
„Was wissen wir, wozu uns die Umstände treiben könnten!“ – Nietzsche
Lohnt es, der Corona-Krise nüchtern und mit gebotenem Abstand (sic!) zu begegnen? Die Frage bleibt, wer sich das derzeit überhaupt noch leisten kann. Rasend schnell ist, nach zunächst recht zögerlichem Verlauf, die Welt in kollektiven Koller geraten. Da vergeht kein Tag mehr ohne phobische Bereitschaft und publizistischen Alarmismus, der nur noch gelten lässt, was in vereinbarte oder verordnete Schemata passt. Die Verunsicherung wächst stündlich, während man sich grundsätzlich einig ist, dass prinzipiell abweichende Meinungen per se falsch sein müssen. Anfangs noch geduldet, werden solche, die sie vertreten, nunmehr wie Hochverräter behandelt – und aus dem öffentlichen Diskurs verbannt, der um die ängstlich beschworenen Gewissheiten kreist wie eine irre Kompassnadel. Den „Abweichlern“ bleibt nur, im Tummelbecken digitaler Foren zu fischen. Also: im Trüben. Jenseits dieser Grauzonen, die nahezu jede Stimme einfangen und damit sämtliche diskreditieren, dominiert ein Chor der Einstimmigkeit, der maßlos übertönt, was nicht der verordneten Tonlage entspricht. Es steht jetzt absolut fest, worüber überhaupt noch diskutiert werden darf und wo der Spaß sofort aufhört.
Ob das noch normal sein kann? Ich fürchte: ja. Tatsächlich zeigt sich hier die Dauerhaftigkeit stammesgeschichtlich erworbener Antagonismen, deren Kenntnis wir den Feldforschungen der vergleichenden Verhaltensforschung (Ethologie) danken, die aber heute kaum noch Beachtung findet. Der Genetiker Alfred Kühn prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der ´Pseudotopotaxis´. Einer phobischen, ausweichenden Bewegung folgt, früher oder später, die erlösende ´Übersturz-Handlung´. Tatsächlich verhält sich der ´Homo Globalikus´ unserer Tage unter Anleitung seiner ´Eliten´ wie die von Kühn beobachteten Schnecken: ohne nennenswerte Absprachen, einzig durch die Hype der Medien justiert, haben wir uns alle entlang unserer ´Fühler´ (hier: Führer) von ´Phobikern´ zu ´Hysterikern´ gewandelt. Statt des Beuteerwerbs dominiert eine Art ´Meinungsirresein´. Und zwar Massenkompatibel. Das ganze ´Verfahren´ besteht laut Konrad Lorenz „darin, eine Folge von phobischen Reaktionen so aneinander zu reihen, dass sie sich zu einer in ihrem Ausmaß gesteuerten Richtungsänderung aufsummieren (LORENZ: Die Rückseite des Spiegels, S. 296).“
Der suggestive Begleitkanon der Corona-Krise wirft bereits ein bezeichnendes Licht auf die Beständigkeit ´normaler´ Haltungen und Verhaltensweisen. Doch so neu und unerhört uns allen auch vorkommen mag, was da seit Wochen stündlich auf uns zukommt und mit uns geschieht, so alt und abgestanden ist doch das begleitende Reizmuster selbst. Jenseits der von den Ethologen angedeuteten, tiefsitzenden Arttypischen Hypertrophien sind und bleiben wir völlig ahnungslos im Blick auf mögliche Konsequenzen, die übereilte Handlungen stets nach sich ziehen. Lange hatte man gezögert, dann ging alles ganz schnell – wie ´vorprogrammiert´. Es kommt aber fast immer anders als gedacht. Und oft, wenn keiner damit rechnet.
