Lafontaine tritt von der großen politischen Bühne ab!

Wäre Lafontaine je richtig von der Leine gelassen worden und etwa seinem Wunsch entsprechend 1990 Bundeskanzler geworden, die Folgen wären desaströs gewesen. Jetzt, wo Lafontaine geht, kommen manchem Gegner sicher Verlustgefühle. So sehr hatte man sich an die Lafontainschen Absurditäten und Extremismen gewöhnt.
Irgendwie links, irgendwie extrem und irgendwie unkalkulierbar und launisch. Immer ohne wirkliches Konzept, aber über Jahrzehnte hinweg alle Nase lang irgendwelche aneckenden Forderungen durchpeitschen wollen, gerade so, als wenn diese Forderungen im konkreten Moment die Achse wären, um die sich die Welt drehte. Das war die Rezeptur OskarLafontaines sich jahrzehntelang auf einem oberen Platz der Hitliste der meistgeliebten und meist gehassten Politiker der Bundesrepublik zu halten.
Lafontaine geht vordergründig durch seine Krankheit veranlasst und das wussten seine Genossen sicher schon ein paar Tage länger. Gregor Gysi hatte eben noch den Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch im vorgeblichen Interesse Lafontaines gefällt, wie die Autorin hier und hier beschrieben hat. Es scheint allerdings nicht zuzutreffen, dass Gysi fremdnützig für Lafontaine gehandelt hat. Es scheint vielmehr so, dass er noch gerade „rechtzeitig“ alles dafür getan hat, um zu verhindern, dass Bartsch in den Parteivorsitz aufrückt, in welcher Konstellation auch immer. Angesichts des jetzigen schnellen Rücktritts von Lafontaine zeigt sich die Perfidie Gysis, dem es noch gerade eben gelungen ist, einen offenbar als Konkurrenten empfundenen Politiker kalt zu stellen. Auch Lafontaine selbst hätte vor einigen Tagen eine Ehrenrettung des Dietmar Bartsch ganz einfach bewerkstelligt haben können.
Eine Beschreibung der politischen Person Lafontaines unternahm die Autorin im Jahr 2008 als Lafontaine als Parteivorsitzender der Linkspartei wohl auf dem Höhepunkt seiner letzten gesamtdeutschen, linksparteilichen Karriere war:

Die Lafontaine-Falle: Der dumpfe Querschläger und die Linkspartei

Artikel vom 25.5.2008 nach einer Rede Lafontaines auf einem Parteitag der Linkspartei in Cottbus.
Was den Unionsparteien und der FDP nicht gelang, nämlich dem Jahrzehnte lang quasi naturgesetzlichen Aufstieg der SPD zur tonangebenden Volkspartei etwas entgegenzusetzen, hat Oskar Matzerath, Entschuldigung, Lafontaine, mittels seiner persönlichkeitsstrukturellen Zerstörungskraft besorgt.
Dabei ist er weit übers Ziel hinaus geschossen; er hat die SPD von innen heraus, quasi wie eine Art politischer Borderliner, der seine Umwelt in seine eigenen politischen Abgründe hinunterzerrt, zersetzt, entgeistet, verraten. Und er hat die SPD, die als eine stabile, politische Kraft von nicht zu unterschätzender gesellschaftlicher Nützlichkeit ist, auf eine 20 % Plus-Partei ohne Strahlkraft, ohne Vision, ohne Bindungswirkung, ohne Konzept herunter marginalisiert.
Wäre da nicht die bald 150-jährige Geschichte der SPD mit ihrer historisch normativen Wirkung, die SPD wäre womöglich inzwischen völlig bedeutungslos. Lafontaine hat seit seinen Tagen als Saarbrücker Jung-Bürgermeister in den siebziger und achtziger Jahren einen solchen Wust von Provokationen, Irritationen und in Wahrheit einen solchen Bombenhagel von Destruktion in die SPD hinein und damit auch in die Gesellschaft hinein geschleudert, dass die aktuelle Umfrage von Emnid für die Bild-Zeitung, ob Lafontaine „gefährlich“ sei, eine überaus plausible Ursache hat. Dabei hat sich Lafontaine noch weit weniger von seinem Gequatsche von Gestern beirren lassen, als Konrad Adenauer es von sich selbst behauptete.

