Wie man sich das Sparen spart

Es muss ein anderes Volk gewesen sein, dessen Mund einmal so überging: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Das Eichhörnchen war deutsches Nationalsymbol. Es sparte sich vom (Volks-)Mund ab, was es besaß, um zu besitzen, wenn die Zeiten schlimmer werden. Heute macht Deutschland sich als Sparkommissar Europas unbeliebt. Allein das Sparen, das sie meinen, die Merkelmannen, hat mit dem Eichhörnchen von ehedem nichts gemein. Das neue Wappentier der BRD ist die kleine Raupe Nimmersatt und manchmal Pu, der Bär, mit den Tatzenhänden tief im Honigtopf. Er schaut kurz auf, hält inne und schmatzt fröhlich weiter.
Ein Bedeutungsschwund ist zu verzeichnen, eine Einbuße an Differenzierungsfähigkeit, ein Weniger vom Anderen. Dass nämlich, wer spart, einen Teil seiner Habe dem Verbrauch entzieht, ist aus der politischen Erfahrungs- und Vorstellungswelt geschwunden. Im persönlichen Haushalt, hören wir, neige der deutsche Michel noch hie und da dazu, sich etwas auf die hohe Kante zu legen, Konsumverzicht zu üben zugunsten der Tage (und Generationen), die kommen mögen.
Der Staatshaushalt will davon nichts wissen, in ganz EU-Europa. Was dort Sparen heißt, meint nichts anderes, als geliehenes Geld noch länger zu behalten und noch mehr davon anzuhäufen und lediglich das Wachstum dieses fremden Geldes einzudämmen sich vorzunehmen. Sparen ist ein Schuldenzuwachsabnahmeversprechen.
Einer derart drastischen Reduzierung der Begriffsvielfalt entspricht eine ebenso enorme Blödsinnsakkumulation. Finanzminister Wolfgang Schäuble darf sich freuen über sprudelnde Staatseinnahmen. Statt diese zum Schuldenabbau zu verwenden, wird lediglich eine Drosselung der Zunahme der Neuverschuldung lediglich versprochen. Das heißt: Im Jahr 2012 will man sich 35 Milliarden Euro borgen, weit über Plan. Dann aber, 2013, soll die Neuverschuldung auf schlanke 20 Milliarden Euro sinken. Soviel Chuzpe nennt man trotzig Sparen.
Vollends gebeutelte Volkswirtschaften wie jene Spaniens oder Griechenlands sollen, heißt es streng aus Schuldenmeisters Mund, ihre Sparanstrengungen ebenfalls verstärken. Die Merkelmannen sagen Sparen und appellieren an den nackten Mann, die Kleider, die er nicht hat, länger abzuschreiben. Sparen ist, so verstanden, die bloße Aussicht auf sinkende Zuwächse bei der Zunahme der Neuverschuldung. ESM und EFSM machen es möglich.
Ohne allgemeine Folgen wird die begriffliche Engführung des Sparens nicht bleiben. Die Schuldenwirtschaft wird zum Normalfall, der Kredit zur Währung, die Zukunft eine Fata Morgana. Irgendwann, ja irgendwann kommt alles ins Lot: So geht bald schon der Refrain der Staatsbürger von Mund zu Mund. Hoch die Tassen, nach uns die Sintflut, Apokalypse war gestern. Wir fallen aufwärts und ertrinken im Unernst. Message understood.

www.alexander-kissler.de

Finanzen

Über Kissler Alexander 21 Artikel
Dr. Alexander Kissler, geboren 1969, arbeitet im Feuilleton der "Süddeutschen Zeitung". Kissler schrieb Bücher über Benedikt XVI., über Rudolf Borchardt, über Klonen und neue Technik, über Religion und Vernunft. Zuletzt erschien "Dummgeglotzt, Wie das Fernsehen uns verblödet" Kissler hat für alle großen Sendeanstalten gearbeitet, derzeit schreibt er u.a. für das politische Magazin "Cicero".

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