Wie der Kronprinz 1914 erschossen wurde – Ludwig Winders Roman über Franz Ferdinand

Ludwig Winder, Sohn jüdischer Eltern, wurde am 7. Februar 1889 in Schaffa, einem Ort bei Znaim in Südmähren, geboren und veröffentlichte 1907 seinen ersten Gedichtband,. Nach dem Abitur wurde er Journalist, gehörte dem „Prager Kreis“ deutschsprachiger Schriftsteller an und schrieb zwischen 1915 und 1938 über 2500 Beiträge für die deutschsprachige Tageszeitung „Bohemia“. Er wurde 1934 in Prag mit dem „Staatspreis der Tschechoslowakischen Republik für deutsche Literatur“ ausgezeichnet, während 1937 sein Roman „Der Thronfolger“ in Österreich verboten wurde.
Ludwig Winder, Verfasser mehrerer Romane wie „Die jüdische Orgel“ (1922) und „Der Kammerdiener“ (1943), floh nach dem Einmarsch deutscher Truppen 1939 mit Frau und älterer Tochter über Polen und Skandinavien nach England, wo er am 16. Juni 1946 in Baldock bei London starb. Seine jüngere Tochter, die auf eigenen Wunsch in Prag zurückgeblieben war, starb noch 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Jetzt, 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs, ist der Roman „Der Thronfolger“ (1937) noch einmal im Wiener Zsolnay-Verlag erschienen, 575 Seiten stark und zum Preis von 26. 00 Euro. Erzherzog Franz Ferdinand von Habsburg (1863-1914), der nach dem Ableben seines Onkels Franz Joseph I.(1830-1916) Kaiser von Österreich hätte werden sollen, war im Volk nicht beliebt und in seiner adeligen Verwandtschaft wegen seiner nicht standesgemäßen Ehe mit der tschechischen Gräfin Sophie von Chotek (1868-1914) schlecht angesehen. Für das Verbot des Romans 1937 in Österreich war sicher auch das Romanende verantwortlich: Nicht die Bestattung des Kaiserneffen wird geschildert, sondern die des serbischen Attentäters Gavrilo Princip (1894-1918), der in Sarajewo erschossen wurde. Das kundige Nachwort wurde von dem Wiener Journalisten Ulrich Weinzierl verfasst.

Ludwig Winder „Der Thronfolger. Ein Franz-Ferdinand-Roman“, Zsolnay-Verlag, Wien 2014, 575 Seiten, 26.00 Euro

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Über Jörg Bernhard Bilke 251 Artikel
Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.

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