Einen ganzen Bombenhagel von Destruktion

Dass sich viele katastrophale Widersprüche in seinem geistigen Waffenarsenal in seiner politischen Agitation befanden und befinden, stört ihn nicht. In seiner besessenen Egomanie weiß er wahrscheinlich nicht immer, was er tut und was er sagt.
Aber das Phänomen Lafontaine ist, dass ihm, der niemals mehrheitsfähig gewesen ist, in einer grenzenlosen Überrepräsentanz seiner Person, die Medien und die Öffentlichkeit in einer verantwortungslosen Art und Weise seit Jahrzehnten offen standen und auch jetzt willfährig zu Gebote stehen. Jeder andere Politiker, der eine solche Irrtumsquote in seinem politischen Tun aufgewiesen hätte, wie Lafontaine, wäre irgendwann einmal gnädig im historischen Ablagekorb der Geschichte mit der Aufschrift „lächerlich“ gelandet.
Die in kommunistisch denkenden Kreisen verbreitete Meinung, dass es historisch nicht auf Individuen, sondern auf Strukturen ankäme, hat sicher dazu beigetragen, dass es gerade die kommunistischen Strukturen sind, die einen geradezu sakralen Personenkult für die Führer hervorgebracht haben. Tatsächlich sind es natürlich oft Individuen, die gesellschaftliche Weichenstellungen bewirken und Lafontaine ist ein solcher singulärer Fall, der gesellschaftliche Fehlentwicklungen begünstigt.

Lafontaine war 1982 einer der Sargnägel der sozial-liberalen Koalition

1982 war Lafontaine einer der wichtigsten Sargnägel der sozial-liberalen Koalition und des vorzeitigen Endes von Kanzler Helmut Schmidt und damit de facto einer der Vorreiter der Kanzlerschaft Helmut Kohls. 1989 wollte er als Kanzlerkandidat der SPD nichts von den DDR-Bürgern wissen, nichts von Willy Brandt wissen (auf den er jetzt rekrutiert), was ihn jetzt nicht daran hindert, vor allem die Potenziale der namentlich untergegangenen PDS für seine persönlichen Machtziele abzuschöpfen.
Ihn störte einst der sowjetische Waffenexport in Krisengebiete nicht. Ihn störte auch das militärische Übergewicht der Sowjetunion in Osteuropa gegenüber Westeuropa in Zeiten des Kalten Krieges nicht. Ihn störte im geistig-politischen Gleichklang mit der damaligen DDR-Führung nur die westliche Nachrüstung, (Nato-Doppelbeschluss) die dann auf deutscher Seite von Helmut Kohl in konsequenter Fortsetzung der Politik von Helmut Schmidt durchgesetzt wurde.
Diese Asymmetrie: kommunistische Waffen gleich gute Waffen, freiheitlich demokratisch-kapitalistische Waffen gleich schlechte Waffen, findet sich im aktuellen Friedensgeschwafel in Lafontaines Rede auf dem Parteitag der Linken in Cottbus wieder. Immerhin ein Kontinuum in der ansonsten sprunghaften, chamelionartigen Agitation auf den Augenblick hin.

Das Programm heißt Lafontaine, das Stilmittel ist Demagogie

Die eigentliche Konstante im Leben des Lafontaine ist seine persönliche Machtbesessenheit und sein Trick ist perverserweise das Generieren von Macht nicht durch Konstruktion, sondern durch Destruktion. Sein Programm heißt Lafontaine, sein Stilmittel ist das der Demagogie und das der ideologischen Verdummung. Lafontaine gehörte einst irrtümlich zu den Trumpfkarten der SPD, weil ihm zugeschrieben wurde, dass er, ohne klassisch in die damals bedeutsamen Juso-Zirkel zu gehören, mit seinen linkspopulistischen Ausreißerthesen der SPD scharenweise Jungwähler (sowohl aus dem studentischen Milieu, als auch aus dem Gewerkschaftsbereich) zuführen würde, was zum Teil auch stimmte.
So wurde der SPD-Zersetzer Lafontaine von den Weitsichtigeren seiner Partei zwar kritisch gesehen, aber insgesamt doch gehätschelt. Das Lebenswerk des Oskar Lafontaine ist eine Art in die Länge gezogener erfolgreicher Amoklauf gegen die SPD und gegen seine früheren Weggefährten. Auch die Partei, die sich jetzt Die Linke nennt, was so etwas ähnliches heißen soll, als handelte es sich um eine linke Partei, wobei noch zu definieren bleibt, was links ist, scheint jetzt dem Lafontaine auf den Leim zu gehen.
Der Wunschgedanke der PDS, dass ihr neuer Halbgott Lafontaine den Westen für die PDS sturmreif schießt, könnte sich als fataler Irrtum und als mediale Eintagsfliege erweisen. Lafontaine, der bisher in seinem Leben mit politischer Brandstiftung keinerlei Berührungsangst zeigte, könnte am Ende auch der Zerstörer der PDS / Linkspartei sein.

