Die Lunte glimmt, das Fass ist voll

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„Menschenbienen, die Natur,

Gab sie euch den Honig nur?

Seht die Drohnen um euch her!

Habt ihr keinen Stachel mehr?“

Georg Herwegh

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) ruft zu mehr Corona-Gegendemos auf. O-Ton:“ Das was jetzt gerade stattfindet, alleine der Polizei zu überlassen, das ist nicht in Ordnung.“ Frage: Wie könnte, wie sollte eine ´Entlastung´ uniformierter Ordnungskräfte durch zivile Zöglinge seiner Meinung nach aussehen? Was gärt und geistert da im Kopf eines Mannes, der den erwünschten Ergebenheitsprotest eben nicht, wie bislang üblich, auf breiter Front erzwingen und erlassen, verfügen oder verordnen kann?

Im Regierungsbezirk Ostwestfalen-Lippe sind sie schon etwas weiter. Dort werden die Kreispolizeibehörden Paderborn und Gütersloh demnächst mit Tasern, sogenannten Elektroschockern, ausgestattet. Dafür stellt das Land – der Steuerdepp – schlappe 4,5 Millionen Euro zur Verfügung. Aktuell, so erfahren wir bei der Gelegenheit, sind bereits 744 (!) Geräte im Einsatz. Die haben sie sich natürlich auch nicht auf dem Flohmarkt erschwungen. Marc Lürbke, Landtagsabgeordneter der FDP (genau – das sind die mit den Bürgerrechten) ist ganz außer sich vor Glück:“ Ich freue mich, dass nun auch die Kreispolizeibehörden Paderborn sowie Gütersloh dazu gehören.“ Daniel Sieveke (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses, freut sich nicht minder. Auch der hat vorher Bankkaufmann gelernt. Im Einvernehmen mit Innenminister Herbert Reul trieben Lürbke und Sieveke die Anschaffung der Einsatzwaffen unermüdlich voran. Der Unionspolitiker zeigt sich ´dankbar´ und betont die abschreckende Wirkung: Taser seien „im Vergleich zur Schusswaffe ein mildes Mittel“.

Ich habe schon vor Jahren in einer längeren Studie (die u.a dem damaligen MdB Hans Christian Ströbele vorlag) den hochproblematischen Einsatz dieser Pistolen gebrandmarkt und als Einstieg in den Folterstaat gewertet – mit steigender Todesfolge. Das hat sich mittlerweile bestätigt. Demnach sind allein in den USA seit Einführung der Waffe bereits 1026 Menschen infolge Einsatz bzw. ´Behandlung´ gestorben. Im Blick auf jüngste Sprachregelungen könnte man alternativ formulieren: im Zusammenhang mit dem Einsatz der Waffe – an oder mit Stromschlag. Von der Lobby werden Taser, die mit einer Grundspannung von bis zu 50.000 Volt arbeiten, auch weiterhin als ´völlig harmlos´ eingestuft. In Deutschland forderte die ´Blitzpistole´, wie man sie verniedlichend in Polizeikreisen nennt, Anfang Oktober zwei Todesopfer. Die Fälle selbst werden immer kurioser. Jüngst ging jemand nach Abschuss buchstäblich in Flammen auf. Grund hierfür war ein leicht entzündliches Hand-Desinfektionsmittel. Das Opfer, ein 29 Jahre alter High School Sportler namens Jason Jones, habe nach Aussagen der Polizeibeamten ´Streit angefangen´. In den Akten ist von einer ´mutmaßlichen Aggression´ die Rede. Der solcherart Bezichtigte, eines Vergehens also nicht einwandfrei Überführte, wird aufgrund schwerster Verbrennungen bis ans Ende seines Lebens ärztlicher Dauerbehandlung bedürfen. Hüten darf sich umso mehr, wer unter Vorerkrankungen am Herzen leidet oder stark auf Medikamente angewiesen ist; hier schnellten die Zahlen der Opfer in den USA eklatant in die Höhe. Wahrscheinlich müssen sich Geschichten wie diese nur artig genug herumsprechen, um einer abschreckenden Wirkung, von der Sieveke und Lürbke träumen, ordentlich Nachdruck zu verleihen. Polizeiexperten warnen schon seit Jahren vor dem Taser-Einsatz und verweisen auf das hohe Missbrauchspotential der Waffe, deren Anschaffung das Herz unserer Landespolitiker höher schlagen lässt. Überforderte Einsatzkräfte, die der Herr Maier nicht ´allein´ lassen möchte, dürften demnächst aufatmen.

