Ghosting im Recruiting: Wenn Funkstille Karrieren stoppt

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Bewerbungen verschwinden unbeantwortet, Kandidatinnen und Kandidaten springen ohne Vorwarnung ab – Ghosting prägt den Arbeitsmarkt und gefährdet Chancen auf beiden Seiten, weiß Jan-Niklas Hustedt, Geschäftsführer der Sparkassen-Personalberatung GmbH und Recruiting-Experte:

„Mit jedem Klick auf ‚Bewerbung absenden‘ steigt die Hoffnung und mit jedem Tag ohne Antwort wächst die Enttäuschung. Für viele endet dieser Moment nicht mit einer Einladung, sondern mit Funkstille. Ghosting im Bewerbungsprozess frustriert nicht nur Berufseinsteigerinnen und -einsteiger, sondern auch erfahrene Fach- und Führungskräfte. Aktuelle Stepstone Zahlen belegen: Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Jobsuchenden erhalten keine abschließende Rückmeldung. 44 Prozent erleben die Funkstille unmittelbar nach dem Versand ihrer Unterlagen und 9,5 Prozent sogar nach einem Vorstellungsgespräch.[1] Gleichzeitig berichten 70 Prozent der Personalverantwortlichen selbst schon von Kandidatinnen und Kandidaten geghostet worden zu sein, oft, weil Bewerbende zwischenzeitlich ein anderes Angebot angenommen haben oder den langwierigen Auswahlprozess frustrierend fanden.[2]

Bewerbererfahrungen wirken weit über den Auswahlprozess hinaus

Paradox wirkt das Phänomen vor allem in Zeiten akuten Fachkräftemangels, in denen Unternehmen eigentlich jede qualifizierte Bewerbung nutzen müssten. Dieses Schweigen sorgt für Entmutigung, hinterlässt Fragezeichen und hat trotzdem nur selten mit einem mangelnden Interesse zu tun. Viel öfter spielen technische Filter, strategische Überlegungen oder schlicht fehlende Kapazitäten im Recruiting. Hinzu kommt: Menschen trennen heute kaum noch zwischen der Erfahrung im Bewerbungsprozess und der generellen Wahrnehmung einer Marke. Läuft das Gespräch oder der Auswahlprozess schlecht – oder kommt es zu Ghosting – färbt dieses Gefühl auf das gesamte Unternehmen ab. Selbst bei einer ordnungsgemäßen Absage durch die Verantwortlichen, kann ein negatives Bewerbererlebnis dafür sorgen, dass die Marke im Freundes- und Bekanntenkreis kritisch bewertet wird. Solche Erlebnisse sprechen sich schnell herum und wirken langfristig auf das Arbeitgeber- und Unternehmensimage.

Chance oder Stolperstein?

Immer mehr Unternehmen setzen auf Bewerbermanagementsysteme, um den Zustrom an Bewerbungen zu steuern. Diese Programme scannen Lebensläufe nach Schlüsselbegriffen und gleichen sie mit den Stellenanforderungen ab. Fehlen dann entscheidende Schlagworte, passt die Berufsbezeichnung nicht exakt oder erhält der Lebenslauf Lücken, verschwindet die Bewerbung häufig, bevor ein Mensch sie überhaupt gesehen hat. Studien, etwa von der Harvard Business School zum Thema „Hidden Workers“, zeigen: So gehen Firmen regelmäßig hoch qualifizierte Kräfte verloren, die nicht ins Raster einer starren Vorauswahl passen. In der globalen Studie wurden mehr als 8.000 sogenannte Hidden Workers sowie über 2.250 Führungskräfte in den USA, Großbritannien und Deutschland befragt. Unternehmen, die gezielt diese Zielgruppe einstellen, gaben an, 36 Prozent seltener unter Fach- und Qualifikationslücken zu leiden, und dass diese versteckten Fachkräfte ihrem normalen Vergleichsteam in sechs entscheidenden Kategorien wie Einstellung, Produktivität oder Engagement deutlich überlegen sind.[3]

Eindeutiges beidseitiges Risiko

Ghosting trifft beide Seiten: Bewerbende verlieren wertvolle Zeit und Unternehmen riskieren den Verlust passender Talente. Über die Hälfte der Interessierten (54 Prozent) brechen eine Bewerbung ab, wenn Rückmeldungen ausbleiben.[4] In Betrieben mit unbesetzten Ausbildungsplätzen springt inzwischen fast jeder vierte Bewerbende ohne Vorwarnung ab – oft kurz vor Vertragsunterschrift.[5] Diese gegenseitige Funkstille spiegelt die zunehmende Anonymität im digitalen Bewerbungsprozess wider, in dem E-Mail, Filter und automatisierte Antworten an vielen Stellen echte Kommunikation auf Augenhöhe ersetzen. Zwar sollen solche Prozesse die Auswahl effizienter machen, aber sie bergen in diesem Zusammenhang auch die Gefahr, mehr Distanz zu schaffen. Standardtexte, lange Antwortzeiten oder sogar völlige Funkstille hinterlassen bei Kandidatinnen und Kandidaten schnell den Eindruck fehlender Wertschätzung und führen dazu, dass Bewerbungen so im Nichts enden. Wer durch Raster fällt, erhält selten eine Begründung. Wer sich bewirbt, investiert Zeit und Engagement. Daher signalisiert eine zeitnahe und wertschätzende Rückmeldung – selbst in Form einer Absage – Respekt und hält Türen für künftige Bewerbungen offen. Unterbleibt diese Reaktion, verbreiten sich negative Erfahrungen schnell – und schaden nachhaltig der Arbeitgeberreputation.

Dringend Bewerbungsprozesse neu denken

Unternehmen, die den Bewerbungsprozess aus Bewerbersicht gestalten, profitieren gleich doppelt: Sie erhöhen einerseits die Resonanz auf ihre Ausschreibung und stärken andererseits ihre Reputation. Dazu gehört es unter anderem, Anforderungsprofile regelmäßig zu hinterfragen, Filter so zu gestalten, dass sie Potenziale erkennen, statt sie auszuschließen und transparent über den Stand des Prozesses zu informieren. Direkte Ansprache über Netzwerke, kurze Feedbackschleifen und klare Ansprechpartner senken Hürden zusätzlich. Bewerbungen markieren den Beginn einer möglichen Zusammenarbeit, wer diesen ersten Schritt ernst nimmt, steigert nicht nur die Chancen auf eine passende Einstellung, sondern baut auch langfristig Vertrauen auf.“

Weitere Informationen finden Sie unter https://sparkassen-personalberatung.de/

Sparkassen-Personalberatung GmbH

Die Sparkassen-Personalberatung ist seit 2017 am Markt aktiv und existiert in ihrer jetzigen Form seit Januar 2024 als eigenständiges Unternehmen. Sie gehört zur Sparkassen-Finanzgruppe und ist in dieser Form die größte Inhouse-Personalberatung in der DACH-Region. Derzeit beschäftigt das Unternehmen 60 Mitarbeiter. Dabei versteht sich die Sparkassen-Personalberatung als Vermittler hochqualifizierter Fach- und Führungskräfte für Festanstellungen innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe sowie bei deren Kunden aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ihr Fokus liegt sowohl auf Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels als auch auf der Etablierung eines modernen, bewerberorientierten Recruiting-Prozesses.

Jan-Niklas Hustedt

Jan-Niklas Hustedt ist Geschäftsführer der Sparkassen-Personalberatung GmbH. Seit knapp 10 Jahren im Bereich der Personalberatung tätig, beschäftigt er sich vor allem mit den Themenfeldern Recruiting und Personalgewinnung.

[1] https://www.thestepstonegroup.com/deutsch/newsroom/pressemitteilungen/ghosting-im-bewerbungsverfahren-fast-zwei-von-drei-jobsuchenden-erhalten-keine-abschliessende-rueckmeldung/

[2] Ebd.

[3] https://www.hbs.edu/managing-the-future-of-work/Documents/research/hiddenworkers09032021.pdf

[4] https://www.thestepstonegroup.com/deutsch/newsroom/pressemitteilungen/ghosting-im-bewerbungsverfahren-fast-zwei-von-drei-jobsuchenden-erhalten-keine-abschliessende-rueckmeldung/

[5] https://iab.de/presseinfo/ghosting-im-job-jedem-vierten-betrieb-mit-unbesetzten-ausbildungsplaetzen-springen-bewerberinnen-ab/

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