Katholische Akademie in Bayern: Akademiegespräch mit Angelika Nußberger und Verfassungsgerichtspräsident Hans-Joachim Heßler

„Demokratie und Rechtsstaat bedingen einander“

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Im Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshof, Dr. Hans-Joachim Heßler und der früheren Vizepräsidenten des Europäischen Gerichtshofs, Prof. Dr. Angelika Nußberger, hatte Akademiedirektor Dr. Achim Budde bei seinem regelmäßigen Akademiegespräch am Mittag zum Thema „Die dritte Staatsgewalt in Gefahr?“ Fachleute geladen, die das Thema in aller Tiefe ausloteten.

So waren sich beide Gesprächspartner darin einig, dass die Unabhängigkeit der Gerichte zuerst fällt, wenn ein demokratischer Staat in einen autoritären umgewandelt wird. Frau Nußberger sprach von einem „Modell, das fast regieartig in Ungarn begann und dann in Polen fortgeführt und eskaliert“ wurde, so dass nun „keine Justiz mehr die Rolle spielt, die sie spielen sollte“.

Demgegenüber betont Heßler für Deutschland, dass gerichtliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts weiterhin auf breiten Konsens vertrauen dürfen. Er habe selbst nach kontroversen Entscheidungen seines Gerichts – wie etwa kürzlich zum Polizeiaufgabengesetz – keine großen negativen Reaktionen erlebt: „Die Unterstützung der Bevölkerung für die Justiz ist noch groß“. In diesem Zusammenhang appellierte er an die Politik, die Funktionsweise der Gerichte zu erhalten.

Unterschiedlicher Meinung waren die beiden bei der Frage eines Parteienverbots aufgrund eines gesichert verfassungsfeindlichen Verhaltens. Während Heßler dafür plädiert, „ergebnisoffen zu prüfen, ob ein Verbot angezeigt und ob es erfolgsversprechend wäre“, ist Nußberger mit Verweis auf die Türkei deutlich kritischer. Sie habe erlebt, dass Parteien gestärkt daraus hervorgingen. Sie befürchte, ein „Verbot sei eben nicht der Schlusspunkt, sondern der Anfang einer noch negativeren Entwicklung“. Deshalb sehe ja das Verfahren vor, dass ein Verbotsantrag auf einem breiten Konsens aller entscheidenden Institutionen des Staates stehen müsse.

Auf die Frage nach der gescheiterten Wahl der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts betonen beide, ein Wahlverfahren, das auf breiten gesellschaftlichen Konsens aufgebaut ist, kommt in einer zersplitterten Gesellschaft an seine Grenzen. Trotzdem würden beide am bestehenden Verfahren festhalten und appellierten an die Politik, sich ihrer diesbezüglichen Verantwortung bewusst zu sein, denn unzweifelhaft sei die Bereitschaft von kompetenten Richterinnen und Richtern, sich diesem Verfahren zu unterziehen, gesunken.

An die Adresse der Kirchen wandte sich Heßler mit der Aufforderung, den Freiheitsgedanken hochzuhalten, gerade in einer schwieriger werdenden Umgebung.

 

 

 

 

 

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