Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg: Härte-Test ist die Demokratie

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Wahlen sind ein Hochfest der Demokratie. Doch mitunter sind die Ergebnisse nicht so, wie es sich die etablierten Parteien wünschen. Beispielsweise bei den nächsten Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Gewinner ist die Demokratie. Von Helmut Ortner.

Gerade bröckeln im Land alte Gewissheiten. In wenigen Wochen könnte eine teils rechtsextreme Partei stärkste Kraft in mehreren Landtagen werden – und Sachsen nach der Wahl ein Drei-Parteien-Land. Grüne und SPD müssen zittern, ob sie den Sprung über die 5-Prozent-Hürde schaffen. Auch bei den Wahlen in Thüringen und Brandenburg können links- und rechtspopulistische Parteien mit großer Zustimmung rechnen. Zusammen bis 40 Prozent der Stimmen sind möglich, so die Prognosen.

Alarmierende Zahlen für die etablierten Parteien. Sie zeigen, dass erhebliche Teile der Bevölkerung sich weigern, ihre Lebenswirklichkeit als demokratischen Idealzustand zu betrachten. Unsichere Jobs, wenig bezahlbare Wohnungen, fehlende Ärzte, ausgedünnter Nahverkehr, marode Schulen – dazu die »großen« Probleme: Krieg, Flucht, Migration. Viele Menschen – nicht nur im Osten der Republik – verlieren den Glauben, dass »die Politik« fähig ist, grundlegend daran etwas zu ändern. Sie blicken düster in die Zukunft, weil ihre Alltags-Wirklichkeit von »der Politik« ignoriert wird. So gerät die Demokratie außer Takt. Die Folge: Rückzug, Fatalismus, Nichtwählen – und Misstrauen. Eine aktuelle Umfrage aus dem »Sachsen-Monitor« des MDR bestätigt den Eindruck: 40 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass „die regierenden Parteien das Volk betrügen”. 33 Prozent finden, dass „unser Land mehr einer Diktatur gleicht”.

Resignation und Fatalismus schlägt um in Empörung und Wut. Aus Nichtwählern werden Protestwähler.  »Wir gegen die! – lautet die Parole, die sich im Wahlkampf-Endspurt zum giftigen Schlachtruf verdichtet.  Es geht jetzt darum, die regierenden Parteien abzuwählen, den »Alt-Parteien« die Quittung zu präsentieren. Das Vertrauen ist aufgebraucht.  Wenn es stimmt, dass der Osten so etwas wie „der Seismograph der Republik“ ist, dann steht zukünftigen Wahlen in der gesamten Republik der Demokratie-Härtetests bevor.

Müssen wir uns also ernsthaft Sorgen machen, wegen der zu erwartenden Mega-Erfolge für AfD und Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW).? Droht der parlamentarische Kollaps? Harald Schmidt, TV-Legende und feinsinniger Wirklichkeits-Erklärer, will davon nichts wissen. Er sagt: „Solange gewählt wird, haben wir eine Demokratie,“ Und dabei sei es egal, wer am Ende gewählt wird, denn: „das sind Ergebnisse von freien Wahlen, von freien, gleichen und geheimen Wahlen. Wenn ich das nicht will: „wollen wir dann Wahlen abschaffen oder Ergebnis vorher festlegen“, so Schmidt im »Deutschlandfunk Kultur«. Dafür gäbe es weltweit genügend Vorbilder. Nein, sagt Herr Schmidt, besser wäre es, eine „Politik zu machen, dass solche Wahlergebnisse nicht zustande kommen“. Wir möchten ihm hier vorbehaltlos zustimmen.

Wahlen sind ein Hochfest der Demokratie. Der Staat garantiert seinen Bürgern alle Freiheiten für ein persönliches Votum – in freier, gleicher und geheimer Wahl. Das unterscheidet den Rechtsstaat von Diktaturen und Autokratien. Der Souverän allein entscheidet. Und so wird es in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nach der Wahl wie immer Sieger und Verlierer, Begeisterte und Besorgte, Verbitterte und Verärgerte geben. Die einen werden euphorisch jubeln, andere den Niedergang des Abendlandes bejammern, wieder andere über ihre politische Restlaufzeit brüten. Egal wie das Votum ausfällt: das Volk hat gewählt. Gewinner ist die Demokratie.

Zu guter Letzt.: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Weiterhin gilt das Prinzip »Eigenverantwortung«.

Zitat:

»Notwendig wäre es, eine Politik zu machen, dass solche Wahlergebnisse nicht zustande kommen.

 

 

Über Helmut Ortner 97 Artikel
Geboren 1950 in Gendorf/Oberbayern und aufgewachsen in Frankfurt am Main. Schriftsetzerlehre, anschließend Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main, Schwerpunkt Grafik-Design. Es folgt Wehrdienstverweigerung – und Zivildienst. Danach journalistische Lehrjahre: Redakteur, Chefredakteur (u.a. Journal Frankfurt, Prinz). Ab 1998 selbständiger Printmedien-Entwickler mit Büro in Frankfurt. Konzepte und Relaunchs für mehr als 100 nationale und internationale Zeitschriften und Zeitungen, darunter Magazine wie Focus, chrismon, The European und Cicero, sowie Tages- und Wochenzeitungen, u.a. Das Parlament, Jüdische Allgemeine, Frankfurter Rundschau, Allgemeine Zeitung, Wiesbadener Kurier, Darmstädter Echo, De Lloyd Antwerpen, NT Rotterdam sowie Relaunchs in London, Wien, Sofia, Warschau und Dubai. Zahlreiche Auszeichnungen (u.a. European Newspaper Award, Hall of Fame, CP Award Gold). Daneben journalistische Beiträge zu politischen und gesellschaftlichen Themen, veröffentlicht in div. Tageszeitungen und Magazinen. Erste Buchveröffentlichung 1975, seither mehr als vierzig Veröffentlichungen. Übersetzungen in bislang 14 Sprachen (2018). Zahlreiche Preise und Einladungen: Stadtschreiberpreis der Stadt Kelsterbach, Lesereise Goethe-Institut Südamerika, Teilnahme an Buchmessen in Havanna, Istanbul und Buenos Aires sowie Lit.Col. Köln 2017. Zuletzt Lesereisen nach Lissabon, Turin, Tokyo. Helmut Ortner lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und in Darmstadt. Er ist passionierter Radrennfahrer, Eintracht Frankfurt-Fan und Pat Metheny-Liebhaber.