Der Staat rüstet auf. Und entrüstet sich über Menschen, die jetzt qua Verbot des Demonstrationsrechtes spazieren gehen müssen. Corona-Demos, deren Vollzug nicht den verordneten Vereinbarungen entspricht – sie wissen schon: schön Abstand zueinander einhalten und den Schmierlappen brav aufbehalten – werden umgehend unterbunden oder vorher schon verboten. Der Protest richtet sich aber gerade gegen diese Auflagen, er wäre also gar keiner mehr, folgten die Protestierenden den Maßgaben, gegen die sich ihr Unmut richtet. Angeblich gefährden sie damit die unermüdlich herbei geimpfte Volksgesundheit, deren Hege und Pflege schon zuvor mittels zahlreicher Grundrechts-Eingriffe zwangsexekutiert wurde. Das hat dem Wohlergehen der Menschen aber mal sowas von gut getan!

Nahezu gebetsmühlenartig beteuern Politiker und Medienschaffende, dass es sich bei den Spaziergängern um eine kläglich kleine Minderheit handelt, bestehend aus Querdenkern und Schwurblern, die nur im eigenen Saft gären. Aber das stimmt so nicht mehr. Es rechtfertigte ja auch nicht die Alarmstufen, die kraft dieser Winzlinge stündlich gezündet werden. Tatsächlich ist der Protest in der Mitte einer Gesellschaft angekommen, die genau dort auseinander bricht. Insofern findet hier gerade eine dezente Umverteilung statt. Auf die Straße gehen eben nicht nur besagte Störenfriede, die z.B als ´Ungeimpfte´ Intensivstationen blockieren und das Gesundheitssystem sprengen; beides wäre gleichzeitig auch gar nicht möglich. Es gesellen sich, mit jedem Gang, immer häufiger auch solche hinzu, die als Verlierer der Krise in etwa so schnell heranwuchsen wie jene sagenumwobenen Inzidenzen, die man uns täglich um die Ohren bläst. Es wurden eben nicht nur Intensivbetten abgebaut, es ging in den letzten zwei Jahren weit mehr verloren oder zugrunde. Der Unmut begann auch gar nicht mit Corona, die ´Pandemie´ wirkt jetzt eigentlich nur noch wie ein Verstärker – als Brandbeschleuniger. Die Wut der Menschen wurzelt tiefer, wie denn zu Beginn des Jahres 2022 immer deutlicher wird, dass die Interessen des Staates und seiner Lobby nicht länger mit denen der Bevölkerung übereinstimmen. Corona hat, jenseits des Maskengebots, auch zahlreiche Masken fallen lassen.  

Wer geht mit spazieren? Sicher die einen oder anderen Pleite-Einzelhändler und deren ehemalige Beschäftigte. Prekär Lohnabhängige, deren jeder dritte schon jetzt weiß, dass er von seiner Kümmerrente kaum wird leben können. Diese Menschen fürchten, dass man ihnen demnächst den Saft abdreht, weil sie die total überhöhten Strompreise nicht mehr blechen können; beim täglichen Maskengang zum Discounter wird bereits jeder Euro zweimal umgedreht. Leute auch, die es satt haben, das man sie, von der Arbeit und vom Einkauf einmal abgesehen, ihrer Mitmenschen fortlaufend abspenstig macht und in die ständige Einsamkeit verbannt. Und immer mehr von denen, die jenseits real-ökonomischer Befürchtungen das widersprüchliche Hin und Her Maßnahmenverrückter Dauerverordner nicht länger begreifen können noch ertragen wollen. Solche endlich, denen spätestens der dritte Piks ordentlich rein gelangt hat, mit üblen Nebenwirkungen; denen es folglich auch wie Hohn vorkommen muss, wenn andere, glücklicher Davongekommene, beteuern, bei ihnen habe es ´geklappt´. Ich denke ferner, als Lehrer, an alleinerziehende Mütter, die mit ihren Kindern sowieso heillos überfordert sind und bei einem neuerlichen Lockdown am Rad drehen werden. Schlicht: sollten und müssten eigentlich alle auf die Straße gehen; jeder einzelne von uns. Die wir – simples Beispiel – so langsam genug davon haben, von morgens bis abends unter dem Gesichtspanzer zu schwitzen, den sie uns für die nächsten Jahre fest verordnet haben. Der süße Kitzel, endlich wieder ohne Einschränkung in echte Gesichter statt in Masken schauen zu dürfen, ist den halbwegs normal Gebliebenen noch nicht zur Gänze abhanden gekommen. Verflüchtigt hat sich doch per se und per saldo, de jure und de facto das Menschliche, von dem dauernd in verlogener Manier, entlang altruistischer Heucheleien und hanebüchener Begründungen, die Rede ist. Da ist von morgens bis abends Corona das ständige Thema, während man die Leute mit ihren wirklichen Problemen allein lässt.