Das Lebenswerk Lafontaines ist eine Art in die Länge gezogener Amoklauf gegen die SPD

Die Parteitagsrede Lafontaines, fast eine Stunde lang, war gespickt mit peinlichen Verhasplern. Die Auto-Emotionalisierungen, auf die Lafontaine offenbar hoffte, mochten sich bei ihm selbst nicht einstellen, kein Wunder bei einem derart abgedroschenen Sammelsurium von Phrasen aus dem kommunistischen Gemischtwarenladen.
Die Rede war intellektuell flach und ein Feuerwerk von falschen Tatsachenbehauptungen und gefährlichen Halbwahrheiten, wie die Welt und die Wirtschaft durch eine kommunistische Brille gesehen funktionierte oder besser fehl funktionierte: falsche Analysen, damit zwangsläufig fehlgeleitete Therapie, das ist es, was Kommunisten seit 150 Jahren hören wollen und was sie zum Schwelgen bringt und zum Wunden lecken ob ihres ebenso lang andauernden Versagens in der Praxis.
Die Rede war inhaltlich stumpf und auch die Vortragskunst hielt sich, von ihrer Aufpeitscherei abgesehen, die sicher irgendeine Wirkung entfaltet, in Grenzen. Das hindert manch eine Medienstimme nicht in alter Routine Lafontaine gar „Brillanz“ zu attestieren. Indes brillant war an der Rede in Cottbus nichts.
Verklausulierte und schäbig auf Täuschung angelegte uralte Hüte wurden da serviert, die letzten Endes auf Denkstrukturen zurückgriffen, an denen die DDR, unabhängig von ihrem ökonomischen Versagen, zugrunde gegangen ist, immerhin die DDR nannte sich auch „demokratisch“ und „sozialistisch“ und sprach von „Freiheit“ und „Gleichheit“ und „Brüderlichkeit“, von „Pazifismus“ und einer materiellen Versorgung aller, und von Glückseligkeit und vom Paradies. Letztere Vokabeln wurden allerdings in den politischen Manifesten nicht direkt ausgesprochen.

Lafontaines Rezepturen sind marxistischer kalter Kaffee

Lafontaines Rezepturen sind marxistischer kalter Kaffee von gestern und haben mit der Wirklichkeit der globalisierten Welt nichts zu tun. Realisierungschance: Null, wegen komplettem Realitätsverlust.
Lafontaine denkt offenbar mit den Beinen. Jedenfalls hat er in seiner Cottbusser Rede nach einem unverständlichen Ausflug in das erste Semester Mathematik mit dem angeblich verbreiteten Irrtum aufzuräumen versucht, dass ein „Floh“ mit den Beinen dächte, was nach der Lafontaineschen Logik im Umkehrschluss nahe legt, dass sein eigenes Denken beingesteuert sein könnte, will sagen: Lafontaine hat sehr viel geredet, was mit der Qualifikation aufgeblasener Quatsch noch gut bedient ist.
Lafontaine verfügt über keinerlei Humor, so dass man immer dankbar ist, wenn der Komödiant Gysi (leider auch nur noch ein müder Abklatsch seiner selbst aus seinen spritzigeren Neunziger Jahren und irgendwie doch gezeichnet durch die erdrückenden Stasivorwürfe) ein paar Witzchen dazu gibt.
Die Linkspartei, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, sicher nicht ganz von ungefähr, hat sich mit der dumpfen Querschlägerei des Lafontaine (der so viele Geldgeschenke verspricht, dass zumindest die Druckereien, die die beliebten Euroscheine herstellen, Neueinstellungen vornehmen müssten) in traditioneller Weise für das parlamentarische System disqualifiziert.
Fakt bleibt dennoch, dass die Kombination der Marke Lafontaine und Linkspartei eine nicht so kleine Minderheit von Wählern anzieht, die sich der Rattenfängerei gern hingeben möchten und die sich mehr Geld in ihrem Portemonnaie wünschen. Dieses Geld wird niemand von der Linkspartei bekommen können. Einer Partei, die den Wirtschaftskreislauf durch bloße ideenlose Abschöpfung, ohne Gegenleistung, ohne Gegenleistung überhaupt, der Zerstörung zu überantworten bereit ist.
Warum zündet die gefährliche Rattenfängerei? Sie zündet, weil die sozialen Korrekturen, die der Kapitalismus täglich behutsam, aber wirksam erfahren muss, nicht stattfinden und die Schere zwischen arm und reich zu weit auseinander geht. Dabei zeichnet für viele ökonomische Fehlentwicklungen nicht im eigentlichen Sinn der Kapitalismus verantwortlich, sondern der viel beklagte und ebenso oft bestrittene so genannte Werteverlust in der Gesellschaft. Es sind oft Fehlentwicklungen in den gesellschaftlichen Strukturen, die irrtümlich dem Kapitalismus angelastet werden.

