto: Stefan Groß

Augustus war der erste Kaiser des römischen Reiches. Allerdings nannte er sich gar nicht Kaiser, denn formal gab es zunächst weiter eine Republik. Geboren wurde er als Gaius Octavius im Jahre 63 v. Chr., bevor er später Augustus genannt wurde. Cäsar förderte seinen Großneffen und adoptierte ihn schließlich. Nach Cäsars Tod baute Octavian seine Macht weiter aus und bildete mit Marcus Antonius und Marcus Aemilius Lepidus ein Triumvirat. Zusammen mit Marcus Antonius besiegte er Cäsars Mörder. Nach einigen Jahren nahm der Kampf um die Alleinherrschaft unter Marcus Antonius und Octavian zu. Nach bitteren Machtkämpfen konnte Octavian diese schließlich für sich entscheiden. So wurde er zum alleinigen Herrscher in Rom. Er begründete die julisch-claudische erste Kaiserdynastie Roms. Ihr gehörten nach Augustus die Kaiser Tiberius, Caligula, Claudius und Nero an. Augustus‘ Herrschaft bedeutete Frieden im römischen Reich (Pax Augusta), was aber ein erzwungener Friede unter dem Alleinherrscher Augustus, der jede Opposition im Zweifelfall blutig unterdrückte.[1]

Zu einem Kennzeichen der Herrschaft des Augustus wurde eine Rückbesinnung auf althergebrachte Sitte und Moral. Im Jahr 19 v. Chr. ließ sich Augustus vom Senat die cura morum, die Sittenaufsicht übertragen. Im Jahr darauf ließ er in den Leges Iuliae etwa die Strafvorschriften für Ehebruch verschärfen und eine allgemeine Pflicht zur Ehe einführen.[2]

John Williams (1922-1985) lehrte englische Literatur an der University of Missouri. 1963 gab er die Anthologie English Renaissance Poetry heraus. Sein dritter Roman Stoner hat Leben und Karriere eines Professors für englische Literatur an der University of Missouri zum Thema und erschien zwei Jahre später. Er war der Gründer der renommierten Literaturzeitschrift Denver Quarterly, die er von 1965 bis 1970 herausgab.

Augustus ist ein biographisch- historischer Briefroman über den Aufstieg des jungen Octavius zum Augustus, dem ersten Kaiser des römischen Reichs. Der erste Alleinherrscher im römischen Reich wird als Mensch dargestellt, allerdings ähnelt es eher eines Heldenepos eines Tyrannen, der mit Andersdenkenden nicht zimperlich umging und für eine imperialistische Unterdrückungspolitik anderer Länder steht. Eine kritischere Behandlung des Menschen Augustus‘ wäre wünschenswert gewesen.

In dem Briefroman bleibt Augustus trotz anderer Nebenhandlungen die Zentralfigur. Williams zeichnet er das Porträt eines Mannes, der in jungen Jahren die Welt verbessern wollte, aber dann sich in einen machiavellistischen Machtmenschen verwandelt, was natürlich auch mit den gesellschaftlichen Umständen zu erklären ist. Ein historischer Stoff wird spannend dargeboten mitsamt einem Versuch eines Tiefganges.

Der Briefroman Augustus ist aufgemacht wie ein klassisches Drama. Er beginnt mit einem Prolog, es folgen drei Bücher, und er endet mit einem Epilog. Die drei Bücher setzen sich aus Briefen verschiedener Korrespondenten zusammen und sind ergänzt durch unterschiedlich lange Auszüge aus Memoiren und Tagebuchnotizen, durch anonyme Briefe, Senatsprotokolle, Flugblätter und Militärbefehle, die bis auf wenige Ausnahmen fiktiv sind. Erst mit zunehmender Zahl der Textteile ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild, was den Roman spannend und unterhaltsam macht.

Das erste Buch behandelt die Machtnachfolge nach dem Mord an Caesar, die offenen Kämpfe, die Intrigen und Schachzüge der Bewerber. Es umfasst die politische Geschichte von der Ermordung Caesars bis zur Niederlage von Marcus Antonius bei Actium.

