Alexander Gauland tut seiner Partei keinen Gefallen

In der AfD tobt ein Grabenkampf zwischen Frauke Petry und Alexander Gauland. Während Petry die Partei aus der rechten Schmuddelecke herausführen will, versetzt Alexander Gauland seiner eigenen Partei einen Dolchstoß nach dem anderen. Petry kann sich nur noch um Schadenbegrenzung kümmern. Doch Gauland ist ihr beim In-Fettnäppchen-Treten derzeit immer einen Schritt voraus. Immer wieder polarisiert das ehemalige CDU-Mitglied mit Parolen, die selbst AfD-Anhänger und Sympathisanten nicht goutieren können. Spätestens dann, wenn Gauland gegen die Deutsche Fußballmannschaft wetterte und diese als undeutsch kategorisierte und von einer Elf aus dem Jahr 1954 träumte, verprellte er nicht nur kurz vor der Fußball-EM die Wählerschaft. Auch mit seiner fremdenfeindlichen Äußerung in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) hatte er sich noch weniger Freunde gemacht. Seine verbale Entgleisung zeigte Wirkung und ließ die AfD – sonst auf Erfolgskurs – in der Wählergunst sinken. Seitdem wünscht sich ganz Deutschland Fußballstar Jérôme Boateng zum Nachbarn, während mit dem AfD-Vize nicht einmal mehr Nachbars senile Katze spielen will.

Gauland ist der Meister der Inszenierung


Gauland ist die neue Böhmermann-Affäre, nur schlimmer. Schlaglichtartig hatte er mit seiner Äußerung gegen Boateng für Aufsehen gesorgt: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Selten hatte ein einzelner Satz in den letzten Wochen eine derartige Dramaturgie und schuf sich seine eigene Regie. Aber mit Fußballeridolen scherzt man nicht und macht sie auch nicht zur Zielscheibe rassistischer Polemik. Was man über Politiker hierzulande kritisch – wie „Kanzlerin-Diktatorin“ beispielsweise – äußern kann, gilt für Fußballstars eben nicht, hier sind die Deutschen sensibler. Kritik am Fußball bleibt die Achillesferse, selbst wenn Hooligans außerhalb des Stadions mit blinder Hetze Jagd auf Ausländer machen, auf dem Spielfeld zumindest sind diese heilig.


Um diese Speziallogik der eingeschworenen Fußballnation hätte selbst Alexander Gauland, Deutschlands konservativer Unruhe-Geist im englischen Tweet und graue Eminenz der AfD, wissen müssen. Nach seiner ersten verbalen Entgleisung scheint Gauland aber erst richtig in Fahrt gekommen zu sein. Eine skandalträchtige Aussage folgte auf die andere. Ob er den Rechtpopulisten Björn Höcke oder NDP-Parolen zitierte, ob er den Parteien im Bundestag vorwarf, dass diese „eine Politik der menschlichen Überflutung“ vertreten, ob es sich um seine Aussage handelte, das „deutsche Volk allmählich […] durch eine aus allen Teilen dieser Erde herbeikommende Bevölkerung“ zu ersetzen. Gauland ist jedes Mittel medialer Inszenierung recht. Doch je mehr er verbal aufrüstet, je mehr er mit der rechten Keule Propaganda macht, desto unsympathischer wird und wirkt er. Der Intellektuelle, so scheint es, ist auf Schnäppchenjagd was Tonfall und Aussagen betrifft. Doch so billig kaufen die Deutschen dann nicht ein, selbst wenn viele Bundesbürger, gerade aus dem bürgerlichen Lager oder bei den grünen Gutmenschen, sich insgeheim dagegen wehren, ihre Kinder in Schulen zu schicken, wo die Migrationsdichte besonders groß ist und wo man nach wie vor in Gegenden zieht, wo die Klingelschilder goldglänzend einheimische Nachnamen tragen. Dennoch sind blanker Rassismus und billiger Populismus à la Höcke und Gauland im Deutschland des Jahres 2016 eben nicht hoffähig. Möge es so bleiben. Und Alexander Gauland tut sein Bestes dafür. Die beste Waffe gegen die AfD ist derzeit der Partei-Vize selbst.