Im Zuge weltumspannender Informationsketten haben derzeit Milliarden Menschen zeitgleich bzw. analog dieselbe Angst, und sie fixieren diese notorisch auf ein im Grunde Unsichtbares, noch nicht in letzten Resten Festgestelltes. Die Meisten sorgen sich mittlerweile, was Wunder, mehr vor den Spätfolgen der ´Attacke´ als vor ihrem tückischen Zugriff selbst. Alle mahnen zur Zusammenarbeit. Da wird an die guten Instinkte in uns appelliert, an den Altruismus; während zeitgleich Schreckensszenarien die Gemüter verdüstern. Beides passt. Beides stimmt. Das kennzeichnet seit je Ergebnisoffene Abläufe, von denen keiner weiß, wodurch sie maßgeblich beeinflusst werden und wie überhaupt alles miteinander zusammenhängt, was der Stoßkraft neuen Schub verleiht. Die meisten lassen sich nachträglich ganz gut beschreiben, doch nicht in letzten Resten deuten. Wir bilden uns gern eine Menge ein; nur selten das, was wirklich auf uns zukommt.
Hätte irgendjemand noch vor zwei Monaten auch nur gemunkelt, was jetzt tagtäglich auf der ganzen Welt passiert: er wäre umgehend als ´Verschwörungstheoretiker´ abgekanzelt worden. ´Überrumpelungen´ kollektiver Art kennt die Geschichte freilich viele. Nicht einmal solche, die am Vorabend des 2. Weltkrieges oder schon kurz nach der Machtergreifung vor Hitler und den Nazis warnten, wären auf die völlig abwegige, recht eigentlich irrsinnige Idee gekommen, von Vernichtungslagern zu phantasieren, in denen Millionen Menschen fabrikmäßig ausgelöscht oder zugrunde gerichtet werden. Gespenstisch, das dies unter Umständen nicht einmal der große Satan selbst wusste, bevor ihm einfiel, was die Lakaien dann umso gründlicher und effizienter in die Tat umsetzten. Den großen Krieg, den der Führer der Deutschen zuvor vom Zaume brach, sahen die Hellsichtigsten durchaus nahen, doch von den Überlebenden, die dann in Europas Trümmern umherirrten, wird wohl niemand mit einem ´Wirtschaftswunder´ gerechnet haben, das der ´Stunde Null´ binnen kurzem folgte. Hinterher, und einzig dann, sind wir alle (etwas) schlauer geworden. Das bleibt die Regel. Bis zur nächsten Überraschung.
Mit Abstrichen kann auch die eigentliche Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts als ein Spektakel betrachtet werden, das man seinerzeit nicht kommen sah und dann in Echtzeit auf eine Weise erlebte, die mit den heute gängigen, sehr bequemen ´Erlebniswelten´ nur noch in Resten korreliert. Als der Student Gavrilo Princip den Österreich-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand meuchelte kam zunächst keinem der Gedanke, dass dieser Tat ein gleichsam Millionenfaches Massensterben in unerhörten, an Grauen kaum zu überbietenden Materialschlachten folgen würde. Vier volle Jahre lang. Darf man denen, die damals in die Scheiße schlitterten, nachträglich ihr eigenes Versagen vorwerfen? Das tun wir gern, aber damit ist wenig erklärt. Seinerzeit war es fast schon in Mode gekommen, dass Anarchisten Jagd auf Regenten und Angehörige des Hochadels machten. Mit mehr oder weniger Erfolg. Von diesen Fanatikern ging aber keiner ernsthaft davon aus, dass nur wenige Jahre später die monarchischen Großreiche über Nacht dahinsiechen und von den Landkarten verschwinden würden. Ähnlich verhielt es sich mit dem mächtigen Sowjetimperium und seinen Satelliten. Uns alle kennzeichnet ganz wesentlich die Ahnungslosigkeit, mit der wir geschlagen sind.