Sie alle, die jetzt unterwegs sind, haben erkannt: der Staat wird nicht mehr aufhören. Da geht noch was. Was kommt als nächstes? Wie weit werden sie dann gehen und wie lange lassen sie uns bis dahin überhaupt noch auf die Straße gehen?

Ein interessantes Phänomen ist diesbezüglich zu beobachten. Es sind zunächst recht Wenige, die auf der Straße gemeinsam unterwegs sind und mit den Ordnungshütern Katz und Maus spielen. Gänzlich Unbeteiligte schauen anfangs noch verschämt zu: im vorbei gehen oder vom Fenster aus, an der Ampel oder nach dem Verlassen der Straßenbahn. Viele kommen vom Einkauf oder von der Lohnarbeit. Gleich denen, die sich vorher noch verabredet haben. Die losen Haufen der Spielverderber, deren Aufmärsche gespenstisch still verlaufen, verblüffen. Das ´Publikum´ ist ziemlich baff. Den Leuten dämmert: die da ´spazieren gehen´, die trauen sich was. Und sind in Mehrzahl friedlich, eben: nicht gewaltbereit. Sie sind, man stelle sich das vor: wie du und ich. Leute, die einfach genug haben; solche, denen es reicht. Und siehe da: nach einigem Zögern treten die andern diskret hinzu; reihen sich wortlos, oft lächelnd ein – und gehen einfach mit. Im Freien, in der analogen Grundausstattung, finden die Menschen zueinander; nirgends sonst. Alles andere trennt – soll trennen. Das hat bis jetzt funktioniert.

Es nimmt kaum wunder, dass die stets als hinterwäldlerisch und rechts-affin gescholtenen Menschen in den neuen (!) Ländern den guten alten Straßenprotest anführen; eben: weil sie sich auskennen. Mit der Allmacht eines sich anmaßenden und allmächtig gebärdenden Staates so gut wie mit dem langen Marsch selbst, der übrig bleibt, wenn alles Übrige sich längst aufgebraucht hat. Es waren einst auch die rebellischen, unnachgiebig eigensinnigen Sachsen, deren meiste sich dem frommen Diktum Karls der Großen, seines Zeichens Missionar und ´Welteroberer´, erst nach einer 32jährigen, zäh ausgefochtenen Auseinandersetzung zähneknirschend unterwarfen, bevor sie erneut den Aufstand probten. Der ´Vater Europas´ ließ sie zu Tausenden zusammentreiben und abschlachten. Im ´roten´ – jetzt grünen – München, der Stadt der Räte und der Schwabinger Boheme, sind die Auseinandersetzungen mit Polizei und Ordnungsamt zurzeit besonders heftig. Die Herren Kretschmer und Söder äußern sich entsprechend. Ersterer kündigt ein härteres Vorgehen an, letzterer spricht, passend zur Pandemie, von der Notwendigkeit, die Gesellschaft heilen zu müssen.

Die Mächtigen von heute empfinden die Proteste wachsender Teile der Bevölkerung als illegitim. Das entlarvt ihre Ahnungslosigkeit; und zeigt, wie weit sie sich bereits vom Volk, auf dessen Wohl sie schwören, entfernt haben. Wie könnte es auch anders sein! Wer schon vor Amtsantritt versichert, keine roten Linien mehr kennen zu wollen, muss damit rechnen, dass die von ihm gezogenen irgendwann übertreten werden. Emmanuel Macron, der Darling unserer Eliten, nennt die Ungeimpften in seinem Lande ´Nicht-Staatsbürger´ und verspürt „große Lust, sie zu ärgern“, und zwar“ bis zum bitteren Ende.“ Dass kommt beim blöden Bürger auch genau so an, wie es gemeint ist: heute die – morgen ihr! Die Tagesschau wertet die Beschimpfung des französischen Präsidenten, gerichtet immerhin an schätzungsweise 5 Millionen BürgerInnen seines Landes, als ´klare Ansage´. Da macht der Mann einen auf Donald Trump, aber geht schon in Ordnung, er gehört ja zu den Guten, das reicht.