Im zweiten Buchs geht es im Wesentlichen um das Verhältnis zwischen Augustus und seiner einzigen Tochter Julia, die immer Spielball der väterlichen Macht- und Dynastiepolitik war, Affären mit wechselnden Liebhabern brachte ihr schließlich die Verbannung durch ihren Vater ein. Neben der Auseinandersetzung mit seiner Tochter geht es um seine Beziehungen zu intellektuellen Kreisen der Dichtung, Philosophie und Politik und deren Korrespondenz über verschiedene Themen.

Im dritten Buch denkt Augustus über sein Leben nach, eine Woche vor seinem Tod. In einem persönlichen Brief von Augustus an Nikolaus von Damaskus wo er sein Lebenswerk, die Errichtung des römischen Imperiums, mit dem Werk des Dichters Vergil vergleicht, der wie er auch die Welt verändern wollte. In seiner Sicht hinterlässt zwar ein befriedetes Reich, denkt aber, dass diese Verhältnisse nicht lange Bestand haben werden. Kurz vor seinem Tod gab es Frieden im römischen Reich, eine Justizreform sollte für Rechtssicherheit sorgen. Trotz dieser Verbesserungen beklagt er den Verlust der alten römischen Tugenden, was die Erinnerung an seine Herrschaft mindert. In diesem Fazit unterschlägt jedoch Williams die römischen Realitäten. Die Pax Augusta war ein erzwungener Friede unter dem Alleinherrscher Augustus, der auf Gewalt, Mord und Unterdrückung beruhte.

Der 1973 geschriebene Roman wurde zusammen mit dem Roman Chimera von John Barth mit dem National Book Award für Belletristik ausgezeichnet; das erste Mal, dass dieser Preis an zwei Autoren gleichzeitig vergeben wurde.

In der „Zeit“ wird Williams für die Wahl dieses historischen Stoffes, für die gelungene Komposition, vor allem aber für die ungewöhnliche Form dieses Romans gefeiert. Augustus spreche über „ewige Probleme (…) den Preis historischer Größe, die Einsamkeit und Melancholie der Macht, den eigentümlichen Willen, sein Schicksal zu erkennen und dieses als dessen Werkzeug zu vollstrecken. All das passiert in einem klaren, reduzierten existenzialistischen Sound“.[3]

Das ist jedoch nur schwer nachzuvollziehen. Die entscheidende Frage des Romans, was den Menschen ausmacht, wird in einer oberflächlichen Anthropologie beantwortet. Die Fragen nach dem ethisch richtigen oder guten Leben, nach dem Sinn des Lebens überhaupt, nach dem Stellenwert von Egoismus und Altruismus, nach sozialen Anpassungszwängen und individuellen freien Willen werden nicht ausreichend angerissen, wenn der Roman einen tiefergehenden Charakter beanspruchen will.

Insgesamt gesehen hebt sich das Werk von anderen historischen Romanen oder Krimis im inhaltlichen Aufbau und in der Spannung deutlich ab. Ohne historische Vorkenntnisse ist es allerdings schwierig, dem Inhalt zu folgen. Die Frage nach dem Wesen des Menschen vor allem im dritten Kapitel bleibt etwas an der Oberfläche. Für historisch und kulturell Interessierte ist dieser Roman trotzdem zu empfehlen.

 

[1] Bleicken, J.: Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches, Band 1, 3. Auflage, Paderborn u.a. 1989, S. 22ff, siehe auch Kienast, D.: Augustus. Prinzeps und Monarch. 4., aktualisierte Auflage, Darmstadt 2009, Papst, A.;: Kaiser Augustus. Neugestalter Roms, Stuttgart 2014

[2] Schlange-Schöningen, H.: Augustus, Darmstadt 2005, S. 47

[3] http://www.zeit.de/2016/46/augustus-roman-john-williams

 

Rezension von des Buches von John Williams: Augustus, dtv-Verlag, München 2016 (übersetzt von Bernhard Robben), 24 Euro

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Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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