Auch jene, die mit einem Buckel daher kommt. Im ersten Weltkrieg hatte vor der hohen Generalität nicht einmal der Kaiser auch nur irgendetwas zu husten. Die Männer der Stunde hießen Falkenhain und Moltke, Hindenburg und Ludendorff. Heute heißen sie Drosten oder Wieler, Kekulé oder Streeck. Ohne sie und ihre ´Notverordnungen´ geht gar nichts mehr. Ihr Generalstab befindet sich hauptsächlich im Robert Koch Institut. Die meisten ´Durchhaltebefehle´ kommen derzeit aus der Berliner Charité. Untergeordnete ´Planstäbe´ befinden sich in den medizinischen Fakultäten hochdotierter Universitäten und Kliniken, deren ´Strategen´ stündlich ihre ´Aufmarschpläne´ korrigieren. Die Hauptstoßrichtung bleibt unverändert. Es gibt einen Haufen ´B-Pläne´ – nur kein Zurück mehr. Alternative Schlachtenpläne werden von der ´obersten Heeresleitung´ nicht einmal erwogen. Die ´Oberbefehlshaber´ eint das Dogma der totalen Mobilmachung: von ihnen verlangt, von der Politik betrieben – von uns allen befolgt. Das Volk wird so zur braven Heerschar degradiert und entsprechend abkommandiert: in die eigenen vier Wände. Kaum jemand wagt zu desertieren. Latrinenparolen machen stündlich die Runde. Die Männer und Frauen der Stunde verpassen all denen Maulkörbe, die ihre ´Manöver´ auch nur leise in Frage stellen. Das passt zum Mundschutz, den man nunmehr flächendeckend einführen möchte; was aber mangels Material nicht klappt. Wer diese Maßnahmen auch nur vorsichtig in Frage stellt, gilt bereits als ´Wehrkraftzersetzer´. Auch und gerade, wenn er derselben ´Truppe´ angehört.
Die gewählten Volksvertreter machen, Mutti voraus, einen auf Bethmann Hollweg. Erinnert: dieser war als Reichskanzler während des ersten Weltkrieges zunächst damit beschäftigt gewesen, den ´Schattenregenten´ in der Obersten Heeresleitung ständig neue Vollmachten zu erteilen und passende Blankoschecks auszuschreiben, wie denn seine Kanzlerschaft davon geprägt blieb, alles auf den hehren Waffengang auszurichten bzw. alle übrigen Belange diesem unterzuordnen oder irgendwie dienstbar zu machen. Unhinterfragt freilich nur so lange, wie dies Wirtschaft und Durchhaltewille der Bevölkerung noch verkraften konnten. Dennoch drohte er im Januar 1917, als sein Volk bereits vor Durst und Hunger verreckte, mit dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Er tat es aus Verzweiflung – und auf Druck der Generalität. „Wehe dem Staatsmann,“ seufzte Hollweg,“ der glaubt, dass wir nach einer Katastrophe, wie sie die Welt überhaupt noch nicht gesehen hat, einfach an das anknüpfen könnten, was vorher war.“ Die unter Schmerzen tapfer durchgehaltene Ergebenheit den Militärs gegenüber half ihm am Ende wenig, doch war er, von diesen schließlich zum Rücktritt gezwungen, gegen Kriegsende erleichtert, nicht länger über das Schicksal von Millionen entscheiden zu müssen. Ob wir demnächst mit der einen oder anderen Dolchstoßlegende konfrontiert werden? Man könnte auch fragen, wann die ersten Revolten zu erwarten sind, überhaupt: ob und wann die eingesperrte Bestie Volk ausrastet. Die Fieberkurze steigt, passend zu den Außentemperaturen, die schon von allein dafür sorgen werden, das die Menschen Massenhaft zurück ins Freie strömen.
Wenn seinerzeit das Militär in Deutschland regierte, dann tut das heute eine Handverlesene Schar ´Berufener´, die als Virologen oder Epidemologen, eben: als Experten zivilrechtliche Einschränkungen und Verbote mit Hinweis auf das Infektionsschutzgesetz begründen. Diese Herrschaften liefern den übertölpelt wirkenden Parlamentariern Empfehlungen, die kraft Verordnung zu Vorgaben werden, an die sich jeder Bürger halten muss. Und die auch keiner mehr ernsthaft hinterfragt. Sie gelten als alternativlos. Es kommt auch niemand auf die Idee zu fragen, warum es stets dieselben, und gar keine anderen Koryphäen mehr sind, die uns solcherart mit löchrigen Gewissheiten versorgen und den Politikern ´Gesetze des Handelns´ vorschreiben. Selten erschien die Deutungshoheit über ein Phänomen, das dubios und problematisch bleibt, so strikt einer schmalen Riege überantwortet, deren Träger dafür gesorgt haben, das alle irgendwie das Gleiche denken und fühlen, machen oder tun. Tatsächlich: fast alle halten sich an die Verbote. Allein: wie lange noch?
Erstaunlich, dass die Masse Mensch nun in der befohlenen Isolation, in der analogen Trennung ihrer Individuen, verlässlich kollektiv reagiert. In Zeiten scheinbar schrankenloser Selbstbestimmung, die der digitale Hyperraum beschwört, diktiert nun ein einziger Wille allen übrigen. Offenbar neigt gerade der moderne Mensch zur Konformität. Unter ´normalen´ Umständen so gut wie in der sich dehnenden, nicht enden wollenden Ausnahmesituation. Die Medien informieren weniger, als das sie ihre Klientel konditionieren. Hielt man die Klassiker der Massenpsychologie für erledigt, so zeigt sich eigentlich erst jetzt die Relevanz ihrer Befunde. Nicht in der analogen Variante, nein: im Autismus digitaler Rundumvernetzung dreht die Masse Mensch am Rad. Die Herren Freud oder Le Bon, Croce und Canetti, Moscovici oder Ortega y Gasset, Reich und Günther wussten wohl, wie tief der kollektive Archetypus wirklich reicht. Dieser Tage entstehen, noch unbemerkt, in zahllosen Einzelhaushalten neuartige, sehr zerbrechliche Milieus. Deren Eigentümlichkeiten wohl vom Zeugungsverhalten bis zur häuslichen Gewalt so ziemlich alles strapazieren, was unter normalen Umständen anderen Gesetzen unterlag. Man gewöhnt sich an Dinge, die gestern noch als unerhört galten, bevor sie morgen umso heftiger in Frage gestellt werden könnten, auf einen winzigen Auslöser hin; wer weiß.
Was bereits allzu deutlich geworden ist: Es bedarf nur einer relativ kurzen Spanne Zeit, um kritisches Denken überhaupt ´auszutreiben´, indem man kollektive Urängste schürt. Dann können demokratische Grundrechte über Nacht außer Kraft gesetzt werde. Was ehedem unmöglich schien: jetzt halten sich fast alle dran. Zweifler und Nörgler hat man rasch aus dem öffentlichen Raum verbannt. Und der Über-Fachmann Droste ist als ´Informations-Minister´ so sehr damit beschäftigt, der hörigen Chat-Gemeinde die immer gleichen Weisheiten immer öfter und eindringlicher zu verkünden, das man sich fragt, wie er nebenbei noch den Impfstoff ´zaubern´ möchte, der ihm und den Pharmariesen Milliardenumsätze bescheren wird. Zusätzlich zu denen, die von den übereilt auf den Markt geworfenen Ebola-Medikamenten und anderen chemischen Brustkeulen als Reingewinn ´abfallen´ – jetzt zahlt sich deren Herstellung eben richtig aus. Merke: ´Kriegsgewinnler´ hat es immer gegeben. WHO und RKI sind alles andere als unabhängige, gemeinnützige Einrichtungen. Sie gleichen eher mächtigen Konzernriesen, die vom Kapitalinteresse gelenkt und geleitet, gefüttert und ´gefürsorgt´ werden. Sicher: alles ´Verschwörungstheorie´. Beruhend auf falschen Zahlen. Oder Quellen. Schon dämmert einigen, dass jene, die man uns tagtäglich zumutet, nicht minder zwielichtig sind und bleiben. Aber das wäre dann schon wieder die nächste Verschwörungstheorie.
Ich beabsichtige nicht, den ausgewählten oder aussortierten Experten irgendwelche Kompetenzen abzustreiten. Die Materie ist kompliziert genug. Wie so viele da draußen pflege auch ich dauernden Kontakt zu Menschen, die mir die Nächsten sind und schon aufgrund ihres Alters und der unvermeidlichen physischen Einschränkungen zu den justierten Risikogruppen zählen. Ich äußere also nicht leichtfertig, was man mir locker um die Ohren bügeln könnte. Das tun gewiss auch nicht jene Außenseiter, die als gleichsam ausgebildete Fachleute der geltenden Lesart widersprechen und damit ab sofort in eine Reihe mit den ´Klima-Leugnern´ gestellt werden, von denen mittlerweile nirgends mehr die lästige Rede ist. Derlei ´Meinungsdissidenten´ flüstern im Netz, was von den Gralshütern der Zunft entweder ignoriert oder diffamiert wird. Sieht so eine offene Gesellschaft aus?
Das Gros politischer Entscheidungsträger, die immer auch ganz handfeste Interessen schirmen, tritt mittlerweile nicht mehr gegeneinander, vielmehr: in geschlossener, bedrohlich wackelnder Linie an. Es muss erlaubt sein, diese Linie grundsätzlich in Frage zu stellen. Hauptsächlich entlang sattsam verbreiteter Indizien, oft auf Verdacht, konsekrieren die ´Linientreuen´ Maßgaben, die jeden einzelnen von uns tief treffen. Wie steht es aber tatsächlich um deren Kompetenzen? Wenn der Ministerpräsident von NRW von einem Obrigkeitshörigen Zauderer und Bremser neuerdings zum Brandbeschleuniger mutiert (um den Herrn Söder zu überbieten?), entsprechend verfassungswidrige Gesetzpakete schnüren lässt und gleichzeitig wie ein dummer August im eigens für die Öffentlichkeit inszenierten Werbevideo den Mundschutz falsch anlegt (was jedes Grundschulkind richtig gemacht hätte), dann darf einem schon etwas mulmig werden: diesen Leuten also vertrauen wir unser Gemeinwesen an – sie verfügen über unser aller Wohl und Wehe. Aber mit den wirklichen oder vermeintlichen Fachleuten sieht es ja nicht anders aus. WHO und Robert Koch Institut, derzeit so etwas wie die delphischen Orakel der zivil-rechtlichen Welt, halten mit ihren stündlich wechselnden Expertisen die halbe Welt in Atem, im Würgegriff vielmehr, und widersprechen einander, trotz Einmütigkeit im großen Ganzen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit entlang jener Kleinigkeiten, auf die nun angeblich alles ankommt. Etwa, wo es um die derzeit als dringlich eingestufte Verordnung besagten Mundschutzes geht. Die einen (WHO) lehnen das ab und warnen sogar vor negativen Folgen, die anderen (RKI) wollen es um jeden Preis durchboxen. Der uneinholbar aktivster Preisboxer, besagter Professor Drosten, kündigt bereits an, sich demnächst aus der Öffentlichkeit zurück ziehen zu wollen, was fatal an einen längst der Vergessenheit anheimgefallenen Lobbyisten der Gesundheits – und Versicherungskonzerne erinnert. Professor Bernd Raffelhüschen bearbeitete seinerzeit die notorisch begriffsstutzige Öffentlichkeit bis zum Anschlag, er schürte Zukunftsängste und beschwor das Gespenst der Altersarmut, warf mit Zahlen um sich und gab erst Ruhe, als das Projekt Privatvorsorge wie eine Zwangsneurose in den Köpfen der Menschen umhergeisterte. Dann zog er sich zurück – aus der Öffentlichkeit. Nicht aber von den zahlreichen, bestens dotierten ´Nebengeschäften´, deren wichtigste in den unentbehrlichen Beraterfunktionen private Profite kumulieren. Sie können sich auch so denken, für welche Konzerne der Mann nach wie vor tätig ist. Seit 2011 schreibt Raffelhüschen auch regelmäßig Artikel für den Glücksatlas, den die Deutsche Post (Börsen-notiert) herausgibt.
Zurück zur Krise. Die geltenden und (noch) weitgehend befolgten Maßgaben und Direktiven verändern Mensch und Gesellschaft. Weltweit. Das fragile, globalvernetzte Warennetzwerk ist gekappt. Im Nu gerät aus den Fugen, was noch in der ängstlichen Schockstarre Normalität im Anomalen vortäuscht. Offenbar bleibt besagte Grundordnung, deren Fundamente ins Wanken geraten, überaus anfällig. Der resultierende Dominoeffekt wird zig Nebeneffekte zeitigen.
Derzeit begegnet man dem Phänomen, trotz krampfhafter Gegenbemühungen, vor allem Angstbesetzt. Im dauernden Corona-Modus. Die Leute wachen damit auf, sie schlafen damit ein. Und täglich grüßt das Murmeltier. Der Horror ist rundum in allen Ohren und in aller Munde, drängt sich auf sämtlichen Kanälen gebieterisch in die erste Reihe und stets hat das allerletzte Wort, wer mit den Leitwölfen heult. Die resultierenden Verhaltensweisen sind also Mainstream, wie erwartet und erwünscht. Erinnert: zu Beginn der Hype kursierten schon die üblichen Corona-Slapstick – Formate in den digitalen Netzwerken. Da nahm das noch keiner wirklich ernst. Jetzt vergeht kein Tag mehr ohne derlei affige Albernheiten, die den begleitenden Ernst umso anschaulicher beschwören. Der aber bleibt dem gängigen Dogma strikt hörig. Werden neuerdings auch in Resten eigene Haltungen erkennbar, entspricht der Tenor doch besagter Doktrin nahezu deckungsgleich. So geht Krise.
Alle machen jetzt einen auf ´Zusammenhalt´ und ´Durchhalte-Tapferkeit´, aber das ist nur Mache. Medientauglich inszeniert. Schon das wirre Durcheinander Meinungsfestigender Bemühungen konterkariert den Ansatz, so etwas wie eine Volksgemeinschaft trotz Trennung ihrer Anteile zu beschwören. Täglich, stündlich neu. Probleme tauchen auf, die es vorher nicht gab und solche, die es erst im Zuge der Hype geben konnte – geben musste? Wer dächte da nicht an das Schicksal moribunder Menschen im vielbeachteten Bergamo, die infolge aufgebrauchter Kapazitäten, von grassierenden Krankenhauskeimen zusätzlich und nachhaltig geschwächt, wie die Fliegen sterben. Womöglich taten sie es auch vorher schon. Doch kaum so einsam und verlassen, so anonym und würdelos. Der Fall Italien wiegt schwer und deutet an, wie komplex und verwickelt eine Problematik ist, die von den Meinungsmachern so bequem auf einen einzigen Auslöser zurück geführt wird.
Noch fehlt der nötige Abstand, um Phänomene beurteilen zu können, die uns gnadenlos über den Kopf gewachsen sind. Wir stecken zu sehr mittendrin, um einen Überblick gewinnen zu können. Um noch einmal den Kriegs-Vergleich zu strapazieren: Je länger die ´Schlacht´ dauert, umso deutlicher werden die Kollateralschäden ausfallen. Die begleitenden Kollektiv-Symptome kann man wiederum in zwei Gruppen einteilen. Eine einfache Mehrheit wird im Laufe der Zeit abstumpfen (Immunität), die anderen drehen durch (Fieber-Wahn und Atemnot), und alle werden irgendwie versuchen, halbwegs heil ´durchzukommen´ (Resistenz).
Nihil sub sole novum
Shanto Trdic