Mit Worten lässt sich trefflich streiten


Dass sich mit Sprache wunderbar Politik machen läßt, ist nicht neu. 2005 hatte der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering Finanzinvestoren in einem Interview mit „Heuschrecken“ verglichen, und der 2016 verstorbene Guido Westerwelle entzündete als Außenminister eine Debatte über Hartz-IV-Empfänger. Legendär dabei der Satz: „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein. An einem solchen Denken kann Deutschland scheitern.“


Wie man mit geschickter Inszenierung und knackigen Parolen in der Wählergunst rechts und links der Mitte auf Wählerfang gehen kann, dies hat mittlerweile auch die AfD erkannt und lässt keine Provokation aus, um Schlagzeilen zu generieren. Eine wohlfällige Presse, die den medialen Hype zum Qualitätsmerkmal wie die „FAS“ erhebt, stimmt in den Chor mit ein und so entsteht ein verschwommenes Bild darüber, was Gauland nun gesagt oder auch nicht gesagt hat. Diese Unbestimmtheit wiegt wesentlich nachhaltiger als eine bestimmte Aussage des AfDlers, denn das Ungesagte hält den Diskurs im Schwange, verbreitet sich wie ein Krebsgeschwür über alle Nachrichtenticker, macht die Blase noch größer als sie ist, stülpt sie aus und schafft – was noch schlimmer ist – neue Asymmetrien in der Berichterstattung. Die Causa Gauland bestimmt den medialen Diskurs, wird geradezu auf ihn zugeschnitten, ertrunkene Kinder, Krieg und Terror dagegen, so wird es zumindest telegen suggeriert und inszeniert, sind unwichtiger als der Herr, der immer wieder die Worte „raum- und kulturfremd“ wie einen Bauchladen vor sich herträgt und diese wie ein Mantra wiederholt.



Die rituelle AfD-Rhetorik


Fast schon rituell ist das Prozedere der AfD-Rhetorik. Die Dialektik, die dahintersteht, folgt der Dynamik von Eskalation, öffentlicher Empörung und Deeskalation, einem klassischen Dreischritt von Tabubruch oder Provokation, dem medialen Wirkenlassen und dem anschließendem Dementi. Rechtsextremismusforscher nennen dies bereits eine „parasitäre Art der Kommunikation“, der es immer wieder gelingt, an der „rechtspopulistischen Eskalationsschraube“ zu drehen und damit einen Diskurs zu entzünden, um dann doch wieder zu bekunden, dass alles Gesagte nicht so gemeint oder eben falsch verstanden wurde. Damit bleibt die AfD im medialen Spiel, kann sich immer wieder als Angreifer und zugleich als Opfer stilisieren. Besser kann, dies müssen auch ihre Kritiker mittlerweile einräumen, eine mediale Strategie nicht funktionieren. Die AfD bleibt Meister bei der Provokation. Ihr geht es nicht um ernstzunehmende politische Ziele, um ein sachliches Problem-Lösen, sondern um gezielte Stimmungsmache, die in Zeiten der Flüchtlingskrise mit populistischem Drive versehen, die Stimmung im Land negativ anheizt. Es ist ein bisschen wie bei Donald Trump: Nicht die Wahrheit steht im Vordergrund, sondern das Palaver. Statt Wahrheit eine wohltemperierte Mixtur von Wohlanständigkeit einerseits und Hetze andererseits. Doch hinter allem offenbart sich die Fratze des Rassismus als bösartiger Kern der Rechtspopulisten, die alles, was nicht zur deutschen Kultur gehört zum unerwünschten Fremdling des biodeutschen Volkskörpers erklären.



Von Gaulands Mantras profitiert die Bundeskanzlerin


Sah es in den letzten Wochen danach aus, dass Gauland von seinem Mantras profitierte, hat sich das politische Klima zu seinen Ungunsten verschoben. Bundeskanzlerin Angela Merkel kann sich insgeheim nur freuen, denn Gauland übernimmt die Aufgabe des politischen Selbstmords jener Partei, die sich nicht nur für die internen Grabenkämpfe zwischen der CSU und der CDU verantwortlich zeigt, zwischen Bayern und Berlin, sondern durch deren Reingrätschen es auch immer schwieriger wird, sich im eingespielten politischen Fußballteam der etablierten Parteien schön und bequem einzurichten.
Angela Merkel hat schon viel Schlimmeres als Gauland überlebt. Und die erneute Forbes-Nominierung als „mächtigste Frau der Welt“ im sechsten Jahr in Folge scheint auch – allen Kritikern zum Trotz – dem Führungsstil der Kanzlerin Recht zu geben. Zur Begründung heißt es dort, dass Merkel für ihren Mut, ihre mutige Flüchtlingspolitik und für ihren Einsatz für die EU gelobt wird. Welchen Mut könnte man fragen? Da ist Gauland wohl mutiger, wenn er zumindest ein Unbehagen vieler Deutscher an der derzeitigen Politik ausspricht und damit kollektiv verhauen und zur persona non grata erklärt wird.


Es bleibt eben alles eine Frage der jeweiligen Auslegung. Schon Johann Wolfgang Goethe wusste im ersten Teil des „Faust“ zu sagen: „Denn eben wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein, Mit Worten lässt sich trefflich streiten, Mit Worten ein System bereiten, An Worte lässt sich trefflich glauben. Von einem Wort lässt sich kein Iota rauben. […] Doch ein Begriff muss bei dem Worte sein.“

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Über Stefan Groß-Lobkowicz 2126 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".

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