Was das gemeine Volk umtreibt: ist den Oberherrlichen dieser Welt schon immer vollkommen gleichgültig gewesen. Sie hatten gerade dafür nie ein passendes Organ. Marie Antoinette, Throngattin des Ludwig XIV, empörte sich am Vorabend der französischen Revolution über den aufständischen Pöbel zu Paris mit den Worten:“ Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“ Auf demnächst gemünzt könnte es, Versorgungsengpässe und Lohnstürze eingerechnet, vielleicht heißen:“ Wenn sie kein Klopapier mehr kriegen, sollen sie doch Seidentücher oder parfümierte Tischservietten zur Hand nehmen.“

In Kasachstans Millionenmetropole Almaty tobt schon seit Tagen und Nächten ein Mob, der sämtliche Schichten der Bevölkerung eint. Auslöser der Krawalle sei angeblich die drastische Erhöhung der Gaspreise gewesen. Hartz IV Empfängern droht in Deutschland diesbezüglich bereits der existentielle Ruin. Die Stuttgarter Nachrichten warnen:“ Der Gaspreis kennt nur noch eine Richtung.“

Im Blick auf das unruhige Ausland wird gern auf die moderaten Zustände im eigenen Land verwiesen. Soll heißen: im ewigen Wirtschaftswunderland wird es so weit doch nie kommen können. Dabei galt auch Kasachstan bis zum Ausbruch der Gewalt als ruhiger, stabiler Staat. Aufgrund der reichen Öl, – und Gasvorkommen ging es der Bevölkerung ungleich besser als den Menschen übriger GUS Staaten. Der Präsident des Landes, Schomart Tokajev, erklärte jetzt, dass die Protestierenden lediglich ´Gesetzesbrecher´ sind. Ihre Zahl wird auf einige hunderttausend geschätzt. Dann werden es in Wahrheit deutlich mehr als eine Million sein. Kaum zu glauben, wie schnell breite Teile der Bevölkerung, die gestern noch ganz brav und sittsam im Privaten parlierten, in plumpe, öffentliche Kriminalität abrutschen. Natürlich kommt auch eine Erhebung wie die kasachische nicht ohne ´Populisten´ und ´Umstürzler´ aus. Insofern entspricht die ´Einschätzung´ des Herrn Tokajev in etwa den Verlautbarungen unserer Politprominenz, die hinter jedem noch so täppischen Spaziergang gleich ein ganzes Netzwerk kruder Verschwörungstheoretiker vermutet. Tatsächlich artikuliert in Almaty eine beachtliche Minderheit den Groll der noch immer schweigenden Mehrheit, von der ja bis zum Schluss die Rede ist, um erstere bequem ins Unrecht zu setzen. Die Gaspreiserhöhung war weder Grund noch Ursache der Proteste, nur mehr ihr Auslöser – der Tropfen auf dem heißen Stein. Jetzt lässt die Regierung, mit russischer Unterstützung, auf den Pöbel schießen. Bekanntlich ist in Deutschland ein Generalmajor Breuer Leiter des Krisenstabes Corona. Er bliebe es auch, liefen bei uns die ´nicht angemeldeten´ Demos aus dem Ruder.

In Almaty geht niemand mehr spazieren. Das wäre zu gefährlich. In dieser Metropole marschieren sie längst gegeneinander auf – hier der Staat, dort die ´Verbrecher´. In Deutschland wiederum, das Zitat kennt jeder, löst der Rebell, will er einen Bahnhof stürmen, vorher brav die Bahnsteigkarte. Er respektiert, einschließlich der hauptsächlich auf Telegram verabredeten Treffs, die roten Linien; folgt den Vorgaben, auch wo er sie clever hintergeht oder hintertreibt. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an den friedlichen Protest in der ehemaligen DDR, der zu keinem Zeitpunkt mit dem Staat und seinen Eliten verabredet oder vereinbart, also: vorher angemeldet und abgesegnet worden ist. Er hätte sich dadurch auch selbst ad absurdum geführt; schlicht: ins eigene Unrecht gesetzt. Er blieb einzig deswegen gewaltfrei, weil die Mächtigen keinen Mumm mehr aufbrachten, ohne Rückendeckung aus der Sowjetunion auf´s eigene Volk schießen zu lassen. Zum anderen waren es einfach zu viele, die mitmachten, indem sie mitgingen. Draußen, auf der Straße. Da gehört der Protest nun einmal hin, dort wird sich am Ende alles entscheiden.

Über Shanto Trdic 127 Artikel
Studium der Sport-, Sozial-, und Erziehungswissenschaften an derUniversität Bielefeld. Seit 2006 Lehrer an der Gesamtschule Stieghorst,Sekundarstufe 1. Ehemals aktives SPD - Mitglied, nach Austritt keine weiteren Partei, - oder Vereinstätigkeiten.