Was hilft gegen die Linkspartei?

Was hilft gegen die Linkspartei? Die theoretische Entzauberung von Karl Marx, die immer noch nicht befriedigend geleistet ist. Dafür sollte sich die Wirtschaft gerade in prosperierenden Zeiten einen gut ausgestatteten Think Tank leisten, der es mit den geistigen Brutstätten kommunistischer Strukturen, die oft aus bloßem Idealismus gespeist sind, aufnehmen kann.
Und ansonsten ist es die vornehmste Aufgabe der SPD und des Vorsitzenden Kurt Beck, der auch deswegen glücklos ist, weil er es mit einer von Lafontaine ausgehöhlten SPD zu tun hat, es den Wählern und den Protestwählern der Linkspartei plausibel zu machen, dass sie ihre eigenen Interessen konterkarieren, wenn sie SED/PDS/Linkspartei wählen.
Nicht MIT der Linkspartei offen oder heimlich koalieren, sondern die Linkspartei argumentativ platt machen – das ist von jetzt an die vornehmste Aufgabe der SPD, ohne politische Anbiederung. Die PDS wird zwar gewiss nicht die im Moment in den Medien gehandelten 12 % bei der nächsten Bundestagswahl erringen, aber das Zuwachspotenzial, das der SPD hier zur Verfügung steht, ist doch immerhin so groß, dass sich die anderen Parteien (und zwar alle anderen Parteien) die Finger nach einem Koalitionspartner SPD lecken würden, wenn diese einen soliden substanziellen Schlussstrich unter Kokettiereien mit der Linkspartei setzen würde.
Links von der SPD braucht es gerade keine eigene Partei, sowie es rechts von der CDU keine eigene Partei bedarf. Volksverarmung via Linkspartei kann sich die Bundesrepublik nicht leisten. Da ist die SPD in der Verantwortung und das ist auch die Chance in der SPD hier pubertäre Kommunismusspielereien ihrer Wirkung zu berauben. Beck sollte sich lieber mit Frank–Walter Steinmeier und Peer Steinbrück (und natürlich Franz Müntefering) zusammentun, als den Einflüsterungen seiner an Jahren jungen Altlinken Andrea Nahles, die kein Magnet für Jungwähler ist, zu folgen. Die SPD muss raus aus der Lafontaine-Falle. Das ist wichtig für alle Parteien und auch für das politische System.
P.S. Die mageren Grundgesetzbekenntnisse der PDS, was taugen sie? Stünde die DDR wundersam morgen wieder auf, wieviel Grundgesetzliebe bliebe übrig? Was ist opportunistische Heuchelei?

Mit freundlicher Genehmigung von Bettina Röhl (www.welt.de)

Über Röhl Bettina 12 Artikel
Bettina Röhl, geboren 1962, ist eine deutsche Journalistin und Publizistin. Sie studierte in Hamburg und Perugia Geschichte und Germanistik. Seit 1986 arbeitet Bettina Röhl als Journalistin, unter anderem für die Zeitschriften Tempo, Welt, Vatikan-Magazin und Spiegel TV.

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