„Wie wir uns vom Unsinn befreien“

Rebekka Reinhard, „Die Sinn-Diät, Warum wir schon alles haben, was wir brauchen – Philosophische Rezepte für ein erfülltes Leben“, Ludwig Verlag München, München 2009, ISBN: 978-3-453-28008-3

Manchmal glaubt der philosophische Interessierte, es könne nicht schlimmer kommen, als es ihm mit der unphilosophischen Lektüre eines Richard David Precht schon zuteil wurde. Precht kann schreiben soviel er will, er mag die Leser selbst ermüden. Nur: Ihn als den Medienstar der Philosophie durch alle prominenten Fernsehprogramme zu jagen, ihn derart als Popart-Philosoph zu stilisieren, dies spricht weder für die intellektuellen Programmredakteure noch für die Vielzahl von Journalisten, die sich mit derartiger Seichtigkeit und oberflächlichem Wissen schmücken. Wenn die Medien derartig auf diese Schalheit reinfallen, dann ist tatsächlich die deutsche Kultur an ihr Ende gekommen, dann ist die Philosophie, die verantwortungsvoll vermittelt, immer noch einiges zu sagen hat, blamiert. Blamiert nicht durch die vielen, leider oft ungehörten exzellenten Denker, die sich um Allgemeinverständlichkeit und Lesbarkeit mühen, sondern durch einen medialen Diskurs, der unter Niveau verläuft.
Wie das Buch von Dawkins vor Jahren eine heftig kontrovers Debatte auslöste, die in ihrem Sog eine fast unübersehbare Flut von Publikationen zum Thema Philosophie und Theologie auf den Markt warf, so zeichnet sich in der Precht-Nachfolge nun Ähnliches ab – doch vom intellektuellen Niveau Lichtjahre entfernt.
Bestes Beispiel für eine derartige Nachfolge ist das 2009 erschienene Buch „Die Sinn-Diät, Warum wir schon alles haben, was wir brauchen – Philosophische Rezepte für ein erfülltes Leben“ von Rebekka Reinhard aus München.
Die Autorin, 37, hat Philosophie, Amerikanistik und Italianistik studiert, promovierte sich mit einer ansprechenden Arbeit über die amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie, die im renommierten Wilhelm Fink Verlag erschien, und für die sie das Qualitätsprädikat summa cum laude erhielt. Derzeit arbeitet sie als philosophische Beraterin in ihrer eigenen philosophischen Praxis. „Die Sinn-Diät“ ist ihre zweite größere Publikation, von der einstigen Intellektualität ist leider in dieser Publikation nichts mehr zu spüren.
Begibt man sich in die Textlektüre, im Anhang ist ein Selbsttest von 100 Punkten beigefügt, der dann grob entschlüsselt wird, so sehnt man sich doch wieder nach einem verkappten Precht-Text, denn hier findet sich wenigstens die Spur der Spur der Spur der Philosophie, während Frau Reinhard ein reines Un-Sinn-Buch mit heroischer Gelassenheit vorlegt, was sogar durch den sonst so bedachtvoll agierenden und überaus ansprechenden Sender Bayern Alpha zur besten Sendezeit beworben wird.
Schade, daß Amazon das Geld für dieses Buch nicht zurück erstattet. Aus den Augen des wohlwollenden Lesers ist die „Sinn-Diät“ tatsächlich eine Diät von Sinn, also Schwachsinn. Aber: Bei der derzeitigen Lage der intellektuellen Kultur hat dieses Buch gute Chancen auf die Bestsellerlisten zu gelangen.
Auch sollte man den Untertitel abwandeln. Es hieße doch besser: Warum wir schon alles haben, was wir nicht brauchen, und: „Rezepte für ein erfülltes Leben“ sind wirklich nicht mehr, als in diesem philosophischen Kochbuch aufgefahren werden. Man mag den Klienten von Frau Reinhard wünschen, daß sie eine bessere Pädagogin ist.

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