Annette Meyer: Die Epoche der Aufklärung

Goethe- und Schiller-Denkmal in Weimar, Foto: Stefan Groß

Annette Meyer: Die Epoche der Aufklärung, 2. Auflage, De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2018, ISBN: 978-3-11-046130-5, 24,95 EURO (D)

Das Zeitalter der Aufklärung war ein Zeitabschnitt zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert, der durch bestimmte Ideen und geistige Entwicklungen geprägt war. Die Aufklärung ging zunächst von England, Frankreich, den Niederlanden und später auch von Deutschland aus und gelangte anschließend nach Nordamerika. In Deutschland wirkte die Bewegung der Aufklärung vor allem im Zeitraum zwischen 1720 und 1800.

Man war bestrebt, sich von alten Denkweisen und früheren Vorstellungen zu befreien. Die Menschen sollten – anders als früher – ihren Kopf benutzen und nichts als gegeben hinnehmen, ohne es mittels der Vernunft zu hinterfragen. Dies richtete sich vor allem gegen blinden Gehorsam gegenüber der Kirche und anderen Obrigkeiten, gegen Vorurteile und Aberglauben. In den Augen der Aufklärer war allein der Verstand in der Lage, die Wahrheit ans Licht zu bringen und Vernunft und Freiheit das richtige Mittel, um die Menschen von Unterdrückung und Armut zu erlösen.

Bildung und Wissenschaft sollten gefördert und vor allem in allen Schichten der Bevölkerung verbreitet werden. Die Aufklärer wollten Freiheit und Gleichheit für die Menschen sowie Toleranz gegenüber anderen Religionen – eine Forderung, die in der damaligen Gesellschaft äußerst neuartig und einschneidend war. Es wurden Lesegesellschaften gebildet, Philosophen begannen, an den Universitäten die Grundsätze der Aufklärung zu lehren und über die Kunst wollte man schließlich die breite Bevölkerung erreichen.

In diesem Fachbuch für das Studium der Geschichte gibt Annette Meyer eine Einführung in Epochen, Themen und Arbeitstechniken der Epoche der Aufklärung auf dem neuesten Forschungsstand.

Das Buch beginnt mit einer Frage, ob die Aufklärung eine abgeschlossene Epoche oder ein immerwährendes Projekt sei. Gleichzeitig gibt sie einen Überblick über Entwicklungen der Aufklärungsforschung. Dann geht sie auf die Merkmale der Aufklärung und dessen Hintergründe ein: Die Erweiterung des menschlichen Horizonts durch Erkenntnis und Erfindungen, veränderte Menschenbildung und eine neue Erfahrung der Welt und die Frage der gesellschaftlichen Ungleichheit. Anschließend stellt sie das europäische Mächtesystem in der Epoche dar, bevor sie dann auf das Spannungsfeld zwischen Kolonialismus mit Rassismus und Kosmopolitismus zu sprechen kommt. Dem folgen Diskurse von Macht und Herrschaft, Orte der Aufklärung wie Medien oder Lesegesellschaften und die intellektuellen Vordenker der Aufklärung. Danach geht es um Religionskritik und die Idee der Toleranz sowie Erneuerungen des herrschenden Glaubens. Erkenntniswege der Aufklärung wie Wissenschaft, Erkenntnistheorie und Methode oder Esoterik als Übersinn folgen danach. Die Reaktionen der traditionellen Machthaber und Verteidiger der alten Ordnung werden dann vorgestellt. Inwieweit sich Erziehungs- und Bildungsvorstellungen änderten und welche Maßnahmen dem folgten, wird dann skizziert. Inwieweit die Aufklärung für die ideologische Vorfeldorganisation und die Durchführung der Französischen Revolution verantwortlich ist, wird danach diskutiert. In einem umfangreichen Serviceteil werden noch allgemeine bibliografische Hilfsmittel, Forschungsinstitutionen und Datenbanken, Lexika des 18. Jahrhunderts, Werkausgaben, Periodika und Institutionen zu einzelnen Autoren vorgestellt. Im Anhang findet man noch die zitierte Literatur, ein Abbildungs- und Personenverzeichnis sowie ein Glossar.

Die einzelnen Kapitel sind nach gleicher Systematik aufgebaut: Ein einleitender Teil, dem dann drei Unterkapitel folgen mit wichtigen Stichpunkten am Rand. Am Schluss gibt es Fragen und Anregungen und Lektüreempfehlungen für Quellen und Sekundärliteratur.

Dies sind hohe didaktische Standards, die die Voraussetzung für ein individuelles Lernen ermöglichen. Merkmale, Voraussetzungen, Vordenker, Themen und Praxis der Aufklärung werden auch überzeugend zusammengefasst, wobei der Begriff des aufgeklärten Absolutismus etwas mehr in den Mittelpunkt gestellt werden könnte. Die Haskala, also die jüdische Aufklärung, kommt hier leider nur am Rande vor.

Die Grenzen und Widersprüchlichkeiten der Aufklärung bei Außenseitern, Minderheiten wie Sinti und Frauen, Sklaven werden dagegen überzeugend dargestellt.

Die Kritik an der Aufklärung von progressiver Seite ist unterrepräsentiert: Bemängelt wurde von vielen zeitgenössischen Denkern, Schriftstellern und Künstlern, dass das aufklärerische Menschenbild dem „ganzen Menschen“ nicht gerecht werde und ihn auf ein Verstandeswesen reduziere, das in einem maschinenähnlichen Körper wohnt. Ebenso die Fortschrittsgläubigkeit – das naive Vertrauen in die Errungenschaften der Naturwissenschaften und Technik – wurde angeprangert. Es kamen Zweifel auf, ob die Probleme und Konflikte im menschlichen Zusammenleben in einer von der Vernunft geleiteten Gesellschaftsordnung beseitigt werden könnten.

Insgesamt gesehen ist es ein Buch auf hohem didaktischem Niveau, fast alle wichtigen Bereiche der Aufklärung werden analysiert und diskutiert. Der umfangreiche Serviceteil ermöglicht das selbständige Forschen oder Arbeiten in dem Bereich der Epoche der Aufklärung und ersetzt ein eigenständiges Tutorium zu dem Thema. Daher ist dieses Buch mehr als ein Einführungsband.

 

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Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.