Die Entwicklung und Implementierung von KI-Technologien findet zunehmend unter der Kontrolle mächtiger, multinationaler Konzerne statt – darunter Google, Microsoft, Meta, Amazon oder BlackRock. Diese Unternehmen fungieren als technopolitische Zentren globaler Macht. Ihr primäres Ziel ist nicht gesellschaftlicher Fortschritt, sondern systematische Kapitalakkumulation und die umfassende Monetarisierung menschlicher Verhaltensdaten.
Datenerhebung: Wie Informationen gesammelt und gesteuert werden
Jede Nutzerinteraktion mit KI – Chat-Gespräche, Texteingaben, Klickmuster – wird protokolliert und in zentralisierten Datenbanken gespeichert. Selbst manuell gelöschte Konversationen bleiben oft im System erhalten. Ein US-Gericht urteilte im Mai 2025, dass OpenAI verpflichtet sei, auch gelöschte Chats unbegrenzt zu archivieren (Quelle: Medium).
Diese Datenströme dienen als Rohmaterial für Modellverbesserung, Marktprognosen und psychometrische Nutzeransprache. Nutzer:innen werden dabei zu „Datenlieferanten“, deren Verhalten in „Verhaltensprodukte“ umgewandelt wird – das Kernprinzip des Überwachungskapitalismus (vgl. Shoshana Zuboff).
Unsichtbare Arbeit: Menschen im globalen Datenraubbau
Die Annotation der Trainingsdaten erfolgt meist durch schlecht bezahlte Clickworker im globalen Süden. Viele arbeiten für unter 2 US-Dollar pro Stunde, oft ohne soziale Absicherung. Diese Form der digitalen Ausbeutung bleibt weitgehend unsichtbar – bildet aber das Fundament für moderne KI-Systeme (The Guardian). Die scheinbare „Automatik“ der KI beruht auf menschlicher Arbeit unter prekären Bedingungen.
Surveillance-AI-Pipeline: Forschung als Überwachungsinstrument
Ein erheblicher Teil der Forschung im Bereich Computer Vision, Natural Language Processing oder Predictive Analytics fließt direkt in militärische und polizeiliche Überwachungstechnologien. Über 11.000 Patente im Bereich Gesichtserkennung und Körperscanner wurden aus zivilen Forschungspublikationen abgeleitet (Wikipedia, The Guardian). Damit wird Wissenschaft zur Pipeline industrieller Kontrolle und technischer Souveränität.
Gute vs. böse KI: Wer entscheidet über maschinelle Moral?
- „Gute“ KI kann medizinische Diagnosen erleichtern, Bildungszugänge schaffen oder Barrierefreiheit erhöhen – vorausgesetzt sie ist lokal kontrolliert und datenschutzkonform. Doch gerade solche gemeinwohlorientierten Anwendungen sind durch die Logik der Profitmaximierung strukturell benachteiligt.
- „Dunkle“ KI dient der Manipulation: Sie beeinflusst Verhalten, steuert Märkte und untergräbt demokratische Prozesse. Intransparent, nicht rückverfolgbar – und weitgehend jenseits gesellschaftlicher Kontrolle.
Gefahr für Kinder und Jugendliche
Junge Generationen entwickeln emotionale Bindungen zu KI-Systemen – ob durch Chatbots, Lernplattformen oder virtuelle Avatare. Werden diese Systeme in Schule, Beratung oder Psychotherapie eingesetzt, ohne ethische Kontrolle, besteht das Risiko algorithmischer Identitätsformung. Kritisches Denken könnte dabei durch automatisierte Antwortlogik ersetzt werden – eine stille, aber wirkmächtige Form der Erziehung zur Konformität.
Machtkonzentration: Szenarien einer KI-dominierten Welt
- Fast Takeoff – Eine exponentielle Selbstweiterentwicklung der KI, die menschliche Kontrolle in kürzester Zeit überfordert (Live Science, Tom’s Guide).
- Kapitalistische Superintelligenz – KI wird zum strategischen Instrument wirtschaftlicher und politischer Machtkonzentration. Ihre Entscheidungen bleiben intransparent und gefährden fundamentale Menschenrechte.
- Überwachungskapitalismus – Eine stille Form der Steuerung: nicht durch Zwang, sondern durch Verhaltensmanipulation, Datenanalyse und algorithmisch strukturierte Lebensrealitäten.
Privatsphäre in Gefahr: Der ChatGPT-Retentionsfall
Im Mai 2025 entschied ein US-Bundesgericht, dass OpenAI sämtliche Nutzerinteraktionen – auch vermeintlich gelöschte – dauerhaft speichern muss (Ars Technica, TechRadar). Diese Entscheidung untergräbt das Vertrauen von Millionen Nutzer:innen und steht im Widerspruch zu internationalen Datenschutzstandards wie der DSGVO. OpenAI nennt den Fall selbst ein „Privacy Nightmare“.
Algorithmische Kontrolle am Arbeitsplatz
Unternehmen wie Amazon und Microsoft nutzen KI-basierte Überwachungstools: Gesichtserkennung, Emotionsmessung (EEG), Keystroke-Tracking oder automatisierte Leistungsbewertungen. Die Folgen: Druck, Stress, psychische Belastung – und ein Verlust an menschlicher Würde am Arbeitsplatz. Studien zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen algorithmischer Kontrolle und sinkender Zufriedenheit (Reddit, The Guardian).
Algorithmische Verzerrung: KI als Spiegel gesellschaftlicher Ungleichheit
KI ist nicht neutral. Ihre Modelle reproduzieren bestehende Vorurteile – etwa bei Hautfarbe, Geschlecht oder sozioökonomischem Status. Studien zeigen Fehlerraten von über 35 % bei der Gesichtserkennung dunkelhäutiger Menschen. Diese Verzerrungen führen zu realen Diskriminierungen – bei Kreditvergabe, Strafverfolgung oder Jobbewerbungen.
Forderungen zur digitalen Selbstermächtigung
- Transparenzpflichten: Offenlegung der gesamten Datenflusskette („Decision Provenance“) – wer greift wann auf welche Daten zu, und warum?
- Rechtliche Regulierung: Durchsetzbare Datenschutzrichtlinien (EU-DSGVO, Digital Markets Act), gerichtliche Kontrolle technischer Infrastrukturen und klare Haftung bei Fehlverhalten.
- Technologische Alternativen: Förderung offener, datensparsamer Plattformen wie Signal – als Gegenentwurf zu profitorientierter Infrastruktur.
Schlussgedanke
In einer Welt, in der globale Konzerne die KI-Infrastruktur dominieren, entstehen neue, unsichtbare Machtverhältnisse. KI ist keine neutrale Technologie – sie kann befreien oder beherrschen. Besonders Kinder und Jugendliche sind durch algorithmisch strukturierte Informationswelten gefährdet.
Es liegt an uns, welche Form der Zukunft wir zulassen: Eine technokratische Welt im Dienste der Kapitalakkumulation – oder ein digital-demokratischer Raum, der Selbstbestimmung, Transparenz und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt.
Es ist höchste Zeit, wach